Cannabislegalisierung in Deutschland!
Neuigkeiten
Argumente
Politik
Verein
Aktionen
Medienprojekt
Infos über Cannabis
Hanf & Recht
Politik international
Studien
Bücher
Links
Suchen
Kontakt
in English in English
 

Ungleiche Rechtspraxis in den Bundesländern
Verfahrenseinstellung nach §31a Betäubungsmittelgesetz

Am 09.03.1994 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Bestrafung für den Besitz geringer Mengen von Cannabis zum Eigengebrauch ohne Fremdgefährdung gegen das Übermassverbot des Grundgesetzes verstösst. Es erklärte dabei das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), das den Besitz von Cannabis mit fünf Jahren Haft bedroht, nicht für verfassungswidrig, weil §31a BtMG eine straflose Einstellung von Ermittlungsverfahren ermöglicht, ohne dass es zu einem Gerichtsverfahren kommen muss. Das Gericht wies den Gesetzgeber an, dafür Sorge zu tragen, dass es zu einer im wesentlichen einheitlichen Einstellungspraxis in den Ländern kommt:

Die Vorschrift des § 31a BtMG gestattet der Staatsanwaltschaft in weitem Umfang, Ermittlungsverfahren ohne Mitwirkung des Gerichts einzustellen; sie eröffnet damit zugleich die Möglichkeit, die Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften durch Verwaltungsvorschriften zu steuern. Die Länder trifft hier die Pflicht, für eine im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen (vgl. auch BVerfGE 11, 6 <18>; 76, 1 <77>), zumal es sich um das den Einzelnen besonders belastende Gebiet der Strafverfolgung handelt. Ein im wesentlichen einheitlicher Vollzug wäre nicht mehr gewährleistet, wenn die Behörden in den Ländern durch allgemeine Weisungen die Verfolgung bestimmter Verhaltensweisen nach abstrakt-generellen Merkmalen wesentlich unterschiedlich vorschrieben oder unterbänden. Gesicherte Erkenntnisse zur Anwendung des § 31a BtMG, die auf eine dauerhaft unterschiedliche Handhabung auch dieser Vorschrift in den Ländern schließen ließen, liegen derzeit noch nicht vor. Der Gesetzgeber darf abwarten, ob der neugeschaffene, speziell auf Konsumentenvergehen im Betäubungsmittelrecht zugeschnittene Tatbestand des § 31a BtMG zu einer im wesentlichen gleichmäßigen Rechtsanwendung in diesem Rechtsbereich führt oder ob weitere gesetzliche Konkretisierungen der Einstellungsvoraussetzungen erforderlich sind.

Auf Anfragen von Abgeordneten der FDP und der PDS hat die Bundesregierung wiederholt erklärt, eine einheitliche Einstellungspraxis sei nach ihren Erkenntnissen bereits Realität. In einer Pressemitteilung vom 21.12.2001 zur Drogenpolitik in Deutschland und der Schweiz behauptete z.B. Frau Marion Caspers-Merk, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 10 g Cannabis gelte in allen Bundesländern als "geringe Menge", deren Besitz nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994 im Regelfall straffrei sei:

Ich habe dazu erklärt, dass in Deutschland bereits klare rechtliche Regelungen bestehen: (...) § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes ermöglicht Straffreiheit bei Besitz geringer Mengen von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum. In allen Bundesländern wird als geringe Menge Cannabis 10 Gramm angesehen."

Die Bundesregierung berief sie sich dabei wiederholt auf die Studie »Rechtsgleichheit und Rechtswirklichkeit bei der Strafverfolgung von Drogenkonsumenten«:

http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2001/2001_116/02.html

Gesundheit/Antwort
Berlin: (hib/VOM) In der Anwendungspraxis nach dem Betäubungsmittelgesetz hat die "geringe Menge" Cannabis für den Eigenkonsum, die zur Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung führt, im Durchschnitt in mehr als 90 Prozent der Fälle höchstens zehn Gramm betragen. In über 80 Prozent der Fälle seien es höchstens sechs Gramm gewesen. Auf diese Auskunft auf eine schriftliche Anfrage einer F.D.P.-Abgeordneten im November 1999 verweist die Bundesregierung in ihrer Antwort (14/5897) auf eine Kleine Anfrage der PDS-Fraktion (14/5770). Die Fraktion hatte sich nach der "unterschiedlichen Handhabung" der Strafbefreiung und der Nichtverfolgung von "geringen Mengen" von lediglich zum Eigenverbrauch bestimmten Betäubungsmitteln in den einzelnen Bundesländern erkundigt.

