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Fachgespräch zur UN-Drogenpolitik (19.03.2003)

Am 19. März 2003 von 14:00 bis 17:00 Uhr veranstaltet die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ein öffentliches Fachgespräch zum Thema "UN-Drogenpolitik - Handlungsspielräume und Reformbedarf". Anlass dafür ist die UN-Drogenkonferenz in Wien im April. Organisiert wird das Treffen von Biggi Bender, der drogenpolitischen Sprecherin der Fraktion.


Einladung

UN-Drogenpolitik – Handlungsspielräume und Reformbedarf
eine Veranstaltung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

19. März 2003 von 14:00 – 17:00 Uhr
Berlin, Paul-Löwe-Haus, Eingang West A (genau gegenüber dem Kanzleramt), Raum E 200

UN-Drogenpolitik – Handlungsspielräume und Reformbedarf

Vom 16. bis 17. April 2003 findet in Wien die internationale UN-Drogenkonferenz statt. Dort wird eine Zwischenbilanz des UN-Aktionsplans gezogen. Dieser wurde auf einer Sondergeneralversammlung der UNO 1998 mit einer Laufzeit von 10 Jahren beschlossen. Ziel des Planes ist, das Angebot illegaler Drogen entweder zu beenden oder deutlich zu verringern. Aktuelle Daten belegen, dass dieses Ziel bislang nicht erreicht wurde. Im Gegenteil: sowohl die Produktion von Cannabis, Kokain, Mohn und synthetischen Drogen als auch die Zahl der KonsumentInnen illegaler Drogen steigt. Wir möchten während dieses öffentlichen Fachgesprächs:
  • informieren über internationale Verträge und die Arbeit der drogenpolitischen Organisationen der UN und der EU
  • unterrichten über niederländische Erfahrungen und deren Konflikte mit den internationalen Drogenverträgen
  • diskutieren, ob die Strategie der UN verändert werden muss und wo Ansatzpunkte für Reformen bestehen
  • ausloten, wo die internationalen Drogenverträge Spielräume für die deutsche Drogenpolitik lassen
  • überprüfen, ob Ansätze der britischen Drogenpolitik auf die hiesige Situation übertragbar sind
  • beleuchten, welche entwicklungspolitischen Ansätze die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in der Drogenpolitik verfolgt
Programm:
14:00 – 14:15 Uhr Begrüßung und Einleitung
Biggi Bender MdB, Gesundheits- und drogenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
14:15 – 14:30 Uhr Internationale Drogenverträge – Erfahrungen, Konflikte, Reformbedarf aus politischer Sicht
Jan van der Tas, Botschafter der Niederlande in Deutschland a.D.
14:30 –14:45 Uhr Internationale Drogenverträge – welcher rechtliche Spielraum bleibt der Bundesrepublik Deutschland?
Prof. Dr. jur. Lorenz Böllinger, Universität Bremen
14:45 – 15 30 Uhr Fragen zu den Vorträgen und Diskussion im Plenum
15:30 – 15:45 Uhr Kaffeepause
15:45 – 16:00 Uhr Reformen in der britischen Drogenpolitik – Vorbild für Deutschland?
Dr. Axel Klein, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung von DrugScope, Britischer Delegierter bei der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle in Lisabon
16:00 – 16:15 Uhr Fragen zum Vortrag und Diskussion im Plenum
16:15 – 16:30 Uhr Drogenpolitische Ansätze in Entwicklungsländern – Positionen und Projekte
Susanne Schardt, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH, Aktionsprogramm Drogen und Entwicklung
16:30 – 16:45 Uhr Fragen zum Vortrag und Diskussion im Plenum
16:45 – 17:00 Uhr Schlussworte, Biggi Bender, MdB


Biggi Bender MdB

Beitrag liegt noch nicht vor.


Jan van der Tas, Botschafter der Niederlande in Deutschland a.D.

Beitrag liegt noch nicht im Wortlaut vor. Zusammenfassung eines Teilnehmers:

Jan van der Tas, Botschafter der Niederlande in Deutschland a.D., meinte, dass "fundamentale wirtschaftliche Grundsätze" gegen eine Umsetzung der UN-Richtlinien sprechen. Die Illegalität schaffe gerade erst eine "Prämie". Dies sei der enorme Gewinn zwischen dem eigentlichen Preis des Produktes und dem ungeheuren Verkaufspreis in den Verbraucherländern. Die Umsetzung der Konventionen, ihre Zielsetzung könne "nicht funktionieren" und jeder, der einigermaßen fit sei, würde dies sehen. Zudem entstünden "hohe Kollateralschäden". Die Herren vom INCB betrachteten Drogen "nur aus der Kriminalitätsperspektive, so müsse es beispielsweise bei denen immer Drogenmissbrauch statt Drogengebrauch heißen. Die Gesetzgebung im Bereich Drogen sei "nicht nur im Kern, sondern bereits in der Umsetzung" menschenrechtsletzend. Obwohl sich die Bevölkerungen in den Niederlanden und Deutschland kaum unterschieden, würden, insbesondere im Grenzraum, die unterschiedlichen Gesetze zu frappierend unterschiedlichen Handlungen der Behörden führen. Nicht die niederländischen müssten den europäischen Gesetzen angepasst werden, sondern umgekehrt. Es stehe aus, in der Öffentlichkeit entsprechend darzulegen, dass "man mit Cannabis leben kann" (wie Holland zeige).


Prof. Dr. jur. Lorenz Böllinger, Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Bremen

Internationale Drogenverträge – welcher rechtliche Spielraum bleibt der Bundesrepublik Deutschland

Vortrag auf der Veranstaltung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
19.03.2003, Jakob-Kaiser-Haus, Berlin.

1. Prinzipien des Strafrechts, völkerrechtliche Verpflichtungen und nationale Souveränität

Offiziell und gleichsam regierungsamtlich wird in Deutschland am Prohibitionsparadigma, an repressiver Drogenpolitik, an der Strafbarkeit jeglichen Umgangs mit illegalen Drogen – auch der anerkanntermaßen relativ ungefährlichen Droge Cannabis – festgehalten. In der Politik, in den Medien und demzufolge in der öffentlichen Meinung wird dies immer wieder auch mit den internationalrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik begründet. Die genauere juristische Analyse dieser Rechtsmaterien ergibt jedoch, dass es sich hier keineswegs um eindeutig bindende Festlegungen handelt. Grundsätzlich ist für die nationale Ausgestaltung des Rechts durch die Unterzeichnerstaaten die je spezifische Sozial- und Rechtskultur und Verfassung zugrunde zu legen. Schon deshalb bestehen weite Spielräume für die nationale Gesetzgebung. Im übrigen eröffnen die – auch im Völkerrecht anzuwendenden(1) - juristischen Auslegungsregeln gewisse Spielräume bei der Gesetzesanwendung. Und schließlich gibt es die Möglichkeit, durch Änderungsanträge auf die internationalrechtliche Situation Einfluss zu nehmen oder durch Kündigung bzw. Teilkündigung gänzlich aus dem Vertragswerk auszusteigen. Letztere Optionen sind ausschließlich politisch zu diskutieren. Deshalb werde ich auf sie nicht eingehen.

