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CannabisLegalNews (Nummer 65, 07.06.2002)Ein wöchentlicher Service von cannabislegal.de"Steter Tropfen höhlt den Stein" Kontakt: info@cannabislegal.de INHALT
1. Drogen- und Suchtkommission: "Prävention vor Repression"
1. Drogen- und Suchtkommission: "Prävention vor Repression"
Im Dezember 1999 berief das Bundesgesundheitsministerium eine Drogen- und Suchtkommission ein, die Empfehlungen zur Verbesserung der Suchtprävention ausarbeiten sollte. Der Bericht dieser Kommission liegt nun vor. Er kritisiert, dass der 1990 verabschiedete "Nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan" jeden Konsum illegaler Drogen als "Missbrauch" bezeichnet. Der absolute Abstinenzanspruch bei illegalen Drogen sei unrealistisch und schade der Glaubwürdigkeit und der sachgerechten Auseinandersetzung mit verschiedenen (legalen und illegalen) Substanzen:
Nur so ist zu verstehen, dass im 1990 verabschiedeten »Nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan« und in anderen Zusammenhängen im Hinblick auf den Konsum illegaler Drogen generell von Missbrauch gesprochen und völlige Abstinenz postuliert wird, so als sei ein geordneter und (selbst-) kontrollierter Gebrauch von Betäubungsmitteln prinzipiell nicht möglich. Dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, der gesellschaftlichen Diskussion und Praxis, sowie vor allem aber auch der Glaubwürdigkeit der Prävention im Dialog mit jungen Menschen wird dies nicht (mehr) gerecht. Umgekehrt versperrt eine solche, im wesentlichen an juristischen Kategorien orientierte Sicht von ihrem Ansatz her eine sachgerechte Auseinandersetzung mit kulturell eingelebten Konsummustern bei Alkohol, Tabak und Medikamenten; der Umgang mit diesen Substanzen erscheint implizit, nämlich in Relation zum Konsum illegaler Drogen, als weniger schädlich und substanzbedingt leichter »beherrschbar«.
Der Bericht empfiehlt, repressive Vorschriften regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob sie präventive Maßnahmen behindern. Im Zweifel sollte der Grundsatz "Prävention vor Repression" gelten. Vor überzogenen Erwartungen an Gesetze wird gewarnt. Und aufgepasst, Frau Caspers-Merk: Die negativen Auswirkungen von Gesetzen müssten künftig stärker beachtet werden, unwirksame Gesetze wieder abgeschafft werden. Brisante Forderungen, wenn man sie konkret auf das Cannabisverbot anwendet, das trotz mehr als einer halben Million Strafanzeigen in den letzten fünf Jahren keine niedrigeren Konsumzahlen vorweisen kann als in den Niederlanden:
Die sozialwissenschaftliche Forschung hat sich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit der Lenkungswirkung von und der Verhaltenssteuerung durch Recht beschäftigt. Die Ergebnisse dabei sind insgesamt eher entmutigend. Viele der dem Recht zugeschriebenen Folgen oder Ergebnisse lassen sich nicht oder durch andere als rechtliche Mittel besser (z.B. mit weniger Nebenwirkungen) erreichen.
Auszüge aus der Stellungnahme:
Stellungnahme der Drogen- und Suchtkommission zur Verbesserung der Suchtprävention [BMG, 04.06.2002]
Politik der Bundesregierung sieht sich durch das Votum der Drogen- und Suchtkommission bestätigt [BMG, 04.06.2002]
Übersicht zur Drogen- und Suchtkommission:
2. Ergebnisse der Fachtagung Cannabispolitik
Wir haben die Beiträge online gestellt, die auf der Fachtagung der Grünen in Berlin am Montag vorgetragen wurden:
Fachtagung "Cannabispolitik im europäischen Vergleich" [03.06.2002]
Strafen: Cannabis-Angst [Neues Deutschland, 04.06.2002]
Cannabis: Verbieten und Wegsehen [Neues Deutschland, 05.06.2002]
Dauerkiffen prägt [Süddeutsche Zeitung, 06.06.2002]
Bündnis 90/Die Grünen und die Cannabisreform:
3. taz-Interview mit Volker Beck (MdB)
In einem Interview mit der taz hat der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, angekündigt, in der kommenden Legislaturperiode eine Entkriminalisierung von Cannabis mit Modellprojekten zur staatlichen Abgabe auf die Tagesordnung zu setzten. Am Montag, 03.06., fand in Berlin ein Fachkongress der Grünen zu "Cannabispolitik im europäischen Vergleich" statt.
