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CannabisLegalNews (Nummer 165, 16.07.2004)

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INHALT

1. Karlsruhe nimmt Vorlagebeschluss nicht an
2. Bernau: 100 Euro Geldstrafe
3. Neue Drogenbeauftragte in Baden-Württemberg
4. USA: Tommy Chong aus der Haft entlassen
5. Philippinen: 37 Jahre für Drogenbesitz
6. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik


1. Karlsruhe nimmt Vorlagebeschluss nicht an
http://www.cannabislegal.de/cln/cln165.htm#1

Das Bundesverfassungsgericht hat den vor zwei Jahren vom Amtsgericht Bernau geschriebenen Vorlagebeschluss zum Cannabisverbot nicht zur Entscheidung angenommen (AZ. 2 BvL 8/02). Damit bleibt das Cannabisverbot im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in seiner gegenwärtigen Form vorerst erhalten.

Das eigentlich Überraschende an der Entscheidung war nicht ihr Ausgang; hier gab es unterschiedliche Erwartungen. Der Zeitpunkt der Entscheidung war es, der alle überraschte, die den Vorlagebeschluss verfolgt hatten. Für einen am 26.06.2004 veröffentlichten Telepolis-Artikel (siehe CLN#163, 04.07.2004 ) kontaktierte noch dessen Autor das Gericht um festzustellen, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei. "Aufgrund der Arbeitsbelastung durch früher eingegangene Verfahren ist derzeit allerdings noch kein Entscheidungstermin über die Bernauer Vorlage absehbar, wie ein Sprecher des Gerichts Telepolis mitteilte," hiess es im Artikel. Jedenfalls stand ganze drei Tage nach Veröffentlichung des Telepolis-Artikels der Karlsruher Beschluss bereits fest. Er fiel in genau Woche, in der der Spiegel-Titel zur "Seuche Cannabis" (siehe CLN#163, 04.07.2004 ) und viele weitere Presseberichte dazu die Runden machten.

Das Amtsgericht Bernau hatte seine Zweifel an der Verfassungsmässigkeit des Verbots massgeblich mit der unterschiedlichen Rechtspraxis in den verschiedenen Bundesländern begründet. Darauf ging das höchste deutsche Gericht nur am Rande ein: "Die Darlegungen des Amtsgerichts zu der uneinheitlichen Einstellungspraxis der Strafverfolgungsbehörden sind in sich widersprüchlich und daher nicht geeignet, die gesetzliche Konzeption in Zweifel zu ziehen," war alles, was das Bundesverfassungsgericht dazu zu sagen hatte.

Wie 1994 entschied das Gericht, das Cannabisverbot an sich verstosse nicht gegen das Übermassverbot des Grundgesetzes, weil es bei geringer Schuld keine Bestrafung vorschreibt, sondern u.a. durch den 1992 eingeführten §31a BtMG eine Verfahrenseinstellung ermöglicht. Die Richter verpflichteten den Gesetzgeber damals, eine "im wesentlichen einheitliche" Rechtspraxis bei dessen Anwendung sicherzustellen. Entsprechende Verhandlungen zur Festlegung einheitlicher Einstellungskriterien im Jahre 1994 blieben ohne Ergebnis. Als dann 1997 eine Studie im Auftrag der Bundesregierung Daten aus den Jahren 1994/1995 auswertete, bestätigte sie "gravierende Unterschiede bei der Handhabung des §31a BtMG in den einzelnen Ländern" (Aulinger-Studie).

Entgegen unseren Erwartungen wartete das Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss nicht eine vor zwei Jahren vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene Studie des Max-Planck-Instituts (MPI) zur Rechtspraxis bei geringen Mengen Cannabis ab, die bis Ende dieses Jahres veröffentlicht werden wird. Die MPI-Studie wird endlich Daten liefern, die neuer sind als die mittlerweile 9 bis 10 Jahre alten Zahlen aus der Aulinger-Studie. Im Herbst 2002 beschlossen die Justizminister der Bundesländer, auf die MPI-Studie zu warten, bevor sie erneut über eine Angleichung der Definition der geringen Menge sprechen wollen. Nachdem das Karlsruher Gericht bis Ende 2003 keine Entscheidung gefällt hatte, war zu erwarten, dass es für eine Entscheidung auf die aktuellen Zahlen aus der MPI-Studie dieses Jahr warten würde. Dem war nicht so. Über die Gründe kann man nur mutmassen.

