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Marion Caspers-Merk in der Süddeutschen Zeitung (06.06.2002)

Dauerkiffen prägt [Süddeutsche Zeitung, 06.06.2002]
Drogenbeauftragte warnt vor der Freigabe von Cannabis

Marion Caspers-Merk hält den Vorstoß der Grünen für das falsche Signal

Von Heidrun Graupner
Kommentar von cannabislegal.de

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Der Vorstoß regt Marion Caspers-Merk doch ein wenig auf. "Legalize it", fordern die Grünen, freien Verkauf von Haschisch und Marihuana. "Eine Legalisierung halte ich für das falsche Signal", sagt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und SPD-Politikerin gegenüber der SZ. Man habe mit den legalen Drogen gerade bei Jugendlichen massive Probleme. "Da treten wir auf die Bremse. Und bei Cannabis sollen wir Gas geben, zu Alkohol und Nikotin ein drittes Problem schaffen?" Niemand will den Drogenhandel fördern. Leider hat die Regierung bisher bei legalen Drogen kaum gebremst (kein Werbeverbot, legaler Tabakverkauf an Kinder, keine Alterskontrollen beim Alkoholverkauf), während die bei Cannabis angewandten Mittel so unverhältnismässig sind dass sie mehr Schaden anrichten als der Konsum selbst. Nötig wäre eine konsistente Politik für alle Drogen.
Caspers-Merk bedauert die Diskussion, weil es so aussehe, als wäre die Legalisierung die zentrale Frage der Suchtpolitik. Man signalisiere damit, dass alles easy sei, und "das ist eben nicht der Fall". Wer die besseren Argumente hat, braucht die Diskussion nicht zu fürchten :-)
Nun will Christa Nickels (Grüne), die Vorgängerin im Amt der Drogenbeauftragten, Haschisch und Marihuana nicht einfach auf den Markt werfen. Der Konsum aber dürfe nicht länger unter Strafe stehen. Fast die Hälfte der Jugendlichen rauche Cannabis und werde damit kriminalisiert, „ihr Rechtsbewusstsein wird so unterminiert“. Bei einer Anhörung, die die Grünen in dieser Woche veranstaltet haben, erklärte der rechtspolitische Sprecher Volker Beck, Millionen von Bürgern konsumierten Cannabis als Genussmittel so wie Bier zum Feierabend. Geringer Verbrauch führe weder zu psychischen noch zu physischen Beeinträchtigungen.

Nickels will drei Punkte durchsetzen: Künftig dürfe der Führerschein nicht mehr entzogen werden, wenn jemand mit ein paar Gramm Haschisch in der Tasche im Zug oder am Badesee erwischt werde, was jetzt immer wieder geschehe. Der Besitz von Haschisch müsse als Ordnungswidrigkeit und nicht mehr als Straftat geahndet werden. Der Verkauf von Haschisch, und zwar von maximal fünf Gramm, solle über Coffee-Shops wie in den Niederlanden erfolgen, Anbau und Handel müssten geregelt werden. Nur dann könne der Schutz von Verbrauchern und Jugendlichen greifen.
Das Verbot von Cannabis im Betäubungsmittelgesetz geht von falschen Grundlagen aus und gehört längst reformiert.

Bereits im Jahre 1992 hat ein Parteitag der SPD einen legalen Zugang zu Cannabisprodukten gefordert.

Im Jahre 1996 brachte die SPD sogar einen Gesetzesentwurf zur Entkriminalisierung in den Deutschen Bundestag ein.

