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CannabisLegalNews (Nummer 95, 31.01.2003)Ein wöchentlicher Service von cannabislegal.de"Steter Tropfen höhlt den Stein" Kontakt: info@cannabislegal.de INHALT
1. EU-Gerichtshof: Schwedisches Hanfverbot illegal
1. EU-Gerichtshof: Schwedisches Hanfverbot illegal
Am 16.01.2003 hat der Europäische Gerichtshof das schwedische Drogengesetz für ungesetzlich erklärt, soweit es den Anbau von Nutzhanf aus THC-armen Sorten verbietet. Der Anbau von zertifizierten Sorten mit weniger als 0,2% THC wird mit Fördermitteln aus dem EU-Agrarfonds bezuschusst. Bisher wurde jedoch schwedischen Landwirten die nach dem schwedischen Drogengesetz erforderliche Genehmigung zum Anbau dieser Sorten verweigert.
Im Jahre 2001 baute der schwedische Landwirt Ulf Hammarsten, Mitglied im Schwedischen Hanfnetzwerk, in Südschweden einen Hektar EU-Hanf an, nachdem er zuerst erfolglos eine Anbaugenehmigung beantragt hatte. Die Polizei schritt ein und zerstörte die Pflanzen. Hammarsten klagte bis vor dem Europäischen Gerichtshof und bekam Recht. Nun muss die Regierung ihm entweder eine Genehmigung erteilen oder das Gesetz so ändern, dass für den Anbau zertifizierter THC-armer Nutzhanfsorten künftig keine Genehmigung mehr erforderlich ist.
Wir haben zwei schwedische Websites auf unsere Seite zu Informationen zur Drogenpolitik in Schweden aufgenommen. Eine dieser Sites, SweCan, hat bereits verschiedene Texte von unserer Site ins Schwedische übersetzt um die dortige Öffentlichkeit besser aufzuklären. Eine schwedische Übersetzung des Cannabisreform-Informationshefts des Vereins für Drogenpolitik e.V. (VfD) ist bereits seit einem Jahr verfügbar und inzwischen auf mehreren schwedischen Websites zu finden.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-462/01 [16.01.2003]
EU court declares that Swedish government has no authority to prevent Swedish farmers from cultivating hemp [globalhemp.com, 20.01.2003]
Schwedisches Hanfnetzwerk - deutschsprachige Homepage
Drogenpolitik in Schweden
2. REITOX-Bericht 2002 jetzt online
Der Bericht der Deutschen Referenzstelle für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) für das Jahr 2002 ist jetzt online verfügbar. Wie bereits in der vorigen Ausgabe enthält der Bericht auch diesmal einen groben Schnitzer, den wir reklamiert haben:
Wie eine Studie über die Rechtswirklichkeit in den verschiedenen Bundesländern (Aulinger 1997) zeigt, ist die Strafverfolgungspraxis in Bezug auf Cannabisbesitz für den Eigenkonsum relativ einheitlich. Danach wurden rund 90% aller dieser Verfahren eingestellt.
Das ist eine leider sehr verbreitete Fehlinterpretation der Aussagen der Aulinger-Studie. Frau Aulinger machte in ihrer Studie keine Aussage darüber, welcher Prozentsatz von Fällen von Cannabisbesitz zum Eigenkonsum in verschiedenen Ländern eingestellt wurde. Die Rate von 80-90%, die Frau Aulinger errechnet, bezieht sich nicht auf den Anteil der Eigenbedarfsfälle die eingestellt werden, sondern auf den Anteil unter den eingestellten Verfahren, wo die Menge 6 bis 10 Gramm nicht überschreitet.
Ein Vergleich der von Frau Aulinger genannten Anwendungshäufigkeit des Paragraphen 31a (I) BtMG mit der Zahl der Tatverdächtigen bei allgemeinen Verstössen (d.h. Besitz, Erwerb, Anbau, usw. ohne Handel oder Einfuhr nicht geringer Mengen) ergibt eine Spannbreite von rund 10 Prozent im Osten bis über 90 Prozent im Norden.
Frau Aulingers Studie nennt des weiteren konkrete Beispielszahlen von Staatsanwaltschaften in verschiedenen Bundesländern, die bestätigen, dass z.B. straflose Verfahrenseinstellungen bezogen auf die gesamte Fallzahl bei den aufgeführten Staatsanwaltschaften in Bayern rund 3-5mal seltener erfolgten als bei den aufgeführten Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein. Noch grösser sind die Unterschiede im Vergleich zu östlichen Bundesländern.