Sollte die MPI-Studie die Existenz von gravierenden Unterschieden bei der Rechtspraxis zwischen verschiedenen Bundesländern bestätigen, dann wird das die bestehende Rechtslage erneut in Frage stellen. Die Studie untersucht auch mögliche Auswirkungen der Einstellungspraxis auf Konsumverbreitung und Konsummuster. Wenn eine repressivere Rechtspraxis keine niedrigere Konsumprävalenz bewirkt als eine liberale Rechtspraxis, ist eine repressive Rechtspraxis offensichtlich kein geeignetes Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks. Damit in Grundrechte eingreifende Gesetze zulässig sind, müssen sie sowohl geeignet als auch notwendig sein, so das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1994.

Indem das Bundesverfassungsgericht der Veröffentlichung der MPI-Studie zuvorgekommen ist, ist eine rasche Umsetzung eventueller neuer Erkenntnisse daraus auf juristischem Weg weniger wahrscheinlich geworden. Daher ist wieder verstärkt die Politik gefordert, d.h. der Bundestag und die Regierungen der Bundesländer.

Pressemitteilung Nr. 67/2004 vom 9. Juli 2004

Dazu Beschluss vom 29. Juni 2004 - 2 BvL 8/02 -

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Zur Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften
über den Umgang mit Cannabis
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Die Vorlage des Amtsgerichts (AG) Bernau zu der Frage, ob die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie verschiedene Formen des unerlaubten Umgangs mit Cannabisprodukten verbieten und mit Strafe bedrohen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind, ist unzulässig. Dies hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden.

1. Zu dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens:
Bei dem damals 20-jährigen Angeklagten wurden bei einer Polizeikontrolle ein Cannabis-Tabak-Gemisch mit einem Bruttogewicht von 1,5 Gramm und ein Stück Cannabis mit einem Nettogewicht von 3,6 Gramm aufgefunden. Nach Überzeugung des für das Strafverfahren zuständigen AG sind die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zum umfassenden Verbot des Umgangs mit Cannabis verfassungswidrig. Es legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz mit der Folge aufführen, dass der unerlaubte Verkehr mit diesen Stoffen den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt, verfassungswidrig sind. Nach Auffassung des AG fallen die mit dem Konsum von Cannabis verbundenen Schwierigkeiten und Komplikationen wesentlich geringer aus als bisher allgemein angenommen. Neueste fundierte wissenschaftliche Forschungserkenntnisse würden belegen, dass an der durch das Bundesverfassungsgericht erfolgten Risikoeinschätzung nicht mehr festgehalten werden könne.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1994 entschieden, dass die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie das Handeltreiben sowie die Einfuhr, die Abgabe und den Erwerb sowie den Besitz von Cannabisprodukten ohne Erlaubnis mit Strafe bedrohen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

