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CannabisLegalNews (Nummer 147, 05.03.2004)Ein wöchentlicher Service von cannabislegal.de"Steter Tropfen höhlt den Stein" Kontakt: info@cannabislegal.de INHALT
1. Berlin: 15g ja, Modellversuch nein
1. Berlin: 15g ja, Modellversuch nein
Bei Besitz von bis zu 15g Cannabis zum Eigenkonsum sollen künftig alle Ermittlungsverfahren in Berlin eingestellt werden. Den von den Grünen und der FDP vorgeschlagenen Modellversuch zur staatlich kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene will die Koalition aus SPD und PDS jedoch nicht mittragen.
Wenn es nach dem Willen der rot-roten Regierung geht, dann sollen Berlins Cannabiskonsumenten das Genussmittel ihrer Wahl wohl weiterhin auf dem Schwarzmarkt erwerben, steuerfrei versteht sich und ohne Alterskontrollen.
Nun müssen die nächsten Impulse wohl aus dem Bundestag kommen -- oder aber aus Karlsruhe. Am kommenden Dienstag werden es 10 Jahren, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber vorschrieb, eine bundesweit "im wesentlichen einheitliche Rechtspraxis" zur straffreien Verfahrenseinstellung beim Besitz geringer Mengen Cannabis sicherzustellen. In seiner Entscheidung vom 09.03.1994 verpflichtete es den Gesetzgeber auch, das bestehende Gesetz anhand neuerer Erkenntnisse am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Binnen weniger als eines Jahres war damals klar, dass die Länder sich im Bundesrat nicht auf eine einheitliche Mengenregelung einigen wollten. Trotzdem kam es zu keiner Neuregelung durch den Bundestag.
Eine damals in Auftrag gegebene Studie bestätigte denn auch drei Jahre später ein erhebliches Rechtsgefälle zwischen den Bundesländern. Als dann eine Studie für das Bundesgesundheitsministerium noch zu dem Schluss kam, dass "die pharmakologischen Wirkungen und psychosozialen Konsequenzen des Cannabiskonsums sich als weniger dramatisch und gefährlich erweisen, als dies überwiegend noch angenommen wird", war das nur ein Grund, die Studie für's erste in einer Schublade verschwinden zu lassen. Binnen vier Jahren war der Anstoß aus Karlsruhe im Sande verlaufen, weil Politiker ihre Vorurteile über das Recht stellten.
Das oft vorgebrachte Argument, internationale Verträge verpflichteten Deutschland zum Verbot von Cannabis, ist nicht stichhaltig. In Grundrechte eingreifende Mittel müssen laut der Karlsruher Entscheidung zum einen geeignet sein. Das heißt, sie müssen den angestrebten Zweck fördern. Darüberhinaus müssen sie auch erforderlich sein, d.h. es darf kein weniger in in Grundrechte eingreifendes Mittel geben, mit dem der selbe Zweck erreicht werden kann. Das Cannabisverbot erfüllt beide Anforderungen nicht. Weder kann im internationalen Vergleich ein konsistenter Zusammenhang zwischen der Repressivität der Cannabispolitik und der jeweiligen Konsumverbreitung nachgewiesen werden, noch produziert Strafverfolgung weniger Probleme für den Einzelnen als glaubwürdige Aufklärung und Verbraucherschutz mit Alterskontrollen in staatlichen kontrollierten Fachgeschäften.
Verfassungsrecht ist das höchstrangige Recht in unserem Rechtssystem. Kein internationales Abkommen kann den Staat zwingen, grundgesetzwidrige Mittel einzusetzen. Der Gesetzgeber darf solche Verträge gar nicht abschliessen. Tut er es dennoch, wird er selbst zum Rechtsbrecher. Die entsprechenden Klauseln gelten dann von vorneherein als nichtig.
In der zweiten Jahreshälfte soll das Ergebnis einer neuen Studie des Max-Planck-Instituts in Freiburg zur bestehenden Rechtspraxis bei geringen Mengen vorgestellt werden. Bestätigt diese Studie die Existenz von Rechtsungleichheiten, dann steht das Bundesverfassungsgericht unter Zugzwang, sich mit dem Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Bernau zur Grundgesetzverträglichkeit des Cannabisverbots zu befassen.