Laut Frau Aulinger (Seite 171, Tabelle 7) gab es etwa im Jahre 1995 in Bayern 14465 Tatverdächtige wegen allgemeinen Verstössen nach §29 BtMG und 2752 Einstellungen nach §31a BtMG. Das heisst, auf fünf Tatverdächtige kommt nur eine Verfahrenseinstellung. Im benachbarten Hessen waren es 7241 Tatverdächtige und 3429 Einstellungen, also etwa zwei Tatverdächtige pro Verfahrenseinstellung, in Schleswig-Holstein 1863 Tatverdächtige und 1716 Einstellungen, also fast soviele Verfahrenseinstellungen wie Tatverdächtige!
Ähnliche Diskrepanzen von Bundesland zu Bundesland gibt es bei den Anklageraten und Einstellungsraten ausgewählter Staatsanwaltschaften, die Frau Aulinger auf Seite 175 (Tabelle 8) aufführt. So liegen die Anwendungsraten des §31a bei den vier ausgewerteten Staatsanwaltschaften in Bayern zwischen 10,8 und 15,6% und die Anklageraten zwischen 26,6% und 40,8%. Bei den vier Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein dagegen betragen die Anwendungsraten des §31a zwischen 38,7% und 50,7%, während die Anklageraten zwischen 9,8% und 13,9% liegen. Die übliche Rechtspraxis in Bayern und Schleswig-Holstein ist damit also völlig gegensätzlich.
Gemäss der Daten aus der Studie von Frau Aulinger kann von einer bundesweit einheitlichen Rechtspraxis oder einer generellen Einstellungsrate von 90% keine Rede sein.
Es ist bedenklich, dass aktuellere Daten als die Aulinger-Studie erst im Jahre 2004 (ein ganzes Jahrzehnt nach der Cannabisentscheidung des Bundesverfassungsgerichts) vorliegen werden, wenn das Ergebnis einer derzeit laufenden Studie des Max-Planck-Instituts in Freiburg erscheinen wird. Unverantwortlich ist es jedoch, wenn die seit Jahren verfügbaren Daten der älteren Studie immer wieder verfälscht dargestellt werden, um fortlaufende Verstösse gegen das Grundgesetz zu vertuschen.
Drogensituation 2002 [18.12.2002]
Im wesentlichen einheitliche Rechtspraxis bei geringen Mengen?
3. Spiegel-Leser für Cannabisbesteuerung
Der "Spiegel" hatte seine Leser nach Ideen gefragt, wie das Steuerproblem gelöst werden könnte. Mehrere Leser schlugen daraufhin eine Legalisierung und Besteuerung von Cannabis vor. So kam es, dass der Spiegel Leserzuschriften zitierte, die ihrerseits von unserer Website zitieren :-)
Flat-Tax, Drei-Stufen-Modell, Erbschaftsteuer [Spiegel.de, 25.01.2003]
Was verboten ist kann nicht besteuert werden
4. USA: Cannabisclubbetreiber sagt im Rosenthal-Prozess aus
Durch eine Zeugenaussage eines Cannabisclubbetreibers für Patienten in San Francisco erfuhren die Geschworenen im Prozess gegen den Cannabisexperten Ed Rosenthal, dass die Canabisstecklinge, die der Autor in einem Lagerhaus produziert haben soll, zur Cannabisversorgung von Patienten bestimmt waren. Richter Charles Breyer hatte Rosenthal selbst und seinen Verteidigern jegliche Erwähnung des Verwendungszwecks der Pflanzen verboten, weil dieser für die Schuldfrage nach Bundesgesetzen nicht relevant sei.
Die Aussage von Robert W. Martin vom Harm Reduction Center in San Francisco erfolgte aufgrund einer zwangsweisen Vorladung durch die Staatsanwaltschaft. Er sagte aus, dass er von Rosenthal gelieferte Stecklinge an Patienten verkauft habe, damit diese "ihre eigene Medizin anbauen und ihr Leben verbessern können".
