Cannabislegalisierung in Deutschland!
Neuigkeiten
Argumente
Politik
Verein
Aktionen
Medienprojekt
Infos über Cannabis
Hanf & Recht
Politik international
Studien
Bücher
Links
Suchen
Kontakt
in English in English
 

Neuigkeiten: Oktober 2002

Schlagzeilen:
Jamaika: Kommissionsvorsitzender protestiert [31.10.2002]
Berliner Justizsenatorin fordert Straffreiheit bis 15g [30.10.2002]
Wolfgang Neskovic: Richtervereinigung fordert Cannabisfreigabe [27.10.2002]
Bayerisches OLG: Industriehanf ist "Rauschgift" [24.10.2002]
Caspers-Merk bleibt Drogenbeauftragte [24.10.2002]
Cannabusiness-Bericht online [23.10.2002]
Irland will medizinische Cannabiszulassung vorbereiten [23.10.2002]
Brandenburger Innenminister warnt vor Diskussion [21.10.2002]
Großbritannien: Cannabispatient freigesprochen [19.10.2002]
Crack: 10 Tage Haft für Präsidentennichte [19.10.2002]
Schweiz: Suchtfachleute für Straffreiheit [17.10.2002]
Koalitionsvertrag, Antwortschreiben der Grünen [16.10.2002]
Kopf an Kopf-Rennen bei Cannabisinitiative in Nevada [15.10.2002]
Berlin: Oberstaatsanwalt fordert schrittweise Drogenreform [15.10.2002]
Niederlande lehnen EU-Mindeststrafen ab [15.10.2002]
EU-Initiative bedroht Coffeeshops [13.10.2002]
Koalition will auf "präventive Drogenpolitik setzen" [11.10.2002]
Heute wird verhandelt! [10.10.2002]
Artikel von Dr. Nedelmann in der FAZ [09.10.2002]
Drogenbeauftragte zensiert eigene Pressemitteilung [09.10.2002]
Europäischer Jahresbericht 2002 veröffentlicht [07.10.2002]
Fahrplan der Koalitionsverhandlungen [06.10.2002]
Drei Jahre Haft für britischen Coffeeshop-Betreiber [04.10.2002]
VfD stellt Forderungen an SPD und Grüne [04.10.2002]
Kanadische Regierung erwägt Entkriminalisierung [04.10.2002]
12 Jahre Angleichung beim Cannabiskonsum [03.10.2002]
Fischer: "Damit rennen Sie bei uns offene Türen ein" [03.10.2002]
Kongress fordert "Einstieg in den Ausstieg" [01.10.2002]
Steuern und Drogenvorbeugung [01.10.2002]
Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez, Archiv (seit 07/2000), Newsletter (CLN)
 
Wichtige Themen:
Zahlen zum Cannabisverbot
Flugblatt zur CannabisKampagne
Infoheft zur Cannabislegalisierung
/
Rechtsgleichheit / § 31a
Koalitionsvereinbarungen
Cannabis und Führerschein
3 Joints = 20 Zigaretten?
Terrorismus und Drogenhandel

Terminübersicht (alle Termine hier):

Demo in Basel (30.11.2002)
CannaTrade/Bern (28.02.2003)
UN-Konferenz/Wien (08.04.2003)
MMM (03.05.2003)
Hanfparade (23.08.2003)

CLN - wöchentlicher Newsletter
Jeden Freitag Informationen!
Hier melden Sie sich an
Kontakt: info@cannabislegal.de

CLN - der Cannabislegal.de Newsletter


31.10.2002

Jamaika: Kommissionsvorsitzender protestiert [31.10.2002]
Professor Barry Chevannes von University of the West Indies in Jamaika hat gegen die Verhaftung eines älteren Mannes wegen Cannabisbesitz protestiert. Der 92-jährige Egbert Williams wurde am 30.08. nach einer Durchsuchung seines Hauses verhaftet und anschliessend vor Gericht gestellt. Am Montag, 04.11. sollte er wieder vor Gericht erscheinen. Dazu kam es nicht, weil Herr Williams noch im Oktober an einem Schlaganfall verstarb. Professor Chevannes leitete die von Premierminister P.J. Patterson eingesetzte Ganja-Kommission, die im August 2001 der Regierung die Entkriminalisierung geringer Mengen von Cannabis empfahl. Bisher wurde diese Empfehlung vom Parlament noch nicht verwirklicht.

Chevannes decries senior's ganja arrest [Jamaica Gleaner, 29.10.2002]
Cannabis in Jamaika


30.10.2002

Berliner Justizsenatorin fordert Straffreiheit bis 15g [30.10.2002]
Karin Schubert (SPD), die Berliner Justizsenatorin, plant laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung eine Initiative im Bundesrat, um den Besitz von bis 15g Cannabis für Erwachsene straffrei zu stellen. Frau Schubert verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994, das eine bundesweit einheitliche Rechtspraxis zur Straffreistellung beim Besitz geringer Mengen gefordert hatte. Bei einer weitergehenden Reform soll Cannabis nach dem Willen der Ministerin auch über Apotheken verkauft werden.

Der Plan soll nächste Woche mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) abgesprochen werden. Am 14.11. steht das Thema auf der Tagesordnung der Justizministerkonferenz. Eine Einigung bei der Festlegung der "geringen Menge" scheiterte bisher u.a. am Widerstand von Bayern, dessen Landesregierung auf einer bundesweiten Regelung nach Münchner Muster besteht. In Bayern werden Verfahren nur eingestellt, wenn es um maximal 3 "Konsumeinheiten" (in der Praxis maximal 3 bis 6 Gramm) geht. Wenn der Betreffende bereits früher mit Cannabis ertappt worden ist, drohen selbst bei noch geringeren Mengen empfindliche Strafen.

Sollte es bei der Justziministerkonferenz (etwa wegen des Widerstands von Ländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen) zu keiner bundesweiten Regelung kommen, dann wäre eine Gesetzesänderung erforderlich. Im Bundesrat, wo Berlin die Initiative einbringen will, haben SPD-geführte Landesregierungen jedoch zur Zeit keine Mehrheit. Eine Straffreistellung einer geringen Menge von Cannabis durch eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes von 1972 wäre derzeit allenfalls im Bundestag durchsetzbar, wo SPD und Grüne die erforderliche absolute Mehrheit haben. Ein solcher Vorschlag würde dort jedoch, trotz Karlsruher Entscheidung, bei Hardlinern wie Innenminister Otto Schily auf Widerstand stossen.

Dennoch wird dieser Vorschlag aus den Reihen der SPD zumindest die öffentliche Debatte um eine Cannabisreform weiter beleben.

Die "taz" berichtet:

In Berlin war bisher bei bis zu 6 Gramm keine strafrechtliche Verfolgung zu erwarten. Nun sollen volljährige Berliner bis zu 15 Gramm in der Tasche haben dürfen, sagte Justizsprecherin Andrea Boethke. Nach ihren Angaben will Schubert das Thema beim nächsten Treffen der Landesjustizminister am 14. November auf die Tagesordnung bringen. "Dort eine Einigung zu erzielen, wäre die schnellste Lösung." Berlin sei aber auch zu einer Bundesratsinitiative bereit.

Hintergrund der Initiative ist ein Passus im Koalitionsvertrag der rot-roten Regierung. Danach wollen PDS und SPD die Entkriminalisierung des Besitzes und der Abgabe geringer Mengen von weichen Drogen prüfen. Erste Schritte in diese Richtung gehen außer von Karin Schubert auch von Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) aus. Die PDS hat neben den Bündnisgrünen die Forderung nach einer Entkriminalisierung von weichen Drogen ohnehin schon länger im Programm.

Rauchsignale von Rot-Rot [taz, 31.10.2002]
Berlins Justizsenatorin will Cannabis-Initiative einbringen [Märkische Oderzeitung, 30.10.2002]
Fünfzehn Gramm für alle [Tagesspiegel, 31.10.2002]
Bald mehr Hasch erlaubt? [B.Z., 31.10.2002]

Berliner Koalition: "Entkriminalisierung prüfen" [CLN#44, 11.01.2002]
Welche Reformen sind möglich?
Cannabis in Apotheken
SPD und Cannabis
PDS und Cannabis


27.10.2002

Wolfgang Neskovic: Richtervereinigung fordert Cannabisfreigabe [27.10.2002]
Am Samstag, 26.10.2002 erschien ein Leserbrief von Wolfgang Neskovic in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Der vor einem Jahrzehnt durch seinen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht bundesweit bekannt gewordene Richter aus Lübeck nahm damit Bezug auf einen FAZ-Artikel von Dr. Carl Nedelmann vom 09.10.2002:

Schädliches Cannabis-Verbot

Der auf Entkriminalisierung gerichtete Beitrag von Carl Nedelmann "Hanf ist ein ganz besonderer Stoff" (F.A.Z.-Feuilleton vom 9. Oktober) überzeugt in Begründung und Konsequenz. Die Neue Richtervereinigung e.V. fordert seit 1987 die Freigabe von Cannabis und sieht sich dabei im Einklang, nicht nur mit der übergroßen Mehrheit der Rechts-, Natur- und Gesellschaftswissenschaftler, sondern auch mit vielen Praktikern bei Polizei und Justiz. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Cannabis-Beschluß 1994 den Gesetzgeber verpflichtet zu prüfen, ob es jetzt noch hinreichende Gründe für eine Aufrechterhaltung des Verbots gibt. Die in Auftrag gegebenen Gutachten liegen längst vor. Eine Fortsetzung der Kriminalisierung tragen sie nicht. Gleichwohl stellt sich der Bundesgesetzgeber seiner Verantwortung nicht.