Üblicherweise gibt es zwischen Rechtswissenschaftlern divergierende Meinungen, wie die Rechtsbegriffe auszulegen sind. Keine Frage ist jedoch, dass sie auszulegen sind und dass nicht irgendwelche Kommentierungen durch wen auch immer – UNO-Bürokraten, amtierende Regierungsvertreter etc.(2) – die allein gültigen sind. Grundsätzlich hat die Auslegung nach dem dafür konsentierten Methodenkanon zu erfolgen: Wortlautauslegung, historische und systematische Auslegung sowie – am bedeutsamsten – teleologische Auslegung, d.h. die Interpretation entlang objektiv und aktuell zu bestimmenden Sinngebungen, Zwecksetzungen und Funktionsbestimmungen des Regelwerkes. Es besteht Einigkeit, dass nicht nur die entsprechenden Begründungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Regelwerkes zugrunde zu legen sind. Sondern es muss dem Wandel in Gesellschaft und Recht durch entsprechende Veränderungen der Interpretation Rechnung getragen werden. Dies spiegelt sich ausdrücklich in der von der Bundesrepublik Deutschland bei Verabschiedung des Ratifizierungsgesetzes angefügten „Interpretationserklärung“. Dabei handelt es sich und einen im Gesetzgebungsprozess ausgehandelten Kompromiss. Zu Recht wurde dieser als ‚Hintertür’ oder ‚Weichspüler’ bezeichnet, weil eigentlich angesichts seinerzeit bereits erkennbarer Entkriminalisierungstendenzen ein expliziter Vorbehalt zumindest bezüglich Cannabis hätte erklärt werden müssen, wie ihn die Niederlande, Dänemark und die Schweiz eingefügt hatten.(3) Aber immerhin ist mit der Interpretationserklärung trotz ihrer Schwammigkeit klargestellt, dass sich die Bundesrepublik hinsichtlich der „Verfassungs- und Grundordnungsklausel“ – dazu unten – Spielräume gesichert hat, die es jetzt auszuschöpfen gilt. Grundvoraussetzung eines im Sinne angemessener gesellschaftlicher Steuerung funktionierenden Rechts ist, dass es flexibel auf gesellschaftliche Verhältnisse und Veränderungen reagieren können muss: dies geschieht durch Veränderung der Rechtsauslegung immer schon vor substantieller Gesetzesänderung. Dafür spielt besagter Streit in der Rechtswissenschaft jeweils eine produktive Rolle: Das ist der erwünschte Diskurs, die ‚Streitkultur’ in der Demokratie.

Ich präsentiere hier in aller Kürze Vorschläge, wie das deutsche Recht in Richtung Entkriminalisierung, zumindest aber Entpönalisierung verändert werden könnte, ohne in Widerspruch zu den internationalen Abkommen zu geraten. Ich befinde mich damit in Übereinstimmung mit gewichtigen Stimmen in der Rechtswissenschaft, der sog. ‚überwiegenden Meinung’. Soweit ‚andere Auffassungen’ zu dem Schluss kommen, eine materiell-rechtliche Entkriminalisierung sei nicht möglich, sondern lediglich die sog. ‚strafprozessuale Lösung’ – dazu später - wird die Zeit bzw. die Politik erweisen, welche Richtung sich letztlich durchsetzt. Klar ist jedenfalls, dass schon auf heutigem Stand sehr weitgehende Rechtsänderungen bei Cannabis begründbar wären und Verstöße gegen die Abkommen daraus nicht abgeleitet werden könnten. Meiner Einschätzung nach wird es keine schlagartigen Umwälzungen geben, sondern eine allmähliche Erosion des reinen Prohibitionismus und eine allmähliche, schrittweise Veränderung in Richtung Vernunft und Effizienz. Durchsetzen wird sich letztlich eine drogenspezifische rechtliche Regulierung im Sinne von Risiko- und Schadensminderung mit nur noch peripherer strafrechtlicher Absicherung.

2. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

Meinen Vorschlägen will ich einige grundsätzliche Erwägungen vorausschicken. Der Gesetzgeber hat sich mehrerer problematischer Kunstgriffe bedient, um das einerseits höchst selektive, andererseits totale Verbot bestimmter psychotroper Substanzen zu legitimieren. Er hat zwar einerseits den Konsum unerlaubter Betäubungsmittel als Akt der Selbstschädigung gemäß unserer Verfassungsordnung straffrei gestellt. Dies entpuppt sich aber als blanke Theorie, denn andererseits werden sämtliche dem bloßen Konsum notwendig vorgelagerten Handlungsweisen, insbesondere Erwerb und Besitz, unter Strafe gestellt. Noch grundsätzlicher ist der Einwand, dass hier ein elementarer Wertungswiderspruch vorliegt: Legitimiert wird die Pönalisierung des Drogenbesitzes, -erwerbs etc. als „Schutz der Volksgesundheit und des sozialen Zusammenlebens“. Genauer: geschützt werden soll der Bürger vor der Fremdgefährdung durch den Drogenbesitzer, der ihn schlicht durch die Vorbildwirkung zum Drogenkonsum veranlassen könnte. Elementares Verfassungsprinzip ist jedoch, dass sich der mündige, eigenverantwortliche Bürger selbst schädigen darf und eine Anstiftung zu solcher Selbstschädigung – z.B. zum Suizid – deshalb nur strafbar sein kann, wenn der Angestiftete über diese Mündigkeit und Eigenverantwortlichkeit nicht verfügt. Gegen dieses Prinzip verstößt schon der Gesetzgeber, wenn er einerseits die freie Willensentscheidung des sich mutmaßlich durch Drogenkonsum selbstschädigenden Bürgers respektiert, ihn andererseits jedoch wegen schlichter unterstellter Vorbildwirkung und unter Ignorierung des notwendig dazwischentretenden eigenverantwortlichen Willensentschlusses des angeblich zum Konsum verleiteten bestraft.(4)

Hinzu kommen empirische Befunde, welche Zweifel an der Gesetzeskonzeption „Schutz des sozialen Zusammenlebens“ begründen: Das Betäubungsmittelgesetz bewirkt, quantitativ betrachtet, auch nach der relativen Liberalisierung durch das Bundesverfassungsgericht eine unverhältnismäßige Kriminalisierung der Eigenverbraucher, wie diese häufig im kleinen Maßstab zur Deckung des Eigenbedarfs Handel treiben. Das betrifft auch viele Cannabisgebraucher und wird deutlich an der polizeilichen Kriminalstatistik und der Statistik über abgeschlossene Strafverfahren.(5)

Aufgrund dieser Sichtweise müsste der in allen internationalen Übereinkommen enthaltene Vorbehalt der nationalen Verfassungsordnungen zum Tragen kommen. Das bedeutet, dass die Übereinkommen in dieser Form nicht hätten ratifiziert werden dürfen und bezüglich konsumorientierten Kriminalisierungsvorgaben mit entsprechenden Vorbehalten hätten versehen werden müssen.(6) Durch den Cannabis-Beschluss des BVerfG von 1994 hat sich jedoch vorerst die bislang weltweit herrschende Meinung durchgesetzt: auch der Konsument trage durch die dem Konsum notwendig vorgelagerten und ihn begleitenden Verhaltensweisen zu den sozialschädlichen Auswirkungen des Drogenkonsums bei, zumindest gefährde er die ‚Volksgesundheit’ und das ‚ungestörte soziale Zusammenleben’.(7) Eine grundsätzliche Abkehr von der die Konsumenten betreffenden Logik der Übereinkommen ist deshalb derzeit weder juristisch noch politisch absehbar.

