Frau Abg. Jantzen (Grüne):
Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Ich betone, dass die Grünen und ich
persön-lich garantiert nicht die Probleme und Gefahren, die mit dem
Drogenkonsum jeglicher Art verbunden sind, verharmlosen wollen. In
diesem Zusammenhang wünschte ich mir, ich könnte selbstbestimmt ohne
Drogen leben, wozu es für mich notwendig wäre, dass ich auf bestimmte
Dinge keinen Zugriff hätte, weil ich in mei-nem Verhalten nicht so
konsequent bin, von bestimmten Dingen meine Finger zu lassen. Was ich
mir als Mutter von zwei Jugendlichen wünsche, ist, dass ich mit ihnen
über Konsum von illegalen Drogen genauso reden kann wie über Alkohol,
weil mir das einen besseren Zugang verschafft, sie auf Gefahren
hinzuweisen, und wenn sie tatsächlich Probleme damit haben, ihnen dabei
zu helfen. Nun haben meine Kinder das Glück eine Mutter zu haben, die
damit relativ liberal umgeht, was viele Kinder und Jugendliche nicht
haben. Da wir Grünen es mit der Prävention der Gesundheitsgefahren und
des Jugendschutzes ernst meinen, möchte ich darauf hinweisen, dass wir
einen Antrag zum Thema „Rauchfrei und Spaß dabei“ gestellt haben. Wir
haben also sehr wohl beide Seiten im Kopf.
Insbesondere unter dem Aspekt des Schutzes von Jugendlichen interessiert
mich, wie Sie es einschätzen, wenn ein solcher Modellversuch zu Stande
käme, was auch von anderen Fraktionen in diesem Haus abhän-gig ist, wo
die Altersgrenze tatsächlich anzusetzen ist. Wäre dann nicht doch eine
Altersgrenze bei 16 Jahren günstiger, wenn wir wissen, dass viel mehr
junge Leute unter 18 Jahren konsumieren? – Ich bitte alle dieje-nigen,
die darüber Auskunft geben können, etwas zu sagen.
Herr Kleiber, Sie haben angesprochen, dass die negativen Folgen, die das
prohibitive Verhalten beim Gebrauch von Drogen auf die psychosoziale
Entwicklung von Jugendlichen hat, noch relativ unerforscht seien. Ich
fände es gut, wenn Sie dazu noch Genaueres ausführen würden. – Es ist
völlig klar, dass wir mit unseren Anträgen versuchen, auf Landesebene
etwas zu regeln – zumindest insoweit, wie es uns möglich ist, was auf
Bundesebene zu regeln wäre und dort von uns auch zu regeln versucht
wird. Es sollte uns um das gehen, was sachgemäß und vernünftig ist, um
Jugendliche und Erwachsene vor gesundheitlichen Schäden durch den
Gebrauch von Drogen zu bewahren. Nach allem, was ich hier gehört habe
und auch sonst lese und erfahre, haben die Kriminalisierung und das
Verbot von Cannabisprodukten niemanden davon abgehalten, es zu konsumieren.
Frau Vors. Dr. Schulze:
Herr Ratzmann!
Abg. Ratzmann (Grüne):
Ich glaube, dass diese Debatte deutlich gezeigt hat, dass wir einen
solchen Mo-dellversuch brauchen, auch weil sie eine Diskussion und einen
Diskussionsstil widerspiegelt, den wir seit 30 Jahren, nämlich seit
Inkrafttreten des Betäubungsmittelgesetzes kennen. Jede Art von Änderung
und jeder Schritt in Richtung von Entkriminalisierung führt zu einer
ideologiebeladenen Debatte, die mit rationalen Erkenntnisgewinnen und
der Nutzung rationaler Erkenntnisquellen überhaupt nichts mehr zu tun
hat – so ähnlich kommt mir unsere heutige Debatte vor. Wir haben – das
möchte ich noch einmal klarstellen – einen Antrag gestellt, der nicht
darauf abzielt, Berlin zu einem Kifferparadies zu machen, in dem jeder
frei zu Ma-rihuana- und Cannabisprodukten greifen kann, sondern wir
haben einen Antrag gestellt, der darauf abzielt, einen Modellversuch zu
machen. Wir werden uns – Herr Prof. Kleiber hat es angesprochen –
sicherlich im Rechtsausschuss damit auseinander setzen müssen, inwieweit
wir die Voraussetzungen, die das Betäu-bungsmittelgesetz für einen
solchen Antrag und Versuch stellt, durch ein entsprechendes
Versuchsdesign erfüllen können.
Herr Müller hat die richtige Frage aufgeworfen. Ich hoffe, denn dann
würden wir gar nicht mehr handeln müssen, dass das
Bundesverfassungsgericht im Sinne Ihrer Beschlussvorlage entscheiden
wird, weil dann nämlich die Situation einer völligen Entkriminalisierung
gegeben wäre und die Erkenntnisgewinnung jen-seits eines komplizierten
Antragsverfahrens im wissenschaftlichen Raum vorangetrieben werden
könnte. Dann könnte nämlich Herr Prof. Kleiber in groß angelegten
Studien genau das erforschen, was ihm noch auf der Seele brennt, ohne
dafür erst einmal einen Antrag über notwendige Versuchsräume beim
Institut für Arzneimittel und Medizinprodukte stellen zu müssen.
Wir haben diesen Antrag gestellt und werden uns an den Voraussetzungen
des Betäubungsmittelgesetzes entlang tasten müssen. Tatsache ist, dass
Schleswig-Holstein an einigen dieser Voraussetzungen gescheitert ist.
Eine dieser Voraussetzungen, die im Betäubungsmittelgesetz aufgelistet
ist, heißt beispielsweise, dass man sicherstellen muss, dass keine
Suchtabhängigkeiten erhalten oder gefördert werden bzw. entstehen
kön-nen, dass gewisse Sicherheitsaspekte im Bereich des Anbaus und des
Handels erreicht werden können und vor allen Dingen, dass der Zweck des
Gesetzes auch weiterhin beachtet wird, nämlich die medizinische
Ver-sorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Genau daran ist
Schleswig-Holstein gescheitert. Das Amt hat da-mals gesagt, dass der
Antrag, den sie gestellt haben, sich gerade nicht darauf bezog,
maßgeblich die medizi-nische Versorgung mit in den Fokus zu nehmen,
sondern die kontrollierte Veräußerung zur Überprüfung generalpräventiver
Effekte. Genau deshalb haben wir in unseren Antrag hineingeschrieben,
dass es uns gerade nicht darum geht, in Berlin einen Laborversuch, eine
Bodenhaltung für Kiffer einzurich-ten, sondern dass es darum geht,
Erkenntnisse zu gewinnen, die notwendig sind, um für die Zukunft eine
rationale Diskussionsgrundlage zu schaffen. Darüber möchten wir reden,
und dahin müssen wir sehr schnell kommen.
Herr Kleiber hat zu Recht gesagt, dass der FDP-Antrag richtig ist,
nämlich zu sagen, dass wir im Bundesrat dafür sorgen wollen, dass die
Anlage 1 wegkommt bzw., dass die Cannabisprodukte aus dieser Anlage 1
gestrichen werden. Wer dieses Gesetz liest, wird feststellen, dass das
der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Das ist keine Entscheidung, die
der Bundestag mit eigener Mehrheit treffen kann. Und wer sich die
Konstel-lation im Bundesrat politisch vor Augen führt, weiß, dass das
Ganze nicht durchkommen wird. Deshalb ha-ben wir darauf abgezielt, zu
sagen, wir wollen auf Landesebene handlungsfähig werden. Ich glaube,
dass das der richtige Weg ist, zu zeigen, dass das in Berlin über einen
solchen Versuch gelingen kann. Wir müssen diesen Antrag beim Bundesamt
stellen, und es mag sein, dass das Bundesamt politisch beeinflusst ist
und so entscheiden wird, aber der Klageweg ist eröffnet in diesem
Bereich. Ein Gericht wird die Voraussetzungen prüfen müssen, ob – falls
eine Ablehnung kommt – ein wissenschaftliches Design geeignet ist, die
tat-bestandlichen Voraussetzungen des Betäubungsmittelgesetzes zu
erfüllen. Das können Sie hochtreiben durch die gesamte Klaviatur der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, wo die politische Beeinflussung eine
entscheidend kleinere Rolle spielen wird als bei der Entscheidung des
Amts an sich. Das hat Schleswig-Holstein damals nicht gemacht, und es
ist bei der Entscheidung des Amts geblieben. Wir haben noch keine
juristische Bewer-tung, inwieweit ein solches Vorhaben nach vorne
getrieben werden kann.
