|
CannabisLegalNews (Nummer 133, 07.11.2003)Ein wöchentlicher Service von cannabislegal.de"Steter Tropfen höhlt den Stein" Kontakt: info@cannabislegal.de INHALT
1. Kommentar zum Berliner Modellversuch
1. Kommentar zum Berliner Modellversuch
Verschiedene Besucher unserer Website haben uns in den letzten Tagen um eine Stellungnahme zu einem möglichen Modellversuch in Berlin zur legalen Cannabisabgabe gebeten. Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? Was wird dabei herauskommen? Hiermit versuchen wir, auf diese Fragen Antworten zu geben.
Grüne und FDP haben zwei Vorschläge (siehe CLN#124 und CLN#127) eingebracht, die im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses beraten werden. Dabei geht es zum einen um die Anhebung der "geringen Menge" (bis zu der Verfahren wegen unerlaubtem Cannabisbesitz eingestellt werden können) von derzeit 6g auf 15 bzw. 30g. Zum anderen geht es um eine lizenzierte Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften wie z.B. Apotheken, Hanfläden oder Coffeeshops.
Die Anhebung der geringen Menge ist relativ unkontrovers und durch politische Mehrheiten in Berlin machbar. Sie wird von allen Parteien ausser der CDU unterstützt. Die Frage ist dabei lediglich, ob sich die Grünen mit ihrer 30g-Forderung durchsetzen (d.h. einer Regelung wie im SPD-regierten Schleswig-Holstein) oder ob die Grenze bei 15g liegen wird. Die Berliner Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) schlug vor einem Jahr eine bundesweite Einigung auf 15g vor (siehe CLN#83). Auch die FDP favorisiert scheinbar diese Grenze.
Bedenken gibt es gegen eine 30g-Regelung wegen der Problematik des Schwarzmarktes und wegen der politischen Akzeptanz in anderen Bundesländern. Strassendealer könnten ihre Verkaufsportionen als Eigenbedarfsmengen ausgeben, so die Kritiker des Vorschlags der Grünen. Das stimmt zum einen nur bedingt, denn wenn Indizien für Handel vorliegen, ist ein Gerichtsverfahren auch bei geringen Mengen möglich. Zum anderen ist das Problem des Schwarzhandels durch eine Mengenregelung grundsätzlich nicht lösbar, sondern erst durch die Schaffung einer legalen Alternative zum Schwarzmarkt. Wer in staatlich kontrollierten Geschäften einkaufen kann, oder in der eigenen Wohnung anbauen darf, braucht keinen Dealer. Selbst die harte bayerische Linie, wo junge Menschen mitunter sogar für weniger als einem Gramm vor einem Richter stehen, kann den Schwarzhandel bekanntlich nicht wirksam unterbinden. Prohibition funktioniert nicht, das zeigten schon die Erfahrungen der USA in den 20er Jahren mit dem Experiment Alkoholprohibition.
Komplizierter als bei den geringen Mengen ist die Sachlage beim Modellversuch. Ein solcher wurde bereits in den 90er Jahren von der Landesregierung von Schleswig-Holstein vorgeschlagen und beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt. Cannabis sollte damals in geringen Mengen (maximal 5 Gramm pro Transaktion) in Apotheken an Erwachsene verkauft werden. Der Preis sollte über dem Schwarzmarktpreis liegen, um den Weiterverkauf an Minderjährige oder in andere Bundesländer finanziell uninteressant zu machen. Der Besitz von Cannabis in Originalverpackung sollte in Schleswig-Holstein (im geographischen Bereich des Modellversuchs) straffrei sein.
Sondergenehmigungen zum Umgang mit Cannabis dürfen zu wissenschaftlichen Zwecken erteilt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Ein solcher wissenschaftlicher Zweck wäre die Erforschung der Frage, wie sich ein legaler Zugang zu Cannabis auf das Konsumverhalten auswirkt. Das BfArM verweigerte der Landesregierung von Schleswig-Holstein damals die nötige Zustimmung und für eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes gab es im Bundestag unter Helmut Kohl keine Mehrheit. Ausserdem war der Verband der Apotheker gegen eine Abgabe in Apotheken - vielleicht ein Grund, warum die FDP stattdessen Coffeeshops favorisiert .
