Politik der Bundesregierung sieht sich durch das Votum der Drogen- und Suchtkommission bestätigt
http://www.bmgs.bund.de/themen/drogen/pm/040602.htm
Pressemitteilung Nr. 13
4. Juni 2002
Politik der Bundesregierung sieht sich durch das Votum der Drogen- und Suchtkommission bestätigt
Heute hat die Drogen- und Suchtkommission beim Bundesministerium für
Gesundheit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und der
Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, ihren
Abschlussbericht zur Verbesserung der Suchtprävention übergeben.
Die Drogen- und Suchtkommission - ein zwölfköpfiges Gremium aus
Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen - hat in ihrem Votum
die Zielsetzungen der Suchtprävention und die aktuellen Strategien und
Steuerungsstrukturen untersucht und Empfehlungen erarbeitet, wie
Maßnahmen der Suchtprävention verbessert werden können.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt begrüßte die Arbeit der
Kommission. Sie unterstreiche, dass die von der Bundesregierung
verfolgten Ansätze wie z. B. in der Kampagne "Kinder stark machen" die
richtigen Wege sind: "Insgesamt wollen wir die Prävention und die
Gesundheitsförderung stärken. Dabei kommt es entscheidend darauf an,
dass verschiedene Institutionen und Organsiationen zusammenarbeiten und
dass durch den Austausch von Informationen und Ideen Synergieeffekte
erzielt werden. Auch die Kommission betont die Notwendigkeit des
Ideenaustausches z. B. im Bereich der Kommunen. Mit der Schaffung einer
Organisationsstruktur für die Prävention und Gesundheitsförderung
erreichen wir auch bessere Vorrausetzungen für differenzierte,
zielgruppenoriente und nachhaltige Präventionsstrategien im
Suchtbereich."
Marion Caspers-Merk dankte der Kommission für die geleistete Arbeit und
erklärt: "Präventionsmaßnahmen müssen glaubwürdig, nachhaltig und
konsistent sein. Diese Auffassung der Kommission ist auch Grundlage der
von der Bundesregierung initiierten Aktivitäten im Bereich der Drogen-
und Suchtprävention. Der von mir angeregte Wettbewerb für "vorbildliche
Strategien kommunaler Suchtprävention", an dem sich über 200 Städte,
Gemeinden und Kreise beteiligt haben, kann den von der Kommission
geforderten Ideenwettbewerb beflügeln. Von diesen Modellen aus der
Praxis können wir lernen, wie wir suchtgefährdete Jugendliche besser und
frühzeitiger erreichen. Die Empfehlung, die Lebenswelten der Menschen in
Schule, Elternhaus und Arbeitsplatz stärker einzubeziehen, entspricht
der Strategie, die auch die Bundesregierung für erfolgversprechend hält.
Auch die weiteren Empfehlungen der Kommission werden wir auf ihre
Umsetzbarkeit hin prüfen."
Aus der:
Stellungnahme der Drogen- und Suchtkommission zur Verbesserung der Suchtprävention
VII. Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen
Entsprechend dem
Auftrag empfiehlt die Drogen- und Suchtkommission der Bundesregierung
und dem Bundesministerium für Gesundheit als ihrem Aufraggeber
insbesondere:
1. In der gesellschaftlichen, fachdisziplinären und verbandlichen
Diskussion über die Zielsetzungen und Methoden der Suchtprävention
sollten staatliche Verwaltung und Politik nicht vorschnell bestimmte
Richtungen (implizit oder explizit) durch eigene Wertungen vorgeben und
dadurch Freiräume für einen offenen und ggf. auch kontroversen Dialog
einengen.
2. Die Drogen- und Suchtpolitik wird im Hinblick auf
Präventionsbemühungen nur dann erfolgreich sein können, wenn sie
glaubwürdig und in sich konsistent ist. Dies gilt für die Bereiche des
Sozialleistungsrechts ebenso wie bspw. für die Wirtschaftsförderungs-
bzw. Subventionspolitik, und zwar sowohl auf innerstaatlicher wie auf
EU-Ebene.
3. Die Trennung von primär- und sekundärpräventiven Maßnahmen sollte
zugunsten eines übergreifenden Ansatzes aufgegeben werden, der sich
stärker an Entwicklungsprozessen im Kontext von Lebenswelten orientiert.
4. In der Konzeptualisierung und praktischen Ausgestaltung der Prävention
sind konkrete Zielgruppen immer wieder neu zu bestimmen; dabei sind die
jeweils angelegten Kriterien auszuweisen. Die Wahl kann unterschiedlich
begründet sein, z.B. mit der Betroffenheit der Gruppe von einem
Phänomen, mit der bisherigen Vernachlässigung oder der einfachen
Erreichbarkeit der Zielgruppe sowie mit den Folgeproblemen und -kosten
bei dieser Zielgruppe.
5. Die Sensibilität gegenüber der differenzierenden Bedeutung von
Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und sozialer Lage ist bei allen
Akteuren der Suchtprävention als Kompetenz zu fördern. Sie ist in allen
Bereichen zu verankern.
6. Angesichts der hohen Kosten von breit angelegten massenmedialen
Kampagnen sind sie nur im Verbund mit personalkommunikativen Ansätzen
und nach besonders gründlicher Kosten-Nutzen-Analyse sinnvoll.