Eher kosmetische Maßnahmen auf Länderebene bei der Konsumentenverfolgung werden mehr als kompensiert durch neue Gesetze im Verkehrsrecht, denen Sachgründe wie beim Strafrecht ebenfalls fehlen. Das hat verheerende Folgen: Neben einem aufgeblähten Apparat, der zahlreiche Planstellen verbraucht, die bei der Verfolgung schwerer Kriminalität fehlen, werden insbesondere die Glaubwürdigkeit und Autorität des staatlichen Strafverfolgungsanspruches schwer beschädigt. Gerade den massenhaft betroffenen jungen Menschen gegenüber wird eine Strafnorm aufrechterhalten, die ohne Substanz und ohne materielle Gerechtigkeit ist. Damit stellt der Staat die Wahrhaftigkeit und Durchsetzbarkeit seines Normengefüges in Frage. Die bigotte Aufrechterhaltung einer Strafnorm ist dem Staat wichtiger als der Jugendschutz - das ist die Botschaft, die hinter der Fortsetzung der Kriminalisierung steht und die von den jungen Menschen auch so verstanden wird. Deshalb gilt nach wie vor: Nicht Cannabis ist schädlich, sondern sein Verbot.

Wolfgang Neskovic, Lübeck

Hanf ist ein ganz besonderer Stoff [FAZ, 09.10.2002]
Ärzte und Cannabisverbot
Neue Richtervereinigung e.V. - Homepage
Vorlagebeschluss des Landgerichts Lübeck


24.10.2002

Bayerisches OLG: Industriehanf ist "Rauschgift" [24.10.2002]
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in einem Revisionsverfahren gegen den Geschäftsführer der Firma Rumpelstilzchen entschieden, dass fast THC-freier Nutzhanf, der als Tabakersatz verkauft wird, ein "Rauschgift" sei. Der Verkauf des sogenannten "Knasters" sei mithin also strafbar.

Für Industriehanfsorten mit weniger als 0,3% des Cannabishauptwirkstoffs THC gilt in Deutschland eine Sonderregelung, die ihren legalen Anbau ermöglicht. Die Richter entschieden jedoch, dass es im Falle eines Verkaufs zum menschlichen Konsum belanglos sei, wie niedrig der Gehalt an THC sei, da die Ausnahmeregelung für diese Sorten nur für gewerbliche Zwecke gelte (z.B. Weiterverabeitung der Pflanzen zur Fasergewinnung). Laut Betäubungsmittelgesetz sind Cannabispflanzen und Teile dann vom Verbot ausgenommen,

wenn sie aus dem Anbau in Landern der Europäischen Union mit Zertifiziertem Saatgut, das in der jeweiligen Fassung des Anhangs B zu Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1164/89 der Kommission vom 28. April 1989 (ABI. EG Nr. L 121 S. 4) aufgeführt ist, stammen oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,3 vom Hundert nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Mißbrauch zu Rauschzwecken ausschließen,

Setzt sich die Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts durch, dann wären alle Lebensmittel auf Hanfbasis (wie z.B. Hanfbier) in Deutschland illegal, obwohl sie selbst bei hoher Dosierung keine THC-bedingte Rauschwirkung hervorrufen (Aktenzeichen 4St RR 80/2002).


24.10.2002

Caspers-Merk bleibt Drogenbeauftragte [24.10.2002]
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Marion Caspers-Merk aus dem südbadischen Wahlkreis Lörrach bleibt weiterhin Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Am 22.10. wurde sie erneut von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in ihr bisheriges Amt berufen.

Die baden-württembergische Abgeordnete Birgitt ("Biggi") Bender wird neue Gesundheits- und drogenpolitische Sprecherin der Grünen. Ausser zu Konsumräumen für Heroinkonsumenten und zum Heroin-Modellversuch hat sie bisher drogenpolitisch kaum öffentlich Stellung bezogen.

Marion Caspers-Merk, Drogenbeauftragte
Birgitt Bender wird gesundheits- und drogenpolitische Sprecherin (Bündnis 90/Die Grünen)
Homepage: Biggi Bender


23.10.2002

Cannabusiness-Bericht online [23.10.2002]
Ein Bericht von der diesjährigen Cannabusiness steht jetzt auf der Website dieser Hanf-Messe online.

Nachlese 7. Internationale CannaBusiness [18.10.2002]
Homepage der CannaBusiness


23.10.2002

Irland will medizinische Cannabiszulassung vorbereiten [23.10.2002]
Der Gesundheitsminister der Republik Irland, Michael Martin, hat eine Studie zu Cannabis als Schmerzmittel in Auftrag gegeben. Der irische Ärzteverband (Irish Medical Organisation, IMO) begrüsste die Entscheidung. Ein britischer Arnzeimittelhersteller hat bereits eine staatliche Genehmigung, auf Cannabis basierende Arzneimittel nach Irland zu importieren.

In Großbritannien wird die Zulassung von Cannabis als Arzneimittel bereits mit ähnlichen Studien vorbereitet, wie sie jetzt in Irland geplant sind. Cannabis war in Großbritannien bis Anfang der 70er Jahre ein legales Arzneimittel.

In Deutschland wurde die medizinische Verwendung von Cannabis im Jahre 1958 unter Strafe gestellt. Eine Verfassungsklage gegen das Verbot medizinischer Verwendung wurde abgelehnt, weil noch keine staatliche Genehmigung beantragt worden war. Seitdem sind aber alle solchen Anträge abgelehnt worden.

Irland: Medizinische Verwendung von Cannabis soll erlaubt werden [Ärzteblatt, 22.10.2002]
Release of Positive Data from Completed Phase II Pain Trial [GW Parmaceuticals (GB), 30.09.2002]
Ablehnungsschreiben vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (MS Word™ Doc-Format)
Horst Möller, Ingo Flenker: Cannabis als Medizin [Bundesministerium für Gesundheit, 2001]
Links zu Cannabis als Medizin
Cannabis als Medizin


21.10.2002

Brandenburger Innenminister warnt vor Diskussion [21.10.2002]
In Brandenburg wurde in den ersten neun Monaten des Jahres gegen 79 Kinder unter 14 Jahren als Tatverdächtige im Zusammenhang mit Drogendelikten ermittelt. Das ist eine Zunahme um fast die Hälfte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Kinder, denen Handel vorgeworfen wird, stieg von 3 auf 10. Doch ausgerechnet in den negativen Folgen der bisherigen Politik sieht die Landesregierung ein Argument für deren Beibehaltung. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dazu:

«Hier wird der Grundstein zu kriminellen Karrieren gelegt», warnte Schönbohm. Deshalb muss alles unternommen werden, um Kinder von diesem Weg abzubringen. «Vor allem dürfen wir nicht länger durch törichte Entkriminalisierungsdebatten die Hemmschwellen senken. Wer Drogenbesitz als Bagatelle verharmlost, gefährdet das Leben unserer Kinder.»
Ein Artikel in der "Märkischen Allgemeinen" berichtete anlässlich obiger Pressemitteilung:
Der Bernauer Jugendrichter Andreas Müller hingegen hält diese Argumentation für "absurd". "An Cannabis", betont er, "ist weltweit bisher keiner gestorben.". Haschisch und Marihuana seien "keine Einstiegsdroge", dies, so Müller, habe das Bundesverfassungsgericht schon 1994 dargelegt. "Eine seit 30 Jahren praktizierte Kriminalisierung weicher Drogen ist gescheitert", hält der Jugendrichter dem Innenministerium entgegen.

Nicht nur vo Rauschgift warnen

Zudem kritisiert der Jurist den Einsatz von Polizisten bei der Drogenprävention. Für offene Aufklärungsgespräche mit Schülern seien Polizisten nicht geeignet, weil diese jede Straftat, die ihnen bekannt wird, anzeigen müssten. Müller: "Da macht man den Bock zum Gärtner."