Für die FDP war der Beschluss der "schlechtestmögliche Kompromiss". Er verringere die Zahl der Ermittlungsverfahren nicht. Zudem hätte sich Ausschussmitglied Martin Matz zwei Dinge gewünscht: Cannabis als schmerzstillende Medizin anzuerkennen, die gegen Rezept in Apotheken erhältlich ist. "Zum anderen wollten wir staatlich lizensierte Läden, in denen Cannabis unter Berücksichtigung des Jugendschutzes verkauft wird."
Berlin bekifft [taz, 27.02.2004]
Keine Strafverfolgung bis zu einer Menge von 15 Gramm [Berliner Zeitung, 27.02.2004]
Ausschuss für Straffreiheit von 15 Gramm Cannabis [Neues Deutschland, 27.02.2004]
Langsam voran auf dem Weg zu einer modernen Drogenpolitik [Grüne, 26.02.2004]
Drogenpolitik im Gesundheitsausschuss [PDS-Presseerklärung, Nr.: 018/ 27.02.2004]
Drogenpolitik in den Ländern: Berlin
2. Cannabisbesitz und Führerschein
Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat entschieden, dass allein aufgrund des Besitzes geringer Mengen Cannabis keine medizinische Untersuchung zur Überprüfung der Fahreignung angeordnet werden kann (Aktenzeichen: Verwaltungsgericht Braunschweig 6 B 91/04). Eine Führerscheinstelle hatte einen Kurierfahrer aufgefordert, vier Drogentests für ein amtsärztliches Gutachten zu machen, nachdem fünf Gramm Cannabis in seinem Fahrzeug gefunden worden waren. Das strafrechtliche Verfahren wegen unerlaubtem Besitz war eingestellt worden.
Bereits im Juli 2002 hatte das des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass eine Anordnung einer Überprüfung der Fahreignung aufgrund des festgestellten Besitzes von wenigen Gramm Cannabis unverhältnismäßig sei und damit gegen das Grundgesetz verstößt.
Wenig Cannabis im Auto ist kein Grund für Drogengutachten [Yahoo! Nachrichten, 17.02.2004]
Gelegenheits-Haschischraucher können trotzdem Auto fahren [Yahoo! Nachrichten, 17.02.2004]
Führerscheinentzug verfassungswidrig [CLN#71, 19.07.2002]
Cannabis und Führerschein
3. Schweizer Studie zu Drogenkonsum bei Jugendlichen
Eine vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterstützte Studie des Jugendpsychiatriedienstes der Universität Lausanne hat sich mit dem Drogenkonsum von Jugendlichen im Westen der Schweiz befasst. Die Studiengruppe umfasste 102 Jungen und Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren in der Waadt und in Genf, die regelmäßig psychoaktive Substanzen konsumierten, wie etwa 10% ihrer Altersgenossen in der Schweiz. Zwei Drittel von ihnen waren tägliche Cannabiskonsumenten. Tabak wurde bereits ab einem Alter von 13 Jahren konsumiert, gefolgt von Alkohol ab 14, Cannabis erst später, wobei mehr Zigarettenraucher Cannabis konsumieren als Nichtraucher.
Bei pubertierenden Konsumenten mit Problemen entwickelten sich Konsum und Probleme parallel, so die Psychologin Léonie Chinet zur Nachrichtenagentur SDA. Weder sei der Konsum die Ursache für die Probleme noch die Problem die Ursache für Konsum. Dieser sei in diesen Fällen vielmehr ein Versuch zur Problembewältigung. Eine präventive Wirkung der repressiven Cannabispolitik im Westen der Schweiz konnte nicht festgestellt werden.
Kiffen als Selbstmedikation
Junge Kiffer und ihre Probleme [Tages-Anzeiger (CH), 19.02.2004]
Cannabis in der Schweiz
4. INCB-Jahresbericht 2003 erschienen
Am Mittwoch, 03.03.2004 ist in Wien der Jahresbericht das UN-Drogenkontrollrats erschienen, wie jedes Jahr um diese Zeit.
