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Büro der Drogenbeauftragten kritisiert VfD

Die folgende Stellungnahme aus dem Büro der Drogenbeauftragten zeigt, wie empfindlich man um Frau Caspers-Merk auf die Kritik des Vereins für Drogenpolitik reagiert. Wir werden in Kürze inhaltlich auf diesen Text eingehen.

Pressemitteilung 7 des VfD [21.12.2001]
Ungleiche Rechtspraxis bei Verfahrenseinstellungen


Dr. Michels*

*Leiter der Geschäftsstelle
der Drogenbeauftragten im
Bundesministerium für Gesundheit
Mohrenstr. 62
10117 Berlin

Halbwahrheiten und Unterstellungen - der Verein für Drogenpolitik manövriert sich in drogenpolitischen Fundamentalismus

Wenn man sich als Verein versteht, der die drogenpolitischen Handlungen und Absichten der Regierung kritisch bewerten will, auch wenn er deren Grundlagen als in die "richtige Richtung" gehend kennzeichnet, darf man sicherlich schon mal "über's Ziel hinausschiessen". Was sich aber der VfD in seiner Pressemiteilung Nr. 7 geleistet hat, überzieht den Bogen doch erheblich.
Es wird mit Unterstellungen und Unwahrheiten gearbeitet, um zu zeigen, dass es in der Jahresbilanz der Drogenbeauftragten an "klarer Linie" mangele, sie sich "nicht konsequent an den Prinzipien der Schadensminimierung" orientiere und die Erfahrungen aus der Schweiz "konsequent ignoriere". Nichts davon stimmt, aber so bleibt eine Stimmung übrig, dass es der Regierung an drogenpolitischem Reformwillen mangele.

Es werden Reformen in vier Bereichen gefordert und es wird dabei wiederum mit Unwahrheiten und Unterstellungen gearbeitet, um die "Anmahnung" dieser Reformschritte zu begründen.

Zu Cannabis.
Es wird behauptet, dass die Drogenbauftragte die unterschiedliche Einstellungspraxis in verschiedenen Bundesländern nicht wahrnehme und die Reformbestrebungen der Nachbarländer nicht sehe.
Der VfD "ignoriert" dabei, dass die Drogenbeauftragte in verschiedenen Stellungnahmen und Veröffentlichungen auf die ungleichen Grundlagen für die Einstellungspraxis gem. § 31a BtMG hingewiesen hat. Aber gleichwohl ist es auch so, dass eine Untersuchung des BMG und BMJ aus 1997 eine "im wesentlichen gleiche Anwendungspraxis" festgestellt hat, nach der in der Regel bei einer geringen Menge bis 10g ein Verfahren eingestellt wird. Nach einer aktuellen Umfrage haben 11 von 16 Bundesländer hierfür auch sog. "vereinfachte Verfahren" eingeführt, um die polizeilichen Ermittlungstätigkeiten zu vereinfachen.
Es ist richtig, dass die Ermittlungsverfahren bzgl. Cannabis von rund 118.000 in 1999 auf 132.000 in 2000 angestiegen sind. Es ist aber nicht klar, ob es sich um verstärkte polizeiliche Aktivitäten handelt oder ob dieser Anstieg lediglich ein Hinweis auf die ebenfalls gestiegene Prävalenz des Gesamtkonsums ist.
Die Drogenbeauftragte hat deshalb sich einerseits an das BMJ gewandt, um aktuelle Informationen über unterschiedliche Grundlagen der Einstellungen zu erhalten und zum anderen ist eine Untersuchung in Auftrag gegeben worden, um eine nähere Begründung für den Anstieg an Haupt-Diagnosen "Canabisprobleme" in ambulanten Einrichtungen der Drogenhilfe zu erhalten. Auch die Führerscheinproblematik soll in Abstimmung mit dem zuständigen Verkehrsministerium überprüft werden, u.a. um festzustellen in wievielen Fällen tatsächlich - wie in der PM des VfD pauschal behauptet wird - bei Cannabiskonsumenten "auch wenn sie nicht am Straßenverkehr teilnehmen, meist sofort der Führerschein entzogen wird". Beides steht in der ausführlichen Pressemitteilung zur Jahrespressekonferenz, wird aber vom VfD "ignoriert".
Stattdessen macht es sich der VfD entsprechend einfach, wenn er apodiktisch fordert: "Hier ist eine Grenzmenge wie bei Alkohol noch in dieser Legislaturperiode einzuführen". Genau das ist beabsichtigt, doch wer sich mit dieser Materie ein wenig genauer befasst, wird erkennen, dass der Teufel bekanntlich im Detail steckt: welche Grenzmenge ist sinnvoll, ab wann wird die Verkehrstüchtigkeit tatsächlich beeinträchtigt? Welche Meßverfahren gibt es, sind sie zuverlässig? Wie sollen die Durchführungsbestimmungen für die Polizei und die Verkehrsbehörden aussehen?

