|
CannabisLegalNews (Nummer 157, 21.05.2004)Ein wöchentlicher Service von cannabislegal.de"Steter Tropfen höhlt den Stein" Kontakt: info@cannabislegal.de INHALT
1. Bayern: 37.521 Drogendelikte in 2003
1. Bayern: 37.521 Drogendelikte in 2003
Die Zahl der polizeilich festgestellten Drogendelikte hat in Bayern von 2002 auf 2003 um 3 Prozent zugenommen. In insgesamt 37.521 Fällen wurde wegen eines Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz Anzeige erstattet. In rund zwei Drittel der Fälle ging es um keine andere Droge ausser Cannabis. Etwa jede sechste Cannabisanzeige bundesweit wurde in Bayern geschrieben.
Im Gegensatz zu "normalen" Straftaten gibt es bei Drogendelikten keine geschädigten Dritten, die Anzeige erstatten. Deshalb werden die meisten Delikte nur deshalb zur Anzeige gebracht, weil jemand bei Kontrollen im Besitz von illegalen Drogen angetroffen wird. Daher ist die Zahl der angezeigten und der "aufgeklärten" Straftaten fast deckungsgleich. Die offizielle Aufklärungsquote bei Drogendelikten beträgt 97,9%, d.h. nur in jedem 50. Verfahren kommt es nicht zur Aufklärung.
Diese hohe Aufklärungsquote bei Drogendelikten ist jedoch eine Fiktion, die die Realität auf den Kopf stellt. Tatsächlich werden weit mehr als 99% der Erwerbs- und Abgabedelikte weder erfasst noch aufgeklärt: Schätzt man die jährlich in Bayern konsumierte Menge sehr vorsichtig auf das Zehnfache der beschlagnahmten Menge von 1135,5 kg (d.h. auf rund 11 Tonnen pro Jahr), und setzt eine durchschnittliche Einzelerwerbsmenge von 5g im Wert von ca. 25 Euro an, dann entspricht das 2,2 Millionen Fällen von unerlaubtem Erwerb pro Jahr. Jeder dieser Fälle geht mit einem Fall von unerlaubter Abgabe einher. Millionen von Straftaten stehen nur rund 23.000 aufgeklärte Fälle gegenüber (siehe CLN#152, 09.04.2004), eine Quote weniger als einem Prozent. Die grosse Mehrzahl der Cannabiskonsumenten wird nie angezeigt, auch nicht in Bayern.
Die durchschnittliche Aufklärungsquote bei allen anderen Straftaten beträgt 62,8%, d.h. bei rund zwei von fünf Straftaten wird kein Täter ermittelt. Da die fiktive amtliche Aufklärungsquote bei Drogendelikten fast 100% beträgt, liegt die mittlere Aufklärungsquote umso höher, je mehr Drogendelikte zur Anzeige kommen, auch wenn durch den damit verbundenen Personalaufwand weniger Diebstähle, Raubüberfälle, gefährliche Körperverletzungen und Sexualdelikte aufgeklärt werden. Richtige Straftaten können eben nicht einfach dadurch zu fast 100% "aufgeklärt" werden, dass willkürlich die Jacken- und Hosentaschen von Mitbürgern durchsucht werden, die niemandem etwas getan haben.
Verschiedene Delikte in Zahlen [BR Online]
Was ist die "Droge Nummer eins" in Bayern? [CLN#152, 09.04.2004]
148.973 Ermittlungsverfahren wegen des Cannabisverbots [CLN#156, 14.05.2004]
Drogenpolitik in den Ländern: Bayern
2. Studie: Cannabis als Problemursache nicht nachgewiesen
Eine in der jüngsten Ausgabe der britischen Ärztezeitschrift "The Lancet" veröffentlichte Studie untersuchte 48 Studien zu Cannabiskonsum und psychosozialen Schäden (psychische Probleme, Konsum weiterer illegaler Drogen, geringerer Bildungsstand, antisoziale Verhaltensweisen). Anhand einer Analyse jener 16 Studien, die die Wissenschaftler als am verlässlichsten einstuften, kamen sie zu dem Ergebnis, dass nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht nachweisbar ist, dass Cannabiskonsum selbst Ursache für solche negative Erscheinungen ist und nicht nur auf gemeinsame Ursachen zurückzuführen ist. Die Forscher forderten weitere Studien dazu.
