Kürzlich war
in der Zeitung "Das Kleine Blatt" das folgende Gespräch über Drogenpolitik
abgedruckt. Wir geben es hier zu Informationszwecken wieder und haben als Ergänzung
mit roter Schrift die Meinung von Legalize Vorarlberg eingefügt.
"Drogenbekämpfung
kann nicht mit dem Rasenmäher erfolgen"
Wie soll die
Drogenpolitik in Vorarlberg aussehen? In der Redaktion des "Das kleine
Blatt" wurde über dieses Thema diskutiert.
Legalisieren
nein - entkriminalisieren ja. So lautete der Grundsatztenor beim Round-Table-Gespräch
zum Thema Drogenpolitik in Vorarlberg, an dem Gesundheits-Landesrat Dr. Hans-Peter
Bischof, die Landtagsabgeordneten Ernst Hagen (FPÖ) und Christoph Winder
(ÖVP) sowie Dr. Bernhard Mika, Leiter der Drogenberatungsstelle Bregenz,
teilnahmen. Anlaß der Diskussion war die jüngste Drogenstatistik
des Landes. Es gibt zwar weniger Tote und positive Ansätze, dennoch muß
noch viel getan werden, um dem Drogenkonsum in Vorarlberg Herr zu werden. Vor
allem die Designerdrogen (wie z.B. Ecstasy) und Kokain befinden sich weiter
im Vormarsch. Welche Wege sollen eingeschlagen werden? Darüber wurde in
der Redaktion des "Das kleine Blatt" diskutiert.
"Das kleine
Blatt": 174 Drogentote und knapp 17.600 Anzeigen in ganz Österreich
wegen Drogendelikte. So lautet die jüngste Bilanz, die nun vom Innenministerium
veröffentlicht wurde. In Vorarlberg gab es 1999 zehn Drogenopfer und rund
1.800 Anzeigen. Soviel zu den nackten Zahlen. Soll und kann dem Drogenkonsum
überhaupt Einhalt geboten werden?
Dr. Hans-Peter
Bischof: Generell möchte ich zunächst feststellen, daß in
Vorarlberg die Bilanz der Drogenopfer halbiert und auf einem niedrigen Niveau
stabilisiert werden konnte. Trotzdem besteht kaum Grund zur Entwarnung - und
schon gar nicht kann eine Droge gutgeheißen werden. Für mich steht
eine geradlinige und klare Politik zu diesem Thema im Vordergrund. Es ist weder
sinn- noch wirkungsvoll, die Konzepte ständig zu ändern. Damit erreicht
man nichts.
Angesichts
der seit Jahrzehnten bestehenden Kriminalisierung harmloser Cannabiskonsumenten
kann von einer "ständigen Konzeptänderung" wohl kaum gesprochen werden.
"Das kleine
Blatt": Gehen wir gleich "in medias res". Es gibt - unter anderem auch
politische - Stimmen, die eine Legalisierung sogenannter weicher Drogen wie
Cannabis fordern. Gibt es in dieser Richtung Überlegungen?
Dr. Hans-Peter Bischof: Derzeit sicherlich nicht, weil es keine stichhaltigen
Argumente gibt, die eine Legalisierung rechtfertigen würden.
Die
Kleiberstudie, der
Roques Report, der Vorlagenbeschluss
des Landgerichts Lübeck, das Cannabisgutachten des Prof. Dr. med. R.
Tölle, der Cannabisbericht
der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen, der Text "Drug
Policy in the Netherlands - Continuity and Change" vom Dutch Ministry of
Health, Welfare and Sport, der IOM
Report , das WHO
Project on Health Implications of Cannabis Use oder
auch die auf unseren Seiten inkl. Quellenangaben veröffentlichten Studien
über THC und Autofahren sowie
THC und Krebs sowie der Fakt, dass ein moderenes europäisches Land
wie die Schweiz auf eine Legalisierung zusteuert, kann doch nicht einfach
ignoriert werden. Ob diese Fakten nun für Dr. Hans-Peter Bischof persönlich
überzeugend genug sind oder nicht ist eine andere Sache, aber zu sagen
es "gibt keine stichhaltigen Argumente" kommt einer Verzerrung der Wahrheit
gleich.
Erstens: Man muß
sich bewußt sein, daß Cannabis oftmals die Einstiegsdroge von Elf-
bis Zwölfjährigen ist. Das kann doch niemandem ernst sein, so etwas
gesetzlich zu erlauben.
Dass
Cannabis einzig und allein Einstiegsdroge ist, weil es immer noch im kriminellen
Mileu erworben werden muss und so der Kontakt zu härteren Drogen hergestellt
wird, ist längst wissenschaftlich erwiesen, daran gibt es nichts zu rütteln.