Was ich von den Expertinnen und Experten und insbesondere von Herrn
Prof. Kleiber wissen möchte, ist, ob wir in Berlin eine
Wissenschaftslandschaft, eine Suchtmittelforschung haben, die mit den
zur Verfügung stehenden Ressourcen eine notwendige Begleitforschung
„designen“, also das Projekt an sich und die Ver-suchsvoraussetzung mit
erarbeiten können, um dann auch die entsprechende Begleitforschung zur
Auswer-tung der Erkenntnisgewinnung voranzutreiben. Ich fand es
interessant, dass Sie die prohibitiven Nebenwir-kungen angesprochen
haben, die sich aus der jetzigen gesetzlichen Lage ergeben. Es müsste
sicherlich genau hingeschaut werden, ob das unter die Voraussetzungen
des Betäubungsmittelgesetzes fällt. Ich neige eher zu der Auffassung von
Herrn Matz, dass wir über den reinen Gesundheitsansatz, also dem
medizinischen An-satz, wie er im Moment in dem Modellversuch
Heroinabgabe gegeben ist, hinausgehen können. Das Gesetz definiert
wissenschaftliche Erkenntnis, die im öffentlichen Interesse liegt unter
Beachtung genau dieser Rah-menbedingungen des generellen Gedankens des
Betäubungsmittelgesetzes, der beachtet werden muss. Eine Fehlvorstellung
scheint mir noch immer ein bisschen durch die Gegend zu geistern, wenn
ich Herrn Czaja höre, der meint, man könne den Markt gar nicht
abgrenzen, dann sage ich Ihnen zur Klarstellung: Ich befinde mich seit
2001 in diesem Parlament. Wenn ich richtig informiert bin, dann war die
Mauer zu diesem Zeitpunkt bereits 11 Jahre weg. Ich habe diesen Antrag
bestimmt nicht zu dem Zeitpunkt geschrieben, als die Mauer noch
bestanden hat. Aber dadurch, dass es sich um einen Versuch handelt,
werden wir eine begrenzte Teilnehmerzahl haben, die in die
Versuchsanordnung eingebunden sein muss. Es wird keine Situation geben,
die einen unkontrollierten Zustrom von Leuten – woher auch immer – nach
Berlin mit sich bringen wird, der dann unter den sanktionsfreien Genuss,
Erwerb oder Handel von Betäubungsmitteln ergeben könnte. Gerade an die
Wissenschaft stellt sich die Frage: Wie kann man eine Versuchsanordnung
in diesem Bereich so ges-talten, dass der Erkenntnisgewinn möglichst
hoch ist? Wir haben in unserem Antrag einige Punkte angeris-sen. Das ist
natürlich keine abschließende Liste, sondern wir sind darauf angewiesen,
gemeinsam mit Sach-verständigen dieses Design nach vorne zu bringen. Der
wichtige politische Fingerzeig, den wir aus Berlin geben müssen, ist
doch: Wir wollen uns bewegen, wir wollen eine andere Cannabispolitik
haben, wir sehen die Notwendigkeit, dass es einer rationalen Debatte zu
diesem Thema bedarf, und deshalb wollen wir in die-sem Bereich ein Stück
weitergehen, um endlich die Entdämonisierung und -ideologisierung dieser
Debatte zu erreichen. Ich glaube, dass es Berlin als einer modernen
Großstadt gut täte, wenn sie sich genau das auf die Fahnen schreiben
könnte vor dem Hintergrund der realen Entwicklung, die wir bei
Cannabiskonsum und -produktion haben.
Frau Vors. Dr. Schulze:
Bitte, Herr Wansner!
Abg. Wansner (CDU):
Frau Dr. Schulze! Bei der teilweisen Freigabe weicher Drogen, wenn diese
so käme, wie es teilweise diskutiert worden ist, würden wir dann nicht
gerade junge Leute, die teilweise noch labil sind – wir können Herrn
Müller raten, einmal zum Kottbusser Tor zu fahren, in einigen Bereichen
wäre das sicherlich eine Lehrstunde für Sie –, dazu verführen, Cannabis
zu nehmen, weil sie das Gefühl haben, dass die Politik der Meinung ist,
dass die Einnahme gar nicht so gefährlich sein kann, wenn derartige
Entscheidungen getroffen werden? – [Herr Müller (Amtsgericht Bernau):
Ich habe 15 Jahre in Kreuzberg gewohnt!] – Herr Prof. Kleiber, auch ich
habe mich mit einigen Studien befasst. Herr Dr. Charlton Turner, der
angeblich über 6 000 wissenschaftliche Studien in Bezug auf Cannabis
durchgeführt hat, schreibt:
Keine andere Droge wird von Menschen gebraucht oder missbraucht, die so
lange im Körper verbleibt wie Cannabis. Es gibt keine andere legale oder
illegale Droge, die jedes wichtige Organ des Körpers angreift und jedes
System und jede einzelne Zelle im Körper.
Das heißt, hier ist von jemandem ein klares Urteil gefällt worden, der
sich damit beschäftigt hat. Wir wissen, dass gerade diese Droge einen
Monat im Körper bleibt, weil sie gar nicht so schnell abgebaut werden
kann. Es gibt also wissenschaftliche Studien darüber, und auch das
Handbuch über Drogenmissbrauch des Ameri-kanischen Ärztebundes sagt
eindeutig, dass Wahnvorstellungen, Persönlichkeitsverluste sowie der
Verlust jeglicher Einsicht auftreten. – [Unruhe links] – Besonders
gravierend an der Wirkung von Cannabis auf die Hirnzellen ist, dass
zerstörte Hirnzellen vom Körper nicht ersetzt werden können – kaputt ist
kaputt.
– [Zuruf: Bei Alkohol auch!] –
Das heißt, dass die Diskussion, die wir führen, in anderen Ländern
bereits weitergeführt worden ist. Hinken Sie möglicherweise mit Ihrer
persönlichen Einschätzung hinter diesen Versuchen her? Wäre es
vielleicht notwendig, sich ergänzend mit diesen wissenschaftlichen
Studien zu beschäftigen, die andere Länder, die möglicherweise stärkere
Probleme hatten, bereits vor uns durchgeführt haben?
Frau Vors. Dr. Schulze:
Ich bitte Sie, den Geräuschpegel etwas herunterzufahren, anderenfalls
verstehen wir uns wechselseitig nicht mehr.
– Der Herr Staatssekretär möchte auch noch einige Fragen loswerden. – An
dieser Stelle möchte ich ihm im Namen des Ausschusses und aller Gäste zu
seinem Geburtstag gratulieren. Herr Dr. Schulte-Sasse sagte, er könne
sich nichts Schöneres vorstellen, als mit uns seinen Geburtstag zu
feiern. – Bitte, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort!
StS Dr. Schulte-Sasse (SenGesSozV):
Das verschlägt mir die Sprache. Ich bin völlig verwirrt, nur auf Grund
dieses völlig überraschenden Glückwunschs und muss mich schnell wieder
sammeln. – auch ohne Cannabis. – Ich möchte drei Fragen stellen und will
überhaupt keine politische Wertung zu den angesprochenen Themen
abgeben. Denn dieser Ausschuss wird sich in einer der nachfolgenden
Sitzungen über die Informationen, die heute im Rahmen der Anhörung
vorgetragen worden sind, intensiv beraten. Wir werden dann viele der
Fragen, die heute aufgeworfen worden sind, noch einmal im Kreis der
Abgeordneten diskutieren. Im Rahmen der Redebeiträge der Experten haben
sich mir drei Fragen gestellt, die ich gern vortragen möchte. Die erste
Frage richtet sich an Herrn Wurth, Frau Schulze und Herrn Prof. Kleiber,
und zwar geht es um den Begriff der geringen Menge. Dieser Begriff geht
davon aus, dass wir im Bereich des Haschisch- oder Cannabiskonsums eine
Entkriminalisierung erreichen wollen. Der Begriff der geringen Menge
muss natürlich gefüllt werden. Wir haben heute von drei verschiedenen
Dosen gehört, nämlich 6 Gramm – das ist der Grenzwert, den wir heute in
Berlin haben –, 15 Gramm und 30 Gramm. Mich interessiert, welche Menge
Cannabis einem nicht regelmäßigen und nicht chronischen Gebrauch pro
Monat entspricht. Was wäre die ungefähre Richtmenge, die zu Grunde
gelegt werden müsste, um einen nicht regelhaften, nicht chronischen
Gebrauch von Cannabis pro Monat anzunehmen? Ich frage deshalb danach:
Soweit ich Ihre Beiträge verstanden und die Literatur gelesen habe, ist
der Cannabiskonsum als solcher unstreitig nicht problematischer als zum
Beispiel der regelhafte Konsum von Alkohol oder Tabak. Kritisch wird es
allerdings dann, wenn es sich um einen regelmäßigen, chronischen Konsum
handelt – wir sprechen dabei von Risikogruppen. Dann ist die
Risikoabschätzung anders als bei einem gelegentlichen Gebrauch von
Cannabis. Deshalb ist das im Hinblick auf die weitere Debatte eine für
mich wichtige Frage.
Die zweite Frage richtet sich an denselben Kreis und betrifft den
Modellversuch sowie den damit einhergehenden Jugendschutz. Wir gehen
davon aus, dass das eigentliche Problem des Cannabiskonsums in Berlin
vor allem die Gruppe der bis 17- bis 18-Jährigen, also der Jüngeren
betrifft. Wir haben auch schon gehört, dass ein Modellversuch diese
Gruppe gar nicht erreichen kann, weil das schon der Jugendschutz
verbietet, so dass drogenpolitische Fragen zum drogenpolitischen
Risikomanagement bei der eigentlich gefährdeten Gruppe, nämlich den
Kindern und Jugendlichen, über Modellversuche nur schwer zu beantworten
sind. Ins-besondere stellt sich für mich die Frage, ob die Annahme
plausibel ist, dass man, wenn man einen solchen Modellversuch mit einer
geregelten Abgabe von Cannabis machen würde, tatsächlich Einfluss auf
die Existenz eines schwarzen Marktes für Jugendliche nehmen könnte. Ich
vermute, dass ein solcher Modellversuch an der Existenz eines schwarzen
Markts für Jugendliche wenig oder nichts ändern würde, so dass wir im
Hinblick darauf – zumindest für diesen Teil der Risikogruppe – keinen
wirklichen Gewinn hätten.
