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Meditation zu Hanf (Michael Kleim)Meditation zur Tagung „Hanf - Droge, Medizin und ökologischer Rohstoff der Zukunft“Sonntag, 10.März 96 Evangelische Akademie Thüringen, Neudietendorf„In unserem Leben fällt es uns unglaublich schwer, so
zu denken: alles, was uns umgibt, sei
ein Wort Gottes an uns; in allem spreche Gott, in allem lebe ein Stück seines
Geistes. Allenthalben stehen wir in der Gefahr, aus lauter Angst, Bereiche der
Wirklichkeit zu verdrängen...ihnen gewissermaßen also das Wort zu verbieten.
Und nun gar zu denken: alles in der Welt existiere überhaupt nur, weil Gott
selbst es zur Sprache bringen wollte! Doch gerade dies meint der Evangelist
Johannes, wenn er im Prolog seines Evangeliums sagt: Nichts, was geschaffen ward, ward ohne das Wort(1,3)...Ein jedes
Ding ist, so betrachtet, notwendig, es ist fortan nicht wegzudenken...Alles muß
sein, wenn Gott selbst es durch sein schöpferisches Dichterwort gestaltet hat.“
(Eugen Drewermann, Was uns Zukunft gibt) Die Bundesregierung hat den
für mich erstaunlichen Akt geschafft, für nahezu 14 Jahre eine Pflanze verboten
zu haben. Eine grüne, lebendige, ganze Pflanze. Mit Wurzel, Blatt und Stiel.
Außer den Samen. Verboten, per Entscheid im Parlament. Bei über 9000 Verkehrstoten
im Jahr konnten sich die Verantwortlichen noch nicht einmal zu einem Tempolimit
hinreißen; bei weltweit anwachsenden bewaffneten Konflikten wird die
Rüstungsindustrie keineswegs in Frage gestellt; und unser Bundeskanzler drückt lieber chinesischen Massenmörder
freundschaftlich die Hand, als eine Generalamnesty für Drogengebraucher
auszurufen. „Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und
Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach
seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Samen ist. Und es geschah so. Und Gott
sah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.“ Genesis 1,11-13 Ohne Zweifel hat Gott auch
den Hanf geschaffen, und er hat ihn so geschaffen, wie er nun mal ist. Aber die ersten Kapitel der Bibel zeigen
auch, daß wir Menschen dem guten Willen Gottes mißtrauen, daß wir die Schöpfung
Gottes nicht als gegeben nehmen und mit ihr leben wollen. Wir wollen klüger
sein als Gott und die Natur „verbessern“, und verbessern bedeutet: wir
unterwerfen die Schöpfung unseren Zwecken, Zielen und Wertvorstellungen. In
diesem Herrschaftswahn über die Natur erscheint es dann nicht mehr als absurd,
sondern als folgerichtig, gegebenenfalls eine Pflanze strafrechtlich zu
verbieten. Das Verbot wurde natürlich -
wie immer - in bester Absicht ausgesprochen. Das große Ziel ist der neue -
abstinentlebende - Mensch in der neuen - drogenfreien - Gesellschaft. Und für
diese historische Mission müssen Opfer gebracht werden, Opfer an Staatsgelder,
an Freiheitsrechten, auch Menschenopfer. Was zählt da schon eine Pflanze. Ähnlich
wie die Genossen des realen Sozialismus’ , die eine ausbeutungsfreie
Gesellschaft erkämpfen wollten, können die Verfechter der Prohibition die
Wirklichkeit nicht akzeptieren und
wollen eine Realität nach ihren Wunschvorstellungen erzwingen. Die abstinente Lebensweise,
durchaus ein positives menschliches Ideal, ist durch Zwang und Realitätsferne
längst zu einer abstrakten Ideologie, oder theologisch gesprochen: zum