Es rumort jedoch erheblich unter den UNO-Mitgliedsstaaten bzw. Unterzeichnerländern der UNO-Konventionen. Seit geraumer Zeit wird nicht nur in den Niederlanden, sondern z.B. in Großbritannien und Kanada parlamentarisch über die Änderung der Abkommen diskutiert.(8) Auf parlamentarischer Ebene ist in der Schweiz die Legalisierung von Cannabis zum Eigengebrauch bereits beschlossen. Und viele Mitgliedsstaaten der EU haben mehr oder weniger informell weitgehende Maßnahmen in Richtung Entpönalisierung und Ermöglichung von ‚harm reduction’ ergriffen. Die UNO selbst hat in verschiedenen Resolutionen das Prinzip der ‚harm reduction’ integriert.(9)

3. Strafpflicht aufgrund internationaler Abkommen?
Als demokratischer Rechtsstaat muss Deutschland internationalrechtliche Verpflichtungen, die es eingegangen ist, einhalten. Maßgeblich für die internationalrechtliche Zulässigkeit einer Entkriminalisierung von Cannabis sind dabei
  • das Internationale Opiumabkommen vom 19.2.1925;
  • das Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 geänderten Fassung (sog. »Single-Convention«, nachfolgend: ÜB 61);
  • das Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (nachfolgend: ÜB 71);
  • das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vom 19. 12.1988 (nachfolgend: ÜB 88)(10) und ferner
  • Übereinkommen zur Durchführung der Übereinkommen von Schengen I (1985) und II (1990) von 1987 und 1990. (11)
  • Maastrichter Vertrag (12)
  • Aktionsplan der EU im Bereich der Drogen 2000-2004 vom 13.06.00. (13)
Es ist zwischen den verschiedenen Abkommen zu unterscheiden. Die Schengener Durchführungsübereinkommen und der Maastricht-Vertrag, setzen voraus, dass die UNO-ÜB eingehalten werden. Sie geben jedoch lediglich eine Rahmenordnung für die EU-Zusammenarbeit und stellen den Vertrags-Parteien ausdrücklich die Wahl der Maßnahmen zur Eindämmung der unerlaubten Nachfrage, also der Konsumverhaltensweisen, frei (Art. 71 Abs. 5). Eine Pflicht zur Strafbewehrung von Verbrauchsverhalten enthalten diese Abkommen mithin nicht. Man kann juristisch sogar die Möglichkeit interpretieren, den Besitz bestimmter Stoffe materiell-rechtlich zu legalisieren.(14)

Gleiches gilt für ÜB 61 (Art. 36). Zwar verpflichtet sich jede Vertragspartei gem. Art.2 Abs.5 ÜB 61, den Drogenbesitz zu verbieten. In Art.2 Abs.5 lit.b ÜB 61 ist jedoch eine ‚selbständige Ausnahme’ enthalten. Diese räumt den Unterzeichnerstaaten nach dem ‚bona fides’-Grundsatz (‚Treu und Glauben’) einen Handlungsspielraum bezüglich der Wahl des „im Hinblick auf die in ihrem Staat herrschenden Verhältnisse ..geeignetste Mittel“, also Art (Strafrecht oder Verwaltungs- bzw. Ordnungsrecht) und Schwelle (insbesondere Substanzmengen) entsprechender Intervention ein. Gleiches gilt für die Verwendung zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken (Art. 4 lit.c ÜB 61). Die Verpflichtung zur Kriminalisierung kann auch nicht aus Art. 36 Abs.1 lit.a ÜB 61 hergeleitet werden, denn er ist eindeutig angebotsbezogen: es geht nur um den Besitz zwecks Weitergabe und In-Verkehr-Bringen.(15) Im übrigen wird in Art. 36 Abs.1 lit.b ausdrücklich die Möglichkeit gewährt, anstelle von Verurteilung und Bestrafung andere Maßnahmen resozialisierender Art zu ergreifen. Dasselbe gilt für die nahezu wortgleiche Formulierung des Art. 22 ÜB 71. Gegenstand beider Abkommen ist das Angebot, also die Strafbarkeit des unerlaubten Suchtstoffverkehrs und nicht des Konsums. Sie enthalten keine Verpflichtung, den erlaubnislosen Besitz zum Eigenverbrauch als Straftat zu definieren.

Auch das internationale Opiumabkommen von 1925 bezweckt nach seiner Präambel die Bekämpfung insbesondere des internationalen Handels. Die Pflicht zur Strafbewehrung aus Artikel 28 i.V.m. Artikel 7 betrifft mithin den Besitz zum Zwecke des In-Verkehr-Bringens, nicht aber den ausschließlichen Konsumentenbesitz.

Problematisch ist hinsichtlich der Nachfrageorientierung insbesondere von Cannabis lediglich das ÜB 88.(16) Eigentlicher Sinn und Zweck des Abkommens ist die Förderung der Zusammenarbeit der Vertragsparteien zur besseren Bekämpfung des unerlaubten BtM-Verkehrs. Entsprechend der strafrechtlich-prohibitiven Linie, die sich in den meisten Unterzeichnerstaaten schon vorher durchgesetzt hatte, setzt das Abkommen insofern in seiner zentralen Vorschrift – Art. 3 Abs.1 – ausschließlich angebotsorientierte und insbesondere auf die Organisierte Kriminalität zielende Vorschriften. Für unser Thema relevant und besonders umstritten ist eine in Art. 3 Abs.2 enthaltene, und die eigentliche Zwecksetzung des ÜB 88 überschreitende Kriminalisierungspflicht für nachfrageorientierte Delikte. Hier der Wortlaut:
Art. 3 Abs.2 ÜB 88:
Jede Vertragspartei trifft vorbehaltlich ihrer Verfassungsgrundsätze und der Grundzüge ihrer Rechtsordnung die notwendigen Maßnahmen, um nach ihrem innerstaatlichen Recht den Besitz, den Kauf oder den Anbau von Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen für den persönlichen Verbrauch ..., wenn vorsätzlich begangen, als Straftat zu umschreiben.
Zwar ist Art 3 Abs.2 im Vergleich zu den anderen Abkommen insoweit restriktiver gefasst, als die Vertragsparteien verpflichtet werden, auch Besitz, Kauf und Anbau für den persönlichen Verbrauch »als Straftat« zu »umschreiben«. Darin spiegelt sich die vor allem von den U.S.A. dominierte drogenpolitische Entwicklungslinie der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, der immer militantere „War on Drugs“, der auch die Konsumenten als Förderer des weltweiten Drogenproblems pönalisierend in den Blick nahm (ausdrückliche Pönalisierung auch des reinen Konsums z.B. auch in Frankreich, Schweden).(17)