Auch die Schweizer Drogenpolitik wird aufmerksam verfolgt und es gab Mitte Dezember auch einen Besuch der Drogenbeauftragten in der Schweiz und ausführliche Gespräche mit den dortigen Verantwortlichen. Die Ergebnisse sind in der PM Nr. 25 vom 19.Dezember 2001 dokumentiert!

Ein wichtiger Unterschied zur Leichtfertigkeit des VfD mit der Cannabisproblematik besteht allerdings darin, dass die Drogenbeauftragte zu Recht auf die Gruppe derjenigen Jugendlichen hinweist, die durch riskante Konsummuster auffallen, die durchaus eine psychische Cannabisabhängigkeit entwickeln, die einen Großteil ihrer Lebensperspektive dem Cannabiskonsum widmen und andere soziale und gesellschaftliche Aufgaben vernachlässigen. Hier gibt es eine gesundheitspolitische Verantwortung, für diese Gruppe auch Hilfen anzubieten und das Problem nicht zu ignorieren und zu bagatellisieren. Außerdem wächst die Gruppe derer, die neben Cannabis auch eine Menge anderer psychoaktiver Substanzen gemeinsam oder/und abwechselnd konsumieren. Auch gibt es eine gesundheitspolitische Handlungsnotwenigkeit der Intervention.

Und deshalb ist es auch richtig, eine Risikodebatte zu führen, die die Cannabisproblematik weder dämonisiert, aber auch nicht bagatellisiert.

Zur Heroingestützten Behandlung
Es ist keineswegs Selbstgefälligkeit, wenn zu Recht die abschließenden Unterschriften unter den Rahmenvertrag des Modells hervorgehoben werden, damit das Projekt in die Umsetzungsphase kommt. Dies ist nicht zuletzt ein Verdienst des persönlichen Einsatzes der Drogenbeauftragten gewesen. Es ist vor diesem Hintergrund geradezu unverschämt, wenn der VfD von "dreijährigen Missmanagement" spricht. Wer die vielen Detailprobleme bei der Umsetzung des Projektes miterlebt hat und den Willen aller Beteiligten, jede mögliche Klippe dennoch in gemeinsamer Anstrengung zu umschiffen, der ist zu Recht empört, wenn jetzt von besserwisserischen "Spezialisten" von außen flapsig ein derartiges Fehlurteil erteilt wird. Noch hanebüchener wird es allerdings, wenn der VfD unterstellt, dass "6000 weitere Drogentote bis zum Ende des Modellprojektes akzeptiert" würden. Das ist schon bösartig, denn auch dem VfD dürfte nicht entgangen sein, dass gerade über dieses Projekt die Öffentlichkeit sehr ausführlich informiert wurde und dass auch die Senkung der Drogentoten eine wichtige Zielsetzung der Drogenbeauftragten bleibt. Deshalb wurde Anfang 2001 eine Tagung organisiert, bei der praktisch alle an dieser Problematik tätigen Experten in Deutschland eingeladen waren, um Ursachen der Drogentodesfälle zu beraten und Möglichkeiten zu deren Reduzierung aufzuzeigen. Auch wenn eine heroin-gestützte Behandlung flächendeckend existierte, würde es aber immer noch Drogentodesfälle geben, die gibt es auch in der Schweiz. Aber das Projekt wird gerade auch deshalb vorangetrieben, um die Mortalität unter langjährigen Drogenabhängigen zu senken!

Zum Partydrogenkonsum
Einmal sei darauf hingewiesen, dass es keine "Empfehlung" der EMCDDA gibt für Drug-Cheking als Mittel der Schadensminimierung in der Technoszene. Die EMCDDA ist gar nicht berechtigt, "Empfehlungen" an die Mitgliedsstaaten zu geben, sondern von der EU geschaffen worden, um Daten und Informationen zum Drogengeschehen zu sammeln. Es ist richtig, dass die EMCDDA zu bestimmten Themen auch kleinere Forschungsaufträge vergibt und dass sie sich auf Grund dieser Informationen bemüht, in ihren Jahresberichten objektiv zu informieren, auch über die Möglichkeiten, Schadensminimierung durch Drug Checking als eine Möglichkeit der Präventionsarbeit in der Partydrogenszene. Gleichwohl weist die EMCDDA auch darauf hin - ähnlich wie bei der Einrichtung von Drogenkonsumräumen - , dass es auch in Europa unterschiedliche Einschätzungen gibt, ob solche Maßnahmen sinnvoll und notwendig sind. Auch auf dem von der BZgA durchgeführten Seminar zum Thema Prävention in der Partydrogenszene" wurde diese Thematik nicht einseitig "positiv" bewertet, sondern es gab eine ausführliche Darstellung und Diskussion über Vor- und Nachtteile dieser Präventionsmaßnahme. Es gab keine vom BMG in Auftrag gegebene Studie zum "Drug Checking", sondern es handelt sich hierbei um ein Konzept für die Einführung von "Drug Checking", das von verschiedenen Partydrogengruppen erstellt worden ist. Es stimmt nicht, "dass nur die Vertreter des BMG sich weigerten, "drug checking" wieder (?) einzuführen". Das BMG hält es allerdings für notwendig, solche Fragestellungen ausführlich mit allen Für und Wider zu diskutieren und in der Tat nicht die falsche Botschaft zu streuen, dass bestimmte Partydrogen wie z.B. Ecstasy etwa deshalb weniger riskant sind beim Konsum, wenn sie auf Inhaltsstoffe getestet sind. Auch in diesem Bereich ist eine Risikodiskussion in der Partydrogenszene notwendig.
Harm Reduction Maßnahmen müssen sich vielmehr der komplizierten Problematik stellen, dass sie Konsumentschlossene erreichen und gleichzeitig nicht den Konsum bagatellisieren. Zielsetzung bleibt die Reduzierung riskanter Konsummuster!