Darüber hinaus sei der Präventionsansatz des Potsdamer Innenressorts unzureichend, wenn nur vor dem Gebrauch von Rauschgift gewarnt werde. Laut Müller greifen Kinder tendenziell immer früher zu Suchtstoffen, nicht nur zu Drogen, auch zu Alkohol und Nikotin. "Das ist ein Problem der Gesellschaft." Fatal sei es, wenn Eltern den Wein- und Bierkonsum für normal hielten, den Cannabiskonsum hingegen nicht. Anstatt den Gebrauch von Cannabis unter Strafandrohungen zu verteufeln, müsse Kindern erklärt werden, dass jedes Mittel, im Übermaß eingenommen, zerstörerisch wirke.

Dem Innenministerium in Potsdam scheint dabei selbst klar zu sein, dass in der Drogenpolitik Repression weniger effizient ist als Prävention:

Die Verfolgung von Drogenstraftaten erfordert nach Kalkulationen des Innenministeriums "ein wesentlich höheres Zeitvolumen als auch größere finanzielle Ressourcen als gezielte polizeiliche Präventionsmaßnahmen" - zumal das Problem in Zukunft eher wachsen wird und die Drogenerstkonsumenten seit Ende der 90er Jahre immer jünger werden.

Der Vergleich mit den liberaleren Niederlanden, die ohne die negativen Folgen der Kriminalisierung auskommen, zeigt dass Repression kein besseres Mittel zum Jugendschutz ist als Prävention. Laut der Drogenaffinitätsstudie Jugendlicher in der BRD 2001 hatten im Jahr 2000 etwa 6,5% der 12- bis 15-jährigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland Erfahrungen mit illegalen Drogen. In den Niederlanden hatten 5,9% dieser Altersgruppe Erfahrungen mit Cannabis. Im Altersbereich von 16 bis 19 waren es in Deutschland etwa 33,5% und 28,4% in den Niederlanden (siehe Anmerkung).


Anmerkung: Um dem Einwand vorzubeugen, dass sich obige Zahlen in einem Fall auf alle illegalen Drogen, im anderen nur auf Cannabis beziehen, möchten wir darauf hinweisen, dass sich die Prävalenzzahlen dafür nur minimal unterscheiden. Zwei Bespiele: 26% der 12 bis 25-Jährigen in Deutschland hatten Erfahrung mit Cannabis, 27% allgemein mit illegalen Drogen (einschliesslich Cannabis). Bei den 18 bis 59-Jährigen in Westdeutschland sind es 21,4% bei Cannabis zu 21,8% bei illegalen Drogen, im Osten 10,8% zu 11,0%. Die Mehrzahl der Konsumenten illegaler Drogen meidet andere illegalen Drogen als Cannabis. Von jener Minderheit, die andere illegale Drogen probiert haben, haben fast alle auch Cannabiserfahrung. Die Zahlenunterschiede zwischen nur Cannabis und illegalen Drogen einschliesslich Cannabis sind daher gering. Der Vergleich Deutschland-Niederlande ist also trotz der unterschiedlichen Kategorien bei der Befragung aussagekräftig.

Immer mehr Kinder werden mit Rauschgift erwischt [BB Innenministerium, Nr. 176/2002 vom 15.10.2002 ]
Kinder im Rausch [Märkische Allgemeine, 21.10.2002]

Argument: Cannabis und Jugendschutz
Argument: "Cannabis ist eine Einstiegsdroge"
Drogentote im internationalen Vergleich
Niederlande: Weniger Cannabiserfahrene als in Deutschland [CLN#75, 06.09.2002]


19.10.2002

Großbritannien: Cannabispatient freigesprochen [19.10.2002]
Ein 45-jähriger Patient mit einer Wirbelsäulenerkrankung wurde in Großbritannien wegen Besitzes von 55g Cannabis vor Gericht freigesprochen. Das Gericht akzeptierte, dass Brad Stephens ohne Cannabis hohe Dosierungen von Morphin nehmen müsste. Er verwendet seit vier Jahren Cannabis als Medizin.

Britische Geschworenengerichte haben bereits mehrfach Patienten wegen Cannabisbesitz freigesprochen, aber dies ist der erste Fall, in dem ein Richter so entschied.

Cannabis Smoker Wins Medical Use Victory [The Times (GB), 10.10.2002]
Cannabis als Medizin


19.10.2002

Crack: 10 Tage Haft für Präsidentennichte [19.10.2002]
Noelle Bush, Nichte von US-Präsident George W. Bush, wurde zu 10 Tagen Haft verurteilt, weil sie gegen Bewährungsauflagen verstossen hatte. Seit Februar befindet sie sich in einer Drogenklinik in Therapie. Dort wurde sie vor wenigen Wochen im Besitz von Crack-Kokain erwischt. Anklage wegen Crackbesitz wurde gegen sie aber nicht erhoben. Jeb Bush, Noelles Vater, kämpft zur Zeit um seine Wiederwahl als Gouverneur von Florida.

Gov Bush's Daughter Sentenced To Jail For 10 Days [Philadelphia Inquirer (US), 18.10.2002]
USA: Drogen, Familie Bush und Kolumbien [CLN#76, 13.09.2002]


17.10.2002

Schweiz: Suchtfachleute für Straffreiheit [17.10.2002]
Die Nationale Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik (NAS) hat sich bei einer Pressekonferenz in der Schweizer Bundeshauptstadt Bern für die Straffreiheit bei Drogenkonsum ausgesprochen. Sie bezogen damit vor den Debatten der Nationalratskommission (Parlamentsausschuss) zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes Stellung.

Beim Cannabis gelte es angesichts der hohen Anzahl Konsumierender und des geringen Suchtpotentials eine möglichst einfache und pragmatische Regelung des Anbaus, des Handels und des Konsums von Cannabis sicherzustellen, welche die heutige Illegalität überwinde, so die Fachleute.

Der Cannabiskonsum solle jedoch nicht bagatellisiert werden, im neuen Gesetz müssten griffige Massnahmen zum Jugendschutz verankert werden.
Zur NAS gehören u.a. pro juventute (eine Stiftung zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Familien), der Verband Sucht- und Drogenfachleute Deutschschweiz, das Groupement Romand d´études sur l´alcoolisme et les toxicomanies (GREAT, französischsprachige Studiengruppe Alkoholismus und Drogensucht), die Aids-Hilfe Schweiz und der Schweizer Ärzteverband FMH. Bereits im Februar 2001 hat die Schweizer Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) eine Entkriminalisierung von Cannabis mit Tolerierung des Kleinsthandels gefordert.

Im Mai 2001 sprach sich auch der deutsche Fachverband Drogen- und Rauschmittel (FDR) auf dem 24. Bundes-Drogen-Kongress in Leipzig für die Entkriminalisierung von Cannabis aus:

«Es ist den Betroffenen nicht zu vermitteln, warum Gerichte in den Bundesländern unterschiedliche Urteile dazu fällen», sagte FDR-Geschäftsführer Jost Leune am Montag in Leipzig zum Auftakt des 24. Bundes-Drogen-Kongresses, bei dem rund 500 Teilnehmer bis Mittwoch über Wege in der Drogenhilfe für Jugendliche und junge Erwachsene diskutieren.

Der gerichtliche Umgang mit Haschischkonsumenten sei anachronistisch, meinte Leune. Es müsse zwar deutlich werden, dass der Gebrauch des Rauschgifts gesellschaftlich unerwünscht sei, jedoch sollte «nicht unbedingt ein Straftatbestand daraus konstruiert werden». Man könne ihn als Ordnungswidrigkeit ahnden.
(Kölner Stadtanzeiger, 08.05.2001)

Drogenpolitische Weichenstellungen gefordert [news.ch, 15.10.2002]
Die Cannabisstudie der SFA [15.02.2001]
Fachverband Drogen- und Rauschmittel für Entkriminalisierung [CLN, 12.05.2001]
Cannabis in der Schweiz


16.10.2002

Koalitionsvertrag, Antwortschreiben der Grünen [16.10.2002]
Der Koalitionsvertrag wurde am 16.10.2002 veröffentlicht. Darin heisst es zur Drogenpolitik der nächsten Legislaturperiode:

VI. Solidarische Politik und Erneuerung des Sozialstaats
...
Sucht- und Drogenpolitik

Wir setzen unsere erfolgreiche Sucht- und Drogenpolitik fort, die auf den vier Säulen Prävention, Therapie, Repression und Schadensminderung aufbaut. Suchtstoffübergreifend wollen wir die strukturelle Prävention und den Kinder- und Jugendschutz stärken, Abhängigkeiten senken und Reintegration ermöglichen. Der Zugang zu Therapien soll erleichtert werden. Die Verschreibungsmöglichkeiten von Cannabisarzneimitteln werden in wissenschaftlich anerkannten Fällen weiter entwickelt.