Daraus schließt Dr. Macleod: "Trotz verbreiteter Befürchtungen konnten wir keine starken Hinweise darauf finden, dass der Genuss von Cannabis an sich entscheidende Auswirkungen auf die psychische oder soziale Gesundheit hat. Dieses Ergebnis bedeutet nicht, dass der Gebrauch von Cannabis psychologisch gesehen harmlos ist; Schwierigkeiten mit den vorhandenen Belegen machen es genauso unmöglich, diese Ansicht zu vertreten. Daher sind weitere Untersuchungen zu dem verbreiteten Nutzen von Cannabis nötig, ebenso wie zu anderen illegalen Drogen, die obwohl seltener genommen, ebenfalls wichtige Effekte haben könnten."
Psychologische und soziale Effekte von Cannabis müssen besser untersucht werden [thelancet.de, 14.05.2004]
Cannabis: Psychologische und soziale Auswirkungen müssen genauer untersucht werden [Ärzteblatt, 19.05.2004]
Studien zu Cannabis:
3. Hamburg: Keine Werbung für Hanfgeschäft
Ein Hamburger Unternehmen, das seit zwei Jahren für sich Werbung auf einem städtischen Bus geschaltet hatte, ist mit der Politik in Konflikt geraten. Weil die Firma Zubehör an Hobbygärtner verkauft, das zum Hanfanbau benutzt werden kann und entsprechende Anleitungen auf der Website des Unternehmens angeboten werden, sorgten Hamburger Politiker dafür, dass die Werbung gestoppt wurde.
Politiker hatten die Werbung auf dem Bus scharf kritisiert. "Wie sollen denn junge Menschen, die mit Haschisch erwischt werden, ihren Standort zum Recht bestimmen bei so einer Werbung", sagte Burkhardt Müller-Sönksen, rechtspolitischer Sprecher der Hamburger FDP. "Jede Form der Werbung für Drogenkonsum ist unannehmbar", sagte Harald Krüger, gesundheitspolitischer Sprecher der Hamburger CDU.
Interessanterweise ist die CDU ganz anderer Meinung, wenn es um Werbung für jene legale Droge geht, die pro Woche mehr Todesfälle verursacht als alle illegalen Drogen zusammengenommen pro Jahr. Die CDU kämpft seit Jahren gegen ein europaweites Werbeverbot für Zigaretten. Wir haben in einem Leserbrief an das Hamburger Abendblatt dazu Stellung genommen.
Hanfbus: Hochbahn reagiert auf Protest [Abendblatt, 15.05.2004]
Leserbrief: Zweierlei Maß
Medienproject MAP-DE:
Werbung für Drogen
Drogenpolitik in den Ländern: Hamburg
4. MMM in Leizig, Luxemburg
Mehr Glück mit dem Wetter als in anderen deutschen Städten hatten die Teilnehmer der Cannabisdemonstration in Leipzig am 08. Mai. Der Umzug auf dem Innenstadtring fand nun bereits zum 4. Mal statt. Probleme gab es keine.
Bunte Demo für Freigabe von Cannabis
Fotos vom MMM in Leipzig (I) [technohardbeat.info]
Fotos vom MMM in Leipzig (II) [goapferdchen.de]
Anders als von uns in CLN#156 berichtet, fand die MMM-Flugblattaktion in Luxemburg trotz des schlechten Wetters doch statt. Vier Aktivisten verteilten in Luxemburg-Stadt eine Stunde lang Flugblätter an Passanten, um sie über das Cannabisverbot aufzuklären.
