Sehr geehrter Herr S.,
Herr Hüppe dankt Ihnen für Ihre Mail und hat mich gebeten, Ihnen zu
antworten.
Cannabis ist nicht harmlos. Selbst das Gutachten, das den
"Modellversuch" Schleswig-Holsteins mit der Haschischabgabe in Apotheken
stützen sollte, und von daher kaum im Verdacht steht, zu dramatisieren
(eher das Gegenteil), spricht von "Gefährdungen", "gesicherten Schäden",
"akutem Rausch", "akuter toxischer Psychose", "Lungenschäden" usw.
Weiter erwähnt es "Psychosen" bei einem eingeschränkten Personenkreis,
der "vollständige Abstinenz von Cannabis" wahren sollte. Wie wäre
auszuschließen, daß auch diese Personen nach einer Freigabe zu Haschisch
greifen?
Forschungergebnisse belegen gefährliche Parallelen zwischen Cannabis und
sogenannten "harten" Drogen, wie zwei im angesehenen "Science Magazine"
im Juni 1997 veröffentlichte Studien zeigen. Der rauscherzeugende
Wirkstoff THC besitzt den selben Rezeptormechanismus im Gehirn wie
Heroin, und auch beim Entzug vonTHC steigt im Suchtzentrum schlagