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Cannabisdebatte und die politischen Parteien: CSU
Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern, Dr. Günther Beckstein,
anläßlich einer Veranstaltung in Gröbenzell am 21. April 1998
<http://www.innenministerium.bayern.de/reden/drogenpolitik.htm>
Kommentare von cannabislegal.de sind in rot hervorgehoben.
"Positionen der bayerischen Drogenpolitik"
Immer wenn über den Mißbrauch von illegalen Drogen diskutiert
wird, wird dieses Problem von Kritikern einer konsequenten Drogenpolitik unter Hinweis auf
Alkohol, Schmerztabletten und Zigaretten
verniedlicht.
Der Vorwurf: Hunderttausende Alkohol- oder Tablettenabhängige werden ebensowenig von der
Polizei und der Justiz behelligt wie starke Raucher. Und: Im Vergleich etwa zum
Alkoholproblem sei das Drogenproblem eher zu vernachlässigen.
Doch: Eine solche Argumentation geht am
eigentlichen Problem vorbei.
Die Argumentation der CSU geht am Problem vorbei. Verbote, deren Begründung nicht vernunftmässig nachvollziehbar ist weil sie nicht nach konsisten Kriterien vorgenommen werden, lassen sich erfahrungsgemäss nicht durchsetzen. Der Staat beraubt sich mit dem Verbot einer weniger gefährlichen Substanz bei gleichzeitiger Legalität gefährlicherer Substanzen der Glaubwürdigkeit ohne die eine erfolgreiche Drogenprävention nicht möglich ist.
Es ist richtig: Alkoholismus oder der
übermäßige Genuß von Nikotin sind ernstzunehmende Suchterscheinungen, sie können
Menschen auf Dauer ebenso zugrunde richten wie Heroin oder Ecstasy.
Es ist auch richtig: Aufgabe des Staates
muß es sein, gefährliche Suchtfelder wie den Alkoholismus einzudämmen und vor den
Gefahren von Alkohol oder Nikotin zu warnen und über die gesundheitlichen Folgen
aufzuklären.
Tatsache ist jedoch: Es gibt keine Gesellschaft ohne
Suchtmittel. Genuß- und Suchtmittel haben in der Regel einen kulturellen Hintergrund, und
ihr Gebrauch ist langfristig historisch gewachsen; in westlichen Ländern
sind dies der Alkohol- und Zigarettenkonsum, in arabischen und
östlichen Gesellschaften ist es der Genuß von Opiaten. Deshalb ist
klar: Ein Verbot sogenannter "legaler Drogen" ließe sich nicht durchsetzen.
Vielmehr müssen wir den verantwortungsbewußten Umgang mit gesellschaftlich
etablierten Genuß- und Suchtmittel lernen und versuchen, dem Mißbrauch entgegenzuwirken,
vor allem dann, wenn auch unbeteiligte oder unmündige Menschen gefährdet sind, wie
beispielsweise bei Alkohol am Steuer oder der Alkohol- und Zigarettengenuß durch
Jugendliche.
Auch Tabak und Kaffee waren in Deutschland jahrzehntelang illegale Drogen, bis sich ihr Gebrauch auch beim deutschen Adel durchsetzte. Der Massenkonsum von Cannabis ist nun schon seit Jahrzehnten Teil der Kultur mit der bereits die Mehrzahl der heute lebenden Deutschen aufgewachsen sind. Jahrzehnte der Strafverfolgung haben daran nichts ändern können. Ein Cannabisverbot ist genausowenig durchsetzbar wie die Alkoholprohibition in den USA nach dem ersten Weltkrieg. Daher müssen wir den Konsumenten helfen, den verantwortungsbewußten Umgang mit dem gesellschaftlich etablierten Genuß- und Suchtmittel Cannabis zu lernen und versuchen, dem Mißbrauch entgegenzuwirken, vor allem dann, wenn auch unbeteiligte oder unmündige Menschen gefährdet sind, wie beispielsweise bei Cannabis am Steuer oder der Cannabisgebrauch durch Jugendliche.