Wir werden eine nationale Antitabak-Kampagne durchführen, auch um den Nichtraucherschutz zu stärken. In einem Aktionsplan Drogen und Sucht sollen in Abstimmung mit den Ländern, den Sozialversicherungsträgern und den Verbänden der Jugend- und der Suchtkrankenhilfe gemeinsame Ziele und Maßnahmen zur Verringerung der Suchtprobleme in unserer Gesellschaft festgelegt werden.
In Bayern spricht man noch wie früher vom "Drei-Säulen-Modell" aus Prävention, Therapie und Repression. Die Schweiz fügte dem als "vierte Säule" die Überlebenshilfe hinzu. Darunter versteht man z.B. Substitution, Spritzentausch, Konsumräume und Originalstoffvergabe. Im obigen Text wird die Definition der vierten Säule auf den Oberbegriff Schadensminimierung erweitert, der auch Maßnahmen wie Märktetrennung oder Abbau von Strafverfolgung einschliesst.

VIII. Sicherheit, Toleranz und Demokratie
...
Drogenpolitik

Die drogen- und suchtbedingten Probleme unserer Gesellschaft müssen reduziert werden. Wir werden die präventive Drogenpolitik der letzten Jahre konsequent fortführen und dabei die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen.

Diese Kompromissformel ist wie ein Rorschach-Test aus der Psychologie: Was man dort in Tintenklecksen zu erkennen glaubt, sagt etwas über den Betrachter aus.

Die vereinbarte Formel lässt die möglichen Ergebnisse weitgehend offen, von vier Jahren politischem Stillstand bis hin zur Umsetzung der dringendsten Reformen zur Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten. Teile der SPD verstehen das Verhandlungsergebnis zweifellos so, dass keine Kurskorrektur erforderlich ist, schliesslich ist davon die Rede, die Politik der letzten Jahre "fortzuführen." Nur wenn verdeutlicht werden kann, welcher Handlungsbedarf sich aus den angesprochenen Gerichtsentscheidungen ergibt (insbesondere der auch in den letzten vier Jahren weitgehend ignorierten Cannabisentscheidung von 1994), kann es hier Fortschritte geben. Nicht nur bei der SPD muss dazu Akzeptanz geschaffen werden, sondern auch bei der Öffentlichkeit insgesamt.

Viele Reformbefürworter haben in den letzten Wochen an die Grünen geschrieben, um sie für die Koalitionsverhandlungen zu motivieren. Ein diese Woche verschicktes Standardschreiben, das die Ergebnisse aus grüner Sicht darstellt, haben wir jetzt online gestellt.

Koalitionsvertrag 2002 [16.10.2002]
Antwortschreiben der Grünen [14.10.2002]
Koalition will auf "präventive Drogenpolitik setzen" [CLN#80, 11.10.2002]
Die Grünen und Cannabis


15.10.2002

Kopf an Kopf-Rennen bei Cannabisinitiative in Nevada [15.10.2002]
Eine Gesetzesinitiative, bekannt als "Question 9", will im US-Bundesstaat Nevada den Besitz von bis zu 3 Unzen (86g) Cannabis für Erwachsene ab 21 Jahren legalisieren. Die Wahllokale sind vom 19.10. bis zum 01.11. geöffnet und dann nochmals am 05.11. Was dabei herauskommen wird ist völlig offen: Laut einer Umfrage sind 46% der Wähler dagegen, genausoviele dafür und 8% noch unentschieden. Wenige Tage vor der Umfrage, am 10. und 11.10.2002, besuchte "Drogenzar" John Walters die zwei größten Städte des Bundesstaats, Las Vegas und Reno, um für eine Ablehnung des Reformentwurfs zu werben.

Eine Gruppe, die gegen die Reform auftritt, musste vorige Woche ihren Sprecher auswechseln. Der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Gary Booker hatte versucht, "Nevadans for Responsible Law Enforcement" (NRLE), die Initiatoren der Gesetzesinitiative, mit der südamerikanischen Kokainmafia in Verbindung zu bringen. Zusammen mit dem Abgeordneten Joe Neal behauptete Booker, einer der größten Spender des Marijuana Policy Project (MPP, der Mutterorganisation von NRLE) habe Beziehungen zu lateinamerikanischen Drogenkartellen. Als Quelle für diese Behauptung konnte Neal jedoch nur einen Newsletter des amerikanischen Rechtsextremisten Lyndon LaRouche vorweisen. Dieser sei für ihn eine "glaubwürdige Quelle." Von 1989 bis 1994 sass LaRouche eine fünfjährige Haftstrafe wegen Betrugs ab.

"Gary Booker und Joe Neal verlassen sich auf das Wort eines Kriminellen, der sagt, Präsident George W. Bush sei wahnsinnig und der behauptet, dass Königin Elizabeth hinter dem Bombenanschlag von Oklahoma City steckt," kommentierte die Abgeordnete und NRLE-Sprecherin Chris Giunchigliani.

Nevadans for Responsible Law Enforcement
Question 9 Opponents Quote Man Who Called Bush "Insane" [NRLE, 07.10.2002]
Nevada marijuana legalization foes replace spokesman [AP, 09.10.2002]
Nevada: 44% für Cannabisreform [CLN#72, 16.08.2002]


15.10.2002

Berlin: Oberstaatsanwalt fordert schrittweise Drogenreform [15.10.2002]
Bei der "Berliner Drogenkonferenz" der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin am Montag kamen internationale Experten zu Wort. Während sich Erziehungswissenschaftlicher Manfred Kappeler für die "kulturelle Aneignung" von Drogen aussprach, protestierte Bundesdrogenbeauftragte Marion Caspers-Merk, sie habe nicht vor, sich "neben Tabak und Alkohol noch ein drittes Problem" aufzuladen. Die Realität, nämlich dass das strafrechtliche Verbot nicht geeignet war, zu verhindern, dass Cannabis heute nach den genannten Drogen die drittmeistverbreitete Droge ist und von mehr Minderjährigen unter 16 Jahren konsumiert wird als in den Niederlanden, scheint sie dabei gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Die Berliner 'taz' berichtet:

Die Debatte wieder auf den Boden zurückzuholen war Aufgabe des Frankfurter Oberstaatsanwaltes Harald Hans Körner. "Das Strafrecht", meinte Körner, auf dessen Unterstützung auch die ersten Fixerstuben in Deutschland zurückgehen, "kann das Problem nicht lösen." Stattdessen stellte er ein Modell vor, wie zumindest der Cannabiskonsum in Deutschland stufenweise entkriminalisiert werden könnte.

Zunächst müsse der Strafrahmen für weiche Drogen heruntergesetzt und der Umgang mit Cannabis als Ordnungswidrigkeit behandelt werden. Auch wenn es erst einmal bei einem grundsätzlichen Verbot bleibe, könne man bei geringfügigen Handels- und Konsumdelikten auf eine Anklageerhebung verzichten, um in einem dritten Schritt solche Vergehen ganz zu entkriminalisieren.

Auch die staatlich kontrollierte Vergabe von Cannabis sowie eine staatliche Produktion, wie sie derzeit in Kanada ausprobiert werde, seien als Schritte denkbar. Den letzten Schritt, die völlige Freigabe, habe bislang noch kein Staat gewagt. Jede Liberalisierung, betonte Körner, müsse aber mit Rücksicht auf die bestehende "Rechtskultur" und das allgemeine Bewusstsein der Bevölkerung stattfinden. "Riesenschritte" seien daher gegenwärtig schwer vorstellbar - und auch nicht wünschenswert. Und, auch dies stellte Körner klar: Das Strafrecht sei "als Ultima Ratio unverzichtbar". Mit einer Diskussion über die Situation in den Drogenanbauländern wird die Konferenz heute fortgesetzt.
Von der Intimität der Droge [taz, 15.10.2002]
Rede von Dr. Körner in Nürnberg zur CannabisKampagne [18.04.2002]


15.10.2002

Niederlande lehnen EU-Mindeststrafen ab [15.10.2002]
Auch die neue christdemokratisch geführte Mitte-Rechts-Regierung in den Niederlanden lehnt eine Einführung von Mindeststrafen beim Handel mit geringen Mengen Cannabis ab. Das machte sie am Montag beim EU-Gipfel der Justizminister deutlich:

Keine Einigung erzielte der EU-Rat bei der Harmonisierung des Strafrechts bei Drogendelikten. Eine Einigung scheiterte nach Angaben aus diplomatischen Kreisen am Widerstand der Niederlande, die beim Handel mit weichen Drogen auf Straffreiheit bestehen. Im November soll ein neuer Versuch zu einer Einigung unternommen werden.

