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Caspers-Merk: "Es muss mal Schluss sein"

Newshawk: oxknox
Pubdate: 18.10.2001
Source: Weser Kurier
Contact: redaktion@weser-kurier.de
Copyright: © Weser Kurier
Website: http://www.weser-kurier.de
Notes: online: http://www.weser-kurier.de/politik/fs_wk_politik.html?id=232405

Drogenbeauftragte des Bundes setzt neue Ziele und will Überzeugungsarbeit leisten

Von unserem Redakteur Krischan Förster

Bremen. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung will neue Wege gehen. Anders als ihre Vorgänger will Marion Caspers-Merk vor allem Alltagsdrogen wie Alkohol und Tabak stärker bekämpfen und setzt dabei auf Prävention und Überlebenshilfe für Süchtige.

In Bremen läuft gerade der Freimarkt. Da wird auch mächtig getrunken. Graust es Sie da nicht?

Marion Caspers-Merk: Ist es hier so schlimm? Bei Alkohol ist die Menge entscheidend. Ich komme schließlich selbst aus einem Weinanbaugebiet. Man muss aber klar sagen, wann Schluss ist.

Die Trends sind aber alarmierend. Erstmals seit 1992 liegt die Zahl der Drogentoten bei mehr als 2000.

Ich muss auch die Verantwortung für etwas übernehmen, das ich gar nicht allein steuern kann. Dazu gehört es manchmal auch, Missstände zuzugeben.

Mit ihren drei Mitarbeitern haben Sie einen jährlichen Etat von 27 Millionen Mark. Ist es da nicht zwangsläufig so, dass guten Worten leider zu wenige Taten folgen?

Wir haben verschiedene Stellschrauben im System. Ein paar kann ich bewegen, aber nicht alle. Ich bin zuständig für Betäubungsmittelrecht. Ich kann außerdem zwischen Bund und Ländern vermitteln und Modellprojekte anschieben. Und wir haben einen Etat für die Aufklärungsarbeit. Für den Rest sind andere zuständig, also Länder, Kommunen, Rentenversicherer und Krankenkassen. Bei uns wird schon viel gemacht, aber eben aus verschiedenen Töpfen. Da wird leider manches gar nicht sichtbar.

Was denn genau?

Wir haben Fixerstuben legalisiert, in deren Umfeld die Zahl der Todesfälle nachweislich zurückgehen. Ein Methadon-Register wurde eingeführt, damit der Drogen-Ersatzstoff nicht doppelt und dreifach verschrieben werden kann. Wir setzen im nächsten Jahr das Rauchverbot für Jugendliche unter 16 Jahren durch und führen die Chipkarte für Zigarettenautomaten ein. Oberstes Ziel bleibt es, die Abhängigen von ihrer Sucht wegzubekommen. Deswegen hat Rot-Grün neben den bisherigen drei Säulen der Drogenpolitik - Prävention, Repression und Therapie - die Überlebenshilfe als Komponente hinzugenommen. Nur wer überlebt, kann auch aussteigen. Und wir helfen beim Überleben, mit Angeboten.

Künftig wird Heroin staatlich kontrolliert gespritzt, Cannabis zu medizinischen Zwecken zugelassen. Warum werden nicht gleich, wie vielfach gefordert, Drogen legalisiert?

Eine Legalisierung ist immer ein Zeichen von: "Du darfst." Da wird es schwierig zu sagen, lass die Finger davon. 92 Prozent aller Deutschen haben Erfahrungen mit Alkohol, diese Quote möchte ich bei Cannabis nicht erleben. Diese Forderung erheben vor allem Wirtschaftswissenschaftler, und die denken sich die Welt immer so, wie sie gar nicht ist. Sie glauben, sobald es keine Riesenprofite im illegalen Geschäft gibt, gibt es auch das Drogenproblem nicht mehr. Die Lebenswirklichkeit ist aber leider eine andere.

Bremen war in frühen Jahren Vorbild in Sachen Drogenpolitik. Der heutige Senat lehnt zentrale rot-grüne Anliegen, etwa die Einrichtung von Fixerstuben und die medizinische Abgabe von Heroin, ab. Wollten Sie hier Überzeugungsarbeit leisten?

Wissen Sie, der Bund schreibt nichts vor, er ermöglicht bestimmte Projekte wie eben Fixerstuben, indem er einen rechtlich sicheren Rahmen setzt. Welche Prioritäten dann gesetzt werden, obliegt jedem Bundesland selbst. Wir machen aber natürlich auch ein Stück weit Überzeugungsarbeit, indem wir wissenschaftlich untersuchen lassen, welche Ergebnisse zum Beispiel Fixerstuben bringen. Und möglicherweise werden die Prioritäten dann anders gesetzt.

Der "Nationale Rauschgiftbekämpfungsplan' ist elf Jahre alt. Ist es nicht längst Zeit für eine neue Strategie?

Da bin ich dran. Aber ich kann ja nicht par Ordre de Mufti entscheiden, was sein soll, sondern ich muss es mit den Kommunen, den Ländern und den Experten diskutieren. Sonst schreibe ich etwas auf, und alle sagen, das ist total daneben.

Aber Sie haben konkrete Vorstellungen?

Ja, natürlich. Ich will den Missbrauch von legalen Drogen in den Mittelpunkt stellen, nicht nur von Nikotin und Alkohol, sondern auch den Missbrauch von Medikamenten. Nikotin und Alkohol sind nun einmal die Einstiegsdrogen. Und der Schwerpunkt soll klar bei der Prävention liegen. Gerade bei den Alkoholikern haben wir eine riesenlange Leidenszeit, die meisten gehen erst nach 15 Jahren in Behandlung. Das ist viel zu spät - Familie und Job sind bis dahin längst weg. Also mü ssen wir solche Karrieren früher unterbrechen. Ich leide immer ein bisschen darunter, dass wir ganz viel Geld am Ende einer Drogenkarriere ausgeben und am Anfang zu wenig tun.

Dazu müssen Sie die Betroffenen überhaupt erst einmal erreichen.

Alte Strickmuster bewirken bei der Handy- und Internet-Generation tatsächlich wenig. Gerade Jugendliche hören doch nicht auf uns "Grufties". Wir haben deshalb ein neues Internetangebot mit Informationen und Beratungsangeboten geschaffen. Am besten ist es aber, wenn Gleichaltrige die Botschaft transportieren. Und die Botschaft muss dauerhaft auf der untersten, der kommunalen Ebene vermittelt und mit Aktionen unterfüttert werden, damit sie gesellschaftlich nachwirkt.

Gibt es denn neue Ansätze?

Wir haben erstmalig einen "Kommunalen Präventionswettbewerb" gestartet und mit 100 000 Mark Prämie für das beste Konzept einer Stadt ausgelobt. Damit wollen wir die besten Ideen sammeln und andere Kommunen animieren. Wenn in der Nachbarstadt etwas passiert, wird ein ordentlicher Bü rgermeister versuchen, das nachzumachen. Beim Thema der legalen Drogen ist Bremen übrigens doch wieder Vorreiter. Die Kampagne "Alkohol - Verantwortung setzt die Grenze" ist hier sehr gut mit Leben erfüllt worden. Ich habe die Bremer deshalb gebeten, bei einer Tagung im Frühjahr dieses hervorragende Konzept zu präsentieren.

http://www.weser-kurier.de/politik/fs_wk_politik.html?id=232405


Marion Caspers-Merk, Drogenbeauftragte