2. In den Gründen der Entscheidung heißt es:
Die Vorlage genügt nicht den Begründungsanforderungen. Gegenstand einer Normenkontrolle können nur Vorschriften sein, auf deren Gültigkeit es bei der von dem vorlegenden Gericht zu treffenden Entscheidung auch tatsächlich ankommt. Dies können hier jedenfalls nicht alle Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sein. Die konkrete Normenkontrolle ist kein Mittel einer allgemeinen Aufsicht über den Gesetzgeber. Darüber hinaus erfüllt der Vorlagebeschluss nicht die für eine erneute Richtervorlage geltenden besonderen Begründungsanforderungen. Es ist bereits fraglich, ob entscheidungserhebliche neue Erkenntnisse vorliegen. Weder das AG noch die von ihm herangezogenen Sachverständigen behaupten, dass der Konsum von Cannabis ungefährlich sei. Dass der Konsum von Cannabis nicht zu Todesfällen führt, ist von jeher unbestritten.
Das Bundesverfassungsgericht ist bei seiner Entscheidung im Jahr 1994 hinsichtlich der Wirkungen des Cannabiskonsums auf der Grundlage des damaligen Erkenntnisstands zu dem Ergebnis gelangt, dass «nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken» verblieben. Diese Einschätzung beruhte auf den Annahmen über verschiedene Risikofaktoren (keine körperliche Abhängigkeit, nur geringe unmittelbare gesundheitliche Schäden bei mäßigem Genuss von Cannabis, Möglichkeit einer psychischen Abhängigkeit trotz geringem Suchtpotential, Möglichkeit der Störung der Persönlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen). Diese werden durch die vom AG angeführten neuen Erkenntnisse der Wissenschaft nicht erschüttert. Darüber hinaus hat das AG nicht berücksichtigt, dass die vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 gebilligte Zielsetzung des Gesetzgebers sich nicht in der Frage der gesundheitlichen Gefährlichkeit für den Einzelnen und die Bevölkerung erschöpft. Darüber hinaus soll das soziale Zusammenleben in einer Weise gestaltet werden, die es
von den sozialschädlichen Wirkungen des Umgangs mit Drogen freihält, wie sie auch von so genannten weichen Drogen wie Cannabis ausgehen. Bei der Wahl zwischen mehreren zur Erreichung des Gesetzesziels tauglichen Mitteln steht dem Gesetzgeber die Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative zu. Gesicherte kriminologische Erkenntnisse, die den Gesetzgeber zu einer bestimmten Behandlung der aufgeworfenen Fragen zwingen könnten, hat auch das AG nicht ins Feld geführt.
Soweit das Betäubungsmittelgesetz Verhaltensweisen mit Strafe bedroht, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten vorbereiten, verstoßen sie deshalb nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil die Strafverfolgungsorgane einem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat durch das Absehen von Strafe oder Strafverfolgung angemessen Rechnung tragen können.

Beschluss vom 29. Juni 2004 - 2 BvL 8/02 -

Karlsruhe, den 9. Juli 2004

Beschluss vom 29.06.2004
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/lk20040629_2bvl000802

Der Weg zur Entkriminalisierung von Haschischrauchern geht nicht über Karlsruhe [Grüne, 09.07.2004]
http://www.gruene-fraktion.de/rsvgn/rs_dok/0,,65501,00.htm

Besitz kleinerer Mengen Haschisch bleibt strafbar [Freie Presse, 09.07.2004]
http://www.freiepresse.de/TEXTE/NACHRICHTEN/DEUTSCHLAND/TEXTE/59044.html

Normenkontrollantrag (AG Bernau)
http://www.cannabislegal.de/recht/bernau.htm

Studie des Max-Planck-Instituts Freiburg (Albrecht / Paoli)
http://www.cannabislegal.de/studien/mpi-ap.htm

Ungleiche Rechtspraxis in den Bundesländern
http://www.cannabislegal.de/politik/btmg31a.htm


2. Bernau: 100 Euro Geldstrafe
http://www.cannabislegal.de/cln/cln165.htm#2

Nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Vorlage des Amtsgerichts Bernau zur Verfassungsmässigkeit des Cannabisverbots bei geringen Mengen abgelehnt hat, hat das AG Bernau einen 20-Jährigen wegen Vermittelung eines Verkaufs von 450g Cannabis zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Anwalt des Angeklagten war bemüht, auch diesen Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen zu lassen.

