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"Bekifft bin ich so aggressiv wie die Briefmarken in einem Sammelalbum"
Newshawk: oxknox
Drei Haschischdealer erklären, warum sie mit der Droge handeln ELBE-ELSTER-KREIS. Der Konsum der Cannabisprodukte Haschisch und Marihuana hat im Elbe-Elster-Kreis westdeutsche Dimensionen fast erreicht, so die Kreispolizei. Drei Dealer erklären, warum sie mit der verbotenen Droge handeln. Irgendwo im Kreisgebiet, es ist annähernd sibirisch. Fast jeden Abend sitzen Maik* und seine Kumpels auf den Fernwärmerohren. Ein paar Dosen Bier, für eine knappe halbe Mark im Getränkemarkt gekauft, liegen zerknautscht hinter ihnen auf der Wiese. "Das ist mein Laden", erklärt der 24-Jährige, die Hände tief in die Taschen seines stellenweise abgewetzten Altherrenmantels versenkt. "Hier kommen meine Kunden vorbei, um sich mit Hasch oder Gras einzudecken." Vor fünf Jahren wurde Maik auf einer Party in Berlin zum ersten Mal ein Joint angeboten. "Eigentlich habe ich damals nur mitgeraucht, weil ich vor meinen Bekannten nicht wie ein kleiner Junge dastehen wollte", erzählt er. Das Erlebnis des ersten "Breitseins" ist ihm in angenehmer Erinnerung geblieben. "Kiffen ist für mich viel geiler als Alkohol, macht körperlich nicht kaputt", begründet er seinen Konsum. Früher habe er sich mit Alkohol zugedröhnt, erzählt Maik. "Häufig habe ich mit den Kumpels dann richtig Scheiße gebaut. Autotüren eingetreten, Spiegel und Antennen abgeknickt." Auch die Scheiben von Bushaltestellen und Telefonzellen waren häufig Opfer der unausgelasteten und angetrunkenen Jugendlichen. Wenn er gekifft habe, sei er ausgeglichener: "Dann sitzen wir zusammen und philosophieren über Gott und die Welt. Bekifft bin ich so aggressiv wie die Briefmarken in einem Sammelalbum meines Vaters." Auf dem Küchentisch seiner Zwei-Zimmer-Wohnung steht eine kleine elektronische Waage. Auf dem Holzbrett daneben liegt eine etwa vier bis fünf Millimeter dicke, olivgrüne Platte Haschisch, halb so groß wie eine Schokoladentafel, 53 Gramm schwer. Spuren in der Handfläche Den Griff des auf dem Herd aufgeheizten Messers in der rechten Hand, mit der linken auf die stumpfe Seite der Klinge drückend, schneidet Maik einen schmalen Streifen von der Haschischplatte ab. Eine Vielzahl eingebrannter, nikotingelber Striemen in der linken Handfläche sind Zeugen dieser Arbeit. Würzig-streng füllt der Qualm der Droge den Raum, gepaart mit dem Gestank verschmorter Haut. Sieben ganze und ein paar Zehntel Gramm zeigt die Waage an. Nach Augenmaß teilt Maik den Abschnitt in vier Teile. In seinem "Laden" wird er jeden einzelnen für 20 Mark verkaufen. "Hast du mal ein Piece für nen Zehner?", fragt die 23-jährige Mandy. Maiks Griff in die Tasche der ausgewaschenen Jeans, das Hasch zwischen die Zähne schieben, draufbeißen und die Hälfte abbrechen sind eine Handbewegung. Ebenso schnell geht der Austausch von Geldschein und Haschisch vor sich. Ein kurzes Dankeschön und Mandy schwingt sich auf ihr Fahrrad, um sich mit ihrem Freund "einen sinnlichen Abend zu machen". "Ich kaufe in Berlin ein. Das Gramm Durchschnittsqualität kostet, je nach Menge, sieben bis acht Mark , Gras 12,50 Mark", sagt Maik. Im Monat verkaufe er etwa 200 Gramm Haschisch. Dazu kämen 50 Gramm Marihuana, zu einem Verkaufspreis von 15 bis 17 Mark. "Mehr als 300 Mark Gewinn mache im Monat nicht. Dafür rauche ich zu viel", sagt Maik. Seine "Connection" bietet alle Drogen außer Heroin an, doch das ist für Maik kein Thema. "Ist doch alles Scheiße", begründet er sein ausschließliches Dealen mit Cannabisprodukten. "Das Chemiezeug macht Charakter und Körper kaputt." Nur wegen des Geldes riskiert Maik keine Gefängnisstrafe. "Ohne würde es bei den Mengen, die ich verkaufe, wahrscheinlich nicht abgehen, wenn mich die Polizei erwischt", beschreibt er