Beispiel: "Aktion Punktnüchternheit"
des Sozialministeriums; d.h. kein Alkohol in risikobehafteten Situationen wie
beispielsweise:
Fazit:
Es ist Aufgabe der Gesellschaft, den
verantwortungsvollen Genuß von legalen Suchtmitteln zu kultivieren. Aufgabe
des Staates ist die Eindämmung des Mißbrauchs legaler Rauschmittel
und gleichzeitig die konsequente Bekämpfung illegaler Suchtfelder.
Keine Gesellschaft kann sich ständig neue Suchtfelder nebeneinander leisten. Gerade der
Alkoholmißbrauch zeigt, daß der Alkohol uns bereits mehr als genug Probleme bereitet. Die
Legalisierung illegaler Drogen würde unsere Gesellschaft überfordern.
Das Verbot verhindert den Konsum nicht, das zeigen 6-8 Millionen Cannabiserfahrene und 2,4 Millionen derzeitige Konsumenten nach 42 Jahre Cannabisverbot in Deutschland. Das Verbot macht aber den Missbrauch wahrscheinlicher weil es die soziale und gesetzliche Kontrollmachanismen aushebelt, indem z.B. im Schwarzmarkt alle Jugendschutzbestimmungen ignoriert werden. Gerade weil auch bei Cannabis Missbrauch möglich ist brauchen wir ein wirksames System der Kontrolle. Ein Schwarzmarkt ist der unkontrollierteste Markt den es gibt.
Eine schematische Gleichbehandlung von Alkohol und illegalen Drogen geht schon deshalb
fehl, weil mit Alkohol ein verantwortungsvoller Genuß möglich ist, während die illegale
Droge nicht dem Genuß dient, sondern ausschließlich gezielt zur Erzeugung von
Rauscherlebnissen eingesetzt wird.
Zahlreichen Studien zeigen das die grosse Mehrheit der Cannabiskonsumenten verantwortungsbewusst mit dieser Droge umgehen. Laut einer Studie fuer den damaligen Bundesgesundheitsminister und Parteikollegen von Dr Beckstein, Horst Seehofer, sind nur 2 Prozent der untersuchten Cannabiskonsumenten die ausser Cannabis noch keine anderen illegalen Drogen konsumiert haben, psychisch abhängig. Im Vergleich dazu, bei Alkohol gelten etwa 15 Prozent der Konsumenten entweder als Problemtrinker oder Alkoholiker. Das Bundesverfassungsgericht stufte das Abhängigkeitspotenzial von Cannabis als "sehr gering" ein. Es wäre absurd zu behaupten, jeder der ab und zu ein Bier trinkt wäre Alkoholiker. Noch absurder ist diese Gleichsetzung bei Cannabis. 1998 kamen auf 2,4 Millionen Konsumenten ganze 113 Personen die sich wegen Cannabisproblemen eine stationaere Therapie mitmachten. Bei Alkohol war der Anteil stationaer Therapierter etwa 12-mal höher.
Unsere Prämissen lauten deshalb:
1. Konsequente Bekämpfung der Drogenkriminalität
2. Schutz der Nicht-Süchtigen
3. Hilfe für die Süchtigen
Die bayerische Drogenpolitik ignoriert die grosse Mehrheit der illegalen Drogenkonsumenten. Etwa 80 Prozent der illegalen Drogenkonsumenten konsumieren nur Cannabis das keine Sucht verursacht. Der Anteil der Cannabiskonsumenten die psychisch abhängig ist geringer als der Anteil Alkoholkonsumenten die Problemtrinker sind. Damit werden drei Viertel aller illegalen Drogenkonsumenten in dieser Betrachtung ignoriert. Obwohl die Hälfte aller zur Anzeige gebrachten Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz nur auf Cannabis entfallen bezieht sich Dr Beckstein hier fast nur auf Probleme im Zusammenhang mit harten Drogen.
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I. Grundsätzliche
Positionen
Der Grundsatz bayerischer Drogenpolitik aus der
Sicht des Innenministeriums:
Keine Liberalisierung - Keine
Legalisierung
Sondern:
Ganzheitlicher Ansatz, der auf 3 Säulen
aufbaut:
Prävention - Repression -
Therapie.
Keine Toleranz gegenüber Drogenmißbrauch und
Drogenhandel! Verhinderung des einfachen Zugriffs auf Drogen.