Ein Kapitel ist diesmal der Zusammenhang zwischen illegalen Drogen und Gewalt gewidmet.Dabei stellt der Bericht jedoch fest, dass Gewalt bei legalen und illegalen Drogen (einschliesslich Mord und Totschlag), die durch die Drogenwirkung selbst bedingt ist, am häufigsten bei Alkohol auftritt. Drogenbedingten Straftaten mit wirtschaftlichem Hintergrund seien in Form von Beschaffungskriminalität zur Finanzierung des Drogenkaufs jedoch häufig. Gewalt bei der Vermarktung entstehe aus Konflikten um Absatzmärkte. Mit anderen Worten: Zu Gewalt kommt es bei illegalen Drogen in erster Linie wegen der Verbote, nicht wegen der Drogenwirkung selbst.
Der Bericht geht kurz auf die UN-Drogenkonferenz in Wien im vergangenen April ein. Dass es dabei um eine Bestandsaufnahme über einen damals schon zur Hälfte verstrichenen 10-Jahresplan ging, dessen Ziel eine Welt ohne Opium, Koka und Cannabis bis 2008 ist, erwähnen die Autoren nicht. Von diesem Ziel ist man, fast ein Jahr später, weiter entfernt als je zuvor, wie die INCB-Berichte zu den verschiedenen Regionen zeigen.
In den USA soll die Cannabis-Jahresproduktion bei 10.000 Tonnen liegen, zusätzlich zu 5.000 hauptsächlich aus Mexiko eingeschmuggelten Tonnen. Der Gebrauch von Kokain oder Crack sei mehr oder minder konstant geblieben, trotz der verschärften Grenzkontrollen seit 2001. Heroin von so hoher Reinheit sei verfügbar, dass es geraucht statt gespritzt werden könne.
UNO: Nach Rekordernte mehr Heroin auf dem Weg nach Europa [Reuters, 03.03.2004]
Report of the International Narcotics Control Board for 2003
INCB-Pressemitteilungen
INCB-Jahresbericht 2002 erschienen [CLN#99, 28.02.2003]
INCB Hompage
UN und internationale Drogenpolitik
5. Brasilien: Parlament beschließt Entkriminalisierung
Das brasilianische Unterhaus hat beschlossen, Drogenbesitz zu entkriminalisieren. Eine frühre Gesetzesinitiative des brasilianischen Senats war an einem Veto des damaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso gescheitert. Er wurde inzwischen durch Luis Inacio "Lula" da Silva im Amt abgelöst.
Tritt das neue Gesetz in Kraft, dann drohen Konsumenten illegaler Substanzen im bevölkerungsreichsten Land Lateinamerikas künftig keine Gefängnisstrafen mehr. Stattdessen können sie zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden. Eine Zwangstherapie ist nicht vorgesehen. Das Gesetz entstand auf Initiative des Justiz- und Gesundheitsministerium und der nationalen Drogenbehörde.
As Continental Harm Reduction Movement Hits Bump, Brazil House Passes Drug Possession Depenalization Bill [DWC#325 (US), 20.02.2004]
Drogen in Brasilien
6. Kokain-Coup in Haiti
Der ehemalige katholische Priester und nunmehr ehemalige Präsident der karibischen Inselrepublik Haiti, Jean-Bertrand Aristide, ist bestimmt kein Heiliger. Seine Kritiker werfen ihm vor, Polizei und Banden zu Gewalttaten gegen politische Gegner eingesetzt zu haben. Da bei den letzten Wahlen nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein soll, stoppten westliche Länder ihre finanzielle Unterstützung, was das durch jahrzehntelange Misswirtschaft marode Land in eine schwere Krise stürzte. Doch im Vergleich zu den bewaffneten Banden, die Aristide jetzt zur Flucht ins Exil gezwungen haben, während die USA tatenlos zusahen, macht er gar kein so schlechtes Bild. Ehemalige Armeeangehörige und Mitglieder von Strassenbanden hatten innerhalb einer Woche rund vierzig Polizsten erschossen - etwa ein Prozent der gesamten Polizeikräfte des Landes - woraufhin sich die Polizei aus der Öffentlichkeit zurückzog und den Rebellen die Kontrolle über den Großteil des Landes überließ.