EU-weit harmonisierte Strafen für Kinderpornografie [Yahoo, 14.10.2002]
Drogen in den Niederlanden


13.10.2002

EU-Initiative bedroht Coffeeshops [13.10.2002]
Im Juli konnte der niederländische Justizminister Henk Korthals die Verschiebung eines Beschlusses zu einem EU-Entwurf erreichen, der den Mitgliedsländern Mindeststrafen bei Drogendelikten vorgeschrieben hätte und zwar selbst wenn es nicht um Ein- und Ausfuhr von Drogen geht sondern nur um Kleinhandel im Inland. Dieser Entwurf steht am Montag wieder auf der Tagesordnung, wenn der Rat der Justizminister in Brüssel tagt. In den Niederlanden wird befürchtet, dass über die Hintertür die Tolerierung von Coffeeshops gestoppt werden soll. Selbst für den Verkauf geringer Mengen Cannabis sieht der Entwurf ein Jahr Gefängnis vor. In dem Dokument "Eckpunkte für den Aktionsplan Drogen und Sucht" des Bundesgesundheitsministeriums wird darauf wie folgt Bezug genommen:

(5) EU-Rahmenbeschluss zum Drogenhandel
Auf EU-Ebene wird derzeit ein Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Handels mit Drogen erörtert (...). Die Bundesregierung setzt sich dabei für eine ausgewogene Angleichung der Rechtsordnungen der EU ein, die auf den Vorgaben der internationalen Suchtstoffübereinkommen aufbaut, ohne den Gedanken der Subsidiarität zu vernachlässigen.

Das erwähnte Prinzip der Subsidiarität ist ein Element des Föderalismus, das besagt, dass Angelegenheiten grundsätzlich in den Gliedstaaten geregelt werden, solange es keine besonderen Gründe für eine zentrale Regelung gibt. Dieses Prinzip würde verletzt, wenn Mindeststrafen in Bereichen vorgeschrieben würden, wo es in erster Linie um inländische Belange der Teilstaaten geht. Anders sieht das Staatssekretär Dr. Geiger im Justizministerium, der allenfalls eine Übergangsfrist bis zu einer Einführung von Mindeststrafen auch in den Niederlanden zulassen will. Er wird am Montag Deutschland in Brüssel vertreten. Unter Bundeskanzler Kohl war er zuletzt Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Vorher arbeitete er in verschiedenen Funktionen für die bayerischen Staatsregierung.

Noch vor ein paar Monaten sagte Innenminister Schily in einem Interview mit "de Volkskrant":

"Eine etwas restriktivere Politik in den Niederlanden würde ich natürlich begrüssen. Aber der Eindruck darf nicht entstehen, dass wir in die niederländische Souveränität eingreifen wollen. Das liegt mir fern."
Der Föderalismus ist ein wichtiges Prinzip sowohl der Bundesrepublik Deutschland als auch der EU. Doch wenn es politisch nicht opportun ist, werden Prinzipien gerne ignoriert, genauso wie Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.

Innenminister Schily distanziert sich von Artikel über NL-Kritik [CLN#52, 08.03.2002]
Das niederländische Coffeeshop-Modell (Übersicht)
Drogenpolitik in den Niederlanden


11.10.2002

Koalition will auf "präventive Drogenpolitik setzen" [11.10.2002]
Die Koalitionsverhandlungen zum Thema Recht und darin zur Drogenpolitik sind abgeschlossen, doch das Tauziehen wird weitergehen. Die SPD verweigerte am Donnerstag den Grünen die geforderte Liberalisierung bei geringen Mengen Cannabis. So ist das Ergebnis eher vage. Schwerpunkt der Drogenpolitik soll in Zukunft Prävention (Vorbeugung) und nicht Repression sein. Ausserdem soll sich die Politik der Koalition an den Vorgaben der Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen der letzten Jahre orientieren - eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Weder weitergehende Forderungen der Grünen nach legalem Anbau und legalen Abgabewegen noch der SPD nach noch schärferer Verfolgung bei Cannabishandel kamen zum Zug. Jetzt wird es darauf ankommen, wie das Ergebnis in den nächsten vier Jahren konkret umgesetzt wird. Im folgenden eine Mitschrift der Pressekonferenz:

Claudia Roth/Grüne: Wir werden in der Drogenpolitik - ein wichtiges Thema wo wir uns einigen konnten - wir werden weiterhin auf eine präventive Drogenpolitik setzen. Wir werden die präventive Drogenpolitik der letzten Jahre konsequent fortführen und dabei die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen.

Frage: Kurze Frage zum Thema: Drogenpolitik, hatten Sie gesagt, präventive Drogenpolitik, heisst das, die Frage der Legalisierung, die auch aus den Reihen der Grünen kam, Legalisierung von Cannabis ist damit vom Tisch?

Olaf Scholz/SPD: Wir können zunächst mal was sagen zur Frage Legalisierung. Das ist eine Sache, die für die SPD nicht vorstellbar ist und deshalb haben wir uns auch nicht so verständigt. Das, was wir miteinander diskutiert haben ist, dass die präventive Drogenpolitik - und im übrigen natürlich auch das, was wir an Strafverfolgung in den letzten Jahren gemacht haben - ordnungsgemäss fortgesetzt werden und es ist notwendig, dass wir die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgesetzes [sic!] umsetzen. Da sind ja in verschiedenen Fällen Entscheidungen gefällt worden, die man dann auch in die Realität hineinbefördern muss. Aber der Grundsatz, den ich eben dargestellt habe, gilt bei diesen Fragestellungen.

Claudia Roth/Grüne: Zur Drogenpolitik: Für uns war es wichtig, dass wir auf die präventive Drogenpolitik setzen, dass wir nicht Repression in den Vordergrund stellen und die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind dafür eine wichtige Grundlage, die wir berücksichtigen wollen. Das heisst zum Beispiel, dass der alleinige Besitz von Cannabis nicht ausreicht, dass ein Autofahrer zur medizinisch-psychologischen Untersuchung geschickt wird. Das ist eines dieser Urteile vom Bundesverfassungsgericht.

Frage (Georg Wurth/DHV): Dadurch hat sich ein Teil meiner Frage erledigt. Der zweite Teil, wenn Sie sich an den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes orientieren wollen, heisst das auch, dass nach dem 94er Urteil die Mengen in den einzelnen Bundesländern angeglichen werden müssen. Ist davon auszugehen, dass das passiert und auf welche Menge wollen Sie sich da einlassen? Die Mengen sind ja im Moment zwischen drei und dreissig Gramm etwa unterschiedlich in den Bundesländern.

Olaf Scholz/SPD: Beides haben wir nicht besprochen, was das nun jetzt im einzelnen bedeuten soll. Sondern das, worüber wir uns verständigt haben, ist dass ein gesetzestreuer Gesetzgeber natürlich die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts mit berücksichtigt, dass auch im Gesetzesvollzug, soweit das eine Rolle spielt, sich niederschlägt. Ganz konkrete Vorhaben dieser Art sind nicht vereinbart, auch nicht besprochen.

Claudia Roth/Grüne: Das heisst aber, dass wir uns mit dem Vorwurf oder mit der Feststellung der Unverhältnismässigkeit, die Karlsruhe ja festgestellt hat, auseinandersetzen werden. Wir haben gesagt, wir werden die Entscheidungen berücksichtigen.
(Pressekonferenz vom 10.10.2002)

Im Jahre 1994 hatte des Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine Bestrafung des Besitzes geringer Mengen von Cannabis zum persönlichen Konsum ohne Fremdgefährdung gegen das Übermassverbot verstösst. Ermittlungsverfahren bei Fällen dieser Art seien im Regelfall straflos einzustellen. Der Gesetzgeber müsse ausserdem dafür Sorge tragen, dass es zu einer "im wesentlichen einheitlichen Rechtspraxis" in den verschiedenen Bundesländern komme.

In den Jahren seit der Entscheidung stellten zahlreiche Experten fest, dass im bundesweiten und europaweiten Vergleich kein konsistenter Zusammenhang zwischen dem Grad der Repressivität der Drogenpolitik und dem Verbreitungsgrad problematischen Drogenkonsums zu erkennen ist. Glaubwürdige Prävention sei wirksamer als Repression. Diese beiden Punkte sind von entscheidender Bedeutung: Das Gericht stellte damals auch fest, dass der Gesetzgeber keine grundrechtseinschränkenden Mittel verwenden dürfe, wenn diese zur Förderung des Gesetzeszweckes nicht geeignet seien. Es verpflichtete den Gesetzgeber, das am wenigsten grundrechtseinschränkende Mittel zu verwenden, das den Zweck des Gesetzes erzielen kann. Wenn die SPD deshalb die Entscheidung von 1994 ernst nehmen würde, müsste sie Cannabis unverzüglich entkriminalisieren.