Von zentraler Bedeutung ist jedoch die vorangestellte einschränkende Maßgabe, dass der Strafpflicht nicht nationale ‚Verfassungsgrundsätze’ und ‚Grundzüge der Rechtsordnung’ entgegenstehen. Das eingangs erwähnte, grundgesetzlich verankerte und auch im BtM-Recht gültige Prinzip der Straflosigkeit eigenverantwortlicher Selbstgefährdung und Selbstverletzung modifiziert jedenfalls auch dann die internationalrechtliche Vorgabe, wenn man mit der herrschenden Meinung nicht die gänzliche Ablehnung des ÜB 88 fordert. Die internationalrechtliche Verpflichtung Straftatbestände zu schaffen endet, wo der Verfassungsgrundsatz der Straflosigkeit der Selbstschädigung beginnt. Typische Konsumverhaltensweisen sind Akte ausschließlich der Selbstschädigung, sofern nicht besondere Handlungsmodalitäten anderes nahe legen. Folgerichtig besteht insofern keine internationalrechtliche Pflicht zur Strafbegründung. Unterstützt wird die Erweiterung des Zielkatalogs globaler und europäischer Drogenpolitik um die Säule der ‚harm reduction’ schließlich durch den Aktionsplan der EU im Bereich der Drogen 2000-2004 und die Halbzeitevaluation von 2002.

4. Verfassungsrechtliche Pflicht zur Legalisierung

Man könnte auf dieser Argumentationsgrundlage sogar die Pflicht des deutschen Gesetzgebers zur materiell-rechtlichen Entkriminalisierung und zur verwaltungsrechtlichen Legalisierung analog den Regelungen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes sowie anderer verbraucherschützender Regelwerke ableiten. Diverse Modelle hierzu sind vorgeschlagen worden (z.B. Apothekenmodell Schleswig-Holstein; Berechtigungsschein-Modell etc.). Auf diese politisch derzeit unrealistischen Optionen kann ich hier nicht weiter eingehen.

5. Lösungsmöglichkeiten auf der Grundlage der herrschenden Meinung

Wenn man jedoch an der, wie eingangs besprochen, im Grunde rechtstheoretisch problematischen, jedoch die juristische Dogmatik derzeit beherrschenden Legitimationsfigur festhält muss man mindestens zu einer differenzierenden Lösung kommen. Nach dieser - 1994 vom BVerfG nur noch zögernd aufrechterhaltenen - Position begründen bereits der Erwerb und Besitz von kleinen (Verbraucher-)Mengen eine abstrakte Gefahr für das geschützte Rechtsgut der ‚Volksgesundheit’ bzw. des ‚Sozialen Zusammenlebens’ und stellen deshalb materielles Unrecht dar. Dies ist die in der Rechtswissenschaft wohl noch herrschende, aber zunehmend schwindende Meinung zum Schutzzweck des Betäubungsmittelstrafrechts. Damit erhebt man die Grundtatbestände nach § 29 Abs. 1 BtMG zu – rechtsdogmatisch so genannten – ‚abstrakten Gefährdungsdelikten’.(18) Die Konzeption über Universalrechtsgüter wie ‚Volksgesundheit’ und ‚Soziales Zusammenleben’, deren lediglich abstrakte Gefährdung schon strafbegründend sein soll, ist zwar stark umstritten, weil sie keine strafbarkeitslimitierende Wirkung enthält.(19) An dieser Prämisse scheitert aber gleichwohl der Einwand, die internationalrechtlichen Verfassungsvorbehalte ermöglichten eine national-rechtliche materiell-rechtliche Entkriminalisierung aus dem Gesichtspunkt der Straflosigkeit der Selbstschädigung.
Zu fragen ist nun, welche Lösungsmöglichkeiten angesichts dieser Rechtslage bestehen.

5.1 Strafprozessrechtliche Option

Immerhin ist inzwischen die auf dieser Prämisse beruhende‚ strafprozessuale Lösung’ Stand der Dinge. Es handelt sich dabei um eine durch untergesetzliche Normen, insbesondere staatsanwaltliche Richtlinien geregelte Entpönalisierung durch teilweise Nichtverfolgung von an sich strafbarem Verhalten im Wege von Verfahrenseinstellung bei eindeutig konsumorientierten und nicht irgendwie ‚fremdgefährdenden’ Fällen von Erwerb und Besitz „geringer Mengen zum Eigenbedarf. Auf die daraus resultierenden Probleme verfassungsrechtlicher und allgemein strafrechtlicher Natur brauche ich hier nicht einzugehen. Insbesondere hat die Ungleichheit der in den Richtlinien der verschiedenen Bundesländer festgelegten Schwellenwerte der ‚geringen Menge’ zu verfassungsrechtlich unerträglicher Ungleichbehandlung geführt. Die Forderungen nach gesetzlicher Regelung steht im Raum, um den verfassungswidrigen Zustand zu beenden. Dennoch sind unter dieser Prämisse auch materiell-rechtliche Entkriminalisierungsoptionen gegeben, und zwar zum einen unter Nutzung des durch die „Interpretationserklärung“ zum ÜB 88 geschaffenen Spielraums, zum anderen unter Zugrundelegung der Deliktsstruktur abstrakter Gefährdungsdelikte.

5.2 Umstufung zu Ordnungswidrigkeiten

Zu den allgemein in der teleologischen Auslegungsmaxime und im Besonderen der deutschen ‚Interpretationserklärung’ zum ÜB 88 ausgedrückten Entwicklungstendenzen jeglicher Rechtsordnung gehört auch, dass sich Definition und Qualität von Sanktionen verändern können. Teil dieses Wandels ist in Deutschland, dass verschiedene Formen sozialgefährlichen Verhaltens von Strafunrecht zu Ordnungsunrecht bzw. ‚Ordnungswidrigkeiten’ mit der Sanktion ‚Bußgeld’ umdefiniert worden sind (z.B. im Straßenverkehrsrecht; vorgeschlagen auch für Ladendiebstahl). Obwohl nach deutscher Rechtsdoktrin ein qualitativer Unterschied zwischen Straf- und Verwaltungsunrecht besteht, ist dieser Unterschied in der Außensicht nicht so erheblich. Viele andere Unterzeichnerstaaten haben keine solche Differenzierung der Sanktionsformen, können mit ihrer Definition als mit Geldbuße bewehrter Ordnungswidrigkeit problemlos das ÜB 88 erfüllen. Eine Umstellung bestimmter rein konsumbezogener Verhaltensweisen zu mit Bußgeld bewehrten Ordnungswidrigkeiten wäre also problemlos in Übereinstimmung mit dem ÜB 88 zu bewerkstelligen.(20) Festzulegen wären bestimmte Mengenwerte und andere Kautelen.

5.3 Materiell-strafrechtliche Möglichkeiten zur partiellen Entkriminalisierung

Erst recht gibt es Möglichkeiten zu einer verfassungsrechtlich einwandfreien, nicht dem Willküreinwand ausgesetzten, teilweisen materiell-strafrechtlichen Entkriminalisierung.