Diesmal muss die Entkriminalisierung von Haschisch in der Koalitionsvereinbarung stehen. Das wird für Bündnis 90/Die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen ganz hohe Priorität haben.
"Keine Wende bei Haschisch, aber ..." [taz, 02.06.2002]
Reformen in der Cannabispolitik:
Grüner Fachkongreß zur europäischen Cannabispolitik [CLN#64, 31.05.2002]
Die Grünen und die Cannabisreform:
4. CDU, CSU und Drogenbeauftragte kritisieren Grüne
4.1 Hubert Hüppe (CDU)
Als Vollblutpolitiker kann es sich der drogenpolitische Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, Hubert Hüppe, nicht verkneifen, in seiner jüngsten Pressemitteilung darauf hinzuweisen, dass die Grünen in den letzten vier Jahren keine Schritte in Richtung Cannabislegalisierung unternommen haben. Er hofft wohl, dass Grünwähler von 1998 diesmal frustriert von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen und damit dem Kanzlerkandidaten der Union den Wahlsieg erleichtern. Lesen Sie unsere Antwort auf die Pressemitteilung von Herrn Hüppe.
Pressemitteilung: "Freigabe kommt nicht in Frage" [05.06.2002]
Antwort auf die PM von Herrn Hüppe:
CDU/CSU und Cannabis:
4.2 Wolfgang Zeitlmann (CSU)
Der innenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, kritisiert in einer Pressemitteilung den Einsatz der Grünen für eine Legalisierung von Cannabis:
Eltern müssen ihre Kinder ohne Angst vor Drogen in die Schule oder in die Disko gehen lassen können. Die steigende Zahl der Drogentoten und der Erstkonsumenten harter Drogen mahnen zu einer verantwortungsbewussten Drogenpolitik zurückzufinden. Auch hier gilt: Wehret den Anfängen. Mit der Legalisierung sogenannter Einstiegsdrogen können die Anfänge für eine "Drogenkarriere" gesetzt werden. An den drei Säulen, Prävention, Hilfe zum Ausstieg für Süchtige und Bekämpfung der Drogenkriminalität mit allen rechtstaatlichen Mitteln, führt kein Weg vorbei. Eine Verharmlosung des Drogenmissbrauchs darf nicht in Frage kommen.
Vielleicht sollte Herr Zeitelmann die Studie von Prof. Dr. Kleiber und Prof. Dr. Kovar lesen, die sein Parteikollege und damaliger Gesundheitsminister Horst Seehofer im Jahre 1997 in Auftrag gegeben hatte. Sie ergab u.a. dass Cannabis keine "Einstiegsdroge" zur harten Drogen ist. Bei der CSU scheint sich das fünf Jahre später immer noch nicht herumgesprochen zu haben.
Zeitlmann: Grüne unterstützen Drogenmissbrauch statt ihn zu bekämpfen [03.06.2002]
Argument: "Cannabis ist eine Einstiegsdroge":
CDU/CSU und Cannabisreform:
4.3 Marion Caspers-Merk (SPD) Marion Caspers-Merk, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, hat die Forderung der Grünen kritisiert, Cannabis zu legalisieren.
Dauerkiffen prägt [Süddeutsche Zeitung, 06.06.2002]
Marion Caspers-Merk Fanpage ;-)
5. Junge Union Flensburg für Cannabisreform
Das Umdenken in der Cannabispolitik macht auch vor der CDU/CSU nicht halt. Der Kreisverband Flensburg der Jungen Union hat auf dem Schleswig-Holstein-Tag der Landesorganisation einen Antrag eingebracht, um Cannabis legal in Apotheken zugänglich zu machen. Damit unterstützt erstmals ein Kreisverband der Jugendorganisation der CDU/CSU eine Cannabisreform, wie das die Schweizer CVP und ihre Jugendorganisation JCVP schon seit Jahren tun.