Zu den Anführern der Rebellen gehören korrupte ehemalige Polizeichefs und Führer von Todesschwadronen, denen Beziehungen zu Kokainschmugglern nachgesagt werden. Der ehemalige Polizeichef Joseph Michel Francois, der die Gruppe finanzieren soll, wurde 1997 in den USA des Schmuggels von 33 Tonnen Kokain angeklagt und wird seitdem steckbrieflich gesucht.
Rebellenführer Guy Phillipe soll bereits in den 90er Jahren in den Kokainschmuggel verwickelt gewesen sein, als er noch Polizeichef der Stadt Cap-Haitien war. Nach einem Putschversuch gegen Präsident Aristide im Jahre 2000 floh er ins Exil in die benachbarte Dominikanische Republik, wo er in Luxushotels wohnte. Phillipe bestreitet die Drogenschmuggel-Vorwürfe: "Sie können in allen Banken der Welt suchen, aber Sie werden kein Geld von mir finden, weil ich nicht reich bin," erklärte er vergangenen Monat gegenüber Journalisten. Die Rebellen finanzierten sich ausschliesslich aus Spenden von armen Haitianern und Landsleuten in den USA und in Kanada.
Auch Mitgliedern der Regierung Aristides wurde vorgeworfen, in den Kokainschmuggel verwickelt zu sein. Es wäre fast ein Wunder, wenn dem nicht so wäre. Haiti, das ärmste Land der westlichen Halbkugel, liegt auf halbem Wege zwischen Kolumbien und Florida, je drei Flugstunden mit einem Kleinflugzeug entfernt. Kokain wird mit Schnellbooten und Flugzeugen ins Land geschafft und von dort aus weiter in die USA transportiert. Die USA im Norden sind der größte Kokainabnehmer der Welt, Kolumbien im Süden der weltgrößte Produzent.
Dank Prohibition und Schwarzmarkt ist Kokain nicht nur eine mit Risiken behaftete Droge, sondern auch ein mächtiger Treibstoff für gewaltsame politische Machenschaften.
"There is absolutely nothing redeeming about these guys," said Alex Dupuy, a Haiti expert at Wesleyan University in Middletown, Conn. "They are a bunch of thugs. It's hard to imagine that the U.S. would want to support these guys back in power."
Drug money reportedly funding Haiti fighting [Chicago Tribune (US), 28.02.2004]
Guy Philippe: The rebelling soldier [BBC (UK), 29.02.2004]
7. USA: Ein halbes Jahr Haft für Urinverkauf
Im US-Bundesstaat South Carolina sitzt ein Mann ein halbes Jahr hinter Gittern, weil er Urin verkauft hat. Ein Gericht verurteilte Kenneth Curtis zu 6 Jahren Haft, davon 5 Jahre und sechs Monate auf Bewährung, weil er gegen ein Gesetz verstossen hat, das eigens dazu geschaffen wurde, um aus der Beihilfe zur Umgehung von Drogentests ein Verbrechen zu machen.
Urintests sprechen auch auf mehrere Wochen zurückliegenden Konsum an und lassen damit keine Rückschlüsse auf eine etwaige aktuell bestehende Rauschwirkung zu. Diese Tests reagieren nicht auf Wirkstoffe von Cannabis, sondern nur auf Stoffe, die erst beim Abbau der Wirkstoffe in der Leber entstehen. Der Konsum von Drogen ist in den USA genau wie in Deutschland keine Straftat - illegal ist nur der Besitz oder der Handel.
Fälle wie das Urteil gegen Kenneth Curtis zeigen, dass ein Gesetz, das versucht, ein Verbot durchzusetzen wo es kein geschädigtes Opfer gibt, immer weiter ausufern muss, weil das Strafrecht hier an sich nicht greift. Wo es keinen Geschädigten gibt, der Anzeige erstattet, wird der Ruf nach polizeistaatlichen Methoden laut, in diesem Fall mit dem absurden Ergebnis, dass die Weitergabe von drogenfreiem Urin wie der Handel mit Drogen bestraft wird.
Newsbrief: South Carolina Urine Felon Jailed for Six Months [DWC#326, 28.02.2004]
Nachweis von Cannabiskonsum
Cannabis in den USA
8. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:
09.03.2004 Zehnter Jahrestag des Cannabisentscheids des BVerfG
Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen:
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