5.3.1 Tatbestandslösung

Eine solche ist zunächst auf der ersten strafrechtsdogmatischen Wertungsstufe – der so genannten Tatbestandsmäßigkeit – denkbar. Die materielle Straffreistellung durch Umgestaltung der (objektiven) Konsumtatbestände des § 29 Abs. 1 BtMG könnte sich z. B. an der gesetzlichen Konzeption des § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) orientieren.(21) Der Gesetzgeber hat es bewusst der Rechtsprechung überlassen, die tatsächlichen, die abstrakte Rechtsgutgefährdung indizierenden Beweisumstände festzulegen. Mit dem Rechtsbegriff der sog. ‚absoluten Fahruntüchtigkeit’ - dogmatisch als ‚Beweisregel’ einzuordnen - hat der BGH auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Erkenntnisse festgelegt, welche Menge Alkohol im Körper des Täters (1,1 Promille) unwiderleglich seine Fahruntüchtigkeit und damit die abstrakte Gefährdung der Rechtsgüter ‚Leben, Gesundheit und fremdes Eigentum’ begründet. Dementsprechend wären die Konsumtatbestände des Betäubungsmittelstrafrechts wie folgt zu begrenzen: „Strafbar ist, wer erlaubnislos Betäubungsmittel . . . erwirbt . . besitzt . . und dadurch die Gesundheit anderer gefährdet.“ Eine derart einschränkende Tatbestandsergänzung würde klarstellen, dass nicht der Besitz jeder, auch noch so kleinen Konsummenge tatbestandliches Unrecht im Sinne einer Gefährdung der ‚Volksgesundheit« bedeutet. Es würde klargestellt, dass nur dann strafwürdiges Unrecht vorliegt, wenn von der Menge des Stoffs auf die Gefahr der Weitergabe an Dritte geschlossen werden kann. Die Rechtsprechung könnte dann analog der Alkohol-Rechtsprechung eine ‚Menge mit absoluter Indizwirkung’ festlegen. Bei dieser gilt, entsprechend der ‚absoluten Fahruntüchtigkeit’ die abstrakte Gefährdung der Volksgesundheit für jeden Einzelfall als unwiderleglich bewiesen.(22)

5.3.2 Rechtswidrigkeitslösung

Auch auf der Wertungsstufe der Rechtswidrigkeit kann eine teilweise Entkriminalisierung von Konsumverhaltensweisen begründet werden, und zwar durch Formulierung ‚offener Tatbestände’.(23) Hier sind die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale so weit formuliert, dass der Tatbestand eine die Rechtswidrigkeit indizierende Wirkung nicht entfalten kann.(24) Der Gesetzgeber hat in diesen Fällen spezielle ‚Rechtswidrigkeitsklauseln’ formuliert, mit deren Hilfe die Sozial- und damit Rechtswidrigkeit des tatbestandlichen Verhaltens positiv festgestellt werden muss. Klassisches Beispiel hierfür ist die ‚Verwerflichkeitsklausel’ der Nötigung in § 240 Abs. 2 StGB. „Auch die Konsumtatbestände des Betäubungsmittelstrafrechts können als ‚offene Tatbestände’ verstanden werden, weil sie neben anderen auch Handlungsweisen umfassen, die in Ansehung des Schutzgutes Volksgesundheit ‚unmöglich Verbotsmaterie’ sein können. Das gilt insbesondere für Verbraucherhandlungen, die sich auf so kleine Mengen beziehen, dass die Indizwirkung der Weitergabe nicht besteht und deshalb das universelle Rechtsgut der Volksgesundheit nicht gefährdet sein kann.“(25)

„Eine Limitierung könnte sich auch an dem Gedanken der Sozialwidrigkeit orientieren, z.B. mit der Formulierung: „Strafbar ist, wer ohne Erlaubnis . . . Betäubungsmittel rechtswidrig erwirbt . . Rechtswidrig ist die Tat, wenn sie mehr als x Gramm ... zum Gegenstand hat.“(26) Durch Einfügung einer an der Überschreitung von Verbrauchsmengen anknüpfenden ‚Sozialwidrigkeitsklausel’(27) kann erreicht werden, dass nur solche Verbrauchshandlungen rechtswidrig sind, die sich auf Mengen beziehen, die die Gefahr der Weitergabe an Dritte und damit Gefährdung der Volksgesundheit besorgen lassen. Verbrauchshandlungen, die sozialschädliche Folgen für die universale ‚Volksgesundheit’ oder das „Soziale Zusammenleben’ nicht entfalten können, wären materiellrechtlich nicht strafbar.

5.3.3 Verzicht auf Strafbarkeit

Die partielle Entkriminalisierung der Konsumhandlungen lässt sich dogmatisch auch durch ein Merkmal außerhalb des Unrechtstatbestande realisieren, nämlich die (echte) "objektive Bedingung der Strafbarkeit". Als Strafeinschränkungsgrund hat diese zusätzliche materielle Voraussetzung der Strafbarkeit die Folge, „dass bei ihrem Fehlen die materiellen Voraussetzungen des staatlichen Strafanspruches nicht erfüllt sind. Das Instrument der Strafbarkeitsbedingung bietet dem Gesetzgeber damit die Möglichkeit, ein über das Strafrecht hinausgehendes besonderes ‚Strafbedürfnis’ zu definieren und auf diese Weise Zweckmäßigkeitserwägungen in einen Straftatbestand einfließen zu lassen, insbesondere kriminalpolitische Erwägungen aber auch Gründe der Strafökonomie oder der Gesundheitspolitik.“(28) Bei den hier interessierenden abstrakten Gefährdungsdelikten kann die Strafbarkeit dadurch begrenzt werden, dass sie davon abhängig gemacht wird, dass sich das ‚Gefährdungspotential’ in einem gewissen Umfang tatsächlich manifestiert hat. Denn ohnehin ist aus dem Gesichtspunkt des Schuldprinzips nicht zu legitimieren, dass beim Schutz überindividueller Rechtsgüter wie der ‚Volksgesundheit’ die Strafbarkeit auch dann nicht entfällt, wenn die einzelne Handlung für das Rechtsgut völlig ungefährlich ist. Positiv-rechtliches Beispiel für ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das durch eine objektive Strafbarkeitsbedingung beschränkt ist, ist z.B. der Deliktstatbestand des ‚Bankrotts’. § 283 StGB schützt die ‚allgemeinen Belange der Gesamtwirtschaft’ vor abstrakten Gefährdungen, begründet einen staatlichen Strafanspruch aber nur, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat (objektive Strafbarkeitsbedingung), sich also durch die Zahlungseinstellung die Gefährdung des Schutzgutes in gewissem Umfang realisiert hat. Als Beispiel aus der neueren Gesetzgebungsgeschichte kann § 326 StGB herangezogen werden, der die Umweltmedien ‚Wasser, Boden und Luft’ vor abstrakten Gefährdungen durch Abfall schützt, einen staatlichen Strafanspruch aber nur zulässt, wenn nicht die schädliche Einwirkung ‚wegen geringer Menge’ offensichtlich aus-geschlossen ist (Abs. 5). Durch diese ‚Ungefährlichkeitsklausel’ hat der Gesetzgeber also Bagatellemengen, die das Rechts-gut nicht gefährden können, aus der materiellen Strafbarkeit herausgenommen.(29) Für das Betäubungsmittelstrafrecht würde dies bezogen auf die Komsumtatbestände eine Ergänzung bedeuten, die wie folgt aussehen könnte: »Die Tat ist nur strafbar, wenn sie mehr als x Gramm ... zum Gegenstand hat.«