Zur Tabakpolitik
Interessant ist gerade bei der Tabakpolitik, dass der VfD sich hier für rigidere Maßnahmen wie in skandinavischen Staaten einsetzt (z.B. Durchsetzung eins Werbeverbots in Finnland) ohne zu erwähnen, dass diese rigide Politik auch gegenüber Alkohol und illegalen Drogen gilt! Dass die Drogenbeauftragte sich konsequent dafür einsetzt, dass Deutschland die Tabakprodukte- und werberichtilinien auch umsetzt, statt gegen sie zu klagen ist bekannt. Warum nicht auch gleichzeitige Gespräche mit Vertretern der Tabakindustrie geführt werden sollen, um deren Verantwortung für Präventionsmaßnahmen zu unterstreichen, kann der VfD nicht beantworten.

Die Behauptung, die Sucht- und Drogenpolitik der Bundesregierung und der Drogenbeauftragten sei ohne "klares Konzept", entbehrt jeder Grundlage. In der Pressemitteilung zur Jahrespressekonferenz am 18. Dezember 2001 der Drogenbeauftragten heisst es hierzu:

"Die neue Bundesregierung hatte sich in der Sucht- und Drogenpolitik vorgenommen, den Reformstau in einigen Bereichen aufzuheben, insbesondere was die Absicherung von Überlebenshilfen anbetrifft. Darüber hinaus sollte das Hilfesystem weiterentwickelt und die frühere einseitige Fixierung auf die illegalen Suchtmittel verändert werden. Die Ziele der Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung sind vor allem: den Beginn des Konsums zu verhindern oder herauszuzögern, hoch-riskante Konsummuster frühzeitig zu reduzieren, eine Abhängigkeit mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten von der Abstinenz - bis zur medikamenten-gestützten Therapie zu behandeln.


Unsere Drogenpolitik steht mittlerweile auf vier Säulen:
  • Prävention
  • Therapie
  • Überlebenshilfen
  • Angebotsreduzierung und Repression
In der ersten Phase der Tätigkeit der neuen Bundesregierung sind vor allem die Überlebenshilfen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gewesen, weil hier ein Reformstau behoben werden musste. Jetzt wird es darum gehen, die anderen drei Säulen der Drogen- und Suchtpolitik zu stärken."
(...)
"Langfristig müssen gemeinsame Zielsetzungen entwickelt werden zwischen Bund, Ländern und Verbänden: Wie sollen gesundheitliche und soziale Risiken von Suchtmitteln verringert werden? Welche Ziele sollen dafür festgelegt werden? Wie sollen sie erreicht werden? Der 1990 verabschiedete "Nationale Rauschgiftbekämpfungsplan" entspricht nicht mehr den aktuellen Erkenntnissen der Forschung und Praxis der Suchtkrankenhilfe und ist auch zu stark auf illegale Drogen ausgerichtet. Deshalb will ich im Frühjahr 2002 ein mit den Bundesressorts abgestimmtes "Eckpunktepapier für einen Aktionsplan Sucht und Drogen" vorlegen, das mit den Ländern und Verbänden abgestimmt werden soll. Es ist für mich klar, dass diese Eckpunkte folgende Überlegungen mit berücksichtigen müssen: die vier Säulen der Sucht- und Drogenpolitik müssen verankert werden; die Fixierung auf die illegalen Drogen muss aufgegeben und die legalen Suchtmittel einbezogen werden;
die europäische Entwicklung muss ebenso mit einbezogen werden wie die globale Entwicklung eines "ausgewogenen Ansatzes" zum Umgang mit Drogen- und Suchtproblemen.
Die Entwicklung eines solchen Aktionsplans wird im Mittelpunkt der Tätigkeit der Drogenbeauftragten im nächsten Jahr stehen."

Der Vorsitzende des VfD hat Anfang September 2001 am "Tag der offenen Tür" im Bundesministerium für Gesundheit ausführlich Gelegenheit gehabt, mit der Drogenbeauftragten persönlich über die Zielsetzungen der Sucht- und Drogenpolitik zu sprechen. Es ist deshalb um so unverständlicher, wenn er in der Pressemitteilung mit einer Reihe von Unterstellungen und Unwahrheiten versucht, den Reformwillen der Drogenbeauftragten in Frage zu stellen.


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