Drogen gibt es in jedem Supermarkt und jedem Zigarettenautomaten, ohne Alterskontrolle. Einen einfacheren Zugriff gibt es nicht. Die Suchtstoffe Alkohol und Nikotin werden in dieser Betrachtungsweise aber konsequent ignoriert, genauso wie die Schäden durch die Kriminalisierung der Konsumenten und die Förderung des Schwarzmarktes.
Gleichzeitig gilt aber:
Wir lassen auch diejenigen, die Hilfe aus der Sucht
suchen, nicht allein.
Konkret heißt das: |
1. In
Bayern wird es keine offenen Drogenszenen geben!
Konsequentes Hinschauen unserer Polizei
Vorgehen gegen den sogenannten
"Ameisenhandel" und gegen Drogenbosse gleichermaßen ("Bayerische
Zange").
Auch in Bayern wird nur ein Bruchteil der illegal im Umlauf befindlichen Drogen beschlagnahmt. Die Polizeimassnahmen belasten zwar den bayerischen Steuerzahler, schaffen aber den Drogenbossen nur die weniger gut organisierten Konkurrenten vom Hals und machen damit den Handel erst richtig profitabel. Damit macht sich die bayerische Polizei ungewollt zum Handlanger der Drogenmafia.
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2. Es wird in Bayern kein Haschisch in Apotheken verkauft werden!
Plan Schleswig-Holsteins, Haschisch an
Konsumenten ab 16 Jahren straffrei in allen Apotheken auch noch
preisgünstig (!) verkaufen zu lassen, erst durch die zuständigen Bundesbehörden
gestoppt.
Politisch Verantwortliche ignorierten
massive Proteste der Elterninitiativen
Proteste der schleswig-holsteinischen
Landesapothekenkammer
UNO-Drogenkontrollrat
Deutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren
Entgegen der Darstellung Dr Becksteins war geplant, die Abgabepreise geringfügig über den Schwarzmarktpreisen anzusetzen, um einen Wiederverkauf an Minderjährige unwirtschaftlich zu machen. Das Apothekenmodell scheiterte vor allem an der nicht erteilten Genehmigung durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte deren Zustimmung derzeit nach dem BtMG erforderlich ist. Eine Abgabe ist nach deutschem Recht zulässig wenn sie im öffentlichen Interesse ist. Da das Apothekenmodell dem kriminellen Schwarzmarkt die Existenzgrundlage entzogen hätte, die Gesundheitsgefährdung der Cannabiskonsumenten durch mit Streckmitteln verunreinigte Cannabisprodukte beendet hätte sowie beträchtliche Staatseinnehmen ermöglicht hätte kann ein öffentliches Interesse durchaus begründet werden. Die einizgen Nutzniesser einer Ablehnung des Apothekenmodells sind die illegalen Drogenhändler.
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3. Wir werden sogenannte "Fixerstuben" nicht dulden!
Im folgenden geht es um Fixerstuben und Heroinverschreibung, zwei pragmatische Hilfsangebote für Heroinabhängige. Diese Problematik mit Cannabis nichts zu tun hat, wir werden daher nur kurz darauf eingehen.
Es ist eine Tatsache dass Fixerstuben das Risiko von tödlichen Überdosen drastisch reduzieren. Nach einer versehentlichen Fehldosierung von Heroin verabreichte Gegenmittel könnten zahlreiche Leben retten, wenn der Konsum aus Angst vor Strafverfolgung nicht so oft an isolierten Orten (allein zu Hause, öffentliche Toiletten, usw.) erfolgen würde. Wegen der guten Erfahrungen mit Fixerstuben unterstützt auch die Frankfurter CDU diese Einrichtungen.
Niemand ausser der CSU stellt Fixerstuben als Lösung des Heroinproblems dar. Es handelt sich lediglich um einen pragmatischen, ideologiefreien Schritt zur Überlebenshilfe.
Fixerstuben sind, genauso wie Spritzentauschprojekte, eine Anlaufstelle für Heroinabhängige über die sie mit Therapieangeboten in Berührung kommen. Solange aber wegen der enormen Kosten für Strafverfolgung keine ausreichenden Mittel für Drogentherapieplätze vorhanden sind wird sich das Heroinproblem nicht lösen lassen.
