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CannabisLegalNews (Nummer 143, 30.01.2004)Ein wöchentlicher Service von cannabislegal.de"Steter Tropfen höhlt den Stein" Kontakt: info@cannabislegal.de INHALT
1. Berlin: "Neue Wege in der Berliner Cannabis-Politik?"
1. Berlin: "Neue Wege in der Berliner Cannabis-Politik?"
Bei SPD und PDS in Berlin steht man den Vorschlägen von Grünen und FDP für einen Modellversuch zur Cannabisabgabe in Berlin aufgeschlossen gegenüber. Das zeigte sich bei einer Podiumsdisussion am Mittwoch abend (28.01.2004), an der sich Vertreter aller politischen Parteien im Berliner Abgeordnetenhauses sowie des Landeskriminalamts (LKA) und des Deutschen Hanfverbands (DHV) beteiligten. Grundsätzlich gegen den Modellversuch war nur die CDU. Auch Peter-Michael Haeberer vom LKA äußerte Bedenken.
Gesundheitsstaatssekretär Hermann Schulte-Sasse beurteilt die Idee des Modellversuchs positiv, auch wenn er befürchtet, dass es schwierig sein wird, die dazu nötige Genehmigung zu bekommen. Er zeigte sich beeindruckt vom "schlüssigen Konzept", das Georg Wurth (DHV) dazu vorgelegt hatte. Er will sich dazu mit den Grünen zusammensetzen.
Auch wenn er dem Antrag keine großen Chancen einräumt: Schulte-Sasse findet es spannend, zu überprüfen, ob eine Legalisierung von Cannabis tatsächlich eine Verringerung des Konsums zur Folge hat. Genau das hatte nämlich zuvor sein Sitznachbar behauptet. Georg Wurth, Vorsitzender des Deutschen Hanfverbandes, nannte auch gleich ein Beispiel: die Niederlande. Wurths Forderungen nach hohen Qualitätsstandards bei Vertrieb und Produktion, einer speziellen Ausbildung der Verkäufer und einer Vernetzung der Verkaufsstellen mit der Drogenberatung fanden lebhafte Zustimmung beim Staatssekretär.
Weiter geht es am 12.02. mit einer Sitzung des Gesundheitsausschusses.
Rot-Rot testet grüne Pflänzchen [taz, 30.01.2004]
Interview mit Heidi Knake-Werner (PDS) [taz, 28.01.2004]
Drogenpolitik in den Ländern: Berlin
2. Berlin: Protokoll der Anhörung vom 8. Januar
Wir haben den Protokolltext der Anhörungen im Berliner Abgeordnetenhaus zur Cannabisreform online gestellt. Sie finden dort die Redebeiträge von Abgeordneten aller Fraktionen sowie von vier Experten.
Bemerkenswert ist, wie unhöflich einige der CDU-Politiker mit den geladenen Experten umgingen. Es gab viele Zwischenrufe. Geradezu absurd mutete es an, als der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner versuchte, Prof. Dr Dieter Kleiber über Studien zu Cannabis zu belehren. Dr. Kleiber hatte im Jahre 1997 im Auftrag von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) zwei massgebliche Studien zu den Auswirkungen des Cannabiskonsums erstellt und dazu u.a. die existierende wissenschaftliche Literatur gesichtet und ausgewertet. Wansner brachte ein Zitat eines "Dr. Charlton Turner" zu Cannabis. "Hinken Sie möglicherweise mit Ihrer persönlichen Einschätzung hinter diesen Versuchen her?" fragte der CDU Abgeordente den geladenen Experten. Tatsächlich heisst der zitierte Herr nicht "Charlton" sondern "Carlton" mit Vornamen. Der Ausrutscher verrät die Quelle des Zitats: Keine wissenschaftliche Studie, sondern eine Website "jesusfreaks-drogenarbeit.de", wo die selbe falsche Schreibweise zu finden ist...
