Cannabislegalisierung in Deutschland!
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Praktische Veränderungsmöglichkeiten der gegenwärtigen Cannabispolitik

Bitte beachten Sie auch die Beiträge von Dr. Hansjörg Schäfer, Marion Caspers-Merk, Sabine Leutheuser-Schnarrenberger in Akzeptanz 1/2000

Joachim Eul

Die Drogenpolitik der neuen Rot-Grünen Bundesregierung seit Herbst 1998

Mit dem Regierungswechsel auf Bundesebene im Herbst 1998 erhofften sich viele eine Wende in der Gesetzgebung zu Hanf und anderen Drogen. Die Grünen hatten hier im Wahlkampf kein Blatt vor den Mund genommen: Im Wahlprogramm wurde ausdrücklich die Legalisierung von Cannabis propagiert, und es gab zigtausende von Infobroschüren zur Hanflegalisierung und hübsche bunte grüne Wahlplakate, auf denen ein riesiges Hanffeld abgebildet war mit dem zugehörigen Spruch: "Wir versprechen Grüne Landschaften."
Auch von der SPD erhoffte man sich eventuell eine drogenpolitische Wende: Im November 1993 hatte schliesslich ein SPD-Parteitag beschlossen, Besitz und Handel von sog. weichen Drogen wie Cannabis nicht mehr unter die Strafverfolgung zu stellen, sondern allenfalls noch als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Auch hatte die SPD Ende 1996 einen Antrag in den Bundestag eingebracht hatte (Drucksache 13/6534), der zum Ziel hatte, prinzipiell einen Wochenvorrat aller illegalen Drogen zum Eigenkonsum straflos zu stellen (der Antrag wurde aber später von der Fraktion wieder zurückgezogen). Um so überraschter waren die Grünen (und die Hanfkonsumierende Bevölkerung) dann, als die SPD das Ansinnen der Grünen zu einer Hanflegalisierung in den Koalitionsverhandlungen auf das entschiedenste ablehnte. Verhandlungsführer waren hierzu Otto Schily von der SPD und Renate Künast bei den Grünen. Als quasi "Entschädigung" zum Nein der SPD zu Hanf bekamen die Grünen aber dann das Bundesministerium für Gesundheit, welches für die Änderungsverordnungen zum BtMG verantwortlich ist, und den Posten der Bundesdrogenbeauftragten zugesprochen.
In der Folgezeit seit dem Regierungswechsel gab es schliesslich einige Verbesserungen etwa für Heroinkonsumenten gemäss den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag (staatliche Druckräume sind seitdem prinzipiell legal und eine Heroinabgabe an Schwerabhängige ist nun ebenfalls möglich), in Bezug auf die sog. weichen Drogen tat sich aber nichts. Die damalige Bundesdrogenbeauftragte der Grünen, Christa Nickels, forderte zwar öffentlich ein Umdenken auch bei Cannabis, Taten nach den Worten blieben aber aus. Die Drogenbeauftragte der Grünen berief sich bei Nachfragen zu ihrer Politik der Untätigkeit darauf, dass die Koalitionsvereinbarungen keine Neuregelungen bei der Droge Cannabis vorsehen würden, und dass sie alleine an den Koalitionsvertrag, nicht aber an das grüne Wahlprogramm gebunden sei.

Die sechs Beschlüsse zu Cannabis des Bundesparteitages der Grünen im Juni 2000 in Münster

Diese Zustände stiessen bei der grünen Basis - insbesondere auch unter den Hanfkonsumenten - auf erheblich Ablehnung. Es wurde deshalb nach einem pragmatischen Lösungsweg gesucht, zumindest einige positive Veränderungen im Umgang mit Cannabis bis zum Jahre 2002 zu erreichen. Pragmatisch sollte heissen: Mit der Regierungs-SPD zusammen eventuell noch machbar. Nach einer gemeinsamen Antragstellung von über hundertfünfzig grünen Parteimitgliedern aus ganz Deutschland (unter Koordination des Verfassers dieses Aufsatzes) verabschiedete der Bundesparteitag der Grünen in Münster daraufhin im Juni 2000 fast einstimmig, mit 98 % der Stimmen, eine Resolution, in welcher die Rot-Grüne Bundesregierung gebeten wurde, folgende Punkte bis zum Jahre 2002 umzusetzen:

1) Die bislang verschiedenen Landesregelungen zu der nicht unbedingt strafbaren geringen Menge von derzeit ca. 1 g (Bayern) bis 30 g (Schleswig-Holstein) werden bundesweit auf 30 g Cannabis per Bundesgesetz vereinheitlicht.