Die Verelendung von Heroinabhängigen ist in Bayern genauso Realität wie in der Schweiz. Je härter die Strafverfolgung desto teurer ist das Heroin. Je teurer das Heroin desto schneller verelenden die abhängig gewordenen Konsumenten. Sie wechseln vom Schnupfen oder Rauchen zur Spritze, prostituieren sich oder begehen Verbrechen um den Geldbedarf zu decken. So ist es kein Wunder dass in Deutschland die Heroinsterblichkeit etwa viermal höher ist als in den Niederlanden wo Heroin relativ billig ist.
Die Schweizer Heroinverschreibung ist eine tragbare Alternative zur Methadonverschreibung für einen bestimmten Konsumentenkreis. Die Ergebnisse sind durchwegs positiv. Das Verschreibungsprojekt wird in der Schweiz von einer breiten Koalition und der Bevölkerungsmehrheit unterstützt.
In solchen Räumen sollen sich schwer
Heroinsüchtige unter hygienischen Bedingungen den illegal
erworbenen Stoff spritzen dürfen; dies ist grotesk: Heroin
macht Menschen abhängig und tötet sie - hygienisch sauber
oder nicht.
Status solcher "Gesundheitsräume"?
* Sind sie "sicher" vor dem Zugriff der
Polizei, also rechtsfrei?
* Gibt es dann zwei Klassen von Heroinabhängigen?
Die, die strafrechtlich verfolgt werden und die anderen?
Antwort ist eindeutig: solche Räume erfüllen
eindeutigen Straftatbestand (§ 29, Abs. 1 Nr. 10 BtMG).
Fazit:
Wer von Fixerstuben die Lösung
eines Suchtproblems erwartet, sitzt einem fatalen Trugschluß
auf; der Stoff, mit dem Süchtige in Fixerstuben gehen, muß zwangsläufig
von einem illegalen Markt stammen, es sei denn, er würde in
den Stuben gratis angeboten; d.h.:
Fixerstuben keine Problemlösung, sondern eine Problemverlagerung;
Fixerstuben als Anziehungspunkte für
Kriminelle, Süchtige und Verführbare;
Sucht wird erleichtert
und unterstützt;
Schritt zur Therapie erschwert.
Aufgabe des Staates aber:
Nichtsüchtige schützen, Süchtigen helfen. |
4. Es
wird in Bayern kein Heroin auf Krankenschein geben!
Sogenanntes "Züricher Modell"
als Argument für die staatlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige für
Bayern untauglich.
Zürich ("Platzspitz" und
"Bahnhof Letten" behördlich geduldete offene Drogenszenen) in den 80er und 90er
Jahren El Dorado der Drogensüchtigen:
* Offener Drogenhandel
* massenhafte Vorbereitung und Setzen der Spritzen in
der Öffentlichkeit
* Offene Prostitution
* Offene Gewalt
* Tausende Herumlungernde, zum Teil offenkundig im
Drogenrausch
* Apathisch herumliegende, völlig verelendete junge
Menschen
* Verwahrlosung ganzer Stadtviertel; unerträgliche
Situation für Anwohner, ja sogar für Kinder in den angrenzenden Schulen
* "Push and Pulleffekt"; Anziehung auch
Süchtiger aus anderen Städten
* Hohe Kriminalitätsbelastung bis hin zu
Tötungsdelikten am hellichten Tag.
Aus diesem Grund:
Politik in der Schweiz stand mit dem Rücken zur
Wand; Drohung einer Bürgerinitiative, notfalls selbst und unter Anwendung von Gewalt die
untragbare Situation zu beseitigen. Erst dann handelte die Kommune Zürich
und die ihr unterstehende kommunale Polizei.
Letztes Mittel: staatlich kontrollierte Abgabe von
Heroin an Schwerstabhängige unter ärztlicher Aufsicht in 18 Behandlungsstellen;
nur so war eine Situation in den Griff zu bekommen, die erst
aufgrund falscher liberaler Drogenpolitik (Duldung offener Drogenszenen) entstanden
war; deshalb auch verständlich, daß Schweizer die alten Zustände nicht mehr wünschten
und in Volksabstimmung für Modell votierten.
* Von den mehr als 1.100 Teilnehmern
haben nur weniger als 10 % eine Abstinenztherapie
begonnen;
* Abbruchquote: mehr als 30 %.
