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saemann - Monatszeitung der Evangelisch-reformierten Kirche (Michael Kleim, 1996)saemann Monatszeitung der Evangelisch-reformierten Kirche Leserbriefe zu dem Beitrag „Utopie Drogenfrei“ in
saemann Nr. 4/96 Für Utopien streiten! (in „saemann 6/96) In jeder Beziehung verfehlt und unchristlich ist der
auf der Titelseite der Osternummer des „saemann“ publizierte Artikel „Utopie
drogenfrei“. Es sind Gedanken des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“. Unsere evangelischen Würdenträger
bezeichnen diese Initiative als gefährlich und realitätsfremd. Eine drogenarme Jugend sei bereits ein
erstrebenswertes Ziel, drogenfrei sei eine Utopie, die nicht erreichbar sei. Es ist ein Armutszeugnis für unsere Kirche, im Kampf
um eine drogenfreie Jugend nicht an vorderster Front mitzustreiten. Utopien
werden nicht ohne Kampf zu Realitäten. Es ist für mich und sicher auch für viele Leser des
„saemann“ unverständlich, dass sich die Landeskirche einem Weg anschliesst, der
schrittweise zu einer Liberalisierung der Drogen führt. H.U. Winzenried, Kirchlindach „Total“ drogenfreie Gesellschaft (in „saemann“ 7/96) Als Christ in der DDR habe ich erlebt, dass „höhere
Ziele“ wie die Utopie einer klassenlosen Gesellschaft dazu geführt haben, die
Realität nicht mehr wahrzunehmen, wirkliche Ursachen für gesellschaftliche
Probleme einfach zu ignorieren. Die Folge: eine permanente Verletzung der
Menschenrechte. Heute steht die Utopie „drogenfreie Gesellschaft“ zunehmend in
Gefahr, zur Ideologie zu erstarren und zu einem Abstinenztotalitarismus zu
führen. Leider haben auch viele Christen ihre Überzeugung, dass eine
drogenfreie Lebensweise die überlegenere sei, inzwischen zu einer Art
Götzendienst gemacht, dem sie nicht nur einen wirklichkeitsnahen Blick auf
Drogengebrauch und Suchtursachen opfern, sondern auch bereit werden, Werte wie
Liebe, Barmherzigkeit, demokratische Freiheiten und Menschenwürde zu opfern.
„An der vordersten Front zu kämpfen“ - diese Wortwahl ist verräterisch. Sie
macht mir Angst. Sie erinnert mich an DDR-Ideologen. Auch ich empfinde die schweizerische Volksinitiative
(gemeint ist „Jugend ohne Drogen“) als gefährlich, und das aus einschlägiger
Erfahrung. Nein, mir als „saemann“- Leser ist die Haltung des Schweizerischen
Kirchenbundes nicht unverständlich; ich beglückwünsche ausdrücklich Mut, Ehrlichkeit
und Sachverstand!!! Herr Winzenried sollte aufhören, mit seiner persönlichen
Meinung andere zu vereinnahmen. „Wer ohne Sünde (und Suchtgefährdung) ist, der
werfe den ersten Stein.“ Herr Winzenried hat in seinem Brief ganze
Betonladungen ausgekippt. Michael
Kleim, Gera (zu DDR-Zeiten aktiv in der politischen Opposition/
Menschenrechtsbewegung) |