2) Bis zu dieser Besitzmenge von 30 g Cannabis gilt dieser Tatbestand auch nicht mehr als Straftat, sondern wird entweder als Ordnungswidrigkeit (belegbar allenfalls mit einer Verwarnung oder Geldbusse) oder als überhaupt nicht mehr ahndungswürdig eingestuft. Dies bedeutet konkret, dass ein staatliches Ermittlungsverfahren (verbunden mit polizeilichen Verhören und evtl auch Hausdurchsuchungen etc.) - wie bislang noch vorgeschrieben - nicht mehr eingeleitet wird.

3) Es sollen Möglichkeiten geschaffen werden (zunächst als Modellprojekte), die eine staatlich kontrollierte Hanfabgabe (an Personen über 16 Jahren) zulassen

4) Das Hanfsamenverbot (und das Verbot von Psilocybinpilzen) vom 1.2.1998 aus der 10. Btm-Änd. Vo. ist wieder aufzuheben.

5) Hanf ist als Medizin (wie bis 1958) wieder zuzulassen.

6) Die - verfassungswidrige - Behördenpraxis ist einzustellen, Hanfkonsumenten grundsätzlich (auch dann, wenn nie unter Konsumeinfluß Auto etc. gefahren wurde) den Führerschein zu entziehen.

Nach der Sommerpause, im Herbst 2000, wollte sich dann insbesondere das Bundesministerium für Gesundheit der Umsetzung der obigen Resolution widmen, wie u.a. von der Drogenbeauftragten zu erfahren war.

Folgen des Wechsels im Bundesgesundheitsministerium zur SPD im Januar 2001

Doch hierzu kamst es dann nicht mehr: Die BSE-Krise seit Nov. 2000 in Deutschland hatte im Gesundheitsministerium höchste Priorität, hinter welcher die Cannabisfrage (zum Bedauern der Resolutionsverfasser) zunächst zurückgestellt wurde. Im Januar 2001 trat (wegen BSE) schliesslich die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer zurück, auch Christa Nickels musste in Folge des Wechsels der Ministerin ihr Amt als Drogenbeauftragte einige Tage später niederlegen. Die neue Drogenbeauftragte Frau Marion Caspers-Merk (SPD) wurde direkt nach ihrer Amtseinführung vom Verfasser dieses Aufsatzes im Namen des Bundesnetzwerkes Drogenpolitik bei den Grünen zu einer Stellungnahme zu ihrer künftigen Drogenpolitik gebeten. Die schriftliche Antwort blieb aber bis heute aus. Die Äußerungen der neuen SPD-Drogenbeauftragten zu Cannabis sind jedoch - das steht nun fest - deutlich anders als die der alten grünen Drogenbeauftragte, Christa Nickels. Auf die Frage der Badischen Zeitung vom 10.2.2001 zu einer eventuellen Initiative von ihr zur Legalisierung von weichen Drogen wie Haschisch etc. antwortete die neue Drogenbeauftragte: "Nein. Mein Ansatz ist ein anderer, ich will stärker bei der Prävention ansetzen, sie verbessern. ... Eine Diskussion um das Thema Legalisierung setzt da falsche Akzente, denn es suggeriert: Dieser oder jener Stoff ist im Grunde harmlos, den kannst du nehmen. ... Nur einen Punkt wollen wir aufgreifen, das ist die Zulassung von Cannabis als Medikament. Das ist einer der offenen Punkte, die ich (von meiner Vorgängerin) übernommen habe."
Anlässlich der geplanten weitgehenden Freigabe von Cannabis zu Konsumzwecken in der Schweiz sagte sie Mitte März 2001 (in Report) im Fernsehen, man solle Cannabis in den Gefahren zwar nicht überbewerten, aber Cannabis sei keinesfalls eine harmlose Droge; es werde unter ihr als Drogenbeauftragte jedenfalls keine Schritte wie in der Schweiz geben, schliesslich seien auch 70-80 Prozent der deutschen Bevölkerung gegen eine Cannabisfreigabe.

