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Der Staat als Feind

Gefunden im Cannabis-Forum des "Stern"

Autor: Fload (---.t-dialin.net)
Datum: 28.05.02 16:57
Einen wichtigen Aspekt vermisse ich noch in der Diskussion, obwohl ich die Auswirkungen in vielen Beiträgen spüre: Die Entfremdung eines grossen Teils der jungen Generation vom Gemeinwesen.

Egal, wie man zum Kiffen selber steht, der Artikel und die ganze Diskussion hier belegen, dass der grösste Teil der jungen Leute schon einmal probiert haben und ein grosser Teil mehr oder weniger regelmässig konsumiert. Der grösste Teil hat damit auch keine (der im Artikel und im Forum genannten) Probleme - eigentlich. Im Ergebnis heisst das: Kiffen begegnet Dir als Heranwachsenden heutzutage von Anfang an als relativ harmlose Alternative zum Alkohol, gerade wenn Du weisst, dass auch Leistungsträger in Deinem Umfeld (Schule, Ausbildung, Arbeit, Uni etc...) gern mal einen rauchen. Nicht zu vergessen, dass die 68er nun in einem durchaus gesetzten Alter sind, und so erfährt man, dass auch der Vorstandsvorsitzende X, der eigene Vorgesetzte Y oder auch NewYork-Bürgermeister Bloomberg gekifft haben oder sogar immer noch kiffen und das natürlich mit Genuss. Und dann sieht man sich den Vorgesetzten oder den Familienvater oder den Bürgermeister an und registriert: Es hat ihnen wohl nicht zu sehr geschadet.

Das alles führt dazu, dass sich die meisten jungen Leute durchaus ein autonomes Bild von Cannabis machen können - und es auch tun. Und dabei kommt Haschisch meist besser weg als es die Gesetzeslage vermuten lässt.

Umso unverständlicher muss es für diesen grossen Teil unserer jungen Bevölkerung sein, ein Zugehörigkeitsgefühl zum Gemeinwesen zu entwickeln, wenn sich dieses Gemeinwesen ihnen am Bahnhof als grünunifomierter Taschendurchsucher vorstellt. Oder als stadtparkdurchstreifende Genitalgrapscher (ja, unbescholtene, polizeieintragslose junge Mitbürger müssen sich auf offener Strasse von der Staatsmacht das Gemächt befummeln lassen). Das alles ist schon unangenehm - denn natürlich suchen Polizisten sich diejenigen aus, die nach Kiffern aussehen. So führt schon bunte Kleidung oder eine Sonne auf dem Pulli zu einem Verdachtsmoment, obwohl man doch nur geniesen wollte, (noch) nicht dem Berufs-Dresscode untertan sein zu müssen. Allein so entsteht schon (unbewusst!) der Eindruck, eigentlich unerwünscht zu sein.

Endgültig problematisch wird es dann, wenn bei einer dieser Kontrollen auch ein Krümel gefunden wird. Ein Bekannter von mir wurde mit 0,3 Gramm (in Worten: nullkommadrei gramm) in einem münchener park angetroffen. das verfahren wurde eingestellt, aber die stadt münchen verhängte einen Platzverweis (!) über 12 Monate für elf Gebiete in München, die alle Hauptverkehrsknotenpunkte sind. Dieser Schriftsatz kostete auch noch >300 DM Verwaltungsgebühr. Mein Bekannter ist aber ein braver arbeitnehmer und Steuerzahler und Mülltrenner, AltenDamenÜberDieStrasseHelfer und ganz und gar nicht kriminell.

Was denkst Du, wenn Freunde von Dir ihren Führerschein verlieren und ein ganzes Jahr lang jederzeit zum Pinkeln eingeladen werden, um ihn wiederzuerlangen, obwohl Du weisst, dass sie sich nur nüchtern hinters Steuer gesetzt haben und es auch dann tun würden, wenn es gar nicht verboten ist, einfach weil sie verantwortungsbewusst sind?

Diese Geschichten müssen Dir nicht selbst passieren, es gibt bei den meisten genug Beispiele im Bekanntenkreis.

So entsteht bei jungen Kiffern - oft unbewusst - ein ablehnendes Verhältnis zu allem, was das Gemeinwesen in Form des Staates betrifft. Sie fühlen sich nicht als Teil der Gesellschaft, sie können gar nicht begreifen, dass sie eigentlich die Zukunft gestalten sollen. Staat - das sind die, die einen nicht erwischen dürfen. Staat ist das, was Dich hart für etwas bestraft, was doch für so viele ganz normal ist.

Leider führt diese Entfremdung ja auch zu einer verzerrten Sicht auf das Gemeinwesen. Dass Toleranz und Freiheit Stützen unserer Gesellschaft sind und in den meisten Bereichen ja auch gelebt werden, wird übersehen, weil gerade in der THC-Politik nicht viel davon zu sehen ist.

Denkbar schlechte Voraussetzungen dafür, dass diese Leute unsere freie Demokratie einmal verteidigen werden, wenn sie bedroht wird. Denkbar schlechte Voraussetzungen für Engagement innerhalb der Strukturen dieser Gesellschaft, die diesen Missstand anscheinend nicht beheben können, mithin also auch schlechte Karten dafür, dass sich diese Strukturen von innen erneuern werden, was aber in einer pluralistischen Gesellschaft überlebensnotwendig ist.

Die Entkriminalisierung der Konsumenten könnte dieser Entwicklung Einhalt gebieten, vielmehr sogar den Aha-Effekt enthalten, dass diese Gesellschaft gestaltbar und ein Engagement in ihr lohnend ist.

Die gegenwärtige Situation ist eine reine Staatsfeind-Plantage. Die sind dann allerdings wirklich 'homegrown'.

http://www.stern.de/forum/read.php?f=40&i=753&loc=0&t=753