Bei der erwähnten Studie handelt es sich um folgendes Buch:

Susanne Aulinger: "Rechtsgleichheit und Rechtswirklichkeit bei der Strafverfolgung von Drogenkonsumenten" (Bundesministerium für Gesundheit, 1997), ISBN: 3-7890-5116-0, DM 78,00/EUR 39,88
Frau Aulinger vertritt denn auch die Position, dass bei der gesetzlichen Regelung zu Cannabis kein Handlungsbedarf bestehe:
Beim Umgang mit Cannabis besteht hinsichtlich der Mengen, bei denen § 31a BtMG regelmäßig zur Anwendung kommt, ein so hohes Maß an Übereinstimmung in der strafrechtlichen Praxis, daß von einer im wesentlichen einheitlichen Rechtsanwendung gesprochen werden kann. Auch die bei der rechtlichen Behandlung von Wiederholungstätern zutage getretenen deutlichen Unterschiede zwischen den Ländern rechtfertigen keine andere Beurteilung. Mit den unbestimmten Rechts- und Ermessensbegriffen der geringen Schuld und des fehlenden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung hat der Gesetzgeber den Strafverfolgungsorganen einen so weiten Spielraum eröffnet, daß hier die Erheblichkeitsschwelle entsprechend höher anzusetzen ist. Soweit im übrigen Unterschiede in der Einstellungspraxis auf unterschiedliche Ausprägungen des Drogenpro-blems selbst, etwa in den alten und neuen Ländern, zurückzuführen sind, erscheinen sie im Gegenteil geboten. Bei der Auslegung des Begriffs des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung kann und muß solchen Unterschieden in den Lebensverhältnissen der einzelnen Länder Rechnung getragen werden.
Liest man jedoch nicht nur die obige Zusammenfassung in Frau Aulingers Studie, sondern betrachtet auch die zugrundeliegenden Daten, dann zeigt sich deutlich, dass keineswegs von einer "im wesentlichen einheitlichen Einstellungspraxis" gesprochen werden kann, wie vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben.

Auf Seite 171 (Tabelle 7) nennt Frau Aulinger die Zahl der Tatverdächtigen zu allgemeinen Verstössen nach §29 BtMG sowie die jeweiligen Einstellungszahlen nach §31a Abs.1, ohne aber die Werte zueinander direkt in Relation zu setzen. Warum sie diesen für die Vergleichbarkeit wichtigen Schritt unterlässt, ist für uns nicht nachzuvollziehen. Wir haben dieses Versäumnis einmal nachgeholt. Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache:

Einstellungen nach §31a Abs.1 als Anteil der Tatverdächtigen nach allgemeinen Verstössen nach §29 BtMG

1995: §29 BtMG §31a Abs.1 Einstellungsrate
Schleswig-Holstein 1863 1716 92,1 %
Bremen 1690 1363 80,7 %
Hamburg 4609 2987 64,8 %
Nordrhein-Westfalen 21433 10406 48,6 %
Hessen 7241 3429 47,4 %
Niedersachsen 7462 3323 44,5 %
Saarland 1173 472 40,2 %
Berlin 4572 1705 37,3 %
Rheinland-Pfalz 4391 1594 36,3 %
Baden-Würtemberg 13164 3846 29,2 %
Bayern 14465 2752 19,0 %
Brandenburg 720 86 11,9 %
Thüringen (*) 301 205 --- (*)
Sachsen 790 80 10,1 %
Sachsen-Anhalt 551 55 10,0 %


