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Cannabis und Führerschein
Von allen verbreiteten psychoaktiven Drogen beeinträchtigen Alkohol und Beruhigungsmittel (z.B. Valium) die Fahrfähigkeit am schwerwiegendsten. Während aber Alkohol am Steuer erst ab 0,5 Promille bestraft wird, kann bei Cannabis bereits Personen der Führerschein entzogen werden, die als Fussgänger oder in der eigenen Wohnung im Besitz von Cannabis angetroffen werden, oder als Fahrer ohne dass ein aktueller Cannabiseinfluss nachgewiesen wird. Und um so weniger haben diese Menschen Verständnis dafür, dass beim bloßen Besitz der Droge der Führerschein eingezogen und eine aufwenige und teuere Medizinisch Psychologische Untersuchung angeordnet werden kann. Auch ich halte diese Praxis für bedenklich und werbe dafür, den entsprechenden Passus in der Fahrerlaubnisverordnung zu streichen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass beim blossen Besitz unterstellt wird, dass der Betreffende unter Drogeneinfluss steht. Das wäre gleichbedeutend damit, einem Menschen den Führerschein abzunehmen, weil er im Kofferraum einen Kasten Bier transportiert. Hier geht es um zwei Probleme:
Verkehrsunabhängige Überprüfung der Fahreignung Aus dem festgestellten Besitz oder gelegentlichen Konsum von Alkohol wird dagegen bekanntlich keine Verpflichtung zum Nachweis von absoluter Alkoholabstinenz abgeleitet. Eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) wird in der Regel erst ab Trunkenheitsfahrten mit 1,6 Promille und mehr angeordnet. Diese Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol ist sachlich nicht zu begründen, haben doch eine Reihe von wissenschaftlichen Studien unter Cannabiskonsumenten sogar eine geringere Unfallhäufigkeit als unter Nichtkonsumenten beobachtet! Das Abhängigkeitspotenzial von Cannabis wird von Experten auch nicht höher eingestuft als bei Alkohol. Das früher oft angeführte angebliche Risiko eines "Flashbacks" (Echorausch) durch Cannabiskonsum muss nach aktuellen Erkenntnissen als sehr fragwärdig eingestuft werden. Namhafte Experten stufen diese Rechtspraxis als verfassungswidrig ein. In einer Entscheidung vom 20.06.2002 bestätigte das Bundesverfassungsgericht, daß die Anordnung eines Drogentests durch eine Führerscheinstelle allein aufgrund des Besitzes einer geringen Menge Cannabis ohne Zusammenhang zum Straßenverkehr unrechtmäßig ist (siehe unten).
Fehlender Grenzwert beim Nachweis der akuten Beinflussung Darüberhinaus muss der Betreffende jedoch mit einem unbefristeten (d.h. dauerhaftem) Entzug der Fahrerlaubnis rechnen. Die Fahrerlaubnisverordnung verneint die Fahreignung, wenn der Konsum von Cannabis nicht nur gelegentlich erfolgt oder wenn dem Fahrer die Fähigkeit, Fahren und Cannabiskonsum zu trennen fehlt. Davon wird nach einem THC-Nachweis im Blut in der Regel ausgegangen. Die Folge sind eine MPU, eine mindestens sechsmonatige nachweislichliche Cannabisabstinenz ohne Führerschein und eine erneute MPU. Die direkten und indirekten Kosten belaufen sich auf Tausende von Euro, oft kostet es sogar die berufliche Existenz. Die Regelung bei THC ist im Vergleich zur Regelung bei Alkohol unverhältnismäßig.
Fazit Stand vor der Führerscheinentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Juni 2002:Am 26. Juni 2002 trafen sich die Verkehrsminister der Bundesländer zur Beratung einer Novelle des Führerscheinrechts. Wer derzeit im Zug oder zu Fuss im Besitz eines einzigen Cannabisjoints erwischt wird, kann gezwungen werden, auf eigene Kosten völlige Abstinenz nachzuweisen oder er ist seinen Führerschein (und damit oft auch den Arbeitsplatz) los. Hier wird mit einem völlig anderen Massstab gemessen als bei Alkohol, der im Straßenverkehr im Vergleich zu Cannabis sogar noch die riskantere Droge ist. Diese ungerechte und nach Aussagen von Experten verfassungswidrige Regelung will die Regierung bei der kommenden Novelle nicht reformieren, trotz Druck aus den Reihen des Grünen. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hat das Bundesverfassungsgericht bereits eine Klage zur Entscheidung angenommen (siehe unten).