Die dritte Frage richtet sich speziell an Herrn Prof. Kleiber. Ich fand
das, was Sie zu der Frage der Risiken des Cannabiskonsums ausgeführt
haben, sehr aufschlussreich und wichtig, soweit das heute aus der
Literatur absehbar ist. Aber ich glaube, dass wir ehrlicherweise
feststellen müssen, dass es Bereiche gibt, über die wir wenig oder gar
nichts wissen und dass gerade in diesen Bereichen das Nichtwissen nicht
bedeuten kann, dass es keine Probleme gibt, auch keine gesundheitlichen
Probleme gibt. Im Bereich der Schizophrenie – und speziell darauf zielt
auch meine Frage zu der Schizophrenieproblematik von Cannabis – gibt es
eine neue Risikofrage, die vor einigen Jahren überhaupt noch nicht
diskutiert wurde und noch gar nicht in der Sicht der Risikoforschung im
Hinblick auf Cannabis gelegen war. Das ist eine neue Erkenntnis, die
übrigens auch zeigt, dass wir in Zukunft ggf. mit neuen Erkenntnissen im
Hinblick auf Risiken von solchen Suchtstoffen rechnen müssen. Aber ich
halte Ihr – so habe ich es zumindest verstanden – zentrales Argument
nicht für plausibel, dass die Schizophrenieproblematik von Cannabis
deshalb nicht allzu hoch bewertet werden kann, weil die
Schizophrenierate in anderen Völkern völlig unabhängig von der
Häufigkeit des Cannabiskonsums liegt, also eine solche direkte
Korrelation zwischen Schizophrenierat und Cannabiskonsum auch nicht
angenommen werden kann, also auch keine Kausalität angenommen werden
könnte. Das erscheint mir deshalb nicht plausibel, weil nach meiner
Kenntnis die Schizophrenierate in den verschiedenen Völkern der Welt
sehr, sehr unterschiedlich ist, und zwar bis um den Faktor 3, 4, und
auch wenn wir uns nur Deutschland anschauen, ist die Schizophrenierate
von der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe abhängig. Wir haben also
bei den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen eine völlig andere
Schizophrenieanfälligkeit im Vergleich zu den nicht sozial
benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Wenn das so stimmt, was ich gerade
vorgetragen habe, wäre Ihr Argument, das das Schizophrenierisiko
entkräftet, völlig hinfällig, und da würde mich es interessieren, wie
Sie das sehen.
Frau Vors. Dr. Schulze:
Danke schön! – Das ist nun eine Vielzahl von Fragen, die an Sie
gerichtet wurden. Alle, die Fragen gestellt haben, sollte noch einmal
einen Blick in die Unterlagen werfen, die von den Exper-tinnen und
Experten zur Verfügung gestellt wurden. – Vielleicht nutzen Sie die
Gelegenheit, die Fragen zu beantworten, die man in den Papieren nicht
nachlesen kann. – Wer möchte von Ihnen beginnen? – Herr Wurth, bitte schön!
Herr Wurth (Deutscher Hanfverband):
Ich werde mich bemühen, einigermaßen Struktur in die vielen Fragen
hineinzubringen, was nicht ganz einfach ist und was bei der Fülle der
Fragen auch nicht sehr schnell gehen wird. – Ich fange mit den eher
ulkigen Fragen bzw. Anmerkungen an. Zum Beispiel der Vorwurf, dass hier
Cannabis mehrfach als Genussmittel benannt wurde – selbstverständlich
ist Cannabis ein Genussmittel. Wenn Sie fragen, was es denn bringt,
Cannabis zu konsumieren und nach Schokolade fragen, kann man ein-fach
antworten: Für die meisten Konsumenten ist Cannabis einfach ein
Genussmittel. Ich nehme an, dass Sie Ihr Leben auch nicht vollkommen
abstinent abgewickelt und auch verschiedene Genussmittel konsumiert
haben. Das ist auch keine Frage von Moral oder sonst etwas, sondern die
Menschen haben offensichtlich ein gewisses Bedürfnis, solche
Genussmittel zu konsumieren, und manche entscheiden sich für das eine,
und manche entscheiden sich für das andere. Insofern macht es keinen
Sinn zu fragen, was speziell der Sinn von Cannabiskonsum ist. Das ist
eigentlich der gleiche Sinn, wie bei anderen Genussmitteln eben auch,
nur dass eben unterschiedliche Geschmäcker vorhanden sind.
In dem Zusammenhang uns oder mir vorzuwerfen, wir würden Cannabis
verharmlosen, möchte ich zurückweisen. Ich habe das ausdrücklich nicht
gemacht und habe betont, dass ich durchaus auch Probleme beim
Cannabiskonsum sehe, dass es eben einen gewissen Anteil von
Cannabiskonsumenten gibt, der offensichtlich Probleme mit seinem Konsum
hat. Aber wenn ich gleichzeitig sage, Cannabiskonsum ist mit Sicherheit
nicht gefährlicher als z. B. Alkohol, dann ist das keine Verharmlosung,
dann ist das einfach eine realistische Einordnung dieser Substanz.
Insofern finde ich es eher umgekehrt verharmlosend, wenn gesagt wird:
„Über Alkohol und Tabak reden wir nicht.“ Dann ist auch der Einwand von
Herrn Kleineidam sinnvoll, zu sagen: Dadurch macht sich Staat
unglaubwürdig und dadurch machen sich auch Parteien unglaubwürdig. Ich
kann auch sagen, dass z. B. im Internet Bilder per E-Mail kursieren, die
Herrn Stoiber beim Fassanstich oder mit der Maß zeigen und gleichzeitig
sein Zitat dazu, dass bei der Cannabislegalisierung Tausende von Leuten
sterben.
– [Abg. Hoffmann (CDU): Sagen Sie doch bitte etwas zur Sache!] –
Das ist zur Sache – –
Frau Vors. Dr. Schulze:
Herr Hoffmann, Herr Wurth hat das Wort, und er beantwortet jetzt die Fragen.
Herr Wurth (Deutscher Hanfverband):
Das ist uns gegenüber auch jetzt von Ihrer Seite genannt worden, eben
die Frage der Verharmlosung, und darauf möchte ich eingehen.
– [Abg. Wansner (CDU): Die Frage hat Ihnen niemand gestellt!] –
Doch! Sie haben mir vorgeworfen, ich würde Cannabis verharmlosen. Das
kommt in der Diskussion sehr häufig vor. Das ist eine ganz
grundsätzliche Frage, und ich möchte mir nicht vorwer-fen lassen, dass
ich Cannabis verharmlose.
– [Abg. Hoffmann (CDU): Ist Cannabis aus Ihrer Sicht gefährlicher als
Schokolade oder nicht?] –
Frau Vors. Dr. Schulze:
Herr Hoffmann, es gibt eine Geschäftsordnung, auf die ich Sie verweise.
– Herr Wurth hat das Wort.
Herr Wurth (Deutscher Hanfverband):
Ich würde darauf eingehen, wenn Sie auf die Idee kommen würden,
Schokolade zu verbieten. Vorher sehe ich dafür keinen Sinn. – Ich möchte
noch einmal ganz kurz allgemein darauf hinweisen, dass eine
Legalisierung natürlich nicht alle Probleme aus der Welt schafft, die
mit Cannabis zusammenhängen, z. B. gewisse Abhängigkeitsentwicklungen
bei einem kleinen Teil der Konsumenten oder auch Zusammenhang mit
Schizophrenieauslösungen oder sonst etwas. Das wird nicht allein durch
eine Legalisierung besser werden. Wir brauchen eine Menge anderer
Instrumente, gesellschaftliche Vorgänge, um vernünftiger mit Drogen
allgemein umgehen zu können und genauso mit Cannabis.
Das ist z. B. ein anderer Schulunterricht, bei dem wesentlich intensiver
auf diese Fragen eingegangen wird, und bei dem nicht nur verteufelt wird
und gesagt wird: „Cannabis dürft ihr auf keinen Fall anpacken, davon
werdet ihr schizophren.“ – wenn die Schüler gleichzeitig in ihrem
Umfeld sehen, dass viele Leute kiffen und dabei nur ein geringer Anteil
damit Probleme hat, dann macht das unglaubwürdig. Man muss eher sagen:
Okay, Genuss-mittel werden konsumiert, Rauschmittel werden konsumiert –
Wie sollte man damit umgehen und wie kann so bewusst damit umgehen, dass
man keine Probleme damit bekommt? – Das gilt genauso für Alkohol und
andere Dinge. Es sind hier auch Diskussionen mit Eltern angesprochen
worden. Also, es ist ein ganz offener gesellschaftlicher Prozess, der da
nötig ist. Die Frage der Legalisierung oder Kriminalisierung ist nur ein
kleiner Teil davon. Deswegen noch einmal: Die Legalisierung wird die
Probleme nicht lösen. Umgekehrt: Wenn Sie genau das feststellen und
sagen: „Was soll denn die Legalisierung bringen? Gesundheitlich mag
dabei gar nicht so ein großer herauskommen. Warum sollen wir dann
legalisieren?“ – Dann ist das aus Sicht von Cannabiskonsumenten eine
Unverschämtheit, weil auch das Verbot keinerlei gesundheitsfördernde
Auswirkungen hat. Es lässt sich nachweisbar laut Statistiken der
Bundesregierung niemand vom Cannabis-konsum durch das Verbot abhalten.
Es hat für die Leute nur negative Auswirkungen. Aber nur, weil Sie
sa-gen: „Ich sehe auch keine gesundheitlich positive Auswirkung der
Legalisierung.“ – rennen Sie weiter hinter etwa 3 Millionen
Cannabiskonsumenten in Deutschland her und überziehen sie mit über 100
000 Strafver-fahren im Jahr.
Das ist bei der Argumentationsgrundlage nicht hinzunehmen.
– [Abg. Czaja (CDU): Darf ich ganz kurz fragen, woher Sie die Zahl „100
000 Strafverfahren“ haben?] –
Klar! Das sind die offiziellen Zah-len – über 140 000 Strafverfahren.
Das sind z. B. die Zahlen im Bundesdrogenbericht, gar nicht mit
Straßen-verkehr, nur Strafverfahren wegen Cannabisbesitzes.
Auch die Sache: negatives Signal an Jugendliche. – Ich sehe da kein
negatives Signal, wenn ich so eine rea-listische Einordnung finde und
mit Ihnen realistisch über Drogenkonsum diskutieren will und sage, dass
man z. B. zu Genussgelegenheiten durchaus Genussmittel konsumieren kann,
wie meinetwegen das Bier bei einer Familienfeier, aber dass Drogenkonsum
zur Problembewältigung nicht sinnvoll ist. In so eine Richtung muss die
ganze Diskussion gehen. – [Zuruf von der CDU: Dazu müssen Sie mal
Synanon befragen!] –
Ja! Ich gehe dann auch nächste Woche zu Synanon.