(*) Anmerkung: Die aus den Zahlen von AULINGER an sich errechnete Einstellungsrate von 68.1 Prozent für Thüringen im Jahre 1995 beruht wahrscheinlich auf einem Datenfehler. Die in der Studie genannte Zahl von 301 Tatverdächtigen in Thüringen im Jahr 1995 ist fragwürdig, weil sie einer Halbierung zum Vorjahr entspricht, während Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg in etwa eine Verdoppelung meldeten. Ausserdem machen allgemeine Verstösse normalerweise etwa zwei Drittel aller BtMG-Verstösse aus. Bei 703 BtMG-Anzeigen im Jahre 1995 wären statt 301 ca. 500 allgemeine Verstösse zu erwarten. 1994 wurden in Thüringen nur 11 Prozent der Fälle straflos eingestellt, konsistent mit den Einstellungsraten von 10-12 Prozent in allen anderen neuen Bundesländern im Jahre 1995. Eine Versechsfachung der Rate in einem Jahr wurde in keinem anderen Bundesland beobachtet.

Frau Aulinger stellt sogar selbst ausdrücklich fest:

Die Analyse tatbezogener Einstellungskriterien offenbart teilweise gravierende Unterschiede bei der Handhabung des §31a BtMG in den einzelnen Ländern.

Nicht selten wird das Ergebnis der Studie so dargestellt, als würden in allen Bundesländern 80 bis 90% der Fälle, in denen es um bis zu 6g oder 10g Cannabis zum Eigenkonsum geht, eingestellt (z.B. REITOX-Bericht 2002). Das entspricht nicht den Tatsachen und ist eine grobe Fehlinterpretation der Studie. Frau Aulinger untersuchte primär die eingestellten Verfahren während nicht eingestellte Verfahren, egal wie die gering die zugrundeliegende Menge war und in denen es dann in der Regel zu einem Gerichtsverfahren kam, für diese Studie nicht näher ausgewertet wurden. Eine Aussage, wie gross in den verschiedenen Bundesländern das Risiko für einen mit 6g oder 10g Cannabis ertappten Konsumenten ist, vor Gericht zu landen, lässt sich aufgrund der angeführten Zahlen gar nicht treffen, die oben erstellte Tabelle (ohne Aufschlüsselung nach Menge und Substanz) lässt jedoch auf erhebliche Unterschiede schliessen.

Im Gegensatz zur Darstellung der Bundesregierung lassen die vorliegenden Zahlen keine im wesentlichen einheitliche Anwendungspraxis des §31a erkennen. Es liegt am Deutschen Bundestag, diesen Mangel abzustellen und für eine bundesweit einheitliche Strafbefreiung der Konsumenten von Cannabis zu sorgen.

Zur Untermauerung dieser Forderung suchen wir Betroffene, die wegen bis zu 10 Gramm Cannabis gerichtlich verurteilt wurden und bereit sind, Informationen über ihren Fall zur Verfügung zu stellen.

Wir erwarten im übrigen, dass eine bis März 2004 laufende Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg bestätigen wird, daß die derzeitige Rechtspraxis von Land zu Land und Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft ungleich gehandhabt wird. Die Justizminister der Bundesländer wollen das Ergebnis dieser Studie abwarten, bevor sie weitere Schritte unternehmen. Mit ihrer Veröffentlichung wird im März 2006 gerechnet.


Bundestagsdrucksache 11/4329
Das Bundesverfassungsgericht verwies in seiner Entscheidung von 1994 ausdrücklich auf Bundestagsdrucksache 11/4329 aus dem Jahre 1988, in der erhebliche Diskrepanzen in der Rechtspraxis der Bundesländer bei geringen Mengen Cannabis zum Eigenkonsum festgestellt worden waren, und nannte eine solche Praxis "bedenklich". Fünfzehn Jahre nach jener Drucksache, im Jahre 2003, gibt es immer noch keine einheitliche Rechtspraxis.