Karlsruhe entscheidet über Fahrverbot für Haschischraucher
[taz, 06.07.2002] Nach wie vor droht ausserdem der Verlust des Führerscheins wenn geringste Mengen THC im Blut nachgewiesen werden, weil ein Grenzwert fehlt. Jede messbare Menge THC im Blut führt zu einer Geldstrafe und einem mehrmonatigen Fahrverbot, dem meist ein Entzug der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Fahreignung folgt. Dabei gäbe es seit Jahren konkrete Vorschläge für Grenzwerte analog zu Alkohol. Vielfach wird auch aus dem Besitz von Pfeifen o.ä der Verdacht hergeleitet, ein Führerscheininhaber sei regelmäßer Konsument und damit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Führerscheinentzug verfassungswidrig [CLN#71, 19.07.2002]
Pressemitteilung: Deutscher Hanf-Verband
[12.07.2002]
Rauchzeichen aus Karlsruhe
[taz, 13.07.2002] Bundesverfassungsgericht hebt Null-Promillegrenze bei THC auf (Dezember 2004)Eine Null-Promille-Regelung beim Cannabiswirkstoff THC ist nicht verhältnismässig und damit nicht grundgesetzkonform. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am 21.12.2004. Der Nachweis von THC im Blut sei nicht unabhängig von der Menge geeignet, ein Fahrverbot zu begründen.Zur Begründung hieß es, dass THC-Spuren wegen des technischen Fortschritts noch Tage nach dem Haschisch-Konsum im Blut gefunden werden könnten. Die vom Gesetzgeber angenommene Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit treffe deshalb nicht mehr zu und müsse verfassungskonform ausgelegt werden. Das Gericht sprach sich für einen Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC je Milliliter im Blut aus, bisher bedeutete jede noch so kleine Menge Fahrverbot. (Aktenzeichen: 1 BvR 2652/03 - Beschluss vom 21. Dezember 2004)
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
[13.01.2004]
VfD und DHV fordern wissenschaftlich fundierte Grenzwerte
[CLN#176, 15.01.2005]
Limit am Steuer: Ein bisschen bekifft darf sein
[Tagesschau.de, 13.01.2004] Ansprechpartner:Wolfgang TiefenseeBundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Platz der Republik 1 11011 Berlin Website: http://www.bmvbs.de/Das-Ministerium/-,1618/Der-Bundesminister.htm Links:http://www.cannabislegal.de/dateien/fuehrerschein.pdfInfo-Flyer zu Cannabis und Führerschein vom Verein für Drogenpolitik
Drogen bzw. Cannabiskonsum und Kraftverkehr (Theo Pütz)
Stellungnahme von Rechtsanwalt Michael Hettenbach http://www.cannabislegal.de/studien/fahren.htm
Drogen im Straßenverkehr: Eine Anhörung
Online-Forum der Jurathek von Rechtsanwalt Hettenbach - kompetente Informationen zu Drogen und MPU Anwaltskanzlei HLS zu Cannabis nicht nur im Straßenverkehr. Führerschein ade?! (Landesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik B90/Die Grünen NRW) http://www.hanfmedien.de/hanf/archiv/artikel/976/
http://www.cannabislegal.de/studien/fgt_fahren.htm
Verursacht Cannabiskonsum einen "Flashback" (Echorausch)?
Literature Review
on the Relation between
Drug Use, Impaired Driving and Traffic
Accidents (EMCDDA)
"Zu breit für die Strasse"
[Die Zeit, 51/2001]
§ 24a des Straßenverkehrsgesetzes
Drogenerkennung im Straßenverkehr Literatur
Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt
Fahrten unter Drogeneinfluss - Einflussfaktoren und Gefährdungspotenzial Bei Monokonsum lässt sich nur für Amphetamin/Ecstasy in hoher Konzentration und für Alkohol eine deutliche Gefährdung nachweisen. Der akute Konsum von Cannabis allein verändert das Fahrverhalten nicht, ebenso der Konsum von Amphetamin/Ecstasy in niedriger Konzentration. Besondere Gefährdung geht von der Kombination einer Droge mit Alkohol und von der Kombination zweier Drogen miteinander und zusätzlich mit Alkohol aus. |