Unter anderem wird dies auch in der Kleiberstudie
behandelt. Die Substanz THC ist substanzbedingt keine Einstiegsdroge,
sondern ausschliesslich der äußeren Umstände (der Kriminalisierung)
wegen.
Ausserdem
- und das ist wichtig - will niemand Cannabis für 11-12 jährige
freigeben. Dr. Hans-Peter Bischof sagt selbst, dass Cannabis oft schon von 11-12
jährigen konsumiert wird, die derzeit herrschende Kriminalisierung kann
dies also offensichtlich
nicht (!) verhindern. Dazu kommt, dass diese "11-12" jährigen
allen Gefahren des Schwarzmarktes (Vermischung der Märkte, mangelnde Qualitätskontrollen,
soziale Isolierung durch den illegalen Status etc.) ausgesetzt sind. Bei einer
Legalisierung könnten diese Gefahren komplett ausgeschaltet werden und
eine Alterskontrolle wäre zumindest teilweise möglich. Zur Zeit gibt
es gar keine. Auf dem illegalen Markt wird an jeden verkauft.
Hier
setzt auch unser nächster Argumentationspunkt an. Werden lediglich die
Konsumenten (also Konsum bzw. Besitz) "entkriminalisiert", Anbau und Handel
werden jedoch nicht gesetzlich geregelt, dann müssen sich Cannabiskonsumenten
weiterhin auf dem illegalen Markt versorgen. Alle Gefahren des illegalen Marktes
bleiben erhalten und anstatt an Staat, die österreichischen Bauern und
legale Verkäufer fließt der Gewinn in die Taschen von organisiert
kriminellen Organisationen, die dadurch finanziell gestärkt werden.
In
Vorarlberg selbst mag diese Situation (gemeint ist die Cannabisversorgung
durch organisiert Kriminelle) durch die Nähe zur Schweiz und der damit
einhergehenden Versorgung durch Kleinstmengenschmuggel von Cannabis aus schweizer
Hanfläden weniger brisant sein als zB. in Ostösterreich, ist jedoch
trotzdem immer noch existent.
Und zweitens:
Wo zieht man die Grenze zwischen hart und weich: bei Cannabis oder etwa auch
bei Ecstasy-Pillen? Soll das eine legalisiert werden, das andere kriminalisiert
bleiben?
Es
handelt sich um zwei völlig verschiedene Substanzen, die sich in vielerlei
Hinsicht sehr stark unterscheiden und (ausser dem illegalen Status) kaum
etwas gemein haben. Inwiefern eine Ecstasy Kriminalisierung sinnvoll ist
oder nicht, ist schlichtweg eine andere Frage.
Christoph Winder:
Da sind wir beim springenden Punkt. Die Glaubwürdigkeit spielt eine entscheidende
Rolle. Extreme Standpunkte haben in der Drogenpolitik nichts verloren. Cannabis
soll genauso wenig verharmlost werden, wie ein Joint-Raucher kriminalisiert.
Ja,
der Meinung sind wir auch. Man sollte Cannabis jedoch auch nicht gefährlicher
darstellen als es ist, denn genau dies führt zu Glaubwürdigkeitsverlust.
Gefragt ist eine ehrliche und faktenbezogene Aufklärung.
Ernst Hagen:
Kriminalisiert nicht, aber dafür entsprechend zur Verantwortung gezogen
werden. Drogen sind ein Gefahrenpotential - vor allem für Jugendliche.
Wer verharmlost und die Gesetze "aufweicht", beschwört bewußt ein
Problem herauf. Konsequentes Handeln und Durchgreifen stehen für mich außer
Frage.
Ja,
Drogen sind ein Gefahrenpotential. Jedes Ding und jede Substanz birgt
Gefahren. Die Dosis macht das Gift. Man muss eben unterscheiden von welchen
Drogen gesprochen wird und ausserdem beachten inwiefern ein "konsequentes Handeln
und Durchgreifen" sinnvoll ist bzw. ob dieses das Gefahrenpotential für
die Konsumenten (die sich ja durch die Kriminalisierung nicht vom Konsum abhalten
lassen) nicht noch vergrößert. Durch die oben genannten Gefahren
des illegalen Marktes geschieht genau dies. Wenn offensichtlich ist, dass dieses
"konsequente Handeln und Durchgreifen" absolut kontraproduktiv und ineffizient
ist, ja sogar noch weitere Gefahren für die ohnehin Cannabis Konsumierenden
heraufbeschwört ist eben dieses nicht mehr sinnvoll. Es geht nicht darum
Gesetze "aufzuweichen" sondern unsinnige Regelungen durch klare, ehrliche und
faktenbezogene zu ersetzen.