Die (vermeintliche) Meinung in der Bevölkerung zu einer Cannabisfreigabe

Der letzte Halbsatz ist die eigentliche Aussage der SPD-Politikerin. Man ist bei der SPD nicht dafür, insbesondere, weil ja auch die Mehrheit der Deutschen dagegen ist. Ähnliche Bemerkungen waren auch früher schon zu hören gewesen, etwa von Johannes Singer (SPD) anlässlich des Antrages der Grünen am 25.04.97 im Bundestag zu einer Legalisierung von Cannabis (Drs. 13/4480): " ... Sie (die Grünen) fordern eine Legalisierung .. , die tatsächlich von einer überwältigenden Mehrheit in der Bevölkerung abgelehnt wird.").

Der Verfasser dieses Aufsatzes stellt diese Zahlenangaben der SPD jedenfalls in Frage. Ein Indiz hierzu ist etwa eine publizierte Umfrage im Herbst 1998 (von BILD und dem MDR) bei 1100 Befragten (vorwiegend aber in Ostdeutschland, wo ein eher ablehnendes Meinungsbild als im Westen herrscht). Danach waren zwar 63 % aller Befragten gegen eine Cannabisfreigabe, bei den (ostdeutschen) Anhängern der SPD waren es aber nur noch 54 %, und bei den Grünen-Wählern stimmten nur noch 29 % dagegen, bzw. 67 % waren hier für eine Liberalisierung. In der speziellen Altersgruppe von 18-29 Jahren waren sogar über 50 % aller Befragten (aus allen Partei-Orientierungen) für eine Freigabe.

Eine - jedoch nicht repräsentative - Umfrage der LAG Drogen Berlin auf Strassenfesten sowie der Hanfparade Berlin (deshalb der hohe Konsumentenanteil) aus dem Jahre 2000 erbrachte hierzu aufgeschlüsselt in drei (statt nur zwei) Entscheidungsmöglichkeiten und untergliedert zusätzlich nach Konsumerfahrungen zu Hanf folgende aufschlussreiche Ergebnisse:

Meinung zu Cannabis:Konsumerfahrung zu Cannabis:
 niefrühergeleg.regelm.(Alle)
sollte verboten bleiben:39,1%7,0%2,8%1,4%(10,2%)
der Besitz sollte erlaubt sein24,6%27,9%10,3% 13,4% (16,3%)
Besitz u. Handel sollten legal sein 36,2% 65,1% 86,9% 85,2% (73,5%)
Anzahl der Angaben hierzu (N)138 43 107 351 (639)

Diese Ergebnisse - insbesondere unter den Nie-Konsumenten - geben zu der Annahme Hoffnung, dass die absolute Mehrheit der Bevölkerung zumindest für eine partielle Freigabe von Cannabis ist. Eine ähnlich strukturierte bundesweite Umfrage (unterteilt in 3 statt nur 2 Antwortmöglichkeiten und aufgegliedert auch nach der Konsumerfahrung) soll deshalb im Auftrag der LAG Drogen Berlin und der Grünen Bundespartei im Mai 2001 über ein bekanntes Meinungsforschungsinstiut bei ca. 2500 befragten Personen durchgeführt werden.
Auch die Gruppe der ehemaligen Cannabiskonsumenten ist in der Auswertung interessant: Hier waren zwei drittel immerhin für eine Legalisierung, und nur sehr wenige für ein weiteres Totalverbot (Befragungen von weiteren 60, ehemaligen Hanfkonsumenten bestätigten diesen Trend).
Entscheidend für eine veränderte Einstellung zu Cannabis ist demnach - neben allgemeinpolitischen Ansichten - auch eine zumindest ehemalige Konsumerfahrung mit dieser Droge.

Führt man diesen Denkansatz weiter, so ist zu folgern: Das Problem der Cannabislegalisierung liegt simpel gesagt darin, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung (ca. 90 %) im Jahre 2001 (noch) keine praktische Konsumerfahrungen hierzu hat. Dieses Problem wird sich zwar längerfristig ändern: Bei einer Konsumerfahrung der Bevölkerung von 15-25 % in der Altersgruppe von 16-26 Jahren in den Jahren 1970-1995 und von nahezu 40 % seit 1995 (seit dem sog. Haschischurteil von Karlsruhe) werden mit mathematischer Vorhersagbarkeit im Jahre 2030 etwa 35 % der wahlberechtigten Bevölkerung Konsumerfahrung mit Cannabis gemacht haben; spätestens dann dürfte sich die Frage der Cannabislegalisierung (etwa über einen Volksentscheid) daher von selbst lösen. Aber solange warten ? Die Frage ist also, was prägt derzeit das Meinungsbild zu Cannabis bei Menschen ohne Konsumerfahrung mit dieser Droge, und wie kann man dieses Meinungsbild nachhaltig beeinflussen ?

