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Legaler Haschischgenuss wird auch in Zukunft ein Traum bleiben (Nürnberger Nachrichten, 20.04.2002)

Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik "akzept" diskutiert in Nürnberg mit Experten Freigabe von Cannabis

Entkriminalisierung der Konsumenten als erstes Ziel ­ Den Niederlanden und der Schweiz machen Rauschmittel-Touristen schwer zu schaffen ­ Erhöhtes Krebsrisiko

VON KATJA KRETZSCHMAR

Seit über 30 Jahren fordern Kiffer: "Legalize it!" Heute singt Blödel-Moderator Stefan Raab ganz öffentlich und unter großem Applaus: "Ich bau' mir jetzt mal so'n Teil, zum Kiffen". Raab gehört zu den Prominenten, die hinter der im Dezember 2001 gegründeten "Cannabis-Kampagne" stehen, neben rund 200 Privatpersonen und über 60 Vereinen und Verbänden. Gründer der Kampagne ist der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik "akzept" in Münster. Zusammen mit dem Drogenhilfeverein Mudra hatte "akzept" Experten zu einer Diskussion über "Perspektiven einer Cannabisreformpolitik" in die Nürnberger Villa Leon eingeladen. NÜRNBERG ­ "Auch die Grünen unterstützen uns, obwohl Herr Fischer seine Unterschrift verweigert hat", erklärt Heino Stöver, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Drogenforschung der Universität Bremen und "Kopf" der Kampagne. Vorrangiges Ziel ist eine Entkriminalisierung der Konsumenten als erster Schritt. Bislang werden Drogendelikte in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt. Während in Bayern oder Baden-Württemberg ein einziges Gramm zur Anklageerhebung ausreicht, sind es in Berlin etwa sechs und in Schleswig-Holstein 30 Gramm. "Straffreiheit für den Besitz geringer Mengen bis 30 Gramm in allen Bundesländern" ist deshalb die zentrale Forderung der Kampagne.

Unter den rund 120 Zuhörern sitzt Anwältin Nicole Obert. "Wir stimmen einer einheitlichen Einstellungspraxis der Verfahren innerhalb Deutschlands zu", betont sie und liegt damit auf einer Linie mit Staatsanwalt Harald Hans Körner vom Oberlandesgericht Frankfurt.

Sieben Schritte

Der Jurist ­ "ein Papst in Sachen Betäubungsmittelgesetz" ­ schlägt eine "Entkriminalisierung in sieben Schritten" vor, beginnend mit einer Erniedrigung des Strafrahmens für so genannte weiche Drogen, über eine ärztliche Abgabe von Cannabis bis hin zur vollständigen Freigabe, ausgenommen an Jugendliche.

Dennoch, eine Legalisierung wie in den Niederlanden sieht Körner als unvertretbar an. Gerade wegen des lockeren bis geduldeten Umgangs mit Cannabis in der Schweiz und den Niederlanden haben beide Länder große Probleme mit Drogentouristen, geben Regine Linder von der Schweizerischen Fachstelle für Schadensminderung Bern und Ingeborg Klusemann von der Lebenshilfe aus Amsterdam zu bedenken.

Derzeit steht zwar eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes in der Schweiz an, nach der Cannabiskonsum straffrei werden soll, aber eine endgültige Entscheidung fällt erst 2004. "Besorgte Eltern aus Frankreich und Deutschland protestieren gegen unsere Drogenpolitik", sagt Klusemann, deswegen wurde die Zahl der Coffeeshops in Holland verringert.

Über ein Viertel der Jugendlichen hat Erfahrungen mit der Droge, jeder fünfte Erwachsene im Westen und jeder zehnte in Ostdeutschland hat jemals Cannabis probiert. Etwa fünf Prozent konsumieren Haschisch oder Marihuana regelmäßig. "Deswegen brauchen wir dringend eine Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes an die Realität anstatt weiteren Wegschauens", sagt Heino Stöver.

In der rot-grünen Bundesregierung wird die Kampagne jedoch keine Verbündeten finden, betont Ines Meyer, Referentin der Drogenbeauftragten Marion Caspers-Merk, und erntet Buhrufe aus dem Publikum. Bei den Drogenberatungsstellen sei der Anteil von Klienten, die wegen eines Cannabisproblems kommen, auf rund 25 Prozent gestiegen, sagt sie. "Die Zahlen sind totaler Quatsch", meldet sich eine Mitarbeiterin der Drogenhilfe aus dem Publikum zu Wort. "Die Jugendlichen kommen nicht, weil sie Probleme mit dem Konsum haben, sondern mit der Justiz und den Eltern!"

Gesundheitliche Schäden

Was an dem Abend fehlte, war ein Mediziner. Denn nach wie vor wird über die gesundheitlichen Schäden gestritten. "Hasch macht lasch", sagt der Nürnberger Notarzt und Drogenexperte Dr. Thomas Fleischmann. Besonders gefährlich würden Haschisch und Marihuana aber im Zusammenhang mit anderen Drogen. "Viele Jugendliche rauchen einen Joint, um vom Ecstasy-Rausch herunterzukommen." Hinzu kommen Schäden an Lunge und Kehlkopf und ein erhöhtes Krebsrisiko. Aber darüber wurde in der Villa Leon nur am Rande diskutiert.

© 2002 Nürnberger Nachrichten