* Nur 3,8 % der in der Schweiz
(behördlich) vermuteten Drogenabhängigen wurden in das Programm
aufgenommen. Insoweit sind die sogenannten "Projekterfolge mit Blickrichtung
Beschaffungskriminalität" oder - wie international diskutiert -
Händlerstrategien vollkommen unbeachtlich, da sich mehr als 95 % der
Drogenabhängigen weiterhin auf dem illegalen Markt versorgen.
Fazit:
Erst das unverantwortliche Experiment
"Offene Drogenszene" führt zur Notwendigkeit von diesen Maßnahmen.
Deshalb: Sogenanntes "Züricher Modell"
auf Bayern nicht übertragbar; Zustände wie am Platzspitz und am Letten
wird es durch unsere verantwortungsvolle Drogenpolitik nie geben!
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II. Drei-Säulen-Politik
in Bayern
Gegen Fixerstuben und Haschisch aus der Apotheke setzt
bayerische Drogenpolitik auf 3 Säulen:
Prävention - Repression -
Therapie.
Verfolgt damit einen ganzheitlichen Ansatz;
2 dieser Säulen im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums:
Repression
Polizeiliche Prävention
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1. Statistisches
Material (in Auszügen)
a)
Entwicklung in Bayern allgemein:
Die registrierte RG-Kriminalität stieg
1997 um 9,0 % auf insgesamt 30.685 Straftaten (1996:
28.143 Fälle); registrierte Zahl der TV stieg um 8,3 %
Anteil nichtdeutscher TV betrug 24,6 %;
nichtdeutsche TV: 6.392 (+ 10,7 %)
Anteil an Gesamtkriminalität: 4,4 %
Erklärungsansätze sind vielschichtig:
* Kontrolldelikt
* polizeiliche Bekämpfungsmaßnahmen und
das konsequente Vorgehen in Bayern gegen den sogenannten
"Ameisenhandel" hellen das Dunkelfeld weiter auf
* fehlendes Unrechtsbewußtsein in den
jüngeren Altersgruppen, welches nicht zuletzt durch die öffentlich ausgetragene Liberalisierungsdiskussionen
negativ beeinflußt wird (Fehlinterpretation des Haschisch-Urteils des BVerfG)
Bedeutsamer Anstieg bei Heroin -
bei allgemeinen Verstößen, z.B. Konsum und Besitz (+ 20,4 %) und bei Handel
(+ 34,0 %).
Fast 5 %-Steigerung der Fallzahlen
bei Amphetaminen und Amphetaminderivaten (Ecstasy)
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b) Rauschgifttote
Angesichts der andauernden
Liberalisierungsdiskussionen ist klar festzustellen:
Die Drogenpolitik ist kein
Experimentierfeld!
Hier geht es um Menschenleben, um menschliches
Elend und unermeßliches Leid!
Im vergangenen Jahr hat in Bayern die Zahl der Drogentoten
um 15,4 % abgenommen. Mit 220 Rauschgifttodesfällen
stellt dies die günstigste Bilanz seit 1991 mit ebenfalls 220 Drogentoten dar. Es
verbietet sich jedoch, angesichts von mehr als 200 RG-Toten von einer
"günstigen" Bilanz zu sprechen.
Die Drogenprohibition ist ein einziges, grosses Experiment in dem es nur zu oft um Menschenleben geht. Auf einem Drogenschwarzmarkt weiss letztlich niemand was er kauft und wie es genau wirkt. Durch das Verbot der relativ harmlosen Droge Cannabis beraubt sich der Staat der Glaubwürdigkeit, was dazu führt dass Warnungen vor härteren Drogen oft auch nicht ernstgenommen werden. Damit fördert der Staat indirekt das Experimentieren mit riskanten Stoffen. Wenn Bayern endlich die Anzahl der Drogentoten durch Heroin reduzieren will dann muss es zuerst auf eine realistischere und glaubwürdigere Politik bei Cannabis setzen.
Doch können vor dieser langfristig positiven
Entwicklung auch Kritiker ihre Augen nicht länger verschließen, die uns
immer wieder vorwerfen, daß wir in Bayern angeblich die armen Suchtkranken mit
Strafverfolgung überziehen. Wir dürfen nicht vergessen, daß ein Teil davon auch als
Drogenhändler tätig ist und nicht selten andere in die Sucht zieht. |
c) Organisierte
Kriminalität
Rauschgiftkriminalität ist nach wie vor wesentliches
Deliktsfeld der Organisierten Kriminalität
Bei 10 bayerischen OK-Verfahren im
Jahr 1997 stand der Rauschgifthandel im Mittelpunkt.