Junge Union Flensburg für Cannabisreform:
Antrag der Jungen Union Flensburg [04.05.2002]
CDU/CSU und Cannabisreform:
6. Bayerische FDP will über Cannabisreform beraten
Ein moderater Reformvorschlag zu Cannabis aus der bayerischen FDP, der auf dem Bundesparteitag in Mannheim "aus Zeitgründen" nicht zur Abstimmung kam, wird nun auf dem Landesparteitag der bayerischen Liberalen beraten werden. Der Vorschlag fordert die Legalisierung von Cannabis als Medizin, die "möglichst weitgehende Gleichstellung" von Cannabis mit Alkohol im Strassenverkehrsrecht (z.B. keine Infragestellung der Fahreignung allein wegen Besitz) sowie die Herausnahme des Besitzes einer geringen Menge aus der Strafandrohung des Betäubungsmittelgesetzes. Der Landesparteitag der bayerischen FDP findet am 29./30.06.2002 statt.
Kommentar eines FDP-Forumsteilnehmers: "Also mir hätte die Verabschiedung dieses Antrags so wie er da steht, genügt, um beim nächsten mal FDP zu wählen und damit bin ich sicherlich nicht alleine."
Antrag zum Landesparteitag der bayerischen FDP zu Cannabis [28.05.2002]
FDP und Cannabis:
7. SPD-Parteitag: Keine Reformpläne
In den Entwürfen zum Wahlprogramm der SPD werden Drogen nicht unter Gesundheitspolitik sondern Innere Sicherheit behandelt. Ein Antrag aus Schleswig-Holstein fordet eine Entkriminalisierung der "Süchtigen" durch "geeignete Massnahmen".
Antrag des Parteivorstandes
Antragsbuch zum Parteitag:
SPD und Cannabisreform:
8. Österreichische Grüne fordern Cannabisbesteuerung
Die Vorarlberger Landtagsabgeordnete Sabine Mandak (Grüne) hat angeregt, auch eine Cannabisbesteuerung zur Sanierung des Gesundheitsbudgets heranzuziehen. Mit einer höheren Tabaksteuer allein sei das nicht zu machen:
Schon längst ist nach Ansicht der Grün-Politikerin die Straffreistellung von Cannabis «überfällig, da sie aus gesundheitlichen Gründen nicht zu rechtfertigen ist«. Die Legalisierung der bisher nur auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Produkte würde zu einer drastischen Preissenkung führen, aber auch eine Besteuerung des Produktes ermöglichen, argumentiert Mandak.
Grüne für Besteuerung von Cannabis [Vorarlberg Online, 30.06.2002]
Cannabislegalisierung in Österreich:
9. Keine Cannabis-Verhaftungen in London: Raubüberfälle halbiert
Keine Cannabis-Verhaftungen in London: Raubüberfälle halbiert [31.05.2002]
Laut einem Bericht der Londoner Polizei im Februar dieses Jahres sparte die zurückhaltende Cannabispolitik der Polizei von Lambeth in den ersten 6 Monaten 2500 Dienststunden. Die damit entlasteten Beamten konnten zur Bekämpfung anderer Straftaten eingesetzt werden.
Lambeth street crime falls 50% [Guardian(GB), 30.05.2002]
Met plan to extend softly, softly drug scheme [Guardian(GB), 09.02.2002]
10. Grossbritannien: Illegale Drogen sind billiger geworden
Während legale Drogen wie Alkohol und Zigaretten steuerbedingt immer teurer werden, sind nach Zahlen des britischen Innenministeriums die verbotsbedingt unbesteuerten Durchschnittspreise der meisten illegalen Drogen in den letzten 10-12 Jahren deutlich gefallen. Kostete z.B. Heroin 1990 noch 90 Pfund (140 €) pro Gramm so ist es nun für 63 Pfund (99 €) erhältlich. Ecstasy fiel gar von 18,80 Pfund (29 €) pro Tablette auf 7 Pfund (11 €).
Einzige Ausnahme bei den fallenden Preisen: Cannabiskraut (Marihuana), das von 59,50 Pfund pro Unze (3,28 € pro Gramm) auf 80 Pfund pro Unze (4,41 € pro Gramm) anzog. Möglicherweise drückt das jedoch nur eine zunehmende Vorliebe der Konsumenten für Ware besserer Qualität aus: Cannabissorten mit höherem Wirkstoffgehalt lassen die selbe Wirkung bei Inhalation von weniger Teer und anderen Schadstoffen erzielen.
Da es sich bei diesen Zahlen um Schwarzmarktpreise handelt, sind diese Schätzungen mit Vorsicht zu geniessen. Niemand weiss, wie repräsentativ die zugrundeliegenden Preisangaben sind. Sollte der Trend jedoch zutreffen, dann liesse das darauf schliessen, dass Zoll und Polizei einen immer geringeren Anteil der Schwarzmarktware abfangen können.