Kein Weg nach Karlsruhe [Märkische Allgemeine, 13.07.2004]
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10326203/62249/

Bernau Drogenurteil: 100 Euro Strafe [Märkische Oderzeitung, 13.07.2004]
http://www.moz.de/showArticle.php?OPENNAV=home&SUBNAV=&ID=30013

Karlsruhe nimmt Vorlagebeschluss nicht an [09.07.2004]
http://www.cannabislegal.de/neu/2004-07.htm#2004-07-09-bvg

Drogenpolitik in den Ländern: Brandenburg
http://www.cannabislegal.de/politik/laender.htm#bb


3. Neue Drogenbeauftragte in Baden-Württemberg
http://www.cannabislegal.de/cln/cln165.htm#3

Der bisherige Sozialminister und Drogenbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Friedhelm Repnik, scheidet aus dem Amt aus. Repnik, der als Hardliner galt und der vor mehreren Jahren in die Schusslinie der Kritik geriet, nach dem er die Schweizer Psychosekte "VPM" in Schutz genommen hatte, übernimmt die Leitung der staatlichen Lotto- und Toto-Gesellschaft. Seine Amtsnachfolgerin wird die CDU-Bundestagsabgeordnete Tanja Gönner (35) aus dem Wahlkreis Zollernalbkreis-Sigmaringen.

Teufel tauscht in Baden-Württemberg vier Minister aus
http://www.reuters.de/newsPackageArticle.jhtml?type=politicsNews&storyID=543014&section=news

Tanja Gönner (MdB) - Homepage
http://www.tanja-goenner.de/start.php

Drogenpolitik in den Ländern: Baden-Württemberg
http://www.cannabislegal.de/politik/laender.htm#bw

Minister Repnik gegen Schweizer Entkriminalisierung [CLN#5, 07.04.2001]
http://www.cannabislegal.de/cln/cln005.htm#6


4. USA: Tommy Chong aus der Haft entlassen
http://www.cannabislegal.de/cln/cln165.htm#4

Tommy Chong, eine Hälfte des amerikanischen Komikerdous "Cheech und Chong", verließ am Dienstag, 06.07. ein US-Bundesgefängnis, nachdem er eine 9-monatige Haftstrafe abgesessen hatte. Er war verurteilt worden, weil seine Firma Glaspfeifen verkauft hat, mit denen man Cannabis rauchen kann.

Newsbrief: Tommy Chong Walks Out of Prison [DWC#345 (US), 09.07.2004]
http://stopthedrugwar.org/chronicle/345/tommychong.shtml

USA: Tommy Chong hinter Gittern [CLN#130, 17.10.2003]
http://www.cannabislegal.de/cln/cln130.htm#7

Cannabis in den USA
http://www.cannabislegal.de/international/us.htm


5. Philippinen: 37 Jahre für Drogenbesitz
http://www.cannabislegal.de/cln/cln165.htm#5

Wegen Besitz von 2,1 Gramm Cannabis, 0,4 Gramm Methamphetamin und Zubehör zum Konsum von Methamphetamin ist ein 27-Jähriger in den Philippinen zu 37 Jahren Haft verurteilt worden. Dazu kommt noch eine Geldstrafe von 620.000 Pesos (ca. 8900 Euro).

Drakonische Strafen wie diese verhindern trotzdem nicht, dass Millionen Menschen auf den Philippinen illegale Drogen konsumieren. Die Regierung schätzt, dass 1,7 bis 2,1 Millionen Einwohner des Landes Cannabis, Methamphetamin oder andere illegale Drogen gebrauchen.

Man Gets 37-Year Term For Drug Possession [Sunstar Davao (PH), 15.06.2004]
http://www.mapinc.org/drugnews/v04/n1009/a08.html

Drogen auf den Philippinen
http://www.cannabislegal.de/international/ph.htm


6. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:

21.07.2003 Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher
14.08.2004 Berlin: Hanfparade (www.hanfparade.de)
10.-12.09.2004 Berlin: InterHanf 2004 (Messe)
24.-26.09.2004 Köln: CannaBusiness
25.09.2004 Köln: Hanfdemo (www.hanfdemo.de)

Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen:
http://www.cannabislegal.de/aktionen/kalender.htm

Wissen Sie von Veranstaltungen? Schreiben Sie uns!
http://www.cannabislegal.de/kontakt.htm


Mit freundlichen Grüßen

Joe Wein

http://www.cannabislegal.de


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