Eine dogmatische Umsetzung der Entkriminalisierung von Verbrauchshandlungen mit Hilfe der ‚Sozialwidrigkeitsklausel’ oder der »objektiven Bedingung der Strafbarkeit« würde unzweifelhaft den Vorteil haben, dass hier, anders als bei einer Ausformung entsprechend § 316 StGB, der Gesetzgeber die beanstandungsfreien Mengen für die unerlaubten Betäubungsmittel selbst festlegen könnte. Damit wäre sichergestellt, dass die Konsumenten Rechtssicherheit erlangten und, anders bei einer Entwicklung durch die Rechtsprechung, ad-hoc gleichbehandelt würden. Bei der Bestimmung der Mengen könnte eine Orientierung an den niederländischen ‚Richtlijnen voor het Opsporings en Strafvordcringsbcleid Inzake strafbar Feiten van de Opiumwet’, 1980, erfolgen.(30) Die dortigen Freimengen (z. B. 30 Gramm Haschisch) könnten als typische Konsummengen anerkannt werden. Diese Mengen entsprechen den kriminalistischen Er-fahrungswerten, die die niederländische Polizei seit Anfang der 70er Jahre gesammelt hat. Sie sind in die niederländische Richtlinie eingeflossen, um die Konsumenten von den (Groß)Dealern zu trennen und so das niederländische Konzept der Konzentration der Strafverfolgung auf solche Verhaltensweisen, die die Volksgesundheit gefährden, umzusetzen. Überdies ist bei der Übernahme der niederländischen Werte eine Kollision mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur ‚nicht geringen Menge’, die nach § 29 Abs. 3 Ziff. 4 BtMG immerhin auch bei Besitz einen besonders schweren Fall indiziert’, nicht zu befürchten. Das ergibt sich, beispielhaft für Cannabis, aus einer toxikologischen Auswertung der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes für das Jahr 1990, nach der ca. 70% aller untersuchten Haschischproben ein THC-Gehalt zwischen 6 und 7 Gewichtsprozent aufweisen. Bei einer Bruttomenge von 30 Gramm Haschisch wird der vom Bundesgerichtshof definierte Grenzwert von 7 g Gramm THC (Wirkstoffmenge) also nicht erreicht.

Eine spezielle Regelung muss für die vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich für rechtlich möglich gehaltene medizinische Anwendung von Cannabis gefunden werden. Die in dieser Hinsicht kompetente Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM, Köln) schlägt insofern die Einfügung eines § 31b BtMG vor, der das Absehen von Strafverfolgung bei medizinischer Verwendung illegaler Cannabisprodukte empfiehlt.

Die übrigen dogmatischen Regeln, insbesondere betreffend Irrtum und Beteiligung (Mittäterschaft u. Teilnahme) würden problemlos integriert werden können.

6. Ausschöpfung der vom ÜB 88 vorgesehenen Alternativen

Möglichkeiten zur Zurückdrängung und zu faktischem Verzicht auf Strafmaßnahmen lassen sich ferner direkt aus dem ÜB 88 ableiten. Dort heißt es:
Art. 3 Abs.4d ÜB 88:
Die Vertragsparteien können anstelle oder zusätzlich zu der Verurteilung oder Bestrafung wegen einer in Übereinstimmung mit Abs.2 umschriebenen Straftat Maßnahmen zur Aufklärung und Erziehung, Nachsorge, Rehabilitation oder sozialen Wiedereingliederung des Täters vorsehen.
Art. 2 Abs.2 GG gewährleistet die staatliche Pflicht zum Schutz von und zur Fürsorge für die Gesundheit der Bürger. In dieser Hinsicht muss ein rein repressives Drogenstrafrecht kritisiert werden, denn es schafft durch Erzeugung des Schwarzmarktes und sonstige unbeabsichtigte Kriminalisierungsfolgen Risiken und Schäden für die Konsumenten. Schon aufgrund elementarer Rechtsgedanken wäre der Staat verpflichtet, diese Folgen zumindest zu kompensieren. Aber auch kraft allgemeiner Grundsätze der Gesundheitspolitik ist der Staat verpflichtet, wo immer möglich, Voraussetzungen für Resozialisierung und Rehabilitation zu schaffen. Dementsprechend bietet es sich an, dem ÜB 88 dadurch zu genügen, dass statt Strafen geeignetere Maßnahmen zu Prävention, Rehabilitation und Resozialisierung gem. Art.3 Abs.4d eingeführt werden.

7. Fazit

Gegen die hier vorgestellte, gänzlich im rahmen des Prohibitionsparadigmas verbleibende Teilentkriminalisierung von Konsumverhaltensweisen lassen sich international-rechtliche Bedenken nicht erheben. Das ergibt sich im Grundsatz bereits daraus, dass die vorgeschlagenen Wege zur Limitierung des staatlichen Strafanspruches (bei Verbrauchsmengen) einerseits dem Verfassungssatz der Straflosigkeit der Selbstgefährdung Rechnung tragen und deshalb vom ‚International-rechtlichen Verfassungsvorbehalt’ abgedeckt sind, andererseits aber eine abstrakte Gefährdung der Volksgesundheit weiterhin strafbegründend ist, wenn die betroffene Menge die Gefahr der Weitergabe indiziert. Die Konsumverhaltensweisen bleiben also nach Maßgabe des Rechtsgutes ‚Volksgesundheit’ weiterhin unter Strafe gestellt. Sie sind als ‚Straftat ebenso »definiert’ wie die Trunkenheit im Verkehr (§316 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB) oder die umweltgefährdende Abfallbeseitigung (§ 326 StGB), deren Deliktsaufbau ebenfalls strafbeschränkende Merkmale enthält, die aber ohne Zweifel den Grundzügen der deutschen ‚Rechtsordnung’ entsprechen (Art. 3 Abs. 2 ÜB 88). Diese Argumentation findet Bestätigung in Art. 3 Abs. 2 ÜB 88. Danach ist die Beschreibung der Straftaten und der diesbezüglichen Rechtfertigungsgründe ausdrücklich dem innerstaatlichen Recht vorbehalten. Damit ist klargestellt, dass die Ausgestaltung der Konsumdelikte dem nationalstaatlichen Gesetzgeber nach Maßgabe seiner nationalen Strafrechtsdogmatik obliegt. Die Ergänzung der Konsumdelikte um eine ‚Beweisregel’, eine ‚Sozialwidrigkeitsklausel’ oder eine »objektive Strafbarkeitsbedingung« wird auch nicht etwa von Beliebigkeitserwägungen getragen sondern ist sachlich-rechtlich begründet als Ausdruck der Verfassungslage einerseits und andererseits der Rechtsgutsystematik. Flankiert von kriminal- und gesundheits-politischen Überlegungen ist sie deshalb internationalrechtlich nicht zu beanstanden. Die hier vertretene Auffassung findet i. ü. eine weitere Bestätigung in der internationalen Rechtslage. So ist in England (Ausnahme Opium), Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Belgien Besitz (und Erwerb) zum Eigenkonsum von Betäubungsmitteln nicht strafbar. Anführen lässt sich hier auch die niederländische Rechtslage. Das dortige Opportunitätsprinzip entspricht in manchem einer Teilentkriminalisierung nach deutschem Strafrecht, weil es den Behörden eine Strafverfolgung nur erlaubt, wenn sie nicht nur formell auf das Gesetz gestützt werden kann, sondern darüber hinaus im allgemeinen Interesse auch erforderlich ist.