Beispiele (aus OK-Lage Bayern 1997):
Festnahme von 3 türkischen
Staatsangehörigen in Bayreuth; Sicherstellung von 22 kg
Heroin.
Täter hatten in Bayreuth Textilimportfirma,
in Istanbul Textilexportfirma gegründet.
Neben Textilien wurde auch Heroin befördert.
Polizeiliche Ermittlungen führten zu Aufdeckung der
Schmuggelfahrt und Sicherstellung des Heroins zwischen legaler Fracht.
Zwischenzeitlich sitzt ein weiterer Hintermann dieser
Gruppierung in Rumänien in Auslieferungshaft.
Zerschlagung einer Gruppierung von Kosovo-Albanern
im schwäbischen Bereich.
Insgesamt 24 Täter nach intensiven
Ermittlungen festgenommen, 21 sitzen in U-Haft. Täter schmuggelten Heroin aus
Tschechien nach Bayern und verteilten es über Vertriebsnetz in ganz
Süddeutschland. Handel von 100 kg Heroin nachgewiesen, 2 kg Heroin
sichergestellt.
2 Haupttäter inzwischen zu Freiheitsstrafen von 9
und 7 Jahren verurteilt. |
2. Repression
* enge Zusammenarbeit mit chemischer und
pharmazeutischer Industrie
* Grundstoffüberwachungsgesetz
* derzeit Arbeit an einer neuen Arbeitsdatei
Rauschgift (ADR-neu)
* seit Januar 1993 beim BLKA Sachgebiet
"Geldwäsche" installiert
* seit 1. Oktober 1997 Gemeinsame
Finanzermittlungsgruppe von Polizei und Zoll (GFG)
* verdachts- und ereignisunabhängige
Personenkontrollen im Grenzgebiet und auf überregionalen Verkehrswegen
* Fahndungs- und Kontrollgruppen
* Bayerische Schleierfahndung ein effektiver Ansatz
auch zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität.
* So konnten im September 1996 10 kg Heroin
und im Oktober 1996 7,6 kg Heroin an überörtlichen Verkehrsrouten in
Bayern sichergestellt werden.
* Auch der Aufgriff von vier schwer
bewaffneten Männern aus dem ehemaligen Jugoslawien am 24. Januar 1998 in
Simbach/Inn zeigt, wie wirkungsvoll die neue Fahndungstaktik tatsächlich ist. Die
festgenommenen Personen hatten teilweise gefälschte Papiere bei sich, im
Fahrzeug waren 120 Gramm Kokain und folgende Waffen
versteckt:
1 schußbereite Maschinenpistole mit
Schalldämpfer
3 Pistolen, davon 1 mit Ziellaser,
5 gefüllte Magazine und zusätzlich
73 Schuß Munition
Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität durch
internationale Zusammenarbeit
Gerade bei internationalen Deliktsformen wie der
Rauschgiftkriminalität muß auch der Bekämpfungsansatz international sein. Ein
bedeutendes Beispiel hierfür:
Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Rauschmittelhandels
(AG Südost), bei der bayerisches LKA Geschäftsführung hat. Alle an der sogenannten
"Balkan-Route" - dem Haupttransportweg für Heroin aus Asien nach Westeuropa -
gelegenen Staaten arbeiten hier eng und konstruktiv zusammen. Ziel der AG Südost:
Intensivierung der Zusammenarbeit der Rauschgiftdienststellen, um durch möglichst
engmaschig geknüpftes Netz Rauschgifttransporte frühzeitig zu
erkennen.
Erfolg: Sicherstellungen in den
Mitgliedsländern der AG Süd-Ost 1997:
* 6,9 Tonnen Heroin
* 5,5 Tonnen Haschisch
* 3,3 Tonnen Cannabiskraut
* 1,6 Tonnen Rohopium
* 0,5 Tonnen Kokain
Allein in Bayern wurden 1997 wahrscheinlich zwischen 20 und 40 Tonnen Cannabis konsumiert. Die aufgedeckten Mengen sind nur die Spitze des Eisberges die an der Profitabilität des Geschäfts nichts ändern, obwohl sie den Steuerzahler enorme Summen kosten.