Faktoren, die das Meinungsbild zu Cannabis beeinflussen, und eine Einflussnahme hierauf

Insbesondere bei der älteren Bevölkerung gilt zunächst: Wenn etwas verboten ist, dann wird dies wohl auch schon so richtig sein, also ist man eher für ein Fortbestehen des Verbotes.
Nicht zu unterschätzen ist hier auch die Öffentlichkeitswirkung des Staates. Die unter der Kohl-Regierung eingeführte, und im Frühjahr 1999 eingestellte "Keine Macht den Drogen" -Kampagne wird seit einigen Monaten vom Innenministerium unter Benutzung dieses alten Spruch-Logos wieder im Plakatkampagnen aufgegriffen. Verantwortlich hierfür ist alleine Innenminister Schily, der in den Koalitionsverhandlungen seinerzeit mit den Grünen auch aus persönlicher Anschauung schon strikt NEIN zu Cannabis sagte (s.v.). Den wahrscheinlich wichtigsten Meinungs-prägenden Faktor stellen aber die Medien, wie Fernsehen, Funk und Presse dar: Die Medien (insbes. die Presse) jedoch haben in der Vergangenheit oft nicht gerade aufgezeigt, dass z.B. Cannabis keinesfalls das Gefährdungspotential hat, wie dies noch in den 60er und 70er Jahren mehrheitlich (auch wissenschaftlich) vorgetragen wurde. Eine vermeintliche Ablehnung der Bevölkerung von Cannabis beruht also auf alten, z.T. aber auch immer noch neuen negativen Schlagzeilen zu diesem Thema (als eines von Tausenden von Beispielen: OTZ (Saalfeld, Thüringen), Sept. 1999, große Schlagzeile: "Rauschgift in Wohnungen sichergestellt!" Im weiteren Bericht ist dann zu lesen, dass bei einer Razzia in 9 Wohnungen zusammen 25 g Rauschgift in Form von Cannabis sichergestellt wurden, also ca. 2,8 g pro durchsuchter Wohnung; als Hetze und Volksverdummung ist auch die alte Wortwahl "Rauschgift" in Bezug auf Cannabis zu bezeichnen.)

Ein wichtiger Schritt zur Cannabis-Freigabe wäre deshalb eine gezielte Medienarbeit der Cannabis-Lobbyisten. Kommerzielle Firmen machen dies in Form von PR (Public Relation) -Arbeit schon lange. PR ist keine Produktwerbung, sondern Aufklärungsarbeit im Umfeld des Produktes oder des Themas; durch PR soll zunächst einmal positives Interesse an der Produktgruppe bzw. an dem Thema hervorgerufen werden. (Die Anpreisung eines speziellen Produktes, mit dessen vermeintlichen Vorzügen, ist dann wieder Werbung.) Unter PR-Strategien, die zu entsprechenden Berichterstattungen in den Medien führen, wären folglich zu nennen.
- Berichte von Wissenschaftlern, welche die früher postulierten Risiken im Gesundheits/Sucht-Bereich und zum sozialen Verhalten der Cannabiskonsumenten widerlegen.
- Berichte zu entsprechenden Liberalisierungen zu Cannabis in anderen Staaten (Schweiz, Belgien etc.)
- Berichte zu grossen Demonstrationen oder anderen originellen Aktionen zu Hanf (die jährlichen Hanfparaden etwa in Berlin mit je ca. 30.000 Teilnehmern seit drei Jahren finden hier leider fast keine Erwähnung)
- Freiwilliges Outing zum (zumindest ehemaligen) Hanfkonsum bei Prominenten wie Künstlern oder Politikern (Wie wäre es ggf. mit unserem Bundeskanzler ? In seiner Nähe soll zumindest auf früheren JUSO-Parteitagen in den 70er Jahren so mancher Joint gekreist sein.)

Die Umsetzungswahrscheinlichkeiten der Forderungspunkte zu Cannabis vom Parteitag der Grünen in Münster

Damit wären wir also wieder bei der SPD und der Frage: Sind die Resolutionspunkte der Grünen von Münster (s.o.) eventuell noch bis zur Wahl in 2002 zusammen mit der SPD umsetzbar ?