Ein Argument für eine teilweise Entkriminalisierung des Betäubungsmittelgesetzes ist auch, dass im Bundesdurchschnitt Drittel über 80% aller von der Polizei ermittelten Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz eingestellt werden. Die Einstellungen erfolgten insbesondere nach §29 Abs. 5 BtMG und haben zum größten Teil Strafverfahren gegen Eigenkonsumenten von Cannabis, aber auch von Heroin zum Gegenstand. Es ist deshalb in Ansehung solch hoher Einstellungsquoten gut begründbar, diese Verbrauchshandlungen, soweit nach Maßgabe der Volksgesundheit vertretbar, von vornherein dem staatlichen Strafanspruch zu entziehen. Das würde Polizei und Justiz nicht unerheblich entlasten. Ob und wie die eingangs skizzierte rechtliche Evolution weiter geht, ist eine Frage der Politik – aber auch einer allmählichen Bewegung von unten: von der Basis der Konsumenten (Selbstorganisation, Wahrnehmung der Grundrechte auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit), der Drogenhilfeorganisationen und anderer Institutionen (NGOs, Gesundheitssystem, Wissenschaft etc.) und schließlich der Meinungsrepräsentanz in den Parteien.

Literatur:

Albrecht, Hans-Jörg: Internationales BtM-Recht und internationale BtM-Kontrolle. In: Kreuzer, Arthur (Hg.): Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts. München 1998, S.651-695.

Böllinger, Lorenz: Betäubungsmittelstrafrecht, Drogenpolitik und Verfassung. In: Kritische Justiz 24, 1991, S.393-408.

Böllinger, Lorenz: Grenzenloses symbolisches Strafrecht. In: Kritische Justiz 1994, S.391ff. Commentary on the Single Convention on Narcotic Drugs. Prepared by the Secretary General in accordance with § 1 e Economic and Council Resolution 914/XXXXIV of Aug. 3, 1962

Dünkel, Frieder: Drogenpolitik und Drogengesetzgebung im internationalen Vergleich. Recht und Politik 1991, 227ff.

Katholnigg, : Ist Entkriminalisierung von BtM-Konsumenten mit scharfen Maßnahmen zur Eindämmung der BtM-Nachfrage vereinbar? Goldtammers Archiv 1990, 193ff.

Keller, Arnold: Verhindern völkerrechtliche Verträge eine liberale Drogenpolitik? StV 1996, 55-58

Klinger, Stefanie: Die Implementationssicherungsmechanismen der UN-Drogenkonventionen von 1961, 1971 und 1988. Berlin 1999 (Duncker u. Humblot) 337 S.

Köhler, Michael: Freiheitliches Rechtsprinzip und Betäubungsmittelstrafrecht. Zeitschrift für die gesamten Strafrechtswissenschaften 102, 1992, S.3ff.

Köhler, Michael: Verbot und Bestrafung des Cannabis-Umgangs nach internationalem Recht. Gutachten f. Min. f. Arbeit etc., Schleswig-Holstein, Mai 1995.

Körner, Hans Harald: Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz, 5. Aufl., München 2001.

Kuckelsberg, Susanne: Die Vereinbarkeit einer Reform des BtMG mit internationalen Übereinkommen. JA 1994, 16-25

Kuckelsberg, Susanne: Gibt es einen Weg zu einem europäischen BtM-Recht? ZRP 1994, 259ff.
Nestler, Cornelius: Grundlagen und Kritik des BtM-Strafrechts. In: Kreuzer, Arthur (Hg.): Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts. München 1998, S.702-864.

Schneider, Hartmut: Zur Entkriminalisierung der Konsumverhaltensweisen des BtM-Strafrechts im Lichte internationalrechtlicher Verpflichtungen. StV 1992, 489-492


Secretary General: Commentary on the Single Convention on Narcotic Drugs, 1961. New York 1973

Seidl-Hohenveldern, Ignaz/ Stein, Torsten: Völkerrecht. 10. neubearb. Aufl. 2000.

Sherman, Mark Andrew: Games Without Frontiers: US international Drug Control Policy. In: Böllinger (Ed.): Cannabis Science. Frankfurt/M 1997, pp. 243-247


Fußnoten:

(1) Seidl-Hohenveldern 2000, Rdnr. 332 ff.
(2) vgl. Secretary General a.a.O., die einzige gängige Kommentierung. Sie wird von juristischen Laien vielfach fälschlicherweise als dem Text der Vereinbarungen gleichwertig betrachtet.
(3) BGBl. 1993 II S.1136; zur Gesetzgebungsgeschichte: Bt-Drs. 12/4901; vgl. Kuckelsberg 1994, 20.
(4) Ausführlich und rechtstheoretisch erschöpfend dazu Nestler 1998
(5) Vgl. auch: Entkriminalisierungsvorschläge der Hessischen Kommission Kriminalpolitik zum Betäubungsmittelstrafrecht, S. 9.
(6) Ausführlich dazu: Böllinger 1991
(7) Dazu: Böllinger 1994
(8) In England empfahl der Bericht des ‘House of Commons Home Affairs Select Committee’ in seinem Bericht ’The Government’s Drug Policy: Is it Working?’ ausdrücklich, dass als weiteres Ziel der natinalen Drogenstrategie ‘harm reduction and public health’ zu gelten habe (siehe http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200102/cmselect/cmhaff); In Kanada befand das ’Senate Special Committee on Illegal Drugs’ nach zweieinhalbjährigen Expertenanhörungen und Debatten, dass Cannabis entkriminalisiert werden solle.’
(9) A/Res/S-26/“. Declaration of Commitment on HIV/AIDS. Gen. Assembly 26th Special Session on HIV/AIDS, June 2001; article 52; A/RES/54/132. Action Plan for the Implementation of the Declaration on the Guiding Principles of Drug Demand Reduction, annex to resolution, Gen. Assembly 2 Feb. 2000.
(10) Sämtlich abgedruckt bei Körner 2001, Anhang BI-B3.
(11) BR-Dr. 121/92
(12) BGBl. II S.125
(13) doc. 9283/00 CORDROGUE 32.
(14) So z.B. Dünkel 1991, 229.
(15) Im Einzelnen: Kuckelsberg 1994, 18f.
(16) BGBl. I 1993 S.1407: G z. Ausführung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen.
(17) Vgl. Albrecht 1998, 666ff.
(18) BT-Drs. 12/2838, 1992
(19) Vgl. NestIer 1998, 273; SK-Rudolphi, vor § 1 Rdnr. 8.
(20) So auch Albrecht 1998, S.677f.
(21) Dieser Vorschlag folgt Schneider 1992
(22) Schneider a.a.O. S.491
(23) Auch hier Schneider 1992 folgend.
(24) Vgl. Welzel, Lehrbuch, § 14 I.2b; §43 1 3.
(25) Schneider a.a.O. S.491.
(26) So Schneider a.a.O. S.491.
(27) Vgl. Körner, a. a. 0. § 29 Rdnr. 578.
(28) Schneider a.a.O. S.491.
(29) SK-Horn, § 326 Rdnr. 26; der dogmatische Streit, ob die „Minimalklausel“ als „Strafreierklärung sui generis“ oder „objektive Bedingung der Straflosigkeit“ o. ä. zu bezeichnen ist, ist hier nicht von Belang, vgl. insoweit LK-Steindorf, § 326 Rdnr. 67.
(30) Rechtsvergleichende Untersuchung der wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut ftir ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, Mr. Ingrid van den Reyt, S.257ff.