- Unterstützung nationaler Ermittlungen durch
die Tätigkeit von Europol.
Aus unserer Sicht ist eine Zusammenführung
nationaler Erkenntnisse und zentrale Auswertung unverzichtbar. Hier leistet
Europol, genauer gesagt die Vorläuferorganisation zur Bekämpfung der
Rauschgiftkriminalität - EDU (European Drug Unit) -
bereits wertvolle Dienste.
* personelle Verstärkung der
RG-Dienststellen; Intensivierung der Einbeziehung der Schutzpolizei in die
Bekämpfungsmaßnahmen
* hohe Kontrollintensität (Razzien,
Polizeipräsenz an Brennpunkten)
* erhöhtes Entdeckungsrisiko; damit
Verunsicherung der Szene; Verhinderung offener Drogenszenen
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3. Polizeiliche Prävention
Besonders problematisch: Drogenkriminalität
von Jugendlichen und Heranwachsenden; bei jugendlichen TV hat sich zudem die anfängliche
Subkulturdroge Ecstasy etabliert.
Weitere Verbreitung der "Ecstasy-Welle"
muß mit aller Macht verhindert werden. Allein in Bayern bis zur Jahreswende
im Zusammenhang mit dem Konsum dieser Droge 11 Tote.
Das belegt eindeutig: Ecstasy ist kein Fitmacher,
sondern ein Killer!
Die meisten Todesfälle im Zusammenhang mit Ecstasy wären durch bessere Aufklärung der Konsumenten vermeidbar (z.B. über den Wasserbedarf beim Konsum dieser Droge). Allein in Bayern sterben pro Jahr 14.000 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum sowie 6.000 Menschen an den Folgen von Alkoholmissbrauch. Wir wollen die synthetische Droge Ecstasy bestimmt nicht verharmlosen, aber beim Vergleich dieser Zahlen kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass die bayerische Staatsregierung den Blick für die dringendsten Prioritäten verloren hat.
Hinzu kommt, daß sich durch die hohe
Mobilität der "Techno-Szene" ein zusätzliches Problem ergibt:
die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluß.
Jetzt: immerhin Gesetzesbeschluß, daß dies nun Bußgeld-Tatbestand
ist (tritt in Kürze in Kraft).
Deshalb: verstärkte Anstrengungen vor allem bei
Prävention in dieser Altersgruppe
Beispiele für konkrete
Präventionsarbeit:
Polizei mittlerweile landesweit in Suchtarbeitskreise
integriert; Ziel: Erarbeitung gemeinsamer Präventionsmaßnahmen; Koordination, Umsetzung
1997 bayernweit bei Vorträgen und Aktionen
rund 95.000 Zuhörer erreicht (Multiplikatoren);
gezielte "Werbemaßnahmen"
für ein suchtfreies Leben (bei Sportwettkämpfen, Workshops, Aktionstagen)
Gerade der Sport ist als Werbeträger für Anti-Suchtkampagnen denkbar ungeeignet, was nicht erst durch die Affäre Daum und zahlreiche Dopingskandale deutlich geworden ist. Auch die Verknüpfung von Profifussball und Alkoholwerbung sowie der Alkoholmissbrauch in Sportvereinen stellen die Glaubwürdigkeit solcher Aktionen von Vorneherein in Frage. Studien in der Schweiz und in Deutschland haben ergeben, dass Sport nicht zu weniger Drogenkonsum führt:
SFA: Schützt Sport vor Drogen?
Ärztezeitung: Sportvereine verhindern Drogenkonsum nicht
[27.03.2001]
Auch die Verwendung der Polizei zur Suchtprävention ist problematisch da ihr die nötige Unabhängigkeit fehlt: Polizeibeamte sind in jedem Fall verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen in denen ihnen Hinweise auf Drogenbesitz zu Ohren kommen. Das erschwert von vorneherein eine offene Auseinandersetzung. Auch fehlt ihnen oft das nötige Sachverständnis. Ärzte, Psychologen oder Sozialarbeiter sind für diese Aufgaben besser geschult und wirken auf Jugendliche glaubwürdiger da es ihnen nur um die tatsächlichen Auswirkungen von Drogen geht und nicht um ihren gesetzlichen Status.