Zur Frage nach den Kosten der Strafverfolgung: Da haben wir versucht,
uns möglichst weit anzunähern. Sie haben das Papier. Wir konnten nur
einen Korridor eingrenzen, der einigermaßen realistisch ist. Wir
schätzen einigermaßen konservativ bundesweit die Kosten der
Strafverfolgung bei Polizei, Justiz, Gefängnissen usw. auf etwa 1
Milliarde DM. Das können relativ leicht auf die Bevölkerungszahl von
Berlin umrechnen und vielleicht noch ein paar Größen, die da noch unklar
sind, auch gerne von der Verwaltung nachchecken. Auf jeden Fall ist die
Einschätzung, die ich eben irgendwo gehört habe, ein zweistelliger
Millionenbetrag inner-halb von Berlin auf jeden Fall realistisch für die
Kosten der Strafverfolgung nur von Cannabiskonsumenten wohlgemerkt. Zu
den Kosten des Modellprojektes: Dazu habe ich eben schon einmal
angemerkt, dass ich mir gut vorstellen kann, dass die Kosten des
Modellprojektes durch gewisse Einsparungen, die das Modellprojekt mit
sich bringt, komplett aufgefangen werden können, z. B. bei der
Strafverfolgung, vor allen Dingen aber auch durch den Verkauf des
Cannabis. Es soll ja nicht so wie bei dem Heroinprojekt sein, dass sie
das Heroin kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, sondern dass sie
das zu marktüblichen Preisen kaufen und dar-über auch gewisse Kosten des
Modellprojekts abgedeckt werden können. Wir können uns gerne noch einmal
im Einzelnen darüber unterhalten. Ich habe auch ein Papier zum Anbau von
Cannabis geliefert. Da dürfen gewisse Spannen übrig bleiben, die zur
Finanzierung des Projektes beitragen. Was das wissenschaftliche
Begleitmodell angeht – die Registrierung der Leute mit den Karten, mit
dem entsprechenden Chipsystem usw. – hat Schleswig-Holstein damals bei
seinem Antrag geplant, von jedem Konsumenten bei der erstmali-gen
Registrierung einen Beitrag von 10 € zu nehmen, so dass auch diese
Kosten aufgefangen werden. Wenn man das geschickt anstellt, wird die
ganze Sache das Land Berlin nichts kosten.
Noch einmal zu der Marktfrage an sich und zu den Preisen: Es kam auf der
einen Seite die Frage: Wie soll ein Schwarzmarkt, wie z. B. bei den
Zigaretten, verhindert werden? Wie soll verhindert werden, dass hier ein
Markt entsteht, bei dem die Preise unterhalb des Schwarzmarktes sind und
dadurch von Berlin aus dieses legale Cannabis in die Bundesrepublik
strömt? Umgekehrt gab es aber auch die Frage: Wie kann man – wenn man
festgelegte Preise hat – noch eine Marktentwicklung beobachten? – Dazu
muss ich sagen: Eine Marktentwicklung bei einem Modellprojekt zu
beobachten, wird praktisch nicht möglich sein. Das würde bedeuten, dass
man einen vollkommen legalen Markt hat, der z. B. auch Import erlaubt,
der viele verschie-dene vollkommen frei agierende Anbieter hat. Das wird
so bei einem Modellprojekt nicht gehen. Dann wür-de man beobachten, wie
hier und da Shops auf- und zugemacht werden, man beobachtet z. B. ob
jetzt mehr Cannabis aus den Niederlanden oder aus Marokko kommt. Solche
Beobachtungen wird es nicht geben. Wenn man das macht, wird es
wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass man lizenzierte Anbaubetriebe –
vielleicht ein oder zwei – hat, die die Ware meiner Meinung nach direkt
in Berlin produzieren, zu vorher festgelegten Preisen über den Zeitraum
des Modellprojektes, so dass da nicht viel zu beobachten sein wird,
sondern man wird eher beobachten können, wie z. B. die Konsumenten
innerhalb des Zeitraums in irgendei-ner Weise ihren Konsum verändern,
auch unter gesundheitlichen Aspekten usw., ob es insgesamt mehr oder
weniger werden. Aber ich gehe davon aus, dass keine großartigen
Marktschwankungen beobachtbar sein werden. Ich bin auch der Meinung,
dass es möglich und notwendig ist, die Preise leicht oberhalb oder auf
Preislinie des Schwarzmarktes zu belassen. Damit wird eine bundesweite
Versorgung des Schwarzmarktes mit Berliner Cannabis verhindert werden.
Bei leicht über den Schwarzmarktpreisen liegenden Cannabisprei-sen
werden die Konsumenten das bei entsprechender Qualität akzeptieren.
Davon gehe ich aus.
Ein weiteres wichtiges Merkmal der ganzen Geschichte ist, dass dieses
Modellprojekt sicherlich nur für Einwohner von Berlin stattfinden wird.
Das ist hier noch nicht so deutlich gesagt worden. Die Fragen haben
gezeigt, dass es nicht so klar war. So war es auch in Schleswig-Holstein
geplant: nicht für eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern, sondern für
alle Einwohner Schleswig-Holsteins, aber eben auch nur für die.
Des-wegen ist auch dieses Chipkartensystem notwendig, damit die sich
eben einmal registrieren. Das wird aus Datenschutzgründen dann gleich
wieder anonymisiert, aber es geht nur an Einwohner des entsprechenden
Bundeslandes. Die könnten dann wiederum das Cannabis an andere
weitergeben, auch an außerhalb von Berlin Kommende, aber dadurch, dass
der Preis nicht unter Schwarzmarktniveau liegen wird, ist da nicht mit
wesentlichem Ausfluss zu rechnen. Das wird auch einen Drogentourismus,
wie er in den Niederlanden zu beobachten ist und was manche auch
innerhalb der Niederlande als Problem wahrnehmen, verhindern. Denn in
den Niederlanden darf jeder im Coffeeshop Cannabis kaufen, auch eben
Deutsche usw. In Berlin wird das nicht der Fall sein. Das wird nur bei
Berlinern möglich sein.
Das beantwortet auch die Frage nach der Insellösung: Macht es Sinn,
innerhalb von Berlin so einen Modell-versuch zu machen? – Ich würde das
eindeutig bejahen, und das ist auch die Frage des weiteren Vorgehens –
was man auf Landesebene tun könnte und sollte. Ein Unterschied der
Anträge zwischen Grünen und FDP war, ob man sofort innerhalb Berlins
dieses Modellprojekt installieren sollte oder erst einmal über den
Bun-desrat versuchen sollte, da vorwärts zu kommen. Wie eben schon
gesagt wurde, ist es über den Bundesrat nicht sehr wahrscheinlich, dass
man da vorwärts kommt und würde die Sache unnötig verzögern. Da gehen
wieder Jahre ins Land, in denen überhaupt kein Forschritt passiert.
Insofern plädiere ich dafür, so selbstbe-wusst zu sein und zu sagen:
Okay, wir sind die Region, die das jetzt anpacken will. Wir wollen es
gleich tun. Wir wollen nicht Verzögerungen im CDU-dominierten Bundesrat,
und ich bitte daher auch die FDP, über den Punkt noch einmal
nachzudenken, ob man den Versuch nicht gleich wagt, ohne den Bundesrat.
Frau Vors. Dr. Schulze (PDS):
Herr Wurth, versuchen Sie bitte zum Ende zu kommen.
Herr Wurth (Deutscher Hanfverband):
Ich versuche, alle Fragen zu beantworten, und ich versuche schon, mich
zu beeilen. – Zur Frage der Beschaffungskriminalität ganz kurz: Die ist
bei Cannabis sicherlich nicht sehr ausgeprägt. Das dürfte nur einen sehr
kleinen Teil der Konsumenten betreffen, die tatsächlich dafür etwas
klauen gehen, weil die Kosten des Cannabiskonsums meiner Meinung nach
deutlich unterhalb der Kosten von Alkoholkonsum liegen.
Zur Frage Cannabis als Medizin auf Landesebene: Da sehe ich keine großen
Möglichkeiten, auf Landesebe-ne vorwärts zu kommen. Der Anbau zum
Eigenverbrauch ist ein ganz wichtiges Thema, das heute noch nicht
besprochen wurde und was auch Einfluss haben wird auf diese ganzen
Fragen z. B. welcher Schwarzmarkt übrig bleiben wird und wie viel
Versorgung mit Cannabis außerhalb der offiziellen Wege noch da sein
wird. Es ist sicherlich eine sinnvolle Geschichte, wenn Leute ihren
eigenen Hanf anbauen – ein zwei Pflanzen auf dem Balkon oder sonst wo –
und damit überhaupt keinen Kontakt mehr zu illegalen Strukturen oder
sonst was für Beschaffungsstrukturen bekommen. Das ist sicherlich eine
feine Sache, die man auch bedenken soll-te. Dabei spielt auch wieder die
Frage, nach 15 oder 30 Gramm eine Rolle. Bei der Festlegung auf 15 Gramm
ist es praktisch unmöglich – auch nur bei einer Pflanze – darunter zu
bleiben, obwohl dabei ein so kleiner Ertrag heraus kommt, dass man den
innerhalb von ein paar Monaten ganz gemütlich zum Eigenkon-sum
verbraucht. Aber jede normale Pflanze hat mehr als 15 Gramm. Es wäre
aber möglich, wenn man nicht allzu große Turbozüchtungen nimmt,
unterhalb von 30 Gramm zu bleiben. Dieses Argument sollte man nicht
unterschätzen. Zu dem politischen Einfluss auf das BfArM wegen der
Entscheidung über das Modellprojekt: Das sehe ich auch so. Damals beim
Schleswig-Holsteiner Antrag hat der Bundesgesundheitsminister Seehofer
schon im Vorfeld, vor der Prüfung des BfArM gesagt, dass er sich eine
solche Genehmigung nicht vorstellen kann. Insofern sind unter den
jetzigen politischen Bedingungen Grüne und SPD gefragt, da entsprechend
Einfluss zu nehmen. Hier ist sowieso die Frage, wie sich letztendlich
die SPD verhält. Die SPD wird bei der ganzen Diskussion der
entscheidende Faktor sein. Wenn sich die SPD traut zu sagen: Ja, wir
wollen diese fortschritt-liche Drogenpolitik, dann sind Rot-Grün vereint
und sollten diesen Einfluss geltend machen können.