Sollte sich der Berliner Gesundheitsausschuss für den Modellversuch aussprechen, dann muss eine Studie entworfen und dem BfArM zur Genehmigung vorgelegt werden. Eine Ablehnung ist dabei zunächst sehr wahrscheinlich. Das BfArM handhabt die Vergabe von Genehmigungen sehr restriktiv. Es hat sie sogar Patienten verweigert, nachdem das Bundesverfassungsgericht klargestellt hatte, dass eine Lizenz zum medizinischen Gebrauch dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes entspricht.
Lehnt das BfArM den Modellversuch ab, bleibt als Alternative eine Initiative des Bundestags oder Bundesrats. Eine Gesetzesänderung könnte es ermöglichen, dass Modellversuche auch ohne Zustimmung des BfArM, auf Beschluß von Landesparlamenten durchgeführt würden können oder der Bundestag könnte direkt den Besitz geringer Mengen grundsätzlich von der Strafandrohung ausnehmen. Dazu muss aus der Berliner Diskussion eine bundesweite Diskussion über die künftige Politik zu Cannabis werden. Seit der Debatte um das Schleswig-Holsteiner Apothekenmodell von 1995-1997 hat sich in der öffentlichen Meinungsbildung einiges getan, nicht nur in Deutschland. Mit der erfolgten Entkriminalisierung in Belgien, der beschlossenen Umstufung in Grossbritannien und den Reformplänen der Schweizer Regierung ist das Cannabisverbot auch im europäischen Rahmen ins Wanken geraten.
Im kommenden Jahr wird das Max-Planck-Institut (MPI) Freiburg die Ergebnisse einer derzeit laufenden Studie für das Bundesministerium für Gesundheit vorlegen, die sich mit der unterschiedlichen Rechtspraxis in den Bundesländern befasst - einem seit der Cannabisentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994 offen gebliebenen Kernpunkt. Das ist auch einer der Hauptangriffspunkte im Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Bernau (siehe CLN#116). Ein erneutes Machtwort aus Karlsruhe ist gut möglich, wenn die Politik nicht reagiert. Dazu kommen die Finanznöte der öffentlichen Hand. Überall muss sich der Staat auf das Wesentliche konzentrieren. Wozu eine teure Cannabispolitik ohne vorzeigbare Erfolge, die die Bürger Milliarden kostet, wie der Deutsche Hanfverband (DHV) errechnet hat? (siehe CLN#132)
Es ist nicht damit zu rechnen, dass das Cannabis, das in Berliner Wohnungen, Parks und Kneipen konsumiert wird, schon in wenigen Monaten aus legalen Abgabestellen kommt. Doch wenn nächstes Jahr das MPI zu dem Schluss kommt, dass die aktuelle Rechtpraxis bei geringen Mengen ungleich ist, könnten die Dinge schnell in Bewegung geraten. Wenn sich dann das Bundesverfassungsgericht mit dem Bernauer Vorlagebeschluss befasst, könnten die Politiker unter akuten Zugzwang geraten. Die Debatte um den Modellversuch ist eine Möglichkeit, einen konkreten Alternativplan zur bestehenden Prohibition auszuarbeiten, ein politisches Bündnis von reforminteressierten Menschen aufzubauen und die öffentliche Debatte anzukurbeln. Nur wenn in den Medien darüber berichtet wird und mehr Menschen erkennen, dass es für eine andere Politik ja eigentlich ganz vernünftige Argumente gibt, kann es Fortschritte geben.
Dazu brauchen wir auch Ihre Hilfe. Sie können selbst aktiv werden, durch Gespräche im Bekanntenkreis, durch Leserbriefe oder Veranstaltungen vor Ort. Sie können auch eine Organisation mit Ihrem Mitgliedsbeitrag unterstützen, die sich für die Cannabisreform einsetzt. Vor der Sommerpause stellte der Verein für Drogenpolitik e.V. (VfD) jedem Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses und auch des Bundestages ein Exemplar seines Infohefts zu Cannabis zu. Wenige Wochen später kamen die Vorstöße der Grünen und der FDP.