Die Verteidiger befragten Vertreter der Bundesdrogenpolizei zu den bei der Razzia in Rosenthals Lagerhaus gefundenen Pflanzen. Das Bundesdrogengesetz sieht Mindeststrafen vor, die sich nach dem gewicht bzw. der Anzahl der Pflanzen richten. Rosenthal hatte Stecklinge von Mutterpflanzen geschnitten und dann bewurzelt, damit Patienten sie bei sich zuhause anbauen konnten. Jeder bewurzelte Steckling zählt vor Gericht als ein kg Cannabis. Sollte es der Staatsanwaltschaft gelingen nachzuweisen, dass Rosenthal mehr als 1000 bewurzelte Pflanzen produziert hat, dann drohen ihm zwischen 10 Jahren und lebenslänglicher Haft. Rosenthal ist 58 Jahre alt, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Am Tag nach der Razzia im Februar 2002 kam er gegen 500.000 Dollar Kaution für die Prozessdauer frei, wofür u.a. er sein Haus verpfänden musste.
Cannabis stand bis zum Jahr 1942 auf der offiziellen Arzneiliste der USA. In Kalifornien ist sein medizinischer Gebrauch seit 1996 wieder legal, ein 33 Jahre altes Bundesgesetz stuft es jedoch immer noch als Substanz "ohne medizinischen Nutzen" ein. Auch in Deutschland müssen Patienten mit Strafverfolgung rechnen, wenn sie (wie Morbus-Crohn-Patient Michael Grosse in Berlin) Cannabis zur Linderung ihrer Beschwerden einsetzen.
Prozessbericht auf Green-Aid.com
Cannabis in den USA
Cannabis als Medizin
5. Spiegel: Briten Europameister beim Drogenkonsum
"Die Briten sind Europameister im Konsumieren illegaler Drogen," schreibt der Spiegel in einem Artikel vom Dienstag, 28.01.2003. "Das hat Tradition, aber die Experten wissen nicht so recht warum - oder machen das miese Wetter dafür verantwortlich."
Dass nicht die Niederländer mit ihrer liberalen Drogenpolitik, sondern die immer noch repressiven Briten beim Konsum illegaler Drogen europaweit vorne liegen, ist in der Tat bemerkenswert. Allein am Wetter kann es aber wohl nicht liegen, denn beim Pro-Kopf-Verbrauch der legalen Droge Alkohol etwa unterscheiden sich diese beiden Nordseeanrainer kaum. Doch während bei den Briten die Zahl der Anzeigen wegen Cannabisbesitz bezogen auf die Einwohnerzahl ähnlich hoch liegt wie in Deutschland, ist Cannabis in den Niederlanden seit über einem Vierteljahrhundert entkriminalisiert. Es drängt sich der Verdacht auf, eine repressive Drogenpolitik führe letztlich zu mehr Konsum als sachliche Aufklärung und Märktetrennung, wie im Land der Coffeeshops.
Diese Erkenntnis ist auch für Deutschland relevant. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass in den Niederlanden Cannabiskonsum unter Jugendlichen weniger weit verbreitet ist als unter ihren Altersgenossen in Deutschland.
Die Drinks-and- Drugs-Europameister [spiegel.de, 28.01.2003]
Drogen in Grossbritannien
Das Verbot verhindert den Jugendschutz
Alkoholverbrauch im internationalen Vergleich
Drogenpräventionsbroschüren aus den Niederlanden
6. Kanadische Studie: Angebotsreduzierung wirkungslos
Eine Studie in der Zeitschrift des Kanadischen Ärzteverbands (CMAJ) befasst sich mit der Wirksamkeit des strafrechtlichen Verbots von Drogen, insbesondere von Beschlagnahmungen. Im Jahre 1996 begannen die Autoren eine mehrjährige Studie unter insgesamt rund 1400 injizierenden Drogenkonsumenten in Vancouver, Kanada und stellten ihnen dabei regelmässig Fragen u.a. zum Konsumverhalten, zu Drogenpreisen und zu Überdosierungen.
Am 02.09.2000 gelang der Polizei in Vancouver die größte Beschlagnahmung von Heroin in der kanadischen Geschichte: 100 kg hochreines Heroin, fast soviel wie die 113 kg Heroin, die der amerikanische Zoll im Verlauf des gesamten Jahres 2000 an der mexikanischen Grenze abfing. Sprecher der Polizei versprachen sich von dieser erfolgreichen Aktion steigende Preise für die Droge, was Jugendliche vom Konsum abhalten würde sowie eine Abnahme von Überdosisfällen. Diese Hoffnungen sollten sich nicht erfüllen.