Dr. Axel Klein, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung von DrugScope

Beitrag liegt noch nicht im Wortlaut vor. Zusammenfassung eines Teilnehmers:

Reformen in der britischen Drogenpolitik - Vorbild für Deutschland? Dr. Axel Klein, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung von DrugScope, Britischer Delegierter bei der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle in Lisabon, äußerte sich kurz zu der Experimentalübung "in einem Polizierevier" in London - für ein halbes Jahr - dessen Auswertung nicht zuletzt zu der neuen Herabstufung des Cannabis in England geführt hätte. Als weitere Folge sein überall im Land insgesamt "148 Drug Action Teams" entstanden, wo unter Einbezug aller Betroffenen, Bürger wie Politik und Verwaltung vor Ort [eine Art Frankfurter Montagsrunde] über lokale Probleme mit Drogen gesprochen und mögliche Lösungen initiiert würden. Im wesentlichen seien es drei Problemgruppen im Zusammenhang mit Drogen, die stets thematisiert würden. Erstens, die sozialen und gesundheitlichen, zweitens, die Kriminalität (auch Fragen der Korruption und Rechtsstaatlichkeit) und drittens, internationale Fragen. Sie beobachteten auf der Welt immer wieder einer "Perversion des Sicherheitsapparates" durch die Repression. "Bestimmte Muster" liefen stets aufs neue ab, wenn sich (wie jetzt bei den kurz vor Aufnahme in die EU stehenden) Staaten verpflichteten die UN-Abkommen einzuhalten (auch in Afrika). "Immer" treffe die Repression am Ende die "kleinen Dealer und die KonsumentInnen", und das beträfe "fast immer Cannabis". Besonders in den Neu-EU-Staaten oder den Schwellenländern schickten die Regierungen dann harmlose KonsumentInnen ins Gefängnis, wo viel erst zu "richtigen Kriminellen" würden.

Oftmals spiele wirtschaftlicher oder politischer Druck der USA hier eine Rolle. Die geplante "Entpönalisierung in Jamaika" sei so gescheitert. Dabei sei doch die "Repression nicht erfolgreich bei der Umsetzung ihrer Ziele". Wo vorher ein "verschwindend geringes Problem mit Drogen" beispielsweise in Westafrika bestanden hätte, und wobei es sich erneut in erster Linie um Cannabis gehandelt habe, entstand erst ein großes Problem, für das unangemessen große Ressourcen verschwendet würden. Die sei im Grunde "unverantwortlich". Die internationale Drogenpolitik müsse auf jeden Fall evaluiert werden. Unter dieser Drogenpolitik sei keine Möglichkeit, eine tatsächliche, notwendige und ehrliche Drogenkultur zu entwickeln.


Susanne Schardt, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH

Beitrag liegt noch nicht vor.


Schlussworte, Biggi Bender, MdB


PRESSEMITTEILUNG

NR. 177 der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Datum: 21. März 2003

UN-Drogenpolitik – von unabhängiger Seite und auf wissenschaftlicher Grundlage evaluieren

Zum öffentlichen Fachgespräch "UN-Drogenpolitik - Handlungsspielräume und Reformbedarf" der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen erklären Biggi Bender, gesundheits- und drogenpolitische Sprecherin, und Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher:

Anlässlich der vom 16.-17. April 2003 in Wien stattfindenden Tagung der Commission on narcotic drugs (CND) veranstaltete die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ein Fachgespräch zur UN-Drogenpolitik. Dort kritisierten Dr. Axel Klein (DrugScope London) und Jan van der Tas (Vorstandsmitglied der niederländischen Stiftung Drogenpolitik und ehemaliger Botschafter der Niederlande) den repressiven Ansatz der UN-Drogenverträge. Verglichen mit den Schäden durch Tabak und Alkohol seien die illegalen Drogen ein geringeres Problem. Trotzdem sprachen sie sich aus politischen Gründen gegen eine, auch teilweise, Aufkündigung der UN-Drogenverträge aus. Gleichzeitig forderten sie dazu auf, sich bei der vom 16. bis 17. April 2003 in Wien stattfindenden Tagung der Commission on narcotic drugs (CND) für eine kritische Evaluation einzusetzen. Zentral sei, dass von unabhängiger Seite und auf wissenschaftlicher Grundlage evaluiert wird, ob die repressiven Elemente zu der angestrebten Reduktion von Drogen und Drogenkonsum führten oder andere Wege einzuschlagen sind.

Unser langfristiges Ziel ist die Entkriminalisierung von weichen Drogen wie Cannabis.[1] In dieser Legislaturperiode stehen an zentraler Stelle die vom Bundesverfassungsgericht geforderte bundesweite Vereinheitlichung des Begriffs der geringen Menge zum straflosen Erwerb und Besitz von Cannabis zum Eigenverbrauch sowie die Veränderung der Fahrerlaubnisverordnung. Unhaltbar erscheint, dass jedes Bundesland bei unterschiedlichen Mengen Cannabis von Strafverfahren absieht. Wir setzten uns dafür ein, dass der Besitz von Cannabis ohne jeden Bezug zum Straßenverkehr nicht mehr den Führerschein kosten muss.

Unsere Auffassung wurde von Prof. Dr. Böllinger, der an der Universität Bremen Kriminalwissenschaften lehrt, während des Fachgesprächs bestätigt. Er sieht im Rahmer der internationalen Drogenverträge der UN Handlungsspielräume für die Gestaltung des bundesdeutschen Rechts und den Auftrag verfassungswidrige Tatbestände zu beseitigen.
Fußnoten:
    [1] Tatsächlich sieht das Wahlprogramm der Grünen bei Cannabis nicht nur eine Entkriminalisierung vor sondern eine Legalisierung. Das Bundesnetzwerk Drogenpolitik hat Frau Bender inzwischen darauf hingewiesen.


UN-Drogengipfel in Wien im April
http://www.cannabislegal.de/international/un-wien2003.htm

Anhörungen und Tagungen:
http://www.cannabislegal.de/aktionen/tagungen.htm


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