sein Risiko. Kiffen sei für ihn ein Stück Freiheit, die er auch anderen ermöglichen will. "Ich lebe nach dem Motto: Hasch bringt uns besser durch Zeiten ohne Geld, als Geld durch Zeiten ohne Hasch." Dealen statt Sozialhilfe Für "Präsidentin" Conny* ist "Geld machen" die vorrangige Motivation zum Dealen. Die alleinerziehende Mutter lebt außerhalb, doch fast die Hälfte ihrer Kunden kommt aus dem Elbe-Elster-Kreis. "Mit den 1300 Mark, die ich mit meiner Arbeit verdiene, kann ich meinen Kindern nicht das bieten, was sie brauchen und wollen", erklärt die 32-Jährige und zieht den Kragen ihrer Rüschenbluse gerade. "Ich deale lieber, bevor ich die uns zustehende ergänzende Sozialhilfe beantrage." Conny importierte regelmäßig aus den Niederlanden. Dort wird der Verkauf von kleinen Mengen in so genannten Coffie-Shops toleriert. Der Verkauf von mehr als fünf Gramm und harter Drogen ist auch dort verboten. Figürchen und Blumenvasen Conny ist keine Einzelhändlerin. Sie verkauft Portionen von 50 bis 100 Gramm an Klein- oder Ameisenhändler, die nach 21 Uhr kommen, wenn die Kinder im Bett sind. Im Wohnzimmer – in der Schrankwand stehen Figürchen aus dem Schwarzwald und Blumenvasen aus Tirol – wechseln die Haschplatten den Besitzer. Mit einem kleinen Akkustaubsauger entfernt sie die Schnittabfälle von der Tischdecke. "Früher waren wir Einkaufsgemeinschaft von 15 bis 20 Leuten, die alle viel gekifft haben. Wir haben zusammen geschmissen und dann bin ich mit etwa 2000 Mark nach Leipzig gefahren", erinnert sich Conny. Irgendwann war sie es leid, das Transportrisiko zu haben, ohne auch nur eine Mark Gewinn zu machen. "Als mein damaliger Dealer von der Polizei erwischt wurde, habe ich mein Sparbuch geplündert und bin auf gut Glück nach Venlo, einem kleinen Ort direkt hinter der holländischen Grenze, gefahren." Dort habe sie im zweiten oder dritten Coffie-Shop ihre 2700 Mark in ein knappes halbes Kilo Naturalien umsetzen können. "Beim ersten mal war ich noch ziemlich blöd", sagt Conny lächelnd. "Der nette Verkäufer zeigte mir einige unterschiedliche Sorten, die sich im Geschmack und in der Wirkung unterscheiden. Ich entschied mit dem Auge ohne zu testen. Es war zwar eine große Menge, aber die Qualität ..." Jetzt hat sie regelmäßig fünf Sorten Hasch im Angebot, dazu in den Niederlanden gezogenes Skunk-Gras. "Inzwischen kaufe ich in einem westdeutschen Städtchen ein", sagt Conny. "Da ist der zwar Preis höher, aber ich muss keine Grenzerfahrungen mehr machen." Das Risiko scheint gering. Bisher sei sie erst einmal angehalten worden, auf der Hinfahrt, wegen eines defekten Rücklichts. Wie oft sie die Tour quer durch die Republik macht, will sie nicht sagen. "Das belastet mich nur zusätzlich, sollte mich die Polizei doch mal erwischen", sagt sie abschließend. Grundversorgung sichern Steffen* ist 21 Jahre jung und kauft alle paar Wochen bei Conny 50 Gramm der verschiedenen Qualitäten, die er in Muttis Kühltruhe aufbewahrt. "Connys Bauchladen ist phantastisch", sagt er begeistert. "Nirgendwo im Kreis hat man eine solche Auswahl." Aus der Innentasche seines Marken-Jacketts fördert er sechs in Alufolie verpackte Piece ans Tageslicht. Zwei vorbestellte Klarsicht-Tütchen mit Gras, Marktpreis 50 Mark, zieht er aus der Bundfaltenhose. Steffen beliefert einige Freunde und Mitschüler, die "gutes Hasch zu schätzen wissen. Denen ist es egal, ob sie 15 Mark oder 17 Mark zahlen. Hauptsache, die Qualität stimmt", gibt der 20-Jährige freimütig zu. Er finanziere mit der Dealerei nur seinen eigenen Konsum. "Ich sichere in meinem Umfeld die Grundversorgung, wie der Apotheker. Kiffen ist korrekt und sollte endlich legalisiert und Haschisch in Coffie-Shops oder Apotheken verkauft werden ." Alexander Lengsfeld * alle Namen geändert
http://www.lr-online.de/regional/redaktion.html?ID=260594&RES=lie |