Beispielhaft:
* Rosenheimer Anti-Drogen-Modell
* Aktion des PP Oberfranken "Unsere
Stadt - Gemeinsam gegen Drogen"
* Suchtpräventionsaktion der PD Fürstenfeldbruck mit
Plakatwettbewerb, Wanderausstellung und einem Aktionstag, an dem rund 800 Schüler
aus vier Landkreisen teilnahmen.
Plakate sind heute hier ausgestellt.
Ich möchte Gelegenheit nutzen, mich nochmals ganz herzlich für das Engagement
aller Beteiligten zu bedanken.
Fazit:
Polizeiliche Präventionsarbeit erfährt große
Resonanz; Angebotspalette wird ständig erweitert.
ABER:
Jede Prävention läuft ins Leere, wenn gleichzeitig in
der Öffentlichkeit über Legalisierung bzw. Liberalisierung von Drogen diskutiert wird.
Daher: Wir brauchen einen gesellschaftlichen
Konsens für eine einheitliche Drogenpolitik.
In diesem Zusammenhang ist die Zustimmung
des Bundeskabinetts zu den vom Bundesrat beschlossenen Änderungen im
Betäubungsmittelrecht im Januar 1998 zu begrüßen:
Gerade Bayern hat sich vehement dafür eingesetzt, daß
die Substitution mit Codein strengen Regularien unterworfen wird. Jetzt:
neue Rechtslage (verschreibungspflichtig nach BtMG).
Produktion und Vertrieb neuer Designerdrogen
wird verboten;
Aufnahme des Cannabissamens in das
BtMG, sofern dieser dem unerlaubten Anbau dienen soll.
Die Bayerische Staatsregierung wird sich
auch künftig mit allem Nachdruck jeglichen Entkriminalisierungs- und
Liberalisierungsvorschlägen widersetzen!
Es ist allerhöchste Zeit, daß sich alle
Verantwortlichen darüber bewußt werden, daß nur mit einem
gesamtgesellschaftlichen Grundkonsens das Drogenproblem eingedämmt werden kann.
Dabei darf die Meinung unserer Bürgerinnen und
Bürger nicht außer Acht gelassen werden. Die Toleranz gegenüber illegalen
Drogen ist keineswegs so hoch, wie uns mache "Experten" glauben machen wollen.
Mit Blick auf die öffentlichkeitswirksamen
Diskussionen in der jüngeren Vergangenheit sollten sich alle darum
bemühen, endlich auf den richtigen Weg zurückzukehren.
Die bayerische Staatsregierung hat verschlafen dass der "gesellschaftliche Grundkonsens" zu Drogen in Deutschland bereits vor über 3 Jahrzehnten zerbrochen ist. 1996 hat selbst das Bundesverfassungsgericht festgestellt dass kein Konsens mehr zu der Frage besteht ob Strafverfolgung oder Entkriminaliserung das geeignetere Modell ist um Schäden durch Drogenmissbrauch zu minimieren. Während die bayerische Staatsregierung unterstellt, die Legalisierungsdiskussion komme einer Drogenverharmlosung gleich und wie in einem Polizeistaat gleichschaltete Meinungen fordert, ist nicht mehr von der Hand zu weisen dass das Hauptproblem bei heutigen Präventionsversuchen die mangelnde Glaubwürdigkeit des Staates ist. Die unangemessen harten gesetzlichen Bestimmungen zu Cannabis sind eine der wichgtigsten Ursachen dafür. Die Ablehnung einer ehrlichen, sachlichen Debatte über eine Liberalisierung wird kaum zur Verbesserung der staatlichen Glaubwürdigkeit beitragen.
Die bayerische Staatsregierung macht sich hier nicht die Mühe, auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht inhaltlich einzugehen. Herr Beckstein nennt keine Fakten zu Cannabis ausser den Polizeistatistiken. Die bayerische Staatsregierung hat keine stichhaltigen Argumente für die Fortsetzung der Kriminalisierung Hunderttausender von bayerischen Cannabiskonsumenten. Sie liefert sich nur noch Rückzugsgefechte. Die Frage einer Cannabisreform wird auf Bundesebene entschieden werden, ob es Herrn Beckstein passt oder nicht.
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