Marion Caspers-Merk hält die Pläne für gefährlich. Man dürfe in der Drogenpolitik nicht dramatisieren, sonst glaubten die Jugendlichen nichts mehr, "aber auch nicht bagatellisieren". Genau eine solche bagatellisierende Wirkung geht aber vom Cannabisverbot aus - fuer Alkohol und Nikotin, die fuer weniger bedenklich als Cannabis gehalten werden. Die Drogen- und Suchtkommission schreibt: "Umgekehrt versperrt eine solche, im wesentlichen an juristischen Kategorien orientierte Sicht von ihrem Ansatz her eine sachgerechte Auseinandersetzung mit kulturell eingelebten Konsummustern bei Alkohol, Tabak und Medikamenten; der Umgang mit diesen Substanzen erscheint implizit, nämlich in Relation zum Konsum illegaler Drogen, als weniger schädlich und substanzbedingt leichter »beherrschbar«."
Das Beispiel der Niederlande habe gezeigt, dass Drogentouristen zu den Coffee-Shops ins Land drängten, dass eine Sogwirkung entstehe, die man nicht steuern könne. "Das ist ein hohes Risiko, das man eingeht." Mit anderen Worten, Frau Caspers-Merk hat Angst, dass neue Arbeitsplaetze geschaffen werden: Derzeit haben die Niederlande eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Europa. Bei einer Reform in Deutschland muessten weniger Deutsche Rueckkehrer an der NL- und CH-Grenze kontrolliert werden. Es ist moeglich, dass stattdessen mehr Elsaesser und Oesterreicher nach Deutschland kommen. Doch wo ist das Problem, wenn auch ausländische Touristen geringe Mengen einer weniger riskante Alternative zu Alkohol erwerben können? Deutschland verkraftet alljaehrlich das Oktoberfest, wo vor allem von Touristen 6 Millionen Liter Bier konsumiert werden. Recht viel extremer kann der Cannabistourismus kaum sein ;-)
Die Märkte zwischen harten und weichen illegalen Drogen haben sich nach Ansicht der SPD-Politikerin getrennt. Die Jugendlichen geraten nicht mehr an Dealer, die in der einen Hand Haschisch und in der anderen Heroin haben. Insofern ziehe das Argument nicht, durch die Haschisch-Freigabe werde der Kontakt zu den Mafia-Dealern unterbunden. Cannabis kommt mittlerweile auch aus deutschem Anbau, die Schweiz und die Niederlande sind Exportländer. Wenn der Eigenanbau den Kontakt zu Mafia-Dealern unterbindet, warum wird er dann so hart bestraft? Warum sind dann sogar Hanfsamen verboten? Will man den Schwarzhaendlern das Geschaeft nicht verderben?
Es sei kein Zufall, sagt Caspers-Merk, dass die Niederländer 85 Prozent der Ecstasy-Pillen produzierten. "Da funktionieren die Kontrollen nicht." Angesichts von rund 10 Millionen Menschen, die in Deutschland Erfahrungen mit illegalen Drogen gemacht haben, kann man kaum behaupten, dass in Deutschland die Kontrollen besser funktionieren. Ecstasy wird produziert weil es eine Nachfrage dafür gibt und weil ein Schwarzmarkt hochlukrativ ist.
Zu sagen, der eine Stoff sei nicht so schlimm wie der andere, sei problematisch. "Wie werden dann die neue Partydrogen eingeschätzt?" So zu tun, als seien verschiedenste Drogen gleich schaedlich ist eine Verharmlosung der riskantesten Drogen.
Den Kiffer, der seinen Joint mit 15 anderen teile, existiert nach den Worten von Caspers-Merk nicht mehr. Der Konsum auf Partys hat sich verändert, viele Jugendliche nehmen alles: Sie rauchen, schlucken Ecstasy und betrinken sich bis zur Bewusstlosigkeit, ein neuer Trend des Rauschtrinkens. Tatsaechlich konsumieren mehr als drei Viertel aller Konsumenten illegaler Drogen nur Cannabis, aber ansonsten keine anderen illegalen Drogen (lt. Repraesentativerhebung des Instituts fuer Therapieforschung fuer das Bundesministerium fuer Gesundheit im Jahre 2000 von Kraus/Agustin). Nur etwa 2 von 9 westdeutschen Cannabiskonsumenten haben jemals eine andere illegale Droge konsumiert (22,5 %). Die IFT Studie geht bundesweit von etwa 9,5 Millionen Menschen mit Cannabiserfahrung aus (8,5 Millionen im Westen und 1 Million im Osten). Fuer alle anderen illegalen Drogen zusammengenommen ergeben sich 2,3 Millionen Konsumerfahrene (2 Millionen im Westen und 0,3 Millionen im Osten). Aehnliche Zahlenverhaeltnisse ergeben sich auch bei aktuellem Konsum, so haben zum Beispiel 6,5 der Westdeutschen im letzten Jahr illegale Drogen konsumiert, davon 6,2 % Cannabis und 1,3 % andere illegale Drogen. Demnach haben ca. 80 Prozent der aktuellen Cannabiskonsumenten im letzten Jahr keine Erfahrungen mit anderen illegalen Drogen gemacht.