Die derzeitige politische Lage bei Cannabis (1972-2004)
Drogenpolitik in den Bundesländern: Berlin
Was jeder einzelne tun kann
Homepage des Vereins für Drogenpolitik
2. REITOX Bericht 2003 veröffentlicht
Der Bericht 2003 der Deutschen Referenzstelle für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD), der Informationen für das Jahr 2002 liefert, ist jetzt online verfügbar. Auf diesem Bericht beruht der Deutschland betreffende Teil des Jahresberichts der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon (EMCDDA/EBDD, siehe CLN#131, 24.10.2003). Er enthät viele nützliche Daten zum Thema Drogen und Drogenpolitik.
In den Vorjahren hatte der DBDD-Bericht behauptet, 90% der Verfahren wegen Cannabisbesitz für den Eigenkonsum würden eingestellt (siehe CLN#95, 31.01.2003), eine verbreitete Fehlinterpretation einer Studie von 1997. Wir hatten den Autoren im vergangenen Jahr deswegen geschrieben und auf die tatsächliche Datenlage verwiesen. Im aktuellen Bericht findet sich die 90%-Aussage nicht mehr. Stattdessen schreiben die Autoren:
§31a BtMG erlaubt es, unter bestimmten Bedingungen bei Drogenbesitz für den Eigenkonsum von einer Strafverfolgung abzusehen. Da keine einheitlichen Grenzwerte zu den kritischen Stoffmengen in den Bundesländern existieren, ist die Übereinstimmung der Rechtspraxis unklar.
Zu "Öffentliche Debatten zum Thema Drogen" schreibt der Bericht:
Trotz des allgemein geringen Interesses an Drogenpolitik in der Bevölkerung kam in den letzten Jahren das Thema «Legalisierung von Cannabiskonsum» auch in Deutschland in der öffentlichen Diskussion immer wieder auf. Einzelne Gruppen haben Kampagnen zur Legalisierung gestartet, u.a. mit gezielten Ansprachen von Meinungsführern über das Internet.
REITOX-Bericht 2003 [EBDD, 29.10.2003]
EBDD-Jahresbericht 2003 veröffentlicht [CLN#131, 24.10.2003]
REITOX-Bericht 2002 jetzt online [CLN#95, 31.01.2003]
Deutsche Referenzstelle für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
3. Hanftag in Sindelfingen
Am Samstag, 8. November, findet in Sindelfingen (Baden-Württemberg) der erste Sindelfinger Hanftag statt, organisiert vom Verein für Drogenpolitik e.V. (VfD):
Der VfD mit Sitz in Mannheim bietet ein Forum der Information und zum Erfahrungsaustausch im Internet. Er tritt mit Drogenpräventionsständen in der Szene auf und wirbt auf Marktplätzen und in Fußgängerzonen für sein Anliegen. Jetzt hat der Verein erstmals eine Hanf-Informationsveranstaltung in der Region Stuttgart organisiert. Am kommenden Samstag ist im Pavillon der erste Sindelfinger Hanftag. Eröffnet wird um 13 Uhr. Um 13.15 Uhr wird der Film "Hemp for Victory" (USA 1942) in der englischen Originalversion gezeigt. Ein Vortrag zum Thema "Cannabis im Straßenverkehr: Führerscheinverordnung, Medizinisch-Psychologische Untersuchung, Drogen-Screenings" von Theo Pütz folgt um 14 Uhr. Mit den Filmen "Die Geschichte der Drogenprohibition" und "Die Verfassungswidrigkeit des Cannabisverbotes" von Sebastian Scheerer geht das Programm um 15.15 Uhr weiter. "More Hemp according to Hempflax", ein Film über die Nutzhanf-Industrie, wird um 17.45 Uhr im englischen Original gezeigt. Um 18.30 Uhr wiederholt Theo Pütz seinen Vort
Gerechte Drogenpolitik [Böblinger Kreiszeitung, 06.11.2003]
Verein für Drogenpolitik e.V.