Werner Graf von der Grünen Jugend schreibt im Hanf Journal dazu:

Um vor den Verhandlungen nochmals auf das Thema aufmerksam zu machen, kamen von Rumpelstilzchen und dem Hanf Journal drei Menschen in Sträflingskostümen, die lauthals die Legalisierung einforderten. Auf die direkten Ergebnisse hatte diese Aktion eher geringen Einfluss. Doch viele Journalisten wurden dadurch nochmals auf dieses Thema aufmerksam und hakten bei dem Thema des Öfteren nach.

Ein Fazit zu der Vereinbarung im Koalitionspapier zu ziehen ist eher schwierig. Es ist schon komisch, wenn zwei Parteien beschließen, sich an die Urteile des höchsten Gerichtes halten zu wollen. Und das erst nach acht Jahren. Es stecken aber auch viele Möglichkeiten darin. Gerade wenn die Gutachten der Gerichte mit herangezogen werden oder auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten (diese Frage stellte das Gericht 94) eingegangen wird. Im Großen und Ganzen sind wir nicht viel weiter (als) vorher: Das Bundesverfassungsgericht ist kifferfreundlich, die Grünen versuchen es auch zu sein, nur die SPD will immer noch nicht. Nur, dass nun auf einmal ein Urteil aus dem Jahre 1994 auch bei der Regierung unseres Landes angekommen ist.

Die nächsten vier Jahre werden sicherlich spannend und erfordern viel Lobbyismus von unserer Seite. Was wirklich passieren wird, ist zumindest nach den Verhandlung(en) heute wieder offen.
(Werner Graf, Hanf Journal, 10.10.2002)

Pressemitteilung des Deutschen Hanf Verbands [10.10.2002]
Homepage des Deutschen Hanf Verbands
Werner Graf zum Verhandlungsergebnis [Hanf Journal, 10.10.2002]
Homepage des Hanf Journals
Pressemitteilung des Bundesnetzwerk Drogenpolitik [11.10.2002]
Homepage des Bundesnetzwerks Drogenpolitik

Ungleiche Rechtspraxis in den Bundesländern / Verfahrenseinstellung nach § 31a BtMG
Cannabisentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ("BVerfGE 90, 145 - Cannabis", 09.03.1994)
Karlsruhe: Kein Führerscheinentzug wegen Cannabisbesitz! [CLN#70, 12.07.2002]


10.10.2002

Heute wird verhandelt! [10.10.2002]
Laut einer dpa-Meldung wird die künftige Cannabispolitik der Bundesregierung heute in Berlin verhandelt. Das Thema wird unter Rechtspolitik geführt, obwohl Drogenpolitik eigentlich seit vier Jahren in die Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums fällt. Die Verhandlungen finden ab 15:00 Uhr unter der Leitung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer im Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstraße 141, statt.

Berlin (dpa) - SPD und Grüne setzen in Berlin die Verhandlungen zu den Themen Energiepolitik, Innenpolitik und Recht fort. Außerdem stehen Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf der Tagesordnung. In einem Spitzentreffen geht es zunächst um die Zuständigkeit für die Erneuerbaren Energien. Der künftige Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement und Umweltminister Jürgen Trittin streiten über den Bereich. In der Rechtspolitik soll der Cannabis-Konsum und der Besitz geringer Mengen Haschisch zum Eigenverbrauch straffrei bleiben.

Koalitionsverhandlungen zu Energie, Innenpolitik und Recht [Westfälische Rundschau, 10.10.2002]


09.10.2002

Artikel von Dr. Nedelmann in der FAZ [09.10.2002]
Bevor die Themen Gesundheit und Innenpolitik in Berlin verhandelt werden, ist in der Frankurter Allgemeinen Zeitung (FAZ, verkaufte Auflage: ca. 400.000) ein Artikel des Hamburger Arztes Dr. Carl Nedelmann zum Cannabisverbot erschienen. Wir empfehlen die Lektüre dieses Artikels auch den Verhandlungsparteien in Berlin :-)

Hanf im Glück [FAZ, 09.10.2002]
Ärzte und Cannabisverbot


09.10.2002

Drogenbeauftragte zensiert eigene Pressemitteilung [09.10.2002]
Am Montag kündigte Marion Caspers-Merk, die Bundesdrogenbeauftragte, in einer Pressemitteilung zum EU-Jahresdrogenbericht an, die Bundesregierung werde "den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgend" die Strafverfolgungspraxis bei Konsumdelikten im Zusammenhang mit Cannabis "auf den Prüfstand stellen." Eine sehr interessante Ankündigung, wie wir fanden. Wir berichteten darüber noch am selben Tag (siehe hier).

Genau jener von uns dabei fett hervorgehobene Satz verschwand am folgenden Tag aus der Online-Version der Pressemitteilung auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), als habe man ihn nie geschrieben. Nachdem die ursprüngliche, unzensierte Pressemitteilung bereits auf den Redaktionstischen liegt, erscheint diese nachträgliche Änderung etwas albern. Will die Bundesregierung nun doch nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgen? Der von uns zitierte Absatz stammt aus einem Teil der Pressemitteilung, der den ECMDDA-Bericht zusammenfasste. Die Aussage des einen zensierten Satzes sucht man im in jenem Bericht jedoch vergeblich - hier hat wohl jemand versehentlich aus dem Nähkästchen geplaudert...

Es gibt Kräfte in der SPD, die die Reformen beim gesetzlichen Status von Cannabis auf ein Minimum beschränken wollen. Wir vermuten, dass die ehrliche Ankündigung der eigenen Reformbereitschaft vor den Koalitionsverhandlungen unter diesen Politikern als taktischer Fehler gesehen wird. Frau Caspers-Merk will selbst wohl nicht viel mehr wagen als eine bundesweit einheitliche Festlegung der sogenannten "geringen Menge," verfassungsrechtlich eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch eine Minimallösung bei der Reform wird keine "im wesentlichen einheitliche Rechtspraxis" bringen, wie seit über 8 Jahren ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht gefordert. Nicht nur bei der Obergrenze der geringen Menge schwankt die Rechtspraxis von Bundesland zu Bundesland erheblich, sondern auch bei Personen, die bereits einmal mit Cannabis ertappt wurden. Das ergab schon im Jahre 1997 die nach der Cannabis-Entscheidung von 1994 vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene Aulinger-Studie. Auch müssen neuere Studien (Kleiber/Kovar, Roques) sowie aktuelle Erkenntnisse zur Wirkungslosigkeit des strafbewehrten Cannabisverbots auf den Verbreitungsgrad problematischen Drogenkonsums berücksichtigt werden (z.B. EMCDDA-Berichte).

Aus diesem Grunde sind wir dafür, dass der Besitz einer geringen Menge nicht nur über eine Kann-Bestimmung wie den §31a des Betäubungsmittelgesetzes entkriminalisiert wird, wo es immer noch zu einem polizeilichen Ermittlungsverfahren und einer Einschaltung der Staatsanwaltschaft kommt - im besten Fall für den Papierkorb, im schlimmsten Fall zu vom Wohnort abhängiger Strafverfolgung. Stattdessen soll die Strafbarkeit des Cannabisbesitzes zum eigenen Konsum zumindest von der Überschreitung der geringen Menge abhängig gemacht werden.

Am Donnerstag oder Freitag dieser Woche werden SPD und Grüne über das Thema Drogenpolitik verhandeln. Dazu schliessen wir uns folgender Anfeuerung an, mit der ein nicht neuer aber immer noch relevanter Artikel der "Berliner Republik" (Ausgabe 2/2001) des "Netzwerks Berlin" der SPD überschrieben war: "Nur Mut, Marion!"

Nur Mut, Marion! Zum (Still-)Stand der Drogenpolitik [Berliner Republik, 2/2001]
Zensierte Fassung der Pressemitteilung der Drogenbeauftragten [BMG, 08.10.2002]
Welche Reformen sind möglich - Schritte zur Reform der Cannabispolitik
Ungleiche Rechtspraxis in den Bundesländern / Verfahrenseinstellung nach § 31a BtMG
Cannabisentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ("BVerfGE 90, 145 - Cannabis", 09.03.1994)
Marion Caspers-Merk und die Cannabisreform


07.10.2002

Europäischer Jahresbericht 2002 veröffentlicht [07.10.2002]
Am 03.10.2002 wurde der Jahresbericht 2002 der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD / EMCDDA) veröffentlicht. Er enthält eine Fülle von Zahlenmaterial zu den Auswirkungen der Drogenpolitik in den Mitgliedsländern der EU und in Norwegen. Besondere Schwerpunktthemen dieses Jahr sind polyvalenter Drogenkonsum, Therapieerfolge und Drogenkonsum im Strafvollzug. Ein gesonderter Bericht über die Drogensituation in den mittel- und osteuropäischen Kandidatenländern ist ebenfalls verfügbar.

