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Das Cannabisverbot - der Gesslerhut des 20. Jahrhunderts
Der Schweizer Wilhelm Tell wusste, welches Risiko er einging, als er sich weigerte, den Hut des Habsburger Landvogts Gessler zu grüssen. Das Gebot war wie oben zitiert öffentlich verkündet worden. Die Strafe war bekanntlich unerbittlich: Tell wurde für die Übertretung gezwungen, das Leben seines Sohnes auf's Spiel zu setzen. Vor zwei Jahrhunderten hat Friedrich Schiller diese Legende niedergeschrieben, die sich im Jahre 1291 ereignet haben soll. Über 700 Jahre später wollen die Schweizer das Verbot von Cannabis aufheben. In Deutschland dagegen will scheinbar der Staat an der Einhaltung des Cannabisverbots immer noch "die Gehorsamen erkennen". Mit dem Cannabisverbot wird eine Handlung unter Strafe gestellt, die niemandem, ausser möglicherweise dem Handelnden, schadet. Für diesen ist ein eventueller Schaden vielfach sogar geringer als bei gesellschaftlich akzeptierten Drogen wie Alkohol oder Tabak. Warum wird hier - eine Anomalie im Rechtsstaat - Selbstschädigung mit Strafe bedroht? Gesetze, die Strafen androhten, wo es keinen Geschädigten gibt, gab es schon immer. Sie dienen nicht dem Schutz der Bevölkerung. Nie ging es bei Drogenverboten allein um die Wirkung der jeweilige Droge. Das Verbot von Kaffee und Tabak im 18. und 19. Jahrhundert war ein Versuch, das aufstrebende Bürgertum zu kriminalisieren; die Kaffeehäuser galten als Brutstätten der Rebellion. Erst als auch der Adel Gefallen an diesen beiden Drogen fand, wurden sie legalisiert. Cannabisverbote in Ägypten und der Türkei richteten sich gegen religiöse Abweichler, wie die Schiiten und die Sufis sowie gegen die städtische Unterschicht. In Südafrika, Brasilien und Jamaika kriminalisierte das Cannabisverbot Schwarze, die oft gegen Weisse rebelliert hatten. Die in den USA der 20er und 30er Jahre erlassenen Cannabisverbote trafen vor allem spanischsprachige Einwanderer aus Mexiko und Schwarze. In Deutschland ist Cannabis immer noch mit dem Image der Studentenrevolution von 1968 verbunden. Nicht nur die Droge wird also für gefährlich gehalten, sondern auch jene, die sie nehmen. In gewisser Hinsicht ist es egal, welches Verhalten verboten wird. Ist das verbotene Verhalten einerseits nicht zu selten und andererseits in politisch einflussreichen Kreisen wenig verbreitet, dann erlaubt es, jene zu disziplinieren, die potenziell die Macht in Frage stellen. Wer willkürliche Verbote übertritt, zeigt damit allein schon, dass er staatliche Autorität nicht über alles stellt und wird damit von den Machthabern als potenzielle Bedrohung angesehen. Vielfach wurden Verbote von religiösen Gruppierungen genau aus dem Grund erlassen, weil sie nicht den Staat als höchste Autorität anerkannten sondern einen Satz von Geboten, Gott oder das persönliche Gewissen. Im 17. Jahrhundert wurde aus diesem Grund in Japan die katholische Kirche verboten. Wer sich damals weigerte, auf Geheiss der Regierung eine Bibel zu zertrampeln, der wurde dafür hingerichtet. Wie Schiller dichtete: "Daran will der König die Gehorsamen erkennen."
Konservative und das Cannabisverbot |