4. Kanada: Entkriminalisierungsgesetz bleibt liegen
Gesetzentwurf C-38, der den Besitz von bis zu 15g Cannabis zur Ordnungswidrigkeit herunterstufen sollte, wird wahrscheinlich dieses Jahr vom kanadischen Unterhaus nicht mehr behandelt werden. Dem Parlament läuft vor dem Ende der Herbstsitzung die Zeit davon.
Bald werden die regierenden Liberalen einen neuen Parteivorsitzenden und damit Ministerpräsidenten wählen. Der amtierende Ministerpräsident Chretien will sich demnächst aus der Politik zurückziehen. Die Entkriminalisierung war eines der Projekte, das Chretien vor seinem Ruhestand umsetzen wollte. Jetzt ist offen, wie es im nächsten Jahr unter dem designierten Nachfolger Paul Martin weitergehen wird.
Unter Reformern war C-38 sehr umstritten, weil es auch vorsah, die Strafen für den Anbau von Cannabis zu verschärfen. Der Entwurf blieb hinter den Empfehlungen von zwei Parlamentskommissionen zurück. Der Senatsausschuss hatte eine Legalisierung analog zu Alkohol empfohlen, der Unterhausausschuss eine Entkriminalisierung von bis zu 30g.
Canada: Parliament Likely To Adjourn Without Passing Pot Decrim Bill [NORML, 05.11.2003]
Decrim is Dangerous [Cannabis Culture #35, 18.01.2002]
Umstufung von Cannabisdelikten zur Ordnungswidrigkeit
Cannabis in Kanada
5. USA: Präsidentschaftskandidaten und Cannabis
Acht prominente Politiker und ein Ex-General konkurrieren darum, wer von ihnen für die Demokratische Partei im November 2004 gegen George W. Bush ins Rennen um das Amt des US Präsidenten zieht. Drei der sechs aussichtsreichsten Bewerber, John Edwards (North Carolina), John Kerry (Massachusetts) und der ehemalige Gouverneur von Vermont, Howard Dean, der derzeit bei Meinungsumfragen führt, haben auf Anfrage anläßlich einer Fernsehdebatte bekannt, Cannabis geraucht zu haben. Ein weiterer Kandidat, der Repräsentantenhausabgeordnete Dennis Kucinich (Ohio), hat zwar selbst nicht konsumiert, würde es aber entkriminalisieren. Die ehemalige Senatorin Carol Mosley Braun (Illinois) verweigerte die Beantwortung der Frage zum Konsum. Ex-General Wesley Clark, Al Sharpton and Senator Joe Lieberman verneinten die Frage nach dem Konsum. Der Repräsentantenhausabgeordnete Dick Gebhardt nahm nicht an der Fernsehdebatte teil und wurde deshalb auch nicht befragt.
Wer immer sich auch durchsetzt, wird gegen einen Politiker antreten, der Fragen zum Konsum illegaler Drogen nie beantwortet hat. "Als ich jung und verantwortungslos war, war ich jung und verantwortungslos," war alles, was George W. Bush auf Fragen zu Gerüchten um angeblichen Kokainkonsum sagen wollte.
"Die wirkliche Frage ist nicht, ob ein Kandidat Marihuana geraucht hat - fast die halbe erwachsene Bevölkerung, einschließlich führender Politiker wie der frühere Präsident Bill Clinton, Vizepräsident Al Gore und Repräsentantenhausvorsitzender Newt Gingrich, geben das zu - sondern ob dieser Kandidat glaubt, daß ansonsten gesetzestreue Amerikaner verhaftet und eingesperrt werden sollen, für das selbe Verhalten wie sie einst," kommentierte Keith Stroup von der Cannabisreformorganisation NORML.
Presidential Candidates Fess Up To Prior Pot Use [NORML, 05.11.2003]
Cannabis in den USA:
6. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:
08.11.2003 Sindelfingen: Hanftag
Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen:
Wissen Sie von Veranstaltungen? Schreiben Sie uns! Mit freundlichen Grüßen Joe Wein Kontakt: info@cannabislegal.de Anmeldung: cannabislegalnews-subscribe@yahoogroups.com Abmeldung: cannabislegalnews-unsubscribe@yahoogroups.com |