Nächstes Jahr finden die weltweiten MMM-Veranstaltungen am Samstag, 7. Mai statt.
Das LIFE-Flugblatt für Luxemburg:
Aktionen am 01./08. Mai 2004:
5. Kanada: Zulassung für Cannabisspray beantragt
Das Pharmaunternehmen Bayer hat in Kanada die Zulassung eines Cannabissprays beantragt, für das es die Vermarktungsrechte vom britischen Hersteller GW Pharmaceuticals plc. erworben hat. Es soll für die Behandlung von Multipler Sklerose und Schmerzen zugelassen werden.
In Großbritannien ist das Zulassungsverfahren für das Arzneimittel noch nicht abgeschlossen. Auch in Kanada dürften noch eineinhalb Jahre vergehen, bevor Sativex auf Rezept erhältlich sein wird. Etwa 50.000 Kanadier leiden an Multipler Sklerose.
Approval for Cannabis spray sought in Canada [Globe and Mail (CA), 12.05.2004]
Cannabis als Medizin
6. Bericht vom EU-Drogengipfel in Dublin
Unter dem Motto "The Way Forward" trafen sich am 10./11.05.2004 in Dublin, Irland Vertreter von Regierungen der 25 EU-Mitgliedstaaten, um über die künftige Drogenpolitik in der Union zu beraten. Den Vorsitz führten die Vertreter Irlands, das derzeit die EU-Präsidentschaft führt, und die Niederlande, das den Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte übernimmt. Etwa zweihundert Besucher nahmen teil, darunter Beamte aus den Mitgliedsstaaten, aus den EU-Anwärtern Rumänien, Bulgarien und der Türkei, Vertreter europäischer Institutionen (Europol, Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht/EMDDA, usw.), Beobachter von Drittstaaten (Norwegen und USA) und zwei Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (ENCOD und TNI). Zweck der Konferenz war die Ausarbeitung von Richtlinien für die EU-Drogenstrategie von 2005 bis 2012. Ein Aktionsplan für 2005-2008 soll Ende des Jahres ausgearbeitet und im kommenden Frühjahr beschlossen werden.
Für grosses Aufsehen sorgte am ersten Konferenztag ein Vortrag eines Vertreters der Nichtregierungsorganisation ENCOD, einem Dachverband von drogenpolitischen Verbänden in Europa, dem auch akzept e.V. und der Verein für Drogenpolitik e.V. aus Deutschland angehören. Joep Oomen forderte die EU auf, den Mitgliedsländern Spielraum für Alternativen zur Drogenprohibition zu schaffen. Sein Vortrag enthielt ein Video mit Stellungnahmen von 8 Experten und Aktivisten, die sich für eine Überarbeitung der derzeitigen Strategie aussprachen. Vertreter mehrerer Regierungen zeigten sich daraufhin empört, dass ein Kritiker zu der Konferenz zugelassen worden war.
Bei Gesprächen mit anderen Konferenzteilnehmern zeigte sich jedoch, dass viele andere Vertreter eine Debatte begrüssten, insbesondere aus den neuen Beitrittsländern, wo man staatliche Repression aus eigener Erfahrung kannte. Ganz anders dagegen David Murray, der Beobachter der USA auf der Konferenz. Als ihm der ENCOD-Vertreter vorwarf, die gescheiterte Politik seiner Regierung nur deshalb zu verteidigen, weil sein Arbeitsplatz davon abhinge, explodierte er: "Das ist eine Beleidigung, du Hurensohn!"
Sie finden den kompletten Bericht aus Dublin online auf unserer Website.