Deren Quelle wiederum ist alles andere als seriös oder aktuell: Ein zwei Jahrzehnte altes Buch der mittlerweile schon verstorbenen amerikanischen Journalistin Peggy Mann, das wiederum aus einer Artikelserie dieser Autorin für das Wohnzimmertisch-Blatt "Reader's Digest" entstand. Frau Mann bezog ihre Aussagen vor allem von Dr. Gabriel Nahas, einem wissenschaftlich diskreditierten, fanatischen Cannabisgegner, der in den frühen 70er Jahren noch von vielen Politikern ernstgenommen wurde. Viele in Frau Manns Buch zitierte Studien leiden unter methodischen Schwächen und sind mittlerweile schon rund 30 Jahre alt. Im Jahre 1976 sperrte das amerikanische National Institue of Health Nahas alle Forschungsgelder. Im Jahre 1983 distanzierte er sich selbst von einigen seiner früheren Studien.
In einer weiteren Sitzung am 12.02.2004 wird der Gesundheitsausschuß die Anhörung auswerten. Dabei sind Änderungsanträge der Fraktionen zu den bisher gestellten Anträgen möglich. Dann wird der Ausschuss über das weitere Vorgehen beschliessen.
Anhörung im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses [08.01.2004]
Berlin: Gesundheitsausschuss berät Reformanträge [CLN#140, 09.01.2004]
Drogenpolitik in den Ländern: Berlin
3. Berlin: Gericht gibt "das Hanf" frei
Am Donnerstag, 29.01. verhandelte das Amtsgericht Tiergarten ein Verfahren gegen Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband und den Führerscheinexperten Theo Pütz. Es ging dabei um die 63 Nutzhanfpflanzen zu Zierzwecken, die auf der Hanfparade 2002 polizeilich beschlagnahmt worden waren. Der Vorfall hatte den Song "Gebt das Hanf frei!" von Stefan Raab inspiriert. Ab 8:00 fand vor dem Gericht eine Demonstration statt, bevor ab 9:00 Uhr im Gericht verhandelt wurde.
Wie erwartet, sprach das Gericht beide Angeklagten frei. Ein von Amtsrichter Michael Zimmermann in Auftrag gegebenes Gutachten bescheinigte, dass schon mindestens 30 Gramm des Nutzhanfes konsumiert werden müssten um eine Rauschwirkung zu erzielen - eine Menge, die kein Mensch vertrage. Ein Missbrauch zu Rauschzwecken sei deshalb auszuschliessen.
Wieviel das 17-monatige Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft und dieser sinnlose Strafprozess die Steuerzahler gekostet haben, ist leider nicht bekannt.
Freispruch für Hanfverband /Das Hanf ist wieder frei [taz, 30.01.2004] http://www.taz.de/pt/2004/01/30/a0217.nf/text
Prozess wegen Faserhanf [CLN#139, 26.12.2003]
Deutscher Hanf Verband - Homepage
4. Berliner FDP-Landesparteitag beschließt Cannabisvorstoß
Der FDP-Landesverband Berlin hat sich beim kleinen Landesparteitag einem drogenpolitischen Beschluss des Bezirksverbands Mitte (siehe CLN#131 , 24.10.2003) angeschloßen. Der Beschluss fordert für das Land Berlin die Anhebung der "geringen Menge" bei Cannabis auf 15g, die Durchführung eines Modellversuchs zum staatlich kontrollierten Cannabisverkauf und eine Verbesserung der Suchtprävention.
Als Maßnahmen im Bund fordert der Beschluss, der im Mai bei einem FDP-Bundesparteitag eingebracht werden soll, folgendes:
2.2 Maßnahmen im Bund
Beschluss des Landesverbands [20.01.2004]
Cannabisbeschluss des FDP-Bezirks Berlin-Mitte [CLN#131, 24.10.2003]
Berlin: FDP für Coffeeshops [CLN#127, 26.09.2003]
Drogenpolitik in den Ländern: Berlin
FDP und Cannabis
5. Hamburg: Cannabislegalisierung im FDP-Wahlprogramm
Neben der Berliner FDP bekennt sich auch der Landesverband Hamburg zur Legalisierung von Cannabis. Ein entsprechender Antrag der Jungen Liberalen, die Zulassung des Verkaufs von "weichen" Drogen analog zu rezeptfreien Medikamenten zu fordern, wurde beim Landesparteitag der Partei diesen Monat angenommen. Begründet wurde der Antrag mit der Notwendigkeit der Märktetrennung und des Verbraucherschutzes:
In der Drogenpolitik gilt der Grundsatz: Alle Hilfe für Süchtige, alle Härte gegen Dealer. Ziel aller Hilfs- und Therapieangebote für Süchtige ist der Ausstieg und die Drogenfreiheit. Allerdings dürfen Süchtige, bei denen ernsthafte Therapieversuche wiederholt gescheitert sind, nicht allein gelassen werden. Darum sollen weiche Drogen, wie rezeptfreie Medikamente, mit Gebrauchsanweisung und Informationen über die Gesundheitsgefahren, frei verkäuflich sein. Nur dadurch werden die Konsumenten nicht nur vor Verunreinigungen und falschem Konsum, sondern auch vor dem Kontakt mit Dealern, die sie an harte Drogen heranführen wollen, geschützt.