"Das kleine
Blatt": Herr Hagen, der SPÖ-Abgeordnete Keckeis wirft Ihnen ein
Politik vor, die von "Draufhauen, Deckel zu und Schluß" geprägt
ist. Wie rigoros sind die Freiheitlichen bei der Drogenthematik?
Ernst Hagen: Der Prävention ist höchste Priorität einzuräumen.
Mögliche Anzeichen von Drogenkonsum müssen so früh wie möglich
erkannt werden. In den Schulen sollten - von einem Vertrauensarzt - verpflichtende
Drogentests durchgeführt werden. Ist ein Befund positiv, sollte es ein
Gespräch zwischen Arzt und dem Betroffenen geben. Ohne, daß der Betroffene
gleich zum Verbrecher gestempelt wird. Für mich klar - frühzeitiges
Erkennen gehört zur Präventionsarbeit. Und da würden solche Untersuchungen
eine wichtige Rolle spielen.
Wir
bitten Herrn Hagen zur Kenntnis zu nehmen, dass gelegentlicher Cannabiskonsum
genauswenig (eher weniger) direkt auf "Probleme" schliessen lässt wie gelegentlicher
Alkoholkonsum. Ein Cannabiskonsument ist in der Regel weder "süchtig",
"kriminell" noch "krank" (wenn es auch solche geben mag). Wird ein solch "problemfreier"
Cannabiskonsument einem zwanghaften Test unterzogen und muss sich danach einer
Reihe von ihm ungewünschter "Präventivmaßnahmen" unterziehen
kann dies nur kontraproduktiv sein. Problemfreier Cannabisgenuss ist weit verbreitet
und muss und kann deshalb auch nicht unter allen Umständen verhindert werden.
Natürlich
ist es wichtig den Menschen, die mit ihrem Cannabiskonsum nicht klar kommen
(denn sicherlich gibt es auch diese) zu helfen. Nur inwiefern eine Kriminalisierung,
Bestrafung oder Zwangsuntersuchung hier etwas positives bewirken ist für
uns nicht verständlich.
Dr. Bernhard
Mika: Das klingt nach Reihenuntersuchungen an Kindern und Jugendlichen.
So etwas ist abzulehnen. Drogenarbeit braucht enormes Feingefühl - man
muß sich ganz in die Denkstrukturen von Betroffenen setzen. Nur so kann
man Suchtkranken helfen.
Wir
wollen Dr. Bernhard Mikas Kompetenz nicht im geringsten in Frage stellen, nur
angesichts der Ergebnisse von zB. der Kleiberstudie, kann man einen Cannabiskonsumenten
nicht einfach einen "Suchtkranken" nennen (was er hier ja ohnehin nicht direkt
tut, wir wollen das nur klarstellen). Genausowenig wie man einen Alkoholkonsumenten
einfach pauschal einen "Alkoholiker" nennen kann.
Dr. Hans-Peter
Bischof: Zwangsuntersuchungen - das sind Vorstellungen, die nach totaler
Überwachung und einem Schnüffelstaat klingen. Man kann in der Drogenpolitik
nicht wie mit dem Rasenmäher über das Gras fahren und glauben, damit
seien alle Probleme gelöst.
Dem
können wir nur zustimmen.
Christoph Winder:
Wer nicht differenziert und beispielsweise Cannabis und Designer-drogen
auf eine Reihe stellt, ist sicherlich nicht glaubwürdig. Die Holzhammermethode
bringt absolut nichts. Nehmen Sie das Problem Ecstasy. Es ist erwiesen, daß
durch diese Designer-Pillen schwere dauerhafte gesundheitliche Schäden
entstehen. Und ebenso ist erwiesen, daß mindestens ein Drittel aller Jugendlichen
in Discos oder auf Ravepartys damit Kontakt haben. Die Gefährlichkeit wird
unterschätzt. Es gibt für alles und jedes Pillen. Und Ecstasy ist
eben die Droge für den Spaß. Das sind Denkweisen, die nachdenklich
stimmen sollten. Dort gehört der Hebel angesetzt.
Dr. Bernhard Mika: Gefährlich sind diese Pillen vor allem, wenn die
Substanzen gemischt werden. Es gibt in Wien das Projekt "Check it"
- das ist ein mobiles chemisches Labor, in dem zum Beispiel vor bestimmten Discos
kontrolliert wird, was die Drogen alles beinhalten. Das ist ein Schutz, daß
nicht "hochgradig verschmutztes Zeug" herumgereicht wird.
Ernst Hagen: Mit solchen Methoden habe ich absolute Probleme. Die Droge
wird untersucht und dann heißt: "Die Pille ist okay, die kannst du
nehmen." So kann die Lösung des Drogenproblems sicherlich nicht aussehen.