7. Prävention ist eine Querschnittsaufgabe, die verschiedene, sowohl
pädagogische als auch psychologische, medizinische sowie juristische und
weitere Tätigkeiten und Professionen umfasst. Hieraus ergibt sich, dass
alle beteiligten Berufsgruppen Verantwortung in der Prävention
übernehmen müssen und sich um eine möglichst konstruktive Zusammenarbeit
bemühen sollten.
8. Gemeinwesenorientierte und Setting-Ansätze, die sich an den
spezifischen sozialräumlichen Gegebenheiten sowie an den Lebenswelten in
Schule, Elternhaus und Arbeitsplatz ausrichten und alle dort Beteiligten
einbeziehen, sollten besonders forciert werden.
9. Internationale Bestrebungen (etwa der WHO oder der EU) zur allgemeinen
Senkung des Konsums psychoaktiver Substanzen sollten stärker unterstützt
werden. Dies gilt insbesondere für die legalen Substanzen Alkohol und
Tabak. So sollte weiterhin an dem Ziel festgehalten werden, den
Prozentsatz der Raucher in der Bevölkerung zu senken. Darüber hinaus
erscheint es der Kommission sinnvoll, größere Anstrengungen zu
unternehmen, um das Einstiegsalter bzgl. Tabak- und Alkoholkonsums bei
Jugendlichen zu erhöhen.
10. Die bisher (überwiegend) verwaltungsintern wahrgenommenen Planungs-,
Koordinations- und Durchführungsaufgaben im Feld der Prävention sollten
soweit es geht aus der staatlichen Verwaltung ausgegliedert werden; die
BZgA (und analog die z.T. in Landesministerien angesiedelten
Präventionsfachstellen) sollte nach Möglichkeit in eine
öffentlich-rechtliche Stiftung überführt werden, an der auch die
Sozialversicherungsträger - und soweit möglich private und öffentliche
Sponsoren - zu beteiligen wären, um auf diese Weise bestehende
Vernetzungsdefizite und Finanzallokationsprobleme besser in den Griff zu
bekommen. Gleichzeitig sollte die Rolle der Präventionskoordinatoren in
den Kommunen gestärkt werden.
11. Mit Blick auf betäubungsmittelrechtliche und andere
Rechtsvorschriften (bspw. JÖSchG), die im Bereich der Prävention
einschlägig sein können, sollte verstärkt von den Möglichkeiten Gebrauch
gemacht werden, sie zu befristen und regelmäßig zu evaluieren. Überdies
sollte gesundheitsbezogenen Gesichtspunkten gegenüber solchen der
Strafrechtspflege ein Vorrang eingeräumt werden.
12. Bezogen auf die konkrete Praxis sollte regelmäßige systematische
Evaluation und Qualitätsentwicklung zum unabweisbaren Standard und dem
entsprechend deutlich verstärkt werden. Parallel dazu sollte eine
allgemeine und übergreifende Forschung zu Grundlagen der Evaluation
ausgebaut werden.
13. Eine stärkere lebensweltbezogene, sozial- und
verhaltenswissenschaftliche Forschung ist notwendig. Eine allgemeine
Grundlagenforschung im Bereich der Evaluation ist zu etablieren.
Vorsitzende der Kommission:
- Prof. Dr. Alexa Franke Professorin für Rehabiliationspsychologie an der
Universität Dortmund
stellvertretender Vorsitzender der Kommission:
- Prof. Dr. Horst Bossong Professor für Verwaltungswissenschaften, insb.
Sozialverwaltung, an der Universität Essen
Kommissionsmitglieder:
- Prof. Dr. Gundula Barsch Professorin mit dem Schwerpunkt Drogen und
soziale Arbeit an der Fachhochschule Merseburg Privatdozentin am
Institut für Sozialpädagogik der Technischen Universität Berlin
- Prof. Dr. Thomas Feltes Rechts- und Erziehungswissenschaftler, Rektor an
der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen; Vertretung des
Lehrstuhls für Kriminologie an der juristischen Fakultät der
Ruhr-Universität Bochum
- Prof. Dr. med. Felix Gutzwiller Direktor des Instituts für Sozial- und
Präventionsmedizin der Universität Zürich
- Prof. Dr. Cornelia Helfferich Professorin für Soziologie an der
Evangelischen Fachhochschule - Hochschule für Soziale Arbeit, Diakonie
und Religionspädagogik Freiburg
- OStA Dr. Harald-Hans Körner Leiter der Zentralstelle für die Bekämpfung
der Betäubungsmittelkriminalität (ZfB) bei der Generalstaatsanwaltschaft
beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main
- Prof. Dr. Karl-Artur Kovar Geschäftsführender Direktor des
Pharmazeutischen Institutes an der Universität Tübingen
- Prof. Dr. Karl Mann Lehrstuhl für Suchtforschung Zentralinstitut für
seelische Gesundheit Mannheim Universität Heidelberg Prof. Dr.
Karl-Heinz Reuband Professor für Soziologie, Methoden der empirischen
Sozialforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
- Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen Professor für Entwicklungspsychologie,
Friedrich-Schiller-Universität Jena und Adjunct Professor of Human
Development and Family Studies, The Pennsylvania State University, USA
Prof.
- Dr. Klaus Wanke Prof. an der Universitätsnerven- und Poliklinik, Bereich
Psychiatrie des Saarlandes in Homburg/Saar
Übersicht zur Drogen- und Suchtkommission der Bundesregierung
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