Bei legalen Drogen wie Alkohol gibt es einen Verbraucherschutz, wie z.B. das bayerische Reinheitsgebot von 1487, das älteste Drogengesetz Bayerns, nach dem Bier nur aus Wasser, Hopfen und Malz gebraut werden durfte. Bei Cannabis, das Millionen deutscher Konsumenten derzeit nur auf dem Schwarzmarkt erwerben können, prüft zur Zeit niemand, ob es Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, chemischer Dünger, Schimmelsporen oder andere gesundheitsgefährliche Verunreinigungen enthält.
Zur Märktetrennung ist anzumerken, dass der Großteil der Cannabiskonsumenten an anderen Drogen (insbesondere als sehr riskant eingeschätzten Drogen wie Heroin und Kokain) gar kein Interesse hat und entsprechende Angebote von Cannabisschwarzhändlern ablehnen würde. Allerdings ist es so, dass die Lieferanten vieler Cannabishändler auch andere Drogen führen, so dass entsprechende Anfragen bei ihnen den Zugang ermöglichen könnten. Die Initiative geht hier jedoch in der Regel vom Konsumenten und nicht vom Händler aus.
Das Klischee vom bösen Dealer mag zwar gut in ein Wahlprogramm passen, die Realität sieht anders aus. Die meisten "Dealer" von Cannabis sind normale Konsumenten, für die der Handel ein Nebenerwerb ist, der ihnen einen besseren Zugang zu Cannabis ermöglicht. Schwarzhändler gibt es nur deshalb, weil legalen Geschäften verboten ist, die bestehende Nachfrage zu decken und das Verbot den Handel profitabler macht.
Argument: Verbraucherschutz für Cannabiskonsumenten
Artikel zu Cannabishändlern [Lausitzer Rundschau, 13.03.2001]
FDP Landesverband Hamburg - Homepage
Junge Liberale Hamburg - Homepage
FDP und Cannabis
Drogenpolitik in den Ländern: Hamburg
6. Großbritannien: Cannabisreform gestern in Kraft getreten
Ab heute ist Cannabis in Großbritannien keine Droge der Klasse B mehr, auf deren Besitz die selbe Höchststrafe steht wie bei allen Drogen in Deutschland, fünf Jahre Gefängnis. Stattdessen befindet sich Cannabis in der am wenigsten strengen Klasse C, die vor allem rezeptpflichtige Arzneimittel enthält.
Auf dem Papier droht weiter eine Höchststrafe von zwei Jahren, aber Erwachsene, die mit Cannabis zum Eigenkonsum ertappt werden, müssen im Normalfall mit keiner Verhaftung mehr rechnen, geschweige denn einer Gerichtsverhandlung. Stattdessen werden sie nur an Ort und Stelle verwarnt werden und der Fall ist beendet.
Sir Michael Rawlins, der Vorsitzende der Expertenkommission des Innenministeriums zu Drogen, erklärte in einem Gespräch mit dem britischen "Guardian", Cannabis sei nicht harmlos, aber es gehöre auch nicht in die selbe Klasse wie Amphetamine (Klasse B):
"Die anderen Drogen der Klasse B sind signifikant schädlicher als Cannabis. Wenigstens bringt das etwas Logik in was früher eine ziemlich alberne Anordnung war."