Es
stellt sich hier die Frage, ob man - da der illegale Status von Ecstasy die
Konsumenten offenbar nicht davon abhält XTC zu konsumieren - mit erhobenem
Zeigefinger eine zusätzliche schwere körperliche Schädigung dieser
Menschen durch Verunreinigungen in Kauf nimmt oder wenigstens diese zusätzliche
Schädigung ausschalten will.
"Das
kleine Blatt": Wenn man die Argumente zusammenfaßt, hört man
heraus, daß niemand der Diskussionsteilnehmer eine sofortige Legalisierung
sogenannter weicher Drogen befürwortet. Eine Entkriminialisierung - z.
B. von Haschischrauchern - kann sich aber jeder vorstellen. Wie kann die in
der Praxis aussehen?
Dr. Hans-Peter
Bischof: Ich glaube nicht, daß es sinnvoll ist, jugendliche Drogenkonsumenten
Verbrechern gleichzustellen. Derzeit ist die Situation so, daß jeder,
der erwischt wird, angezeigt werden muß und strafrechtliche Konsequenzen
die Folge sind.
Christoph Winder: Ich kenne Fälle, wo Jugendliche wegen Verstoß
gegen das Drogengesetz von der Gendarmerie von ihrem Arbeitsplatz geholt wurden.
Welche Auswirkungen dies hat, kann sich jeder denken. Da findet eine Kriminalisierung
statt, die nicht notwendig ist.
Hier
handelt es sich um Beispiele von den von uns erwähnten Probleme durch den
illegalen Status. Durch zB. eine solche "Verhaftung vom Arbeitsplatz weg" handeln
sich diese Menschen eine Vielzahl von Problemen ein, die mit Cannabiskonsum
nichts zu tun haben sondern allein mit der Verfolgung der Konsumenten. Auf diese
Weise werden tatsächlich Existenzen vernichtet. Menschen verlieren Ihren
Arbeitsplatz, müssen bei Anbau zum Teil sogar ins Gefängnis etc.
Bei
einer Entkriminalisierung der Konsumenten wären Probleme dieser Art vermeidbar,
die Trennung der Märkte, Qualitäts- und Alterskontrollen sind (wie
schon oben erwähnt) jedoch nicht möglich.
Würde zusätzlich der Kleinstmengenhandel entkriminalisiert,
der Anbau jedoch nicht, werden wiederum die Kleinstmengenhändler von organisiert
Kriminellen mit Ware versorgt.
Um
Cannabis ganz klar aus dem kriminellen Milieu herauszuholen bedarf es klare
Regelungen von Besitz, Handel und Anbau.
Ernst Hagen:
Im Sinne einer verantwortlichen Drogenpolitik bin strikt gegen eine Verharmlosung.
Der anerkannte Suchtexperte Primarius Dr. Reinhard Haller etwa hat vorgeschlagen,
Verwaltungsstrafen einzuführen. Das heißt, wenn jemand beim Jointrauchen
erwischt wird, zahlt er ein Bußgeld wie ein Autofahrer, der zu schnell
unterwegs ist. Damit bleibt die Strafbarkeit bestehen, die Kriminalisierung
fällt aber weg. Dieser Vorschlag ist sicherlich zu überdenken.
Es
geht und ging nie um eine Verharmlosung. Auch wir erkennen an, dass Cannabiskonsum
sicherlich nicht völlig gefahrenfrei ist (nur, was ist schon "völlig
gefahrenfrei"). Es geht uns um ehrliche Aufklärung und einer faktenbezogenen
Drogenpolitik und da hat eine Bestrafung oder Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten
einfach keinen Platz, weil sinnlos, ineffizient und ohne positive Auswirkungen.
Dr. Bernhard
Mika: Jeder geht mit seiner Sucht anders um.Vor allem bei Behandlungen von
Drogenkranken muß dies berücksichtigt werden. Wichtig ist, daß
wir die Betroffenen überhaupt erreichen und geeignete Therapien durchführen.
Derzeit unterziehen sich in Vorarlberg ca. 300 Menschen einem Drogenersatz-Programm.
Es ist gut, wenn wir möglichst alle Drogenkonsumenten erreichen. Therapien
sollten stehen.
Wir
bitten erneut, den Unterschied zwischen Cannabiskonsumenten und "Sucht" oder
"Drogenkranken" zu beachten. Nach der Kleiberstudie beträgt die Zahl der
psychisch Cannabisabhängigen bei den nur Cannabis Konsumierenden ca. 2%.
Dass Cannabis mit Drogenersatz Programmen nichts zu tun hat ist ebenfalls ein
wichtiger Punkt. Uninformierte Menschen könnten hier Dinge verwechseln.
DAS ROUND-TABLE-GESPRÄCH
ZEICHNETE DIETMAR HOFER AUF.
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