Ein Sprecher der Drogenhilfe-Organisation "Drugscope" erklärte, die fallenden Preise seien sowohl eine eine Auswirkung als auch eine Ursache der wachsenden Nachfrage. Er bezweifelte jedoch, dass fallende Preise alleine ein Grund wären, der Jugendliche zum Umstieg von Alkohol zu illegalen Drogen motivieren würde.
Drug prices plummet in UK [BBC, 27.05.2002]
Cost of illegal drugs plummets [Guardian(GB), 27.05.2002]
Was verboten ist kann nicht besteuert werden
Effektive Preispolitik reduziert Cannabiskonsum wirkungsvoller als juristische Strafen [Bild der Wissenschaft, 16.11.2000]
Drogen in Grossbritannien:
11. Westaustralien entkriminalisiert Cannabisbesitz
Besitz von bis zu 30g Cannabis oder zwei Cannabispflanzen soll im Bundesstaat Westaustralien, einem der konservativeren Teile des Landes, keine Straftat mehr sein. Wer eine geringe Menge besitzt, der kann von der Polizei wegen einer Ordnungswidrigkeit einen Bussgeldbescheid von bis zu A$200 (122 €) erhalten, der binnen 28 Tagen bezahlt werden muss. Er muss nicht vor Gericht und wird nicht verurteilt. Cannabis wird in jedem Fall beschlagnahmt.
Die Verfolgung als Straftat bleibt der Polizei auch bei geringen Mengen als Möglichkeit erhalten. Hydroponischer Anbau oder der Besitz von Cannabisharz (Haschisch) oder Cannabisöl bleiben eine Straftat. Wer mehr als 100g oder mehr als 10 Pflanzen besitzt, der kann wegen Handels verurteilt werden, wenn er nicht das Gegenteil beweisen kann. Bisher liegt die Grenze dafür bei 25 Pflanzen.
Der Reformentwurf wird kritisiert, weil die Entscheidung über Ordnungswidrigkeit oder Straftat der Polizei überlassen wird, ohne dass es klare Richtlinien dafür gibt. Deshalb könnte es zu Rechtsungleichheit, Willkür und Korruption kommen. Auch hat ein ähnliches Model in Südaustralien dazu geführt, dass mehr Personen (vor allem aus niedrigen Einkommensschichten) wegen Nichtbezahlung einer Geldbusse inhaftiert wurden, als vor der Reform wegen Cannabisbesitz. Die Grünen wollen deshalb eine weitergehende Reform, während die oppositionellen Liberalen eine Liberalisierung grundsätzlich ablehnen.
Ein Ausschuss hatte die Reform in einem Studienbericht empfohlen, der am 26.05. vorgestellt worden war.
Western Australia to Cite, Not Arrest, Marijuana Users Under State Government Plan [WOL#239, 31.05.2002]
Working Party on Drug Law Reform:
Bericht der Working Party on Drug Law Reform [26.05.2002]
Cannabis in Australien:
12. Singapur: Urteil gegen Julia Bohl am 21. Juni erwartet
Im Fall der in Singapur wegen Cannabisbesitz und anderer Verstösse gegen Drogengesetze angeklagten Deutschen Julia Bohl wird am 21. Juni ein Urteil erwartet. Frau Bohl, die am 18. Juni 23 wird, wird sich wahrscheinlich zu den meisten Vorwürfen schuldig bekennen. Ihr Anwalt erwartet eine Strafe von unter vier Jahren Haft. Ursprünglich drohte ihr unter drakonischen Singapurer Drogengesetzen die Todesstrafe.
Julia Bohl will bekennen [Sindelfinger Böblinger Zeitung, 01.06.2002]
Drogen in Singapur:
13. Wir berichteten vorige Woche:
"Stern" berichtet über "Generation Hasch"
14. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:
06.06.2002 Pattonville: Drogenpol. Diskussion mit den Jungen Liberalen
Ein Hinweis an alle im Raum Köln: Am 15.06., von 10 bis 13 Uhr findet eine Kundgebung über Gesundheitspolitik (Gesundheit ist keine Ware) von attac - http://www.attac-netzwerk.de auf der Domplatte statt.Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen: http://www.cannabislegal.de/aktionen/kalender.htm
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