In Deutschland befinden sich Cannabis (UK: Klasse C) und Heroin (UK: Klasse A) im selben Anhang des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), während Amphetamine ärztlich verschreibbar und in einem weniger restriktiven Anhang zu finden sind. Der deutsche Gesetzgeber machte vor 32 Jahren, als das BtMG in Kraft trat, bei der möglichen Höchststrafe keinen Unterschied nach der Substanz und das ist bis heute so geblieben.
Es bleibt abzuwarten, wie die Entkriminalisierung der Konsumenten in der Praxis aussehen wird. Einige Polizeipräsidenten haben angekündigt, dass sich auch nach der Reform für sie nichts ändern wird und Konsumenten verhaftet und auf dem Revier vernommen würden.
Nicht von der britischen Umstufung betroffen sind die Strafen für Handel mit Cannabis. Dazu wurde eigens die bisherige Höchststrafe für Handel mit Drogen der Klasse C an die entsprechende Strafe für Klasse B angeglichen. Der Schwarzmarkt bleibt also bestehen, der Handel entzieht sich weiter jeglicher staatlichen Kontrolle oder Besteuerung.
Die Reform in Großbritannien war dem "Spiegel" einen Artikel auf seiner Website wert, der sich mit den wirtschaftlichen Aspekten des privaten Cannabisanbaus auf den britischen Inseln beschäftigt.
Cannabis not risk free, says adviser [Guardian (UK), 29.01.2004]
Insel im Nebel [Spiegel, 29.01.2004]
Homegrown's place in the UK cannabis market [IDMU]
UK Cannabis Internet Activists - Homepage
Cannabis in Großbritannien
7. Schweiz: Ständerat beharrt auf Straffreiheit
Nachdem der Nationalrat (die grosse Kammer des Schweizer Bundesparlaments) sich vor den Wahlen im Herbst weigerte, sich mit dem Cannabisreformentwurf zu befassen, musste sich wieder der Gesundheitsausschuss des Ständerats (der kleinen Kammer) damit beschäftigen. Dieser hat nun mit 8 Stimmen bei zwei Enthaltungen und nur einer Gegenstimme seine ursprüngliche Unterstützung der Cannabisliberalisierung bestätigt. Damit wird im Frühjahr die Vollversammlung des Ständerats wieder darüber abstimmen. Unterstützt der Ständerat die Position des Ausschusses, wie bereits vor zwei Jahren, dann kommt das Thema wieder in den Nationalrat.
BERN - Die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) empfiehlt dem Plenum auf dem Eintreten auf die Entkriminalisierung des Kiffens zu beharren. Für sie ist Handlungsbedarf erwiesen.
Schiffbruch verhindert [Der Bund (CH), 27.01.2004]
Cannabis in der Schweiz
8. Schweizer Gesundheitsministerium: Doch kein Cannabistoter
Wie der Schweizer "Tagesanzeiger" berichtet, hat sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG, das Schweizer Gesundheitsministerium) mit dem Todesfall eines britischen Cannabiskonsumenten befasst. Der Fall hatte kurz vor der am Freitag, 29.01. in Kraft tretenden Cannabisliberalisierung in Großbritannien für ein Rauschen im Blätterwald gesorgt (auch der deutsche "Spiegel" hatte eine Meldung eines britischen Boulevardblatts unkritisch übernommen, in der der Todesfall auf eine Cannabisvergiftung zurückgeführt wurde). Die Todesursache bleibe unklar, so der "Tagesanzeiger", eine Haschischvergiftung sei jedoch auszuschliessen. Zu diesem Schluss kam Dr. Rudolf Brenneisen vom Departement für klinische Forschung der Universität Bern, einer der führenden Cannabis-Experten der Schweiz, nachdem er Einblick in das toxikologische Gutachten zu dem Fall erhalten hatte:
Kritik aus Bern
Kein Tod durch Haschisch [Tagesanzeiger (CH), 27.01.2004]
Fehldiagnose eines britischen Gerichtsmediziners [Neue Zürcher Zeitung (CH), 28.01.2004]
Großbritannien: Erster "Cannabistoter"? [CLN#142, 23.01.2004]
Cannabis in Großbritannien
9. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:
06.02.2004 Mainz: Podiumsdiskussion
Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen:
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