Dr. Martin T. Schechter von der Abteilung für Gesundheitswesen und Epidemiologie der Universität von British Columbia und seine Kollegen analysierten Umfrageergebnisse in den Wochen und Monaten vor und nach der Beschlagnahmung, um festzustellen, welche Auswirkungen sich konkret zeigen würden. Das Ergebnis war ernüchternd. Es gab keine Veränderungen bei der Konsumhäufigkeit, bei der Häufigkeit von Überdosierungen und bei injizierenden Konsummustern. Während die Kokainpreise stabil blieben, stieg der mittlere Heroinpreis im 30-Tage-Vergleich vor und nach der Beschlagnahmung wider Erwarten nicht an, sondern fiel sogar noch um ein Fünftel. Selbst wenn ein längerer Zeitraum ausgewertet wurde, blieb es bei einem Fall der Heroinpreise.
Die Autoren konnten keine positiven Effekte des größten Heroinfangs in der Landesgeschichte feststellen. In ihren Schlußfolgerungen hinterfragen sie deshalb, wie sinnvoll überhaupt eine Strategie ist, die knappe finanzielle und personelle Ressourcen vor allem auf den Versuch konzentriert, das Angebot zu reduzieren. Sie empfehlen stattdessen eine Verlagerung der Mittel weg vom Strafrecht und hin zu Prävention, Therapie und Schadensminimierung:
In the present study we observed no beneficial public health effects of Canada's largest-ever heroin seizure. In our view, the most plausible explanation is that the seizure had no significant effect on the supply of heroin in this locality. This conclusion is supported by a recent report by the World Customs Organization, which found that even post-September 11 security measures have had a "negligible" impact on the influx of illicit drugs into the US.
Impact Of Supply-Side Policies For Control Of Illicit Drugs [CMAJ, 21.01.2003]
7. USA: Millionen-Werbespots beim Super Bowl
Letztes Jahr machten die zum Super Bowl Finale von der US-Regierung gesendeten Werbespots Drogenkonsumenten für den Terrorismus mitverantwortlich. Auch heuer hat die US-Behörde ONDCP Werbezeit zur besten Sendezeit während des Football-Endspiels gekauft und lässt sich das mehr als 4 Millionen Dollar an Steuergeldern kosten. Zwischen Werbung für Marken wie Pepsi und Budweiser werden die neuen Antidrogen-Werbespots gesendet, die andeuten dass Cannabiskonsum Verkehrstote verursacht, Mädchen dadurch ungewollt schwanger werden und sich Jugendliche gegenseitig erschießen:
Two teenagers in a marijuana-induced haze sit in a family den, foggy with smoke. After some typical silly banter ("your sister is hot"), one of the kids pulls out his father's gun, says it's unloaded, and to prove it, aims at his friend's head and fires.
Drug War Taking a Ridiculous Turn [Daily Herald, 11.01.2003]
White House Launches Super Bowl Anti-Drug Ads [FoxNews.com, 24.01.2003]
8. Kölner OB genehmigt Reggaefest
Das traditionelle Reggaefest "Summer Jam" am Fühlinger See wird voraussichtlich vom 04. bis 06.07.2003 stattfinden. Wie berichtet ( CLN#93, 17.01.2003 ) wollten Polizei und Ordnungsamt das Musikfestival verhindern, weil es im Vorjahr zu einigen Anzeigen aufgrund des Cannabisverbots gekommen war. Oberbürgermeister Fritz Schrammer, der nach den ersten Presseberichtet bereits angedeutet hatte, dass er für einen Erhalt des Festivals sei, hat es nun offiziell genehmigt. Hunderte von Zuschriften aus der Öffentlichkeit hatten dazu beigetragen.
Schramma: Summer Jam bleibt [Express, 24.01.2003]
Reggae-Festival «Summer Jam» darf in Köln bleiben [Kölner Stadt-Anzeiger, 27.01.2003]
summerjam.de - Festivalhomepage
Kölner Polizei will "Summer Jam" stoppen [CLN#93, 17.01.2003]
9. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:
28.02.2003-02.03.2003 Bern (CH): CannaTrade
Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen:
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