Cannabislegalisierung in Deutschland!
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Briefwechsel: Christa Nickels

1) Email an Christa Nickels.

Ausserdem ging diese Email an:

Volker Beck <Volker.Beck@bundestag.de>
rechtspolitischer Sprecher

Cem Özdemir <Cem.Oezdemir@bundestag.de>
innenpolitischer Sprecher

Monika Knoche <Monika.Knoche@bundestag.de>
drogenpolitische Sprecherin


From: (Name entfernt)
To: Christa Nickels <christa.nickels@bundestag.de>
Date: 28.07.2001
Subject: Wem nützt das Cannabisverbot?


Rümelingen, den 28. Juli 2001

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Sehr geehrte Fraktion der Grünen,
sehr geehrte Sprecher der Grünen Partei,

als drogenpolitisch aktiver Mensch und Mitglied der Grünen im Nachbarland Luxemburg habe ich mittlerweile viele deutsche Grüne und Verfechter einer humanen Drogenpolitik kennengelernt und frage mich ebenfalls wie lange eine solche Politik, wie sie momentan in Deutschland unter Mitführung der Grünen Partei betrieben wird, noch anhalten soll?

Wem nützt das Cannabisverbot?

Noch immer wird der Konsum und Besitz von Cannabis verfolgt und bestraft, obwohl heute doch fast jede(r) weiss, dass Cannabis nicht körperlich abhängig macht und bis dato auch keine Todesfälle bekannt sind... im Gegensatz zu Alkohol und Tabak. Das vielgebrauchte Argument, Cannabis als Einstiegsdroge zu bezeichnen, ist längst widerlegt worden. Cannabis-Rauchen unterscheidet sich nicht wesentlich vom Tabakrauchen und stellt besonders in Kombination mit Tabak ein erhöhtes Risiko für die Atemwege dar.

Der Konsum von Cannabis hat sich trotz repressiver Politik (oder gerade deshalb?) in den letzten Jahren stark entwickelt. Das Verbot von Cannabis wird von grossen Teilen der Bevölkerung nicht mehr verstanden und verhindert den Konsum auch nicht. Cannabis sollte legalisiert werden, denn es kostet die Gesellschaft ein Vermögen zum Aufrechterhalten einer ebenso sinnlosen wie uneffektiven Repressionspolitik welche Erwachsene als Unmündige behandelt, Minderjährige aber auch nicht schützen kann! Durch eine Legalisierung von Cannabis, mit Verkauf in speziellen Geschäften, könnten Alterskontrollen vorgenommen werden, der illegale Markt würde zusammenfallen und der Staat könnte sogar die aus Besteuerung eingenommenen Geldmittel sinnvoll in die Drogenprävention und Aufklärung investieren, anstatt das Geld im unkontrollierbaren Schwarzmarkt verschwinden zu lassen.

Die Schweiz hat mittlerweile eingesehen, dass mit einer humanen Drogenpolitik mehr zu erreichen ist als mit blanker Repression und will dem Niederländer Beispiel folgen, wo seit 25 Jahren Cannabiskonsumenten nicht mehr verfolgt werden. Wie lange wird es noch dauern bis auch in Deutschland Drogenpolitik von Sachkenntnis und Vernunft statt von Vorurteilen und Ängsten geprägt wird?

mit freundlichen Grüssen
(Name entfernt)


2) Anwort von Christa Nickels

Berlin, den 31.07.2001
Lieber Herr (Name entfernt),

Vielen Dank für Ihr Schreiben, das uns per mail zugegangen ist.

Immer wieder erreichen uns Briefe, die uns auffordern, die drogen-politische Wende zu realisieren und vor allem die weitere Entkrimi-nalisierung von Cannabiskonsum voranzutreiben. Gerade von Seiten unserer jugendlichen Parteibasis und vieler anderer junger Menschen wird mir als der ehemaligen Drogenbeauftragten der Bundesregierung immer wieder - zum Teil in heftiger Form - vorgeworfen, dass die rot-grüne Regierung in dieser Frage nichts unternommen habe oder dass uns Bündnisgrünen der Mut fehle, weitergehende Schritte einzuleiten und umzusetzen.

Viele dieser Kritiker und Kritikerinnen verkennen jedoch ganz offensichtlich die Grenzen der Möglichkeiten, die ich als Drogenbeauftragte hatte: Als Beauftragte der Regierung stand es mir nicht frei, meine private Auffassung, die Auffassung meiner Partei oder auch nur die Auffassung des Gesundheitsministeriums kundzutun. Ich war in meiner Arbeit gebunden an den Koalitionsvertrag und an die fachliche Bewertung der anderen, mit zuständigen Ministerien. Umso mehr freue ich mich darüber, dass es bis zum Rücktritt von Andrea Fischer als Gesundheitsministerin im Januar 2001, durch den auch ich meine Funktion als Drogenbeauftragte verloren habe, gelungen ist, die wesentlichen Vereinbarungen des Koalitionsvertrags auf den Weg zu bringen.