Eine konkrete Frage war noch, welche Menge Cannabis von nicht
chronischen Konsumenten verbraucht wird. – Das ist eine sehr schwer zu
beantwortende Frage, weil eine riesige Bandbreite dabei ist. Ein
Gele-genheitskonsument kann jemand sein, der einmal oder zehnmal
Cannabis im Jahr konsumiert, eine Konsum-einheit kann dann in dem Fall
0,1 oder 0,2 Gramm sein. Es kann auch 0,5 Gramm sein oder noch mehr
in-nerhalb einer Konsumdauer. Es gibt aber auch Leute, die relativ
häufig Cannabis konsumieren, ohne dabei in irgendeiner Weise auffällige
Erscheinungen mit sich zu tragen oder irgendwelche Probleme damit zu
be-kommen, die z. B. mehrmals pro Woche konsumieren. Da ist dann die
Frage: Ist das ein regelmäßiger Can-nabiskonsument? – Sicherlich. – Aber
ist das chronisch? – Abhängigkeit ist auch dann wahrscheinlich nach
Kriterien der Weltgesundheitsorganisation noch nicht gegeben, so dass
Cannabiskonsumenten, die nicht als abhängig zu gelten haben, auch einige
Gramm pro Woche konsumieren können. Da ist also eine große Spannbreite.
Aber natürlich wächst das Risiko, desto mehr man sich solchen
Grenzwerten nähert, meinetwe-gen einem halben Gramm pro Tag oder mehr.
Da ist man sicherlich schon in einem Bereich, in dem manche Konsumenten
damit Probleme kriegen könnten. Die Frage ist also schwer zu beantworten.
Zum letzten Punkt: Die Jugendlichen. – Das ist auch aus meiner Sicht
eine der schwierigsten Fragen über-haupt in der ganzen Geschichte, und
wir haben uns in unseren Empfehlungen für die Richtlinien für
Hanf-fachgeschäfte da auch extra herausgehalten, weil wir der Meinung
sind, dass das eine Frage ist, die die Poli-tik letztendlich selbst
entscheiden sollte. Für 16 Gramm spricht tatsächlich die Realität. Die
Leute sind teil-weise deutlich jünger und dass man die Leute eben da
abholen sollte, mit sinnvolleren Vertriebsregelungen als wir sie jetzt
haben, wie ich sie eben dargestellt habe, die auf jeden Fall besser
sind, als die jetzige Schwarzmarktregelung. Damit sollte man möglichst
viele Leute mitnehmen. Ich gehe davon aus, dass unter-halb dieser Grenze
ein Schwarzmarkt entstehen wird, mit denselben negativen
Begleiterscheinungen, die wir jetzt bei allen Leuten haben. Insofern ist
tatsächlich die Frage, wie man damit umgeht, ob man Jugendliche, die
konsumieren, überhaupt in irgendeiner Weise belangt, wie man mit
Erwachsenen umgeht, die an diese Jugendliche weitergeben usw. Insgesamt
muss ich aber auch sagen, dass ein möglichst hohes Einstiegsalter aus
unserer Sicht auch sinnvoll ist. Problematische Entwicklungen finden vor
allem bei niedrigem Einstiegsalter statt. Insofern ist das eine
Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, wo ich auch sagen würde:
Vielleicht ist es sinnvoll, wenn die Leute erst ab 18 anfangen. Wir
sollten auch dieses Signal setzen, aber letztendlich ist es immer nur
ein Signal. Ich persönlich tendierte da hin zu sagen: Eine Altersgrenze
von 16 ist sinnvoller als 18, aber das wird sogar innerhalb unseres
Verbandes kontrovers diskutiert, so dass ich dazu jetzt kein eindeutiges
Votum abgeben will. – Danke schön!
Frau Vors. Dr. Schulze:
Frau Dr. Schulze, bitte!
Frau Dr. Schulze (teenex e.V.):
Sehr verehrte Damen und Herren! – Ich möchte auch in der Chronologie der
an mich gerichteten Fragen antworten. Die erste Frage war nach der
Prävention: Was hätte den frühzeiti-gen Einstieg verhüten bzw.
verhindern können? – Ich muss dazu sagen, dass Jugendliche, die wir
betreuen und Jugendliche, die wir auch in teenex – unserer Organisation
– im Kontakt haben, ihre ersten Versuche mit Drogen – – Ich gehe
durchaus nicht nur auf Cannabis ein. Für uns sind auch Medikamente,
Alkohol und Nikotin Drogen. Sie haben mit 8, 9 Jahren angefangen,
Nikotin zu rauchen und Alkohol zu trinken. Insofern sind das für sie
Einstiegsdrogen gewesen, ihre Befindlichkeit zu verändern, sich zu
Gruppen zugehörig zu fühlen oder sich Lernmodellen zu näher, die sie
unter den Erwachsenen finden. Da möchte ich wirklich kri-tisch über den
gegenwärtig praktizierten Umgang mit Alkohol und Drogen und auch einer
Verharmlosung bzw. einer Hinabrückung dieser Drogen in der Diskussion
über Cannabis sprechen.
Wir haben auch zu verzeichnen, dass Jugendliche, die begonnen haben,
Cannabis zu konsumieren, natürlich für sich – und so reflektieren sie es
auch – eine Schwelle niedergerissen haben. Die Leichtigkeit, mit der es
heute möglich ist, Cannabis zu konsumieren und das an jeder Stelle in
jedem Dorf – – Unsere Einrichtungen liegen auf dem Land, in Brandenburg
und um Berlin herum. Es ist zu jeder Zeit möglich, Cannabis zu
erhal-ten, auch alle anderen Drogen. Ich muss auch dazu sagen, dass
diese Jugendlichen, die so konsumieren, längst nicht mehr kriminalisiert
werden. Kriminalisiert werden andere soziale Verhaltensweisen – Gewalt
und Diebstahl in Größenordnungen wie Raub – und gehören auch nicht zur
Beschaffungskriminalität. Diese Korrelation stimmt in vielen Fällen
nicht. Was sich Jugendliche erwartet hätten, wären klare Grenzsetzungen,
die sie nicht von ihren Eltern erfahren, die sie auch sehr selten an den
Schulen erfahren. Sie wissen nicht, was richtig und falsch ist. Sie
haben keine Lernmodelle, keine Vorbilder. Das ist ein Problem. Ein
weiteres ist, dass sie nicht ernst genug genommen werden, dass sie keine
Verantwortung in den Schulen haben oder auch in ihrem
Ausbildungsbereich. Warum pflegen sie z. B. in ihrer Gruppe, in ihrer
Szene, in ihrer Peergroup viel engere und viel interessantere und
möglicherweise auch ganz andere soziale Neigungen. Weiterhin sagen sie,
dass Perspektiven fehlen. Sie setzen sich auch mit dem, was sie in
unserer Gesellschaft bewirken können, auseinander. Wie ist ihre Chance
auf dem Arbeitsmarkt? Welche Chance haben sie überhaupt, eine Ausbildung
zu erhalten? – Was hinzu kommt ist, dass sie auch erleben, wie
Jugendliche Drogen konsumieren, und es gibt z. B. eine sehr enge
Ver-bindung zwischen den Jugendlichen, die selbstbestimmt ein Leben ohne
Drogen leben wollen und das auch praktizieren, und Jugendlichen, die
Erfahrungen mit Drogen gemacht haben, auch sehr schmerzvolle
Erfah-rungen gemacht haben, die sie auch damit bewusst für ihre Zukunft
beiseite lassen müssen, weil die Abhän-gigkeitspotentiale, die sie
entwickelt haben, auch auf Grund des langjährigen Konsums, derart sind,
dass sie in ihrer weiteren Lebensperspektive unbedingt die
Drogenabstinenz pflegen müssen, weil auch ihre Erfah-rungen mit
Rückfällen derart ist. Der Austausch zwischen diesen Jugendlichen sagt
auch, dass die Verharm-losung von Cannabis, die schon über viele Jahre
in der Presse passiert, die durch bestimmte Gesetzesanhö-rungen
passiert, dass das Signale für sie setzt, weil sie die medizinischen
Begründungen, die politischen Be-gründungen, die rechtlichen
Begründungen nicht mehr hören. Sie hören nur: Cannabis ist harmlos.
Cannabis ist ein Medizinprodukt. Cannabis kann die Befindlichkeit
verändern, und Cannabis ist längst nicht so schäd-lich wie Alkohol. Und
das postulieren sie auch. Sie sagen auch, dass sie genau solchen
Empfehlungen Folge geleistet haben: Nimm mal nicht den Alkohol, sieh dir
die Leute an, die alkoholabhängig werden, mit Can-nabis kommst du besser
zurande.
In unseren Einrichtungen sind die Jugendlichen im Wesentliche nicht
wegen Opiatabhängigkeit, sondern weil sie eine psychische Abhängigkeit
von Cannabis entwickelt haben. Wir haben Wartelisten, die über Jahre
nicht abgebaut werden können, weil diese Jugendlichen mit 14, 15 Jahren
aus ihrer Schullaufbahn geschleu-dert worden sind und aus anderen
sozialen Zusammenhängen, u. a. auch der Familie. Wir haben auch bei der
Frage: Was könnte dir helfen? – den Jugendlichen gegenüber ein anderes
politisches Bewusstsein, dass sie andere Möglichkeiten der Einflussnahme
haben.
Unsere Arbeit im präventiven Bereich an den Schulen ver-teufelt keine
Drogen. Wir stellen uns auch nicht prinzipiell gegen Cannabis. Wir
wollen über uns reden oder die Jugendlichen über sich und ihre
Erfahrungen in der Schule, mit ihren Eltern, in unserer Gesellschaft,
und das wird thematisiert. Es wird auch thematisiert: Warum konsumiert
man Drogen? – Und es wird auch frei-mütig gesagt, es wird kein Tabu
darüber gelegt. Ich kann das nicht feststellen, und ich habe in den 12
Jahren, in denen ich in diesem Bereich Prävention, Suchthilfe,
Jugendhilfe arbeite, habe ich diese Erfahrungen nicht machen können und
auch nicht machen müssen. Ich bin froh darüber, weil wir auch ein Stück
Lobby für die sind, die Drogenprobleme haben und sich auch wieder
integrieren wollen.