Wichtige Artikel zum Thema:
Laufende Studie des Max-Planck-Instituts Freiburg (Albrecht / Paoli)
Drogenkonsum und Strafverfolgung [Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht - Freiburg]
Kommentar zu Berliner Reformplänen [CLN#133, 07.11.2003]
Bayerisches Justizministerium verteidigt Strafverfolgung [CLN#91, 27.12.2002]
Justizminister verschieben Vereinheitlichung auf 2004 [CLN#85, 15.11.2002]
VfD schreibt an die Justizminister [CLN#85, 15.11.2002]
CDU/CSU protestiert gegen SPD-Initiative [CLN#85, 15.11.2002]
Eduard Lintner (CSU) für 10g-Grenze [CLN#85, 15.11.2002]
Caspers-Merk: Straffreiheit bis 10g [CLN#84, 08.11.2002]
Brandenburg: Justizministerin für 6g-Grenze bundesweit [CLN#84, 08.11.2002]
Berliner Justizsenatorin fordert Straffreiheit bis 15g [CLN#83, 01.11.2002]
CSU betont ungleiche Rechtspraxis im Ländervergleich [CLN#49, 15.02.2002]
Verurteilt wegen unter 10 g Cannabis? [CLN#48, 08.02.2002]
Expertenanhörung: Noch keine Rechtsgleichheit [CLN#47, 01.02.2002]
Haschisch-Sündern wird eingeheizt [Oberpfalznetz, 25.01.2002]
Caspers-Merk: 10 Gramm bundesweit "geringe Menge" [CLN#45, 28.12.2001]
Bayern: 3250 DM Strafe für 0,5 Gramm Cannabis [CLN#33, 26.10.2001]
Verein für Drogenpolitik: Rechtsgleichheit herstellen! [VfD, 30.07.2001]


Das Original der Antwort der Bundesregierung auf die oben erwähnte Anfrage von Ulla Jelpke (PDS) ist hier zu finden:
http://dip.bundestag.de/btd/14/058/1405897.pdf

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS
Drucksache 14/5770
Unterschiedliche Festlegungen in den Bundesländern über die nicht der Strafverfolgung unterliegende »geringe Menge« von Drogen zum Eigenkonsum

Die Bundesregierung verweist auf ihre Antworten vom 9. November 1999 und vom 30. März 2001 zu den schriftlichen Fragen Nr. 35 und 36 (Bundestags- drucksache 14/2099) sowie Nr. 26 und 27 (Bundestagsdrucksache 14/5731). Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass durch das Dritte BtMG-Änderungsgesetz vom 28. März 2000 (BGBl. I S. 302) der in der Fragestellung zitierte § 31a Abs. 1 Satz 1 BtMG nicht geändert wurde.

Auch in der Drucksache 14/5731 ( http://dip.bundestag.de/btd/14/057/1405731.pdf) wird verwiesen auf 14/2099:

26. Abgeordnete Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (F.D.P.)

Beabsichtigt die Bundesregierung, zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Übermaßverbot im Betäubungsmittelgesetz einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der klarstellt, was eine geringe Menge weicher Drogen zum Eigenkonsum ist mit der Folge, dass von Strafverfolgung abzusehen ist?

27. Abgeordnete Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (F.D.P.) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung hierzu bisher unternommen, um eine einheitliche Praxis der Strafverfolgungsbehörden sicherzustellen?

Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch vom 27. März 2001

Die Bundesregierung verweist auf ihre Antwort zu Frage 35 vom 9. November 1999 (Bundestagsdrucksache 14/2099, S. 21/22). Der Bundesregierung liegen keine von der damaligen Einschätzung abweichenden Erkenntnisse vor.

In der erwähnten Antwort nun schliesslich findet sich folgendes:
http://dip.bundestag.de/btd/14/020/1402099.pdf

35. Abgeordnete Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (F.D.P.)

Was unternimmt die Bundesregierung, um auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine einheitliche Praxis der Strafverfolgungsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland beim Vorgehen gegen Menschen, die eine geringe Menge weicher Drogen zum Eigenkonsum besitzen, sicherzustellen?

Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Christa Nickels vom 9. November 1999

Als Reaktion auf die sog. Cannabis-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 regte die Bundesregierung seinerzeit bei den Landesjustizministerien die Festlegung von einheitlichen Kriterien für die Einstellungspraxis nach § 31a BtMG, insbesondere die Bestimmung der »geringen Menge« für den Eigenkonsum von Cannabis im Sinne dieser Vorschrift, an. Es kam dann zwar nicht zu einer ländereinheitlichen Festlegung, da die Justizverwaltungen nach und nach in Einzelerlassen bzw. Richtlinien unterschiedliche Kriterien und Mengen für die Anwendung des § 31a BtMG festgelegt haben. Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit im März 1997 vorgelegte rechtstatsächliche Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle zum Thema »Die Rechtsgleichheit und Rechtswirklichkeit bei der Strafverfolgung von Drogenkonsumenten« ergab jedoch, dass beim Umgang mit sog. weichen Drogen, insbesondere Haschisch und Marihuana, hinsichtlich der Mengen, bei denen die Vorschrift des § 31a BtMG regelmäßig zur Anwendung kommt, bundesweit ein hohes Maß an Übereinstimmung in der strafrechtlichen Praxis vorliege, so dass von einer im Wesentlichen einheitlichen Rechtsprechung, die das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte, gesprochen werden könne.

Die von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung geleitete Interministerielle Arbeitsgruppe Drogen hat im Juli des Jahres nach Auswertung dieser Untersuchung ebenfalls einen aktuellen Handlungsbedarf verneint. Sollten jedoch neuere Erkenntnisse diese Praxis infrage stellen, so wird die Bundesregierung erforderlichenfalls eine Nachuntersuchung über die Einstellungspraxis veranlassen. Sollte sich aus dieser oder aus sonstigen Erkenntnissen ergeben, dass die erforderliche Bundeseinheitlichkeit nicht mehr gewährleistet ist, so wird die Bundesregierung mit den Ländern Kontakt aufnehmen und die notwendigen Maßnahmen prüfen, um eine verfassungskonforme Rechtsanwendung sicher- bzw. wiederherzustellen.

36. Abgeordnete Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (F.D.P.)

Wie definiert die Bundesregierung die geringe Menge?

Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Christa Nickels vom 9. November 1999

In der Anwendungspraxis, insbesondere des § 31a BtMG, beträgt die geringe Menge von Cannabis für den Eigenkonsum, die zur Einstellung geführt hat, nach der vorstehend genannten Untersuchung im Mittel in über 80 Prozent der Fälle höchstens 6 Gramm und in mehr als 90 Prozent der Fälle höchstens 10 Gramm.

37. Abgeordnete Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (F.D.P.)

Beabsichtigt die Bundesregierung, ihre Drogenpolitik um die Entkriminalisierung weicher Drogen zu ergänzen, und wie ist der Stand der vom Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, Erwin Anton Jordan, in Karlsruhe angekündigten Prüfung?

Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Christa Nickels vom 9. November 1999

Als Vertragspartei der internationalen Suchtstoffübereinkommen bleibt die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, auch den Besitz von weichen Drogen zum Eigenkonsum grundsätzlich als Straftat einzustufen.

Die Bundesregierung setzt sich jedoch dafür ein, Cannabisprodukte realistisch und differenziert zu bewerten und die rechtliche Einstufung jeweils entsprechend zu überprüfen. So ist seit dem 30. März 1996 der landwirtschaftliche Anbau von Nutzhanf (Cannabis bis zu 0,3 Prozent THC-Gehalt) unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen worden. Aufgrund von klinischen Prüfungen sind die Cannabis-Wirkstoffe Nabilon und Dronabinol als verschreibungsfähige Arzneimittel eingestuft worden. Ein weiterer klinischer Versuch für die Verwendung von Cannabisextrakt als Arzneimittel ist im vorigen Jahr genehmigt worden und hat inzwischen begonnen. Auch diese Arzneimittel auf der Basis von Cannabis wird die Bundesregierung zulassen, wenn der Versuch den Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen erbringt.

Im Zusammenhang mit der Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten wird diskutiert, ob diese bei Jugendlichen unter Umständen nicht zu einer Aufwertung und Verfestigung des Probierverhaltens führen könne. Deshalb bemüht sich die Bundesregierung um glaubwürdige und realistische Präventionskonzepte, insbesondere zugunsten von jugendlichen Gelegenheitskonsumenten.