Eine Reihe wichtiger Initiativen und Modellvorhaben sind eingeleitet worden. Vor allem aber ist die Debatte über Drogenpolitik in Deutschland mittlerweile nicht mehr so stark von Polemik und ideologischen Scheuklappen geprägt wie früher. Wir sind vielmehr einer parteiübergreifenden rationalen Drogenpolitik einen großen Schritt näher gekommen. Allerdings sollte man sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Drogenthema nach wie vor dazu eignet, Emotionen zu schüren. Aber dennoch:

- wir haben in zäher Kleinarbeit erreicht, dass es heute eine rechtliche Absicherung für Mitarbeiter der Drogenhilfe gibt, die in Drogenkon-sumräumen ein Angebot zur Überlebenshilfe für gesundheitlich verelendete langjährige Heroinabhängige erhalten;
- wir haben die Städte und Bundesländerländer, die schon seit Jahren eine Ermög-lichung einer heroingestützten Behandlung fordern, tatkräftig in dieser Zielsetzung unterstützt und ein gemeinsames Modellprojekt auf den Weg gebracht, das sich in der Umsetzung befindet;
- wir haben uns mit erheblicher Anstrengung darum bemüht, dass die Substitutionsbehandlung mit Methadon, Codein oder anderen zur Substi-tution geeigneten Mitteln als wichtiger Bestandteil der Behandlung Opiat-abhängiger mittlerweile unbestritten ist;
- wir haben dafür gesorgt, dass der politische und öffentliche Fokus nicht länger ausschließlich auf die illegalen Drogen und deren Konsumenten gerichtet ist, sondern dass endlich gleichermaßen die erheblichen gesundheitlichen und sozialen Schäden durch Tabak und den riskanten Konsum von Alkohol auf die politische Agenda genommen werden;
- wir haben eine Drogen- und Suchtkommission eingesetzt mit unabhängigen und anerkannten Experten, die Anregungen geben sollen für ein suchtstoffübergreifendes, umfassendes Konzept der Suchtprävention;
- wir haben uns stark dafür gemacht, dass Cannabis für medizinische Zwecke endlich allen Schwerkranken, die nachweislich davon profitieren, schnell und unbürokratisch zur Verfügung stehen muss.

Nach dem Wechsel im Gesundheitsministerium, durch den der Posten der Drogenbeauftragten an Marion Caspers-Merk (SPD) übergegangen ist, hat meine Fraktion mich zur Leiterin der AG Drogenpolitik gewählt. In dieser Funktion kann ich in der Drogenpolitik, stärker als es bisher möglich war, grüne Akzente setzen. Mitglieder der AG Drogenpolitik sind außerdem Volker Beck für juristische Fragen, Monika Knoche für gesundheitspolitische Aspekte und Sylvia Voss für Fragen des Nichtraucherschutzes. Wir sind uns einig, dass wir uns vor allem um die weitere Entkriminalisierung des Cannabiskonsums bemühen werden - was nicht ganz einfach ist, da unser Koalitionspartner in der Cannabisfrage ausdrücklich keine Änderung will, und wir sind selbstverständlich auch als Fraktion an den Koalitionsvertrag gebunden.

Vordringlich ist es für uns, die Ungleichbehandlung von Alkohol- und Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr zu beenden. Es mehren sich die Fälle, in denen die Behörden zum Zweck der Prüfung der Fahrerlaubnis auch dann Führerscheine entziehen und Medizinisch-Psychologische Gutachten anordnen, wenn nicht nachweislich unter Drogeneinfluss am Straßenverkehr teilgenommen wurde. Das geschieht, obwohl selbst aus den offiziellen Daten des Verkehrsministeriums hervorgeht, dass bislang nur 0,1 % aller registrierten Fälle von Unfällen im Straßenverkehr auf den Einfluss von illegalen Drogen oder Medikamenten zurückzuführen sind und obwohl bei Verkehrskontrollen in nur etwa 2-3 % der Fälle der Konsum illegaler Drogen nachweisbar war. Natürlich will ich weder, dass jemand bekifft noch alkoholisiert Auto fährt, es ist aber verfassungsrechtlich höchst bedenklich, wenn der bloße Besitz von Cannabis ausreicht, um die Fahrerlaubnis zu entziehen. Fachlich ist diese Ungleichbehandlung von Alkohol und Cannabis obsolet: Nur bei harten Drogen führt bereits zwei-, dreimaliger Konsum zur Abhängigkeit; d.h. nur bei harten Drogen ließe sich bereits aus dem bloßen Besitz ein ausreichendes Verdachtsmoment herleiten.

Wir haben uns deshalb bereits mit dem Verkehrsministerium sowie mit den Fachpolitikern in den Bundesländern in Verbindung gesetzt. Außerdem werden wir noch in dieser Legislaturperiode eine öffentliche Fachanhörung veranstalten, um konkrete Vorschläge auszuarbeiten, wie auf gesetzgeberischer und politischer Ebene Reformen eingeleitet werden können.

Ich hoffe, dass mein Brief wenigstens einige der offenen Fragen klären konnte.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihre Christa Nickels

 

Bitte beachten Sie auch einen Brief von Frau Nickels vom 24.10.2000


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