Noch immer gibt es Stimmen, die eine repressive Cannabispolitik damit begründen, dass so der Konsum von Cannabis minimiert werden könne und dass Cannabis eine "Einstiegsdroge" zu harten Drogen sei. Das Zahlenmaterial des Jahresberichts (Seite 13-16) zeigt, wie fragwürdig diese Positionen sind:

  • Finnland hat den niedrigsten Bevölkerungsanteil mit Cannabiserfahrung. Aktueller Cannabiskonsum unter jungen Erwachsenen ist ausserdem weniger als halb so verbreitet als in Deutschland. Doch prozentual mehr Finnen als Deutsche spritzen sich harte Drogen oder gelten als "problematische Drogenkonsumenten."
  • Portugal hat die drittniedrigste Cannabisprävalenz unter allen untersuchten Ländern, aber die zweithöchste Prävalenz von "problematischem Drogenkonsum."
  • In den liberalen Niederlanden haben 9,8% der 15- bis 34-Jährigen in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert, nicht viel mehr als im streng prohibitionistischen Norwegen mit 8,1%. Zu den Spitzenreitern im Konsum gehören das besonders strenge Frankreich mit 17% und das in Bezug auf Cannabis nicht besonders liberale Irland mit 17,7%. Deutschland mit 13% liegt fast gleichauf mit Spanien (12,7%), wo Cannabisbesitz in der Öffentlichkeit nur als Ordnungswidrigkeit definiert und Besitz in den eigenen vier Wänden straffrei ist.
  • In Schweden gibt der geringste Prozentsatz der jüngeren Erwachsenen an, im letzten Jahr Cannabis konsumiert zu haben, doch bei der Prävalenz problematischem Drogenkonsums übertrifft das skandinavische Land Frankreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, Österreich und die Niederlande.
In der Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums hiess dazu am Montag:
Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen die Drogengesetze

In allen EU-Mitgliedsländern ist die Zahl der Ermittlungsverfahren bei Drogendelikten in den letzten 15 Jahren deutlich angewachsen. In der überwiegenden Anzahl handelt es sich um Konsumdelikte und hier in der großen Mehrzahl um Cannabis. Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgend wird die Bundesregierung die Strafverfolgungspraxis nach solchen Delikten auf den Prüfstand stellen.

Jahresbericht über den Stand der Drogenproblematik in der Europäischen Union und in Norwegen [03.10.2002]
Pressemitteilung Nr. 26 der Drogenbeauftragten [07.10.2002]
Cannabis und andere Drogen in Europa


06.10.2002

Fahrplan der Koalitionsverhandlungen [06.10.2002]
Um das Thema Drogenpolitik wird es bei den Koalitionsverhandlungen entweder am Donnerstag oder am Freitag gehen, je nachdem, ob das Thema unter Innenpolitik (wie bei den letzten Koalitionsverhandlungen) oder Gesundheitspolitik (wie nach ministerieller Zuständigkeit) verhandelt wird:

Donnerstag, den 10. Oktober:
Innen und Recht / Verbraucherschutz und Landwirtschaft

Freitag, den 11. Oktober:
Soziales und Gesundheit / Frauen /Kultur

Wochenende, 12. und 13. Oktober:
Haushalt und Finanzen, Finanzbeziehungen, Bund-Länder-Gemeinden / Gesamtdiskussion

Hanfburg.de, ein Growshop in Hamburg, hat eine Onlineformular geschaffen, mit dem man Mails an die Koalitionsparteien schicken kann. Am wirkungsvollsten sind wie immer sachliche Briefe, die namentlich unterzeichnet sind.

Ein Artikel in Telepolis, dem Magazin für Netzkultur des Heise-Verlags (c't), befasst sich mit der Cannabisreform und anderen Fragen im Kontext der Koalitionsverhandlungen. Er verweist auch auf einen Brief der SPD-Politikerin Ute Vogt auf unserer Website.

Hier sind noch einmal die Mitglieder des Verhandlungsteams SPD:
Gerhard Schröder (Bundeskanzler): gerhard.schroeder@spd.de
Hans Eichel (Finanzminister): hans.eichel@bmf.bund.de
Franz Müntefering (Fraktionschef): franz.muentefering@bundestag.de
Wolfgang Thierse (Stellvert. Parteivors.): wolfgang.thierse@bundestag.de
Heidemarie Wieczorek-Zeul (Stellvert. Parteivors.): heidemarie.wieczorek-zeul@bundestag.de
Wolfgang Clement (Ministerpräsident NRW): Wolfgang.Clement@spd.de
Frank-Walter Steinmeier (Kanzleramtschef)

Formularbrief von Hanfburg.de
Die Grünen und die Koalitionsverhandlungen [CLN#78, 27.09.2002]
Freie Software, Datenschutz und legales Kiffen [Telepolis, 05.10.2002]


04.10.2002

Drei Jahre Haft für britischen Coffeeshop-Betreiber [04.10.2002]
Colin Davies, der Betreiber des ersten britischen Coffeeshops nach niederländischem Vorbild, ist zu 3 Jahren hinter Gittern verurteilt worden. Im September vorigen Jahres war sein Cafe "The Dutch Experience" von der Polizei durchsucht und er verhaftet worden. Er verbrachte bereits 9 Monate in Untersuchungshaft. Am Tag der Urteilsverkündung wurde das Cafe erneut durchsucht. Davies führte zu seiner Verteidigung an, er habe mit seinem Cafe Patienten mit Medizin versorgt. Die Geschworenen sprachen ihn trotzdem schuldig.

Vor zwei Jahren hatte Davies bereits der Queen einen Strauss aus Cannabis überreicht, um auf das Verbot dieser pflanzlichen Medizin aufmerksam zu machen. Colin Davies benutzte Cannabis um die Folgen einer Wirbelsäulenverletzung zu behandeln und belieferte auch andere Patienten in Stockport.

Bis 1971 war Cannabis in Großbritannien eine legale Medizin. Derzeit laufen Studien um die Wiederzulassung von Cannabis als Arznei vorzubereiten.

Cannabis Cafe Raided As Owner Jailed [BBC News, 03.10.2002]
Informationen zu Colin Davies und dem 1. britischen Coffeeshop
Foto: Queen Elizabeth II im illegalen Besitz von Cannabis


04.10.2002

VfD stellt Forderungen an SPD und Grüne [04.10.2002]
Der Verein für Drogenpolitik e.V. (VfD) hat sich in einem Brief an die Verhandlungsparteien in Berlin gewandt und Reformen bei verschiedenen drogenpolitischen Themen gefordert. Dabei geht es u.a. um Cannabis, das in den letzten vier Jahren bei drogenpolitischen Reformen unberücksichtigt geblieben ist, um Substitution, Konsumräume und Originalstoffabgabe, wo noch weiterer Handlungsbedarf besteht und um Pilze, wo die Gesetze in der letzten Legislaturperiode verschärft worden sind. Bitte folgen Sie dem untenstehenden Link für die Vorschläge des VfD.

Der VfD wurde im Mai 2001 in Mannheim als bundesweiter, überparteilicher und gemeinnütziger Verein gegeründet. Er betreibt Lobbyarbeit für eine schadensminimierende Drogenpolitik in Deutschland und Europa. Der Verein finanziert sich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen.

Forderungen des VfD [03.10.2002]
Homepage des Vereins für Drogenpolitik e.V.
Forderungen des Deutschen Hanf-Verbands [03.10.2002]
Homepage des Deutschen Hanf-Verbands


04.10.2002

Kanadische Regierung erwägt Entkriminalisierung [04.10.2002]
Die kanadische Regierung hat in ihrer Kronrede, einer Ansprache vor dem Bundesparlament in Ottawa, auf den Bericht der Senatskommission vom 4.09.2002 verwiesen und eine Entkriminalisierung von Cannabis in Aussicht gestellt. Bisher hatte sich bereits Justizminister Martin Cauchon für eine Entkriminalisierung ausgesprochen.

Die jüngste Rede stiess bei der US-Regierung auf Kritik. Der Abgeordnete Mark Souder, Vorsitzender eines Drogen-Ausschusses des Repräsentantenhauses, drohte dem nördlichen Nachbarn mit Verzögerungen beim Grenzverkehr. Je mehr kanadische Gesetze von US-Gesetzen abwichen, desto mehr würde das den Grenzverkehr verlangsamen. Die USA waren voriges Jahr der Abnehmer für 85% aller kanadischen Exporte.

