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Hangover-Effekte nach Cannabiskonsum sind minimal und nicht relevant für den Straßenverkehr

Beitrag von Dr. med. Franjo Grotenhermen (ACMED) im Forum des Deutschen Ärzteblatts am 15.04.2001

Prof. Dr. Werner Kannheiser wiederholt in einem Beitrag für dieses Forum vom 14. April 2001 die bereits in einem Gutachten für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Kannheiser 1999) aufgestellte These, dass "noch 12 bis 24 Stunden nach Cannabiskonsum (insbesondere bei eher schwerem Konsum) Hinweise auf Beeinträchtigungen vor allem in Bezug auf Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit feststellbar" seien. Diese würden die sichere Teilnahme am Straßenverkehr aufheben, und daher seien "im Interesse der Verkehrssicherheit verkehrs- und verwaltungsrechtliche Vorgehensweisen zur Überprüfung der Fahreignung mit möglichem Entzug der Fahrerlaubnis" vertretbar und begründbar.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen zu Hangover-Effekten legen jedoch eine andere Sichtweise nahe. Das oben genannte Kannheiser Gutachten weist zudem erhebliche methodische Mängel auf, die an anderer Stelle eingehend behandelt wurden (nova-Institut 2001).

Ich möchte zum Thema möglicher Hangover-Effekte mit Relevanz für die Fahrtüchtigkeit Dr. Alison Smiley, Toronto (Kanada), anführen. Smiley verfasste im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation den vorbereitenden Bericht zu Cannabis im Straßenverkehr für den letzten WHO-Bericht zu Cannabis von 1997 (WHO 1997). Dieser Bericht ist 1999 in einem Buch erschienen (Smiley 1999). Smiley akutualisierte Ihren Beitrag für ein Gutachten des nova-Instituts (Smiley 2001), aus dem folgender Beitrag stammt.

"Fünf Studien, eine Simulator- und vier On-Road-Studien betrachteten prolongierte Wirkungen von Marihuana und Alkohol für Zeiträume von bis zu 8 Stunden nach der Applikation. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 wiedergegeben. Die einzige dieser fünf Studien, die irgendeinen Effekt durch Marihuana auf die Fahrleistung nach dem initialen Test feststellte, war die Studie von Robbe und O'Hanlon (1993). Sie zeigte, dass die Leistungsfähigkeit eine Stunde nach der Applikation so stark beeinflusst war wie unmittelbar nach der Einnahme. Diese Studie verwendete die höchste Dosis aller in dieser Übersicht vorgestellten Untersuchungen (300 mg/kg).
Drei dieser Studien zeigten alleinige Alkoholwirkungen auf das Fahrverhalten für verlängerte Zeiträume (vier Stunden: Crancer et al. 1969, drei Stunden: Hansteen et al. 1976, acht Stunden: Smiley et al. 1986). Eine der zwei Studien, die die Wirkungen einer Kombination aus Alkohol und Marihuana untersuchten, fanden signifikante Effekte vier Stunden nach der Applikation (Peck et al. 1986).
Zusammengefasst betrug die längste Zeit, nach der bei den vorgenommenen Tests Marihuana allein einen signifikanten Effekt auf die Leistungsfähigkeit hatte, eine Stunde, und dabei handelte es sich um die höchste Dosis, die in einer Simulations- oder On-Road-Studie verwendet worden war, nämlich 300 mg THC pro kg Körpergewicht. Im Gegensatz dazu fanden mehrere Studien prolongierte Alkoholwirkungen, eine bis zu 8 Stunden nach einer Dosierung mit 0,8 Promille BAK."

Die wenigen Studien, die – sämtlich in anderen Zusammenhängen und nicht in Verbindung mit dem Straßenverkehr - prolongierte Cannabiswirkungen fesstellten, sollen hier kurz vorgestellt werden.

Heishman et al. (1990) stellten fest, dass komplexe menschliche Leistungen bis zu 24 Stunden nach dem Konsum beeinträchtigt sein können. Dabei zeigte sich zudem eine Dosisabhängigkeit. Drei Probanden waren unter verschiedenen Bedingungen getestet worden und hatten dabei eine bis vier Marihuanazigaretten geraucht. Der Proband mit der höchsten erzielten THC-Konzentration im Blutplasma (342 ng/ml eine halbe Stunde nach dem Konsum der vierten Zigarette) wies auch die größten Leistungsbeeinträchtigungen am Folgetag auf. Die Plasmakonzentrationen lagen am Folgetag noch bei 4-6 ng/ml. Die Leistungen bei zwei kognitiven Tests (Substraktion/Addition und Zahlenerinnerung) wurden von den Autoren als "etwas beeinträchtigt" charakterisiert.

Chait et al. (1985) untersuchten Hangover-Effekte am Morgen nach dem Rauchen einer Marihuanazigarette (2,9% THC) – es waren 9 Stunden vergangen. Sie stellten in einigen wenigen der verwendeten Tests Veränderungen fest und beschrieben diese als "relativ fein und von unbestimmter funktionaler Bedeutung".