Eine Frage zur Einstiegsdroge habe ich bereits beantwortet. Es ist
einfach die Schwelle für die Jugendlichen, dass sie eine illegalisierte
Droge konsumieren, die relativ leicht zu haben ist und dass sie auch mit
anderen Erfahrungen machen wollen. Ich kann Ihnen auch mitteilen, dass
dann der Umstieg auf Opiate und Desig-nerdrogen sehr schnell passiert,
weil Cannabis nicht die Wirkung, die sie erreichen wollen, erzielt. Es
ist sehr wohl richtig, dass Cannabis die Zustände verschärft oder zum
Ausdruck bringt und auch potenziert, die in der Persönlichkeit stecken.
Insofern wollen sie mehr exzessive Erfahrungen machen. Die machen sie
nicht mit Cannabis.
Ein weiteres Problem, das wir z. B. im Zusammenhang mit
Legalisierungsdebatte sehen, ist, dass Jugendli-che immer mehr zum
Ausdruck bringen: Ich muss erst Drogen nehmen, damit man mich in der
Gesellschaft wahrnimmt, dass ich über ein Förderprogramm einen
Ausbildungsplatz bekomme, dass ich in eine gute The-rapieeinrichtung
komme oder dass meine Eltern sich wieder für mich engagieren und sich
darauf einlassen. – Das ist auch eine Erfahrung, die sie machen. Für
benachteiligte Jugendlich gibt es in einem viel größeren Umfang
Programme in Bezug auf die Integration in die Ausbildung oder in das
Berufsleben und auch in eine Gesundheitsvorsorge als für Jugendliche,
die selbstbestimmt ohne Drogen leben wollen. Das sind auch Zei-chen, die
wir mit der Diskussion, wie wir sie jetzt führen, setzen. Ich wünsche
mir, dass wir die Ressourcen – da spreche ich im Namen der Jugendlichen
–, die wir haben – sowohl wissenschaftliches als auch politisches
Potential – einsetzen, um über die Situation der Jugendlichen im Bereich
des Alkoholmissbrauchs und -kon-sums, des Nikotinmissbrauchs und auch
der Bewertung dieser legalen Drogen, mehr Kraft einsetzen und dass wir
als Erwachsene, z. B. Lehrer, Ärzte und andere Gruppen, die politisch
ausstrahlen können, auch für Jugendliche ein Vorbild sein können, weil
es Menschen sind, die vorleben, wie sie mit Problem und Konflik-ten
umgehen. Das ist das, was Zeichen setzt und was dann auch diesen Damm
nieder reißt und Jugendliche darauf neugierig macht. Wir haben es mit
Sicherheit damit zu tun, dass nahezu alle Jugendlichen einmal diese
Erfahrungen machen wollen und probieren wollen. Das ist auch nicht das
Thema. Das Thema ist, dass wir mit einer Erklärung – wir können den
Gebrauch von herkömmlichen Drogen – unsere so genannten Kul-turdrogen –
seit Jahrhunderten mit Erfahrungen stützen, und diese Erfahrungen sind
beileibe nicht positiv – eine weitere Droge hinzusetzen, einen
Feldversuch an Menschen machen, den ich einfach nicht verantworten
könnte, weil er eine Zielgruppe gefährdet, die keine Muster und keine
Möglichkeiten hat, weil sie es von ihren erwachsenen Eltern nicht lernt,
weil ihnen z. B. der vernünftige Umgang mit Alkohol, Nikotin und
Medikamenten auch nicht vermittelt wird, wie es möglicherweise in
früheren Generationen einmal war. Aus diesem Grund halte ich es für
gefährlich, wenn man sich nicht im Vorfeld die Erfahrungen derer, die
konsu-mieren und die unter den gegenwärtig gegebenen Bedingungen
konsumieren, ansieht. Ich sage es einmal mit dem Status quo, dass viele
über den illegalen Markt konsumieren können, und ich bezweifle, dass mit
dem Versuch, den Sie vorhaben, dem Schwarzmarkt irgendwelche Grenzen
gesetzt werden, denn die Kreativität, neue Felder und neue Zielgruppen
und neue Drogen zu entdecken, sind ungemein größer, als wir uns
mögli-cherweise vorstellen können.
Frau Vors. Dr. Schulze:
Recht herzlichen Dank! – Herr Prof. Kleiber bitte!
Prof. Dr. Kleiber (FU Berlin):
Wenn ich in die Runde schaue, dann habe ich den Eindruck, dass es –
ob-wohl hier sehr sitz- und aufmerksamkeitsgeschulte Menschen um mich
herum sitzen – doch einen gewissen Preis gibt, den die Zeit hat. Deshalb
will ich versuchen, auf die mir gestellten Fragen einigermaßen kurz
ein-zugehen. Ich möchte mich vorab schon dafür entschuldigen, dass das
wahrscheinlich nicht für alle befriedi-gend sein wird, denn um auf eine
jede einzelne Frage einzugehen, brauchten wir wahrscheinlich mehrere
Tage, und die haben wir nicht.
Ich fange von hinten an, weil ich Ihre letzten Fragen, Herr
Staatssekretär, bemerkenswert konkret fand und deshalb auch gerne
beantworten möchte. Zur Frage: Was ist eine geringe Menge? – Und: Wie
verhält es sich mit der Relation einer geringen Menge und der Menge, die
man im Rahmen eines chronischen Substanzmit-telgebrauchs nutzt? – Wenn
es diesen Zusammenhang zwischen der Definition einer geringen Menge und
dem Verbrauchsmuster gäbe, dann wäre mir ein bisschen wohler. Das
Problem ist nur, dass es bei der Defi-nition einer geringen Menge
entweder um eine Menge geht, die man bei sich führen muss, damit ein
Straf-verfahren nicht niedergeschlagen werden kann – das hat also etwas
mit einem justitiellen Umgang, nicht aber mit einem Konsummuster oder
irgendeinem Konsumverhalten zu tun –, oder die geringe Menge ist, wenn
man sie im Rahmen eines Modellversuchs definiert, möglicherweise die
maximale Menge, die jeweils abge-geben werden darf. Dann weiß ich aber
nicht, wie oft diese geringe Menge gekauft wird, wie oft sie konsu-miert
wird oder ob ich mir die geringe Menge von einer Freundin oder einem
Freund zusätzlich geben lasse, die ihrerseits gar nicht konsumieren
wollen. Die geringe Menge hat mit dem konkreten Konsummuster und
Gebrauch der Substanz fast gar nichts zu tun. Insofern ist die
Definition einer geringen Menge tatsächlich mehr etwas, was den
Innenausschuss und die Ökonomie des justitiellen Apparats betrifft als
eine gesund-heitspolitisch relevante Frage. Ich habe bei meinem
Vorredner, Herrn Wurth, herausgehört – was mir neu war –, dass es
möglicherweise pragmatische Gründe gibt und die geringe Menge etwas mit
der Pflanzengrö-ße zu tun hat. Man müsste die Pflanze irgendwie
beschneiden, damit man sicher ist, dass man nicht mehr als eine geringe
Menge hat. Solche pragmatischen Dinge sind mir bisher fern gewesen,
mögen aber tatsächlich justitiabel gefasst werden müssen, wenn man sich
mit der Definition der geringen Menge befasst. Alle Be-gründungsmuster
für geringe Mengen, die ich kenne, sind letztlich willkürlich und nehmen
einen indirekten Bezug auf gesundheitswissenschaftliche Sachverhalte,
aber keinen direkten.
Zum Modellversuch und seiner Zielgruppe: Wenn wir uns die bundesdeutsche
Realität anschauen, dann liegt das Einstiegsalter für Cannabis derzeit
bei 16,5 Jahren. Es lag vor mehr als 10 Jahren bei 16,9 Jahren. Es gibt
also einen moderaten Abfall des Einstiegsalters. Diesen zu bewerten, ist
allerdings nicht ganz einfach, weil wir parallel zur Tatsache, dass das
Einstiegsalter nach unten sinkt, Indikatoren haben, dass das
Einstiegsalter von so vielen Dingen nach unten geht. Die Menarche bei
Mädchen ist in den letzten 30 Jahren um 3 Jahre nach vorne gerückt. Wenn
Jugendliche heutzutage früher in die Pubertät, in die Jugendphase,
kommen, dann ist es auch erwartbar, dass die entsprechenden
Verhaltensweisen früher gezeigt werden. Das hat mit Politik oder
Drogenverfügbarkeit oder so etwas zunächst einmal gar nichts zu tun,
sondern eher mit dem Entwick-lungsalter. Gleichwohl gilt die Tatsache –
die ich auch in meinem Beitrag erwähnt habe –, dass das Ziel jeder
vernünftigen Drogenpolitik sein sollte, das Einstiegsalter möglichst
nach oben zu verschieben. Es gilt die alte Grundregel: Wenn man bis zum
21. Lebensjahr eine Substanz nicht konsumiert hat, dann geht die
Wahr-scheinlichkeit gegen Null, dass man noch zu einem regelmäßigen
Konsumenten wird. Das gilt für illegale Drogen, für Alkohol und vor
allem auch für Tabak. – Zum Modellversuch: Wenn man beispielsweise über
16 Jahre als Teilnehmeralter ansetzen würde, dann bekommen wir mit hoher
Wahrscheinlichkeit wieder die-selbe Diskussion, wo die Vergleichbarkeit
mit Alkohol ist, der ab 16 Jahre konsumiert werden kann. Wenn wir 16
Jahre ansetzen würden, dann hätten wir realistischerweise, wenn wir von
einem derzeitigen durch-schnittlichen Einstiegsalter von 16,5 Jahren
ausgehen, etwa 60 % derjenigen, die Cannabis real konsumieren, in einer
solchen Population mit drin. – So viel zu den Verteilungen.