Götzendienst erstarrt. Götzendienst - weil hier ein
Krieg legitimiert wird, der an Unerbittlichkeit und Grausamkeit anderen Kriegen
nicht nachsteht. Angeblich ein Krieg gegen Drogen wird hier tatsächlich ein
Krieg gegen die Natur, ein Krieg gegen die Menschenwürde, ein Krieg gegen die
Demokratie geführt. Ein Krieg gegen die Natur ·
weil mit der Kriminalisierung
einer Pflanze wertvolle Möglichkeiten auf lange Jahre blockiert wurden,
ökologische Alternativen in der Anwendung von Hanf nutzbar zu machen ·
weil bis heute die
internationalen Drogenfahnder Unmengen an Entlaubungsgiften in die Umwelt
streuen, um illegale Hanfanpflanzungen, Koka- und Mohnfelder zu vernichten ·
weil der menschlichen Natur
mit ihrem Bedürfnis nach Grenzüberschreitung und Ekstase entgegengesteuert
wird. Ein Krieg gegen die Menschenwürde: ·
weil Menschen, die an Krebs,
AIDS, Multipler Sklerose erkrankt sind und Schmerzpatienten eine Chance zur
Linderung willkürlich verwehrt wird ·
weil Drogengebraucher eine
Menschenwürde besitzen! Deren Ausgrenzung, Stigmatisierung und Kriminalisierung
soll zur Abschreckung dienen; doch ist ein solches Schema der Menschenopferung
aus christlicher Sicht nicht akzeptabel. Alternative Modelle im Umgang mit
Drogengebraucher, welche auf Akzeptanz aufbauen und reale Gesundheits- und
Suchtvorbeugung betreiben, müssen weiter entwickelt werden. Ein Krieg gegen die Demokratie: ·
weil Sondergesetze die
demokratischen Grundrechte immer mehr einschränken ·
weil weltweit im Namen
dieses Krieges Massenhinrichtungen, Todesurteile, Folter, Polizeiübergriffe und
Errichtung von Strafarbeitslager zunehmen. Der Krieg gegen Drogen sollte wohl ursprünglich Gefahren von der
Menschheit fernhalten helfen, doch längst ist dieser Krieg selbst zu einer
unberechenbaren Gefahr geworden. Und die Kirche? Wie sollte die sich verhalten? Statt ein eigenes Süppchen auf dem Feuer des Drogenkrieges zu kochen,
sollte sie ein Ende auch dieses Krieges einfordern und sich an die Seite dessen
Opfer stellen. Sie sollte ihren Auftrag aufnahmen und zur Umkehr aufrufen! Der Hanf darf dankbar als ein Geschenk Gottes wiederentdeckt werden.
Und gerade jetzt könnte er sich als Gabe besonderer Art erweisen. Diese Pflanze
könnte uns helfen, eine solche Umkehr im Umgang mit der Schöpfung, eine solche
Umkehr im Umgang mit der Menschenwürde,
eine solche Umkehr im Umgang mit der Demokratie Gestalt werden zu
lassen. „Denn alles, was Gott
geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung
empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und das
Gebet.“ (1.Brief des Paulus an
Timotheus 4,4-5) Gebet nach Psalm 104 (freie Übertragung
nach P.Klever) Unser Gott, du hast uns deine
gute Erde anvertraut Sonne und Regen
gabst du, Wärme und Feuchtigkeit es gedeihen
vielerlei Pflanzen Menschen und Tiere
leben von dem, was du wachsen läßt. Wir danken dir für
das Brot, das uns sättigt, für den Wein, der
uns erfreut, für die Kräuter, die
uns Hilfe und Heilung bedeuten können. Du hast immer alle
vor Augen, wenn du uns ins Leben rufst oder sterben läßt. Wenn du deinen Geist
gibst und die Welt erneuern willst: Du hast immer alle
vor Augen. Laß uns das
begreifen, daß wir die Kreise
unseres Denkens und Bedenkens nicht zu eng ziehen. Amen |