Ottawa Considers Decriminalizing Marijuana [Globe and Mail (CA), 01.10.2002]
US Warns Against Liberalizing Laws On Pot [Globe and Mail (CA), 02.10.2002]
Kanadischer Parlamentsausschuss fordert Legalisierung! [CLN#75, 06.09.2002]
Cannabis in Kanada


03.10.2002

12 Jahre Angleichung beim Cannabiskonsum [03.10.2002]
Drei Jahrzehnte lang schotteten Mauer und Zonengrenze die DDR vom Westen und damit vom Welthandel ab. Während im Westen in den 60er Jahren Cannabis als Genussmittel wiederentdeckt und in immer größeren Mengen aus dem Ausland importiert wurde, gab es in der DDR bis zum Fall der Mauer kaum eine Konkurrenz zu Alkohol. In den 12 Jahren seit der Wiedervereinigung ist dieser eine Unterschied weitgehend verschwunden. Bei den Cannabiskonsumraten trennt Ost und West heute weit weniger als etwa beim Pro-Kopf-Einkommen oder bei den Arbeitslosenzahlen. Im Jahre 1990 hatten gerade 0,7% der 18- bis 39-Jährigen im Osten innerhalb der letzten 12 Monate Cannabis konsumiert. Im Jahre 2000 waren es schon 9,0%, nur wenig niedriger als die 10,6% im Westen. Obwohl sich die Verbreitung von Cannabiskonsum auch im Westen von 1990-2000 verdoppelte, hatte also der Osten weitgehend aufgeholt. Besonders bemerkenswert daran ist, dass die neuen Bundesländer von Anfang an eine sehr intolerante Cannabispolitik betrieben. Noch im März 2001 weigerte sich ein Brandenburger Staatsanwalt, einer straflosen Verfahrenseinstellung in einem Fall zuzustimmen, wo es um ganze dreieinhalb Gramm Cannabis ging (weniger als das Gewicht von zwei Teebeuteln). Doch diese harte Linie im Osten war gänzlich ungeeignet, die Konsumrate auf einem deutlich niedrigerem Niveau zu halten als im größtenteils liberaleren Westen. Die repressive Politik blieb wirkungslos.

In seiner Cannabisentscheidung vom 09.03.1994 verwies das Bundesverfassungsgericht auf den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Nach diesem Grundsatz muß ein grundrechtseinschränkendes Gesetz geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann; es ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können.
Beide Voraussetzungen sind bei strafrechtlicher Verfolgung wegen Cannabis nach aktuellen Erkenntnissen nicht gegeben. Das Betäubungsmittelgesetz in seiner jetzigen Form, das den Umgang mit Cannabis unter Strafe stellt, verstösst damit gegen das grundlegendste Gesetz im wiedervereinigten Deutschland. Deshalb muss in der kommenden Legislaturperiode Cannabis entkriminalisiert werden - wozu übrigens keine Bundesratsmehrheit erforderlich ist.

Zahlen zum Cannabisverbot
Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland 2000 (Kraus, Augustin)
Cannabisentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ("BVerfGE 90, 145 - Cannabis", 09.03.1994)
Amtsgericht Bernau hält Strafverfolgung für verfassungswidrig [Märkische Allgemeine, 12.03.2001]
Ungleiche Rechtspraxis in den Bundesländern


03.10.2002

Fischer: "Damit rennen Sie bei uns offene Türen ein" [03.10.2002]

Viele Einzelpersonen haben in den letzten Tagen an die Verhandlungsführenden bei den Koalitionsverhandlungen geschrieben. In einer Antwort aus dem Büro von Joschka Fischer heißt es:

Mit Ihrer Forderung einer Entkriminalisierung bzw. Legalisierung von weichen Drogen rennen Sie bei uns von Bündnis 90/Die Grünen offene Türen ein. Wir wären Ihnen sehr verbunden, diesen Druck auch auf unseren Koalitionspartner auszuüben.

Antwort von Joschka Fischer
Die Grünen und die Koalitionsverhandlungen [CLN#78, 27.09.2002]


01.10.2002

Kongress fordert "Einstieg in den Ausstieg" [01.10.2002]
Die Teilnehmer des 7. Internationalen Drogenkongresses in Jena, veranstaltet vom "Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, akzept e.V.," forderten am 29.09.2002 die Parteien bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin auf, einen "Einstieg in den Ausstieg" aus der Prohibition zu wagen:

Brief an die KoalitionsverhandlerInnen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie sind dabei, die Koalitionsvereinbarungen über die politischen Schwerpunktsetzungen der nächsten Legislaturperiode zu treffen. Wir, das sind die TeilnehmerInnen des 7. Internationalen Drogenkongresses in Jena, veranstaltet vom "Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, akzept e.V.," beglückwünschen Sie zunächst erstmal zu Ihrem Wahlerfolg und wünschen Ihnen "einen guten Lauf" in der Umsetzung Ihres Anspruchs der Modernisierung unserer Gesellschaft.
Für den Teilbereich der Drogenpolitik bedeutet das für uns, endlich einen "Einstieg in den Ausstieg" aus der Prohibition einzuleiten, d.h. wir erwarten, dass KonsumentInnen von Drogen nicht mehr für ihren eigenen Konsum strafrechtlich belangt werden und dass auch die Weichen für legale Abgabemodalitäten gestellt werden. Dies selbstverständlich unter Berücksichtigung von Jugend- und Verbraucherschutzbestimmungen. Vorbilder für solche Modernisierungen in Europa bilden dabei die Gesetzesvorlagen aus der Schweiz und die über zwanzigjährigen Erfahrungen mit einer „strafrechtsarmen“ Drogenpolitik in den Niederlanden.

Schließlich fordern wir Sie auf, den Streichungen von Drogenhilfeangeboten, vor allem im niedrigschwelligen Bereich, entgegenzusteuern. Wir wissen, dass dies nur begrenzt in Ihrem Einflussbereich liegt, trotzdem gibt es Möglichkeiten, die Kommunen und Länder in ihren Bemühungen um bedarfsgerechte Behandlung und Beratung von DrogenkonsumentInnen zu unterstützen.

Wir stehen Ihnen für Rückfragen und fachliche Informationen jederzeit zur Verfügung!

Jena / Berlin 29.09.2002
Für akzept e.V.
heino.stoever@uni-bremen.de
Christine Kluge Haberkorn, Tel. 030/8222802,ckhaberkorn@yahoo.com
Die "Thüringer Allgemeine" berichtete über den Kongress und schilderte dabei den erschütternden Fall einer 48-jährigen Thüringerin, die seit 14 Jahren unter unerträglichen Schmerzen leidet. Nur Pillen mit dem Cannabiswirkstoff THC können ihre Beschwerden lindern, doch die Krankenkasse verweigert der Frührentnerin die Kostenübernahme. Bei Verwendung von natürlichem und preiswertem Cannabis jedoch drohen laut Gesetz bis zu 5 Jahren Haft.

Verletzte Seele [Thüringer Allgemeine, 28.09.2002]
Homepage von akzept e.V.


01.10.2002

Steuern und Drogenvorbeugung [01.10.2002]
386 Millionen Zigaretten werden pro Tag in Deutschland geraucht. Das meldet die Ärzte Zeitung unter Berufung auf eine Studie des Statistischen Bundesamts. Aus dem Ausland eingeschmuggelte, unversteuerte Zigaretten sind dabei noch nicht berücksichtigt. Täglich nimmt der Bundesfinanzminister so 28 Millionen Euro aus der Tabaksteuer ein. Im ganzen Jahr werden in Deutschland nach einer Schätzung der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) nur 15 Millionen Euro für Suchtprävention zur Verfügung gestellt.

Nikotinabhängigkeit ist mit 100.000 Todesfällen pro Jahr das Suchtproblem, das am meisten Menschen das Leben kostet, gefolgt von Alkohol. Zahlreiche Experten fordern, dass ein grösserer Teil der Steuereinnahmen aus legalen Drogen wie Alkohol und Tabak zweckgebunden zur gesundheitlichen Vorbeugung verwendet wird. Das wäre auch bei Cannabis möglich, wenn nach einer Entkriminalisierung eine Legalisierung erfolgt.

386 Millionen Zigaretten pro Tag [Ärzte Zeitung, 18.09.2002]
Geld für Suchtprävention ist da - es muß nur effizienter eingesetzt werden [Ärzte Zeitung, 28.02.2002]
Steuerliche Bilanz zur Cannabislegalisierung
Informationen zur Prävention


Aktuelle Neuigkeiten

Nachrichtenarchiv:
2008: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez
2007: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez
2006: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez
2005: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez
2004: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez
2003: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez
2002: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez
2001: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez
2000: Jan, Feb, Mär, Apr, Mai, Jun, Jul, Aug, Sep, Okt, Nov, Dez

/