Bericht aus Dublin [encod.org]
Flugblatt von ENCOD [encod.org]
ENCOD - Homepage:
Drogen in Europa:
7. Russland entkriminalisiert Drogenbesitz
Der Versuch der russischen Bundesdrogenpolizei, eine vom Parlament beschlossene Entkriminalisierung des Drogenbesitzes zu sabotieren (siehe CLN#150, 26.03.2004), ist gescheitert. Am 12.05.2004 trat die Reform wie geplant in Kraft. Der Besitz von bis zu 20g Cannabiskraut oder 5g Cannabisharz ist nun nur noch eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat. Beim Besitz von bis zu 100g Cannabiskraut oder 25g Cannabisharz drohen Geld- und Sozialstrafen, aber keine Haft. Derzeit sitzen in Russland 200.000 bis 300.000 Menschen aufgrund von Drogengesetzen im Gefängnis.
Russia Enacts Sweeping Reforms in Drug Laws [DWC#337, 14.05.2004]
Russland entkriminalisiert - oder doch nicht? [CLN#150, 26.03.2004]
Drogen in Russland:
8. Kanada: Keine Entkriminalisierung vor den Wahlen
Ein kanadischer Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung von Cannabis, der unter dem vorigen Ministerpräsidenten Jean Chretien vorbereitet worden war, wurde unter seinem Nachfolger Paul Martin so lange verschoben, dass er vor den anstehenden Neuwahlen nun nicht mehr behandelt werden kann. Der Entwurf sah vor, den Besitz von bis zu 15g Cannabis nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Damit blieb der Entwurf bereits hinter den Empfehlungen eines Senatsausschusses zurück, der eine Legalisierung analog zu Alkohol befürwortete und einem Unterhausausschuss, der bis zu 30g entkriminalisieren wollte.
Einige Reformbefürworter bezweifelten, ob der Gesetzentwurf tatsächlich eine Verbesserung darstellen würde. Derzeit sieht die Polizei oft von einer Anzeige ab, weil sie den Zeitaufwand scheut, der mit einer Verhaftung und einer Zeugenaussage vor Gericht verbunden ist. Bei der Ordnungswidrigkeitslösung würde der Beamte einfach einen Strafzettel ausstellen, wie beim Parken im Parkverbot. Dadurch könnte die Zahl der Fälle zunehmen.
Ein weiteres Problem des Reformentwurfs war, dass er strengere Strafen für Cannabisgärtner vorsah, wohl um Gegner der Reform (besonders in den USA, dem wichtigsten Handelspartner Kanadas) zu beschwichtigen. Die Aussicht auf langjährige Haftstrafen schreckt vielleicht ansonsten gesetzestreue Bürger ab, die mit Cannabisanbau ihr Einkommen aufbessern. Steigen sie aus dem Anbau aus, schafft das dann nur neue, lukrative Marktchancen für gewaltbereite kriminellen Banden, die sich gegenüber polizeilicher Repression besser behaupten können als ihre harmlosen Konkurrenten.
Genauso lief es unter der Alkoholprohibition in den USA. Der 18. Zusatz zur US-Verfassung stellte am 16.01.1919 die Herstellung, den Verkauf, den Transport und die Ein- und Ausfuhr von berauschenden Getränken unter Strafe. Besitz oder Erwerb waren dagegen entkriminalisiert. Das Verbot stoppte nicht die Nachfrage nach Alkohol, sondern nur das legale Angebot. Die Folge war ein wuchernder Schwarzmarkt, auf dem sich bei eskalierender Verfolgung die skrupellosesten Anbieter am ehesten durchsetzten. Am 05.12.1933 wurde das Verbot schliesslich wieder aufgehoben.
Pot Decriminalization Bill Is About to Go Up in Smoke [Globe and Mail (CA), 08.05.2004]
Cannabis in Kanada
9. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:
19.06.2004 Hamburg: Hanfmove
Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen:
Wissen Sie von Veranstaltungen? Schreiben Sie uns! Mit freundlichen Grüßen Joe Wein Kontakt: info@cannabislegal.de Anmeldung: cannabislegalnews-subscribe@yahoogroups.com Abmeldung: cannabislegalnews-unsubscribe@yahoogroups.com |