Was die Risiken des Cannabiskonsums in Bezug auf die
Schizophrenieentwicklung anbelangt, die Sie zu Recht angesprochen haben,
habe ich zu differenzieren versucht zwischen der These, dass Cannabis
schizophrenien verursacht, also der Verursacherhypothese, und einer
zweiten Hypothese, dass Cannabis latent vor-handene Schizophrenien
auslöst. Wenn die Verursacherhypothese richtig ist, dann muss es einen
logischen Zusammenhang geben zwischen der Zahl derjenigen, die
konsumieren, und dem steigenden Risiko, an einer Schizophrenie
erkranken. Das heißt: Wenn Cannabis die Schizophrenien verursacht, dann
muss sich ein Mehr an Risikoexposition in einem Mehr an Schizophrenien
niederschlagen. Dieses scheint aber weltweit nicht der Fall zu sein,
denn – da bin ich anders informiert als Sie – die Schizophrenie gehört
zu den wenigen psychiatrischen Störungsbildern, die weltweit eine
Prävalenz von etwa 1 % haben. Es variiert marginal. Richtig ist
allerdings, dass es in den sozialen Schichten Differenzierungen gibt.
Das hat wiederum mit zwei Dingen zu tun: einmal mit der Tatsache, dass
es nicht nur eine biologische Wirkung der Schizophrenieent-wicklung
gibt, sondern auch Lebensumstände mit eine Rolle spielen können, vor
allem aber auch, dass es im Zuge der Entwicklung einer Schizophrenie zum
Social drift kommt, d. h. dass Menschen, die eine latente Schizophrenie
haben, weniger leistungsfähig sind und eine Tendenz haben, sozial
marginalisiert zu werden und sozial abzusinken. Innerhalb der
Schizophreniepopulation sammeln sich Menschen, die dann sozial an den
Rand gedrängt sind, und dadurch finden wir epidemiologisch diesen
Effekt, den Sie vermutet haben. Die Fachwelt ist sich noch nicht ganz
einig darüber, ob die kausale Hypothese, die Verursachungshypothese, in
Bezug auf die Schizophrenie ganz zurückzuweisen ist. Dieses
epidemiologische Argument, das ich angeführt habe, gilt aber als eines
der starken Argumente. Im Übrigen ist man – auf die ganze Bevölkerung
hochge-rechnet – immer noch in einem Bereich der niedrig prävalenten
Phänomene.
Die Frage des Kollegen Wansner, ob wir die Studien auch alle richtig
ausgewählt haben und bewerten, ist eine Frage, die man zu Recht stellt.
Deswegen sind Herr Kovar und ich so vorgegangen, dass wir gesagt haben:
Wir gucken uns in allererster Linie an, welche Studien methodisch wie
sauber gearbeitet sind, und daraus machen wir eine Selektion, und nur
diejenigen, die wissenschaftlich sauber gearbeitet sind, kommen in ein
Review mit rein. – Wir haben ein Sample von mehr als 5 000 Studien
analysiert. Wenn man sich an-schaut, wie viele übrig bleiben von denen,
die methodisch kontrolliert und brauchbar wissenschaftlichen Kriterien
standhalten, dann reduziert sich das schnell auf ein paar hundert. Mit
anderen Worten: Es gibt Ge-legenheit für alle, sich alles
herauszugreifen und so zu tun, als würde es sich um eine
wissenschaftliche Stu-die handeln. Man ist im Rahmen solcher Anhörungen
leider Gottes darauf angewiesen, einen gewissen Ver-trauensvorschuss als
Wissenschaftler in Anspruch zu nehmen und zu sagen: Wir haben das
wissenschaftlich seriös gemacht. – Alle Rezensionen, die unser Review
betreffen, haben mindestens das auch bescheinigt. Insofern sage ich
Ihnen mit aufrechter Haltung und gutem Gewissen, dass wir die
wichtigsten und metho-disch besten Studien ausgewertet und einbezogen
haben und selbst auch nach den höchsten wissenschaftli-chen Kriterien
vorgehen.
Die Tendenz dabei ist – und das muss aufmerksam stimmen – sowohl bei der
Weltgesundheitsorganisation, beim Schweizer Bericht, beim holländischen
Bericht, bei der International Cannabis Task Force, an der fünf
europäische Länder beteiligt sind, als auch bei unserem eigenen Bericht
einhellig. Wir haben es mit der merkwürdigen Diskrepanz zu tun, dass
sich die Wissenschaft weltweit über die gesundheitlichen Risiken viel
einiger ist, als die gesellschaftliche Diskussion es erwarten lässt, und
die gesellschaftliche Diskussion ist offenbar sehr viel polarisierter
und deshalb auch geneigter, Einzelmeinungen sehr akzentuiert
wahrzuneh-men, in die Diskussion einzuführen und damit den Trend der
Gesamtdiskussion zu diskreditieren. Das kann ich nur konstatieren und
mache an dieser Stelle darauf aufmerksam, damit das Parlament und der
Fachaus-schuss in solche Fallen nicht hineintappt. Das sollte man nicht
tun, sondern ein bisschen auf das vertrauen, was als mehrheitlich
gesichert gilt.
Dabei gibt es ein Phänomen, auf das ich zurückkommen muss – speziell mit
Bezug auf Frau Dr. Schulze –, das mir mühsam über die Jahre in der
Beschäftigung immer wieder bewusst und klar geworden ist: Wir müs-sen
bei den Risikoabschätzungen differenzieren zwischen einer bevölkerungs-
oder populationsbezogenen Risikoabwägung und einer medizinischen
Perspektive, die vom Einzelfall ausgeht. Die Tatsache, dass ein
Gesamtrisiko XY zu bewerten ist, sagt noch überhaupt nichts darüber aus,
wie tragisch oder auch harmlos ein individueller Fall verlaufen mag.
Wenn ich medizinisch-konkretistisch am Einzelfall orientiert
argumen-tiere, dann finde ich Argumente für alles und jedes, treffe aber
dummerweise nicht das, was Sie als Politiker interessieren muss, nämlich
die Gesamtabschätzung des gesellschaftlich Erwartbaren bei bestimmten
Ent-scheidungen. Dies muss aber von der Politik erwartet werden.
Die Frage war, ob wir eine hinreichend gute Wissenschaftslandschaft für
die Durchführung eines Modellver-suchs im Raum Berlin haben. Gerade hat
sich eine Berlin-Brandenburgische Suchtakademie gegründet. Es gibt
sowohl im biologischen als auch im sozialwissenschaftlichen Bereich eine
Expertise, die sich national und international sehen lassen kann.
Insofern bin ich da guter Dinge. Die Durchführbarkeit eines
Modellversuchs, was die technische Seite anbelangt – man müsste sicher
viele Details im Einzelfall diskutieren –, halte ich nicht für in Frage
gestellt. Ich halte allerdings eine Grundfrage – für mich jedenfalls –
noch nicht für hinreichend beantwortet, nämlich welches konkrete Ziel
den Erfolg eines Modellversuches ausmachen soll. Wenn ich beispielsweise
als Wissenschaftler gefragt würde, einen Modell-versuch zu evaluieren,
dann muss ich vorher definieren: Welches sind die Erfolgskriterien eines
Modells? Wann hat ein Modell Fehler? Wann sind Misserfolge
festzustellen? – Die epidemiologische Orientierung würde beispielsweise
nahe legen, sich die Konsumentenentwicklung anzuschauen, ob die
Konsumentenzah-len zunehmen oder nicht. Nur: Wie bewerte ich es, wenn
sie zunehmen – bei einer Substanz, von der manche Leute sagen, sie sei
harmlos, und andere sagen, sie sei hochgefährlich? – Wenn Sie also einen
Modellversuch beschließen, dann empfehle ich dringend, noch klarere
operationale Zielkriterien zu benennen, die ein Mo-dellversuch erreichen
und auf die hin er evaluiert werden soll, weil wir sonst im
Erkenntnisgewinn nicht weiterkommen und möglicherweise Ergebnisse haben,
aber unsicher bleiben, wie wir diese Ergebnisse be-werten wollen.
Ich bin auf die Risiken der Pönalisierung angesprochen worden und habe
mich ein bisschen auf die doku-mentierten Fälle bezogen, die 1995 in
einem Buch der Kriminologischen Zentralstelle zusammengetragen worden
sind. Wie viele Fälle von Verstößen gegen § 29 BtMG sind pro Jahr in
welchen Bundesländern re-gistriert worden? – 1996 waren es insgesamt 84
425 Fälle, von denen 40,3 % dann nach § 31 a eingestellt worden sind –
in einer Variationsbreite von 10 % der aufgedeckten Fälle, die in einem
Bundesland niederge-schlagen worden sind, bis zu 90, 92 % in anderen
Bundesländern. Wenn ein Bundesland wie Schleswig-Holstein, wo ich auch
als Sachverständiger bei einer Anhörung geladen worden bin, 92 % der
Fälle nieder-schlägt, die die Polizei mühsam aufdeckt und dann
staatsanwaltschaftlich verfolgt, dann kann man – würde ich jedenfalls –
den Schluss daraus ziehen, dass diese 92 % nutzlose Energie waren, die,
wenn man nicht andere Ziele wie möglicherweise ein repressives
pädagogisches Ziel dabei im Vordergrund sieht, dann die Polizei und den
entsprechenden Apparat frustrieren müsste. Wenn eine Variation zwischen
10 % und 90 % zwischen den Bundesländern existiert, dann ist sicherlich
die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts einer einheitlichen
Vorgehensweise bezüglich der Frage, was eine geringe Menge ist, bei der
niedergeschlagen wird, aus meiner Sicht in Frage zu stellen – um es ein
bisschen vorsichtig auszudrücken.
Wir wissen auch nicht und haben darüber überhaupt keine Erkenntnisse,
wie viele Schulkarrieren abgebro-chen werden, weil Jugendliche wegen
Cannabis kurz vor dem Abitur von der Schule verwiesen werden und dadurch
Jahre verlieren und möglicherweise gar keinen Anschluss mehr finden. Zu
untersuchen, welche Sozialisationseffekte sich aus solchen Biographien
und Karrieren ziehen, habe ich an verschiedenen Stellen schon angeregt
und bin dabei überwiegend auf Interesse gestoßen. Allerdings sehe ich
noch nicht, dass eine solche Studie in Angriff genommen wäre.
Es gab noch die Frage von Herrn Czaja. Da kann ich den Hinweis geben,
dass im März vom Max-Planck-Institut aus Freiburg eine Studie vorgelegt
werden wird, bei der man sich mit der Frage beschäftigt, nach welchen
Regeln in welchen Bundesländern mit welcher Einstellungspraxis bei
geringen Mengen vorgegan-gen wird. Die Ergebnisse liegen bisher nicht
vor. Ich bin gespannt darauf. Das soll im März dieses Jahres nachgeholt
werden.
Schließlich war die Frage: Was können wir hier im Land Berlin machen? –
Mehrheitlich – so habe ich es jedenfalls ein bisschen herausgehört –
hegt man eine gewisse Sympathie für den Antrag der FDP, man sieht aber
das Problem, dass man dort ohne den Bund nicht weiterkommt. Das heißt
nicht, dass man deshalb nicht trotzdem genau in diesem Sinne verfährt.
Mein Fragezeichen in Bezug auf die Durchführbarkeit, die Zielfüh-rung
und Zielgenauigkeit eines Modellversuchs habe ich ein bisschen
angemerkt. Insofern reduziert es sich dann im pragmatischen Gehalt auf
die Definition einer geringen Menge. Hier, glaube ich, wäre ein
Fort-schritt erreicht, wenn man über das hinauskäme, was wir im Land
Berlin haben, und sich ansonsten das Land Berlin in der Diskussion mit
den anderen Bundesländern als sehr engagierter Verfechter der Richtung
dar-stellen würde, in der die meisten der heute vorgelegten Anträge
gehen. Was dabei konkret erwartbar ist, ist in Ihrem Politikfeld und
nicht in meinem. Deshalb beneide ich Sie nicht um diese Aufgabe, sondern
kann Ihnen nur noch mehr Kraft wünschen, als Sie heute Nachmittag brauchten.
Frau Vors. Dr. Schulze:
Danke schön, Herr Prof. Kleiber! – Herr Müller, bitte!
Herr Müller (Amtsgericht Bernau):
Ich werde mich auch kurz fassen. Zunächst noch mal zu der Frage: Landes-
oder Bundesrecht? – Richtig ist, dass Strafrecht und damit auch das
Betäubungsmittelstrafrecht Bundesrecht ist. Richtig ist allerdings auch,
dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Die Länder kön-nen
Richtlinien aufstellen, wenn sie sich einigen. – Das ist bislang nicht
passiert. Da aber der Bundesgesetz-geber nicht reagiert hat und das
Bundesverfassungsgericht bislang auch nicht, ist die Möglichkeit offen,
die geringen Mengen auf Länderebene so lange zu bestimmen, bis etwa das
Bundesverfassungsgericht bzw. der Bundestag im Einklang mit dem
Bundesrat entschieden hat. Insofern ist es möglich, auf 30 Gramm oder 15
Gramm hochzugehen. Die 15-Gramm-Regelung hat Berlin bislang eigentlich
schon, weswegen ich per-sönlich – auch in Kenntnis der verschiedenen
Verfahren, die damit einhergehen – die 30-Gramm-Regelung favorisiere und
diese als einen Fortschritt betrachte.
Zur Beschaffungskriminalität ein Wort: Haschisch ist mittlerweile so
billig, dass es einer Beschaffungskri-minalität gar nicht bedarf. 1
Gramm Haschisch kriegen Sie für 5 oder 6 €, es ist billiger als
vergleichbare Alkoholika, die Sie bei Getränke-Hoffmann oder sonst wo
erwerben können. Insofern ist vielleicht der Ge-danke einer vernünftigen
Fiskalpolitik gar nicht so unsinnig. Machen Sie nämlich das Sucht- oder
Betäu-bungsmittel ein wenig teurer, so könnte das tatsächlich dazu
führen, dass sich Jugendliche überlegen, ob sie zu diesem Betäubungs-
oder Suchtmittel dann noch greifen. Im Übrigen kommt dadurch auch Geld
in die Staatskasse.
Zum Modellprojekt: Das Modellprojekt per se betrachtet, ist wieder ein
Schritt in die richtige Richtung, näm-lich in die Richtung Legalisierung
von Cannabis. Andererseits leben wir in Europa, und ich rufe noch mal in
Erinnerung: Das große „Modellprojekt“, die Niederlande mit 12 Millionen
Einwohnern, läuft seit 30 Jahren – 30 Jahre im Übrigen unter den
unterschiedlichsten Regierungen. Vielleicht wäre es insoweit angezeigt,
sich mit niederländischen Wissenschaftlern und der niederländischen
Regierung über deren Ausarbeitung ihres seit 30 Jahren laufenden Modells
kurzzuschließen oder diesbezügliche Personen auch nach Berlin
ein-zuladen. Vielleicht ist es auch angezeigt – es gibt ja oft die
Mitteilungen, dass Abgeordnete gern reisen –, dass man eine Kaffeefahrt
zu Coffeeshops nach Amsterdam plant und sich einmal im Zusammenwirken
mit dortigen Politikern und Wissenschaftlern vor Ort anschaut, warum es
dort so gemacht wird. Herr Matz kennt sich aus – holländische Grenze –:
Vielleicht übernehmen Sie die Organisation?
Zu den Kosten und zu den Ermittlungsverfahren – nochmals: Nach den mir
vorliegenden Informationen hatte allein das Bundesland Berlin im Jahr
2002 ca. 8 300 Ermittlungsverfahren. Das sind 8 300
Ermittlungsver-fahren, wo Polizeibeamte gearbeitet haben. Gehen wir nur
davon aus – Berlin führt keine entsprechenden Statistiken –, dass alle
bei Staatsanwälten angekommen sind, denn nur der Staatsanwalt darf nach
der mo-mentanen Rechtslage einstellen. D. h. alle Verfahren mussten von
einem gut bezahlten Staatsanwalt, der möglicherweise auch etwas anderes
hätte machen können, bearbeitet werden. Ein Teil von diesen Verfahren
ist dann an die Gerichte gegangen, die sich wiederum damit beschäftigen
mussten, und hier wurde dann wei-ter eingestellt. Viel wurde mithin für
den Papierkorb gearbeitet. Nehmen Sie nur das Beispiel Hasenheide. Auch
ich bearbeite regelmäßig Fälle aus der Hasenheide – monatlich –, weil
viele Asylbewerber, die in mei-nem Landkreis wohnsässig sind, in der
Hasenheide mit Cannabis dealen. Allein in der Hasenheide sind etwa 30
bis 60 Polizeibeamte – so habe ich es mir sagen lassen – tagtäglich am
Wirken – letztlich für nichts. Wenn Sie diese ganzen Kräfte, dieses
ganze Personal, vernünftig bündeln und vor allen Dingen repressiv gegen
die harten Drogen auffahren, dann, glaube ich, wäre in der Suchtpolitik
ein wichtiger Schritt getan. Diese Kosten – da nehme ich noch den Antrag
der FDP-Fraktion – sollten eingespart und für eine Prävention angewandt
und hingebracht werden, die nicht nur Cannabis im Auge hat, sondern alle
Drogen und die unsere Kinder und Jugendlichen letztlich dagegen stark
macht, Drogen allgemein zu nehmen und die nicht auf der einen Seite den
Jugendlichen ein so genanntes Mittelstandssaufen vorführt und das als
ganz normal betrach-tet und auf der anderen Seite den anderen
Suchtstoff, mit dem man sich noch ausgrenzen kann, mit dem man noch als
cool gilt, kriminalisiert. Das ist das, was ich mir wünsche: eine
ehrliche, offene und vernünftige Drogenpolitik. – Ich danke!
Frau Vors. Dr. Schulze:
Herzlichen Dank, Herr Müller! – Wir sind am Ende der Anhörung. Ich
bedanke mich im Namen aller Mitglieder des Ausschusses recht herzlich,
dass Sie uns so lange Rede und Antwort gestanden haben. Das
Wortprotokoll wird erstellt und Ihnen zugesandt. Dann werden wir
vereinbaren, wann der zweite Teil der Anhörung mit einer
Beschlussfassung stattfinden wird. Davon werden wir Sie auch in Kenntnis
setzen.
Anmerkungen:
Beitrag von Herrn Wansner:
Der Abgeordnete Wansner zitierte in seiner Auseinandersetzung mit Professor Dr. Kleiber einen gewissen "Charlton Turner" als Autorität zu Cannabis. Tatsächlich heisst dieser Herr "Carlton", nicht "Charlton" mit Vornamen. Der Tippfehler verrät jedoch die Quelle des Zitats: Keine wissenschaftliche Studie sondern die Website "jesusfreaks-drogenarbeit.de", wo der selbe Fehler zu finden ist... Deren Quelle wiederum ist alles andere als seriös oder aktuell. Es handelt sich um ein schon zwei Jahrzehnte altes Buch der mittlerweile schon verstorbenen amerikanischen Journalistin Peggy Mann, das aus einer Artikelserie dieser Autorin für das Wohnzimmertisch-Blatt "Reader's Digest" entstand. Frau Mann bezog ihre Aussagen vor allem von Dr. Gabriel Nahas, einem wissenschaftlich diskreditierten, fanatischen Cannabisgegner. Die darin zitierten Studien sind rund 30 Jahre alt (siehe auch Peggy Mann, Thread zum Jesusfreak-Artikel).
Anhörungen und Tagungen:
http://www.cannabislegal.de/aktionen/tagungen.htm
Hier geht es zu unserer
Briefseite, hier zu Links und Dokumenten zu den Grünen.
Hier geht es zu unserer Linkseite zur Parteipolitik, mit Thesenpapieren der Parteien und unseren Erwiderungen darauf, Links zu parteipolitischen Onlineforen sowie zu den Listen der Abgeordneten der Fraktionen im Bundestag.