Die Arbeitsgruppe um Yesavage und Leirer führte drei Studien zur Leistungsfähigkeit von Flugzeugpiloten nach dem Konsum einer Marihuanazigarette durch, die 19-20 mg THC enthielt. Sie führten zu unterschiedlichen Ergebnissen. In der Untersuchung aus dem Jahre 1985 waren 10 Privatpiloten in einem Simulator für die Landung eines Flugzeuges trainiert worden (Yesavage et al. 1985). Marihuanakonsum führte 24 Stunden nach dem Konsum noch zu signifikanten Beeinträchtigungen in Zahl und Größe der Querruderveränderungen, Größe der Höhenruderveränderungen sowie vertikaler und seitlicher Abweichung beim Landeanflug. Allerdings wurde diese Studie methodisch kritisiert, insbesondere wegen Fehlens einer Kontrollgruppe (Chesher 1995). Beim Versuch, die Ergebnisse unter Verwendung einer Kontrollgruppe zu wiederholen, wurden 1989 nur Beeinträchtigungen bis zu vier Stunden nach Marihuanaeinnahme nachgewiesen (Leirer et al. 1989). In der dritten Studie von 1991 wurde die Leistungsfähigkeit 4, 8, 24 und 48 Stunden nach dem Marihuanakonsum gemessen (Leirer et al. 1991). Auch hier waren geringe Beeinträchtigungen bis zum 24 Stunden nach dem Konsum messbar, ohne dass sich die meisten beteiligten Piloten dieser Beeinträchtigung bewusst waren. Die Autoren verwendeten zur statistischen Analyse den einseitigen t-Test, dessen Validität fragwürdig ist, wenn vorher kein statistischer Beweis existiert, dass der Effekt erwartet werden kann (Chesher 1995). Das bedeutet, dass der Effekt, wenn überhaupt, nur schwach signifikant war.

Andere Studien fanden keine prolongierten Cannabiswirkungen, z.B. Kurzthaler et al. (1990), Chait und Perry (1994), Fant et al. (1998).

Dieses Thema und weitere Themen zum Thema Cannabis und Straßenverkehr werden in einigen Monaten in einem Buch nachzulesen sein, herausgegeben von Grotenhermen und Karus, mit Beiträgen von Berghaus, Böllinger, Hall, Kleiber, Longo, Smiley und anderen.

Dr. med. Franjo Grotenhermen

nova-Institut
Goldenbergstraße 2
50354 Hürth

Literatur:
Chait LD, Fischman MW, Schuster CR. 'Hangover' effects the morning after marijuana smoking. Drug Alcohol Depend 1985;15(3):229-238.
Chait LD, Perry JL. Acute and residual effects of alcohol and marijuana, alone and in combination, on mood and performance. Psychopharmacology (Berl) 1994;115(3):340-349.
Chesher GB. Cannabis and road safety: An outline of the research studies to examine the effects of cannabis on driving skills and on actual driving performance. Parliament of Victoria, Road Safety Committee, Government Printer, Melbourne 1995.
Fant RV, Heishman SJ, Bunker EB, Pickworth WB. Acute and residual effects of marijuana in humans. Pharmacol Biochem Behav 1998;60(4):777-784.
Heishman SJ, Huestis MA, Henningfield JE, Cone EJ. Acute and residual effects of marijuana: profiles of plasma THC levels, physiological, subjective, and performance measures. Pharmacol Biochem Behav 1990;37(3):561-565.
Kannheiser W. Psychologisches Gutachten. Angefertigt aufgrund eines Beweisbeschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28.9.1999. München: Institut für Psychologie der Universität München, 26. März 1999.
Kurzthaler I, Hummer M, Miller C, Sperner-Unterweger B, Gunther V, Wechdorn H, Battista HJ, Fleischhacker WW. Effect of cannabis use on cognitive functions and driving ability. J Clin Psychiatry 1999; 60(6):395-399.
Leirer VO, Yesavage JA, Morrow DG. Marijuana carry-over effects on aircraft pilot performance. Aviat Space Environ Med 1991;62(3):221-227.
Leirer VO, Yesavage JA, Morrow DG. Marijuana, aging, and task difficulty effects on pilot performance. Aviat Space Environ Med 1989;60:1145-1152.
Nova-Institut: Cannabiskonsum und Fahreignung. Gutachterliche Stellungnahme des nova-Instituts zur Fahreignung von Cannabiskonsumenten sowie methodische Kritik an einem Gutachten von Prof. Werner Kannheiser vom 26. März 1999. Hürth: Nova-Institut, 2001.
Smiley A. Cannabiskonsum und Fahrverhalten [Cannabis use and driving]. In: Nova-Institut: Cannabiskonsum und Fahreignung. Gutachterliche Stellungnahme des nova-Instituts zur Fahreignung von Cannabiskonsumenten sowie methodische Kritik an einem Gutachten von Prof. Werner Kannheiser vom 26. März 1999. Hürth: Nova-Institut, 2001.
Smiley AM: Marijuana: on road and driving simulator studies. In: Kalant H, Corrigal W, Hall W, Smart R, eds. The Health Effects of Cannabis. Toronto: Addiction Research Foundation, 1999:173-191.
World Health Organization: Cannabis: a health perspective and research agenda. Genf: World Health Organization, Division of Mental Health and Substance Abuse, 1997.
Yesavage JA, Leirer VO, Denari M, Hollister LE. Carry-over effects of marijuana intoxication on aircraft pilot performance: a preliminary report. Am J Psychiatry 1985;142(11):1325-1329,