1) Ein recht sicheres "Ja" gilt auf jeden Fall für die Freigabe von Cannabis als Medizin, dies hatte ja selbst die neue SPD-Bundesdrogenbeauftragte eingeräumt. Konkret wird aber keine allgemeine Freigabe als Medizin zu erwarten sein, vielmehr wird Cannabis von der Anlage I in die Anlage III des BtMG überführt werden, was eine Abgabe zu medizinischen Zwecken auf Btm-Rezept möglich macht. Relativ sicher wird auch nicht das Hanfkraut selber, sondern nur ein (alkoholischer) Extrakt oder andere Zubereitungen der Hanfpflanze, welche das THC und andere Wirkstoffe enthalten, abgegeben werden dürfen.

2) Umgesetzt werden könnte demnächst auch der letzte Punkt der grünen Resolution zur Führerscheinproblematik besonders bei denjenigen Cannabiskonsumenten, die nicht unter Drogeneinfluss am Strassenverkehr teilgenommen haben. Im Landesparlament von Hamburg liefen hierzu bereits diverse kleine und grosse Anfragen. Die Hamburger SPD sicherte hier eine Unterstützung auch zu. Auch auf einer Anhörung im Februar 2001 zu diesem Thema, an welcher auch vier grüne Bundestagsabgeordnete inkl. der ehemaligen Drogenbeauftragten und namhafte Juristen zum Thema Verkehrsrecht teilnahmen, war man ebenfalls optimistisch, hier demnächst Fortschritte zusammen mit der Regierungs-SPD zu erzielen.

3) Die Einführung einer bundesweiten einheitlichen Grenze zu sog. "geringen Menge" wird in absehbarer Zeit zwangsläufig kommen. Das Bundesverfassungsgericht hatte schließlich selbst den Gesetzgeber aufgefordert, eine solche Regelung festzuschreiben, falls die Bundesländer sich über einen längeren Zeitraum nicht auf einen gemeinsamen Richtwert einigen können. Die Frage ist natürlich, welche Menge wird dann festgelegt, da die 30 g Grenze bislang nur in 2 Bundesländern gilt. Ein eventueller Kompromiss etwa auf 15 g bundeseinheitlich auf Vorschlag der SPD, wäre zwar ein "Segen" für Bayern, aber doch eine Schlechterstellung in Holstein und sollte deshalb auf jeden Fall vermieden werden.

4) Die Straflosstellung des Cannabisbesitzes bei Besitz nur geringer Mengen der grünen Resolution ist schliesslich selbst eine alte Forderung der Bundespartei der SPD (s.o.) und wurde darüber hinaus auch von der SPD-Fraktion als damalige Oppositionspartei vor gut 4 Jahren in den Bundestag eingebracht. Dennoch ist dieser Punkt schwierig, da die SPD nun in der Regierung ist, und hier nun anders als früher handelt. Sehr entscheidend für die SPD als Regierungspartei scheint es in diesem Zusammenhang zu sein, was die Mehrheit der Bevölkerung hierzu denkt, und nach jüngsten Aussagen der SPD-Drogenbeauftragten ist die Mehrheit bei uns angeblich gegen eine Liberalisierung im Umgang mit Cannabis. Im Zusammenhang mit der geplanten repräsentativen, bundesweiten Umfrage zu diesem Thema im Mai 2001 (s.o.) werden dann wohl eindeutig andere Zahlen zu Tage kommen, insbesondere, wenn eine zusätzliche 3. Antwortmöglichkeit zu einer differenzierten Betrachtung eingeräumt wird. Diese Ergebnisse (publiziert ebenfalls in den Medien) dürften dann die Regierungs-SPD zu einem Einlenken bewegen, wovon die Initiatoren dieser Umfrage ausgehen.

5) Die Schaffung von Möglichkeiten zu einer kontrollierten Hanfabgabe (zunächst über Modellprojekte) wird jüngst auch wieder von Schleswig-Holstein nach dem dort 1997 gescheiteren "Apothekenabgabemodell" forciert. Dort wurde am 21.2.2001 ein gemeinsamer Antrag aus SPD, Grünen, FDP und SSW in den Landtag eingebracht. Im Punkt 1 dieses Antrages wird ein Bundesratsbeschluss beantragt, welcher vorsieht, den § 3 des BtMG so zu ändern, dass die Länder die freie Möglichkeit zu Modellversuchen zu Betäubungsmitteln der Anlage I des BtMG (also z.B. zu Hanf) erhalten, ohne dass es einer besonderen Genehmigung durch das (restriktive) Bundesarzneimittelinstitut (wie bis jetzt) bedarf. Die SPD-geführten Bundesländer haben zwar nicht die Mehrheit im Bundesrat, nicht unwahrscheinlich wäre aber, dass die Bundesregierung nach Ablehnung des Antrages aus S.-Holstein im Bundesrat durch die CDU-Länder von sich aus ein entsprechendes Gesetz beschliesst.

6) Das Hanfsamenverbot wird vermutlich nicht politisch, sondern juristisch gelöst werden. Der Inhaber der Firma Hanf Haus Berlin wurde wegen Handeltreibens mit Vogelfutter, das jedoch nach Auffassung des Amtsgerichtes Berlin-Tiergarten eher zum unerlaubten Anbau von THC-haltigem Hanf bestimmt war, zu einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten verurteilt. Eine Berufung - notfalls bis zum BGH - wurde aber angekündigt. Sehr vermutlich werden die höheren Instanzen den Angeklagten freisprechen, da die 10. Btm-Änd.Vo, welche nicht-THC-haltige Hanfsamen unter die Strafverfolgung stellt, hierzu rechtsunwirksam ist. Nach dem BtMG selber können sinngemäss dort nur unmittelbare Betäubungsmittel den Anlagen des Gesetzes unterstellt werden, dies trifft aber für THC-freie Hanfsamen eben nicht zu. Um Hanfsamen mit aufzunehmen, müsste also der Wortlaut des BtMG selbst entsprechend geändert werden, was aber derzeit hierzu unter einer Rot-Grünen Bundesregierung eher auszuschliessen ist.

Die Umsetzung von mindestens 2-3 dieser sechs Punkte der Resolution von Münster bis zu den Wahlen im Herbst 2002 gilt als nicht unwahrscheinlich, hierzu wird die Bundestagsfraktion schon aus eigenem Interesse drängen (s.u.). Die Parteiführung und die Fraktion der Grünen weiss, was den Wählern 1998 in Bezug auf Cannabis so alles versprochen wurde. Und auch wenn alles nur am Widerstand der SPD liegt (so wie es faktisch ist), so werden doch die Grünen als die damaligen eindeutigen Wahlversprecher für eine Stagnation in Bezug auf Cannabis verantwortlich gemacht werden. Und einige hundert-tausend der ca. 4 Millionen Hanfkonsumenten, die 1998 noch grün wählten, könnten 2002 dann enttäuscht der Wahl fernbleiben oder aber die vermeintlich Hanffreundlichere PDS wählen. Und diese Wähler könnten zudem noch entscheidend für die 5 % Hürde sein ... und dann ist es vorbei mit der Regierungsbeteiligung und auch aus mit den schönen Bundestagsmandaten.
Es muss aber auch denjenigen Hanfkonsumenten, die dann ihre "klammheimliche Freude" über den Rausschmiss der Grünen aus dem Bundestag empfinden, ganz klar gesagt werden, dass sich dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar nichts in Richtung Konsumhanf mehr tut: Eine PDS-Regierungsbeteiligung ist jedenfalls auszuschliessen, und eine etwaige SPD-FDP-Regierung wird hier keine Fortschritte bringen, da die FDP - im Unterschied zu den Grünen - nicht geschlossen hinter einer Cannabisfreigabe steht. Und über die drogenpolitischen Konsequenzen eines Rückfalles gar zu einer CDU-FDP-Regierung brauchen wir uns wohl erst gar nicht weiter zu unterhalten.

Anschrift des Verfassers:
Joachim Eul
Weserstr. 23
12045 Berlin

Der Autor ist Naturwissenschaftler und Publizist, seit 1982 Mitglied der Grünen und langjähriger Delegierter zu Bundesparteitagen dieser Partei. Hier hat er während der letzten Jahre zahlreiche Änderungs- und Ergänzungsanträge zum Programmteil Drogenpolitik mit eingebracht, insbesondere war er auch für die erstmalige Forderung in einem grünen BT-Wahlprogramm (von 1994) zur rechtlichen Gleichstellung von Hanf mit Alkohol und Tabak verantwortlich. Er ist zudem Gründungsmitglied der parteigebundenen LAG Drogen in Berlin, des Bundes-Netzwerkes Drogenpolitik und Verfasser sowie graphischer Mitgestalter zahlreicher, sehr begehrter Infobroschüren zu Drogen und von Wahlplakaten zur Drogenpolitik der Partei der Grünen.