Die Zahl der jungen Menschen, die mit einer Alkoholvergiftung in Kliniken kommen, habe sich in letzter Zeit verdoppelt, sagt sie. Präventionsbotschaften in die Szene zubringen, sei schwierig, etwa den Gruppendruck wegzunehmen von den Kids. Schon das sei ein mühsamer Prozess. Der riskante Umgang mit Alkohol zeigt, wie leicht die Botschaft einer am Strafrecht ausgerichteten Drogenpolitik missverstanden wird.
Cannabis ist mehr unter Hauptschülern gefragt als unter Gymnasiasten. => Gibt es eine Quelle für diese Behauptung? Die repräsentative Emnid-Erhebung im August 2001 fand bei Konsumerfahrung zu Cannabis (bezogen auf Lebenszeit): Personen mit Abschluss: Hauptschule = 10 %, Realschule = 13 %, Abitur = 25 %.
Und es gibt Jugendliche, die nur Cannabis nehmen und abstürzen, die Therapien brauchen. "Das Dauerkiffen prägt, denn es ist eine psychoaktive Substanz", betont Caspers-Merk, und In Deutschland kann man Cannabis in der Regel nur von Leuten kaufen, die taeglich konsumieren oder man muss es selbst anbauen. Vielfach legen Konsumenten Vorräte an, weil sie nicht wissen, wie die künftige Liefersituation aussieht und haben dann immer etwas zuhause. Deshalb ist der derzeitige Zustand nicht gerade geeignet, Dauerkonsum zu verhindern. Auch sind es gerade die Konsumanfaenger, die Probleme entwickeln, nicht die Langzeitkonsumenten (lt. Kleiberstudie). Das zeigt, dass ein Mangel an erworbenen oder vermittelten Erfahrungen zu mehr Problemen führen. Die erfolgreichsten Präventionsmodelle setzen auf Information durch Peers, die jedoch durch die Illegalität behindert wird.
das Cannabis, das heute auf dem Markt ist, sei sehr viel wirksamer als früher. Es stimmt wahrscheinlich, dass der THC-Gehalt von Cannabis allmaehlich zugenommen hat. Da jedoch die meisten Konsumenten soviel rauchen bis sie die gewuenschte Wirkung erreichen heisst das, dass sie jetzt weniger Rauch inhalieren als mit schwaecherem Cannabis. Die Teer-Belastung der Lunge verringert sich also.
"Die Leute haben keine Kontakte mehr, sie vereinsamen." Geschaffen wurden Sonderprogramme für diese Jugendlichen, ein Beratungsangebot, das auch angenommen werde. "Wir dürfen nicht warten, bis eine Drogenkarriere da ist." Und was tut das Verbot, um das zu verhindern? Wenn ueberall Polizei mit Drugwipe wartet, warum sollen Leute dann noch ihre Wohnung verlassen?
Ob ein Jugendlicher von den Justizbehörden verfolgt wird, hängt davon ab, in welchem Bundesland er sich seinen Joint ansteckt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll der Konsum einer geringen Menge straffrei sein, doch noch immer konnten sich die Bundesländer nicht auf eine einheitliche Menge einigen. Fünf bis zehn Gramm würden mittlerweile in der Regel als geringe Menge akzeptiert, aber es existierten nach wie vor Unterschiede in den Ländern, was ein Manko sei, meint Caspers-Merk. Die Drogenbeauftragte plant eine Studie, welche Menge unbedenklich ist, um eine bundesweite Regelung zu initiieren. Auch beim Führerscheinentzug gibt es in den Ländern kein einheitliches Vorgehen. Nach der Fahrerlaubnisverordnung kann man, ohne am Steuer zu sitzen, den Führerschein verlieren, wenn man völlig betrunken ist oder wenn man Drogen genommen hat. In der Praxis aber werden gerade Kiffer aufgegriffen und zu einer Untersuchung vorgeladen, die sie bezahlen müssen, und bei der festgestellt wird, ob sie sich nach ein paar Joints ans Steuer setzen würden. MCM vergleicht hier Personen die in der Oeffentlichkeit unter Drogeneinfluss stehen mit solchen, die nur im Besitz einer Droge angetroffen werden. Denn auch solche werden zum Urintest gesschickt.
Marion Caspers-Merk bezeichnet das Vorgehen als richtig, da es, im Gegensatz zum Alkohol, bisher keine sicheren Drogentests mit exakten Grenzwerten gibt. Dies müsse sich ändern, an Tests werde gearbeitet. "Ich möchte nicht, dass am Steuer Drogen genommen werden. Es muss klar gemacht werden, dass das gefährlich ist." Sehr häufig würden Alkohol und Cannabis zusammen konsumiert, mit katastrophaler Wirkung. Nach einer europäischen Studie steige damit das Unfallrisiko um den siebenfachen Wert, "die Wirkung addiert sich nicht, sie potenziert sich". Solange es keine wissenschaftlich festgelegte Promillegrenze gibt, wird man wohl mit einer 0-Promille-Grenze am Steuer leben müssen. Das ist jedoch kein Grund, um auch jenen den Führerschein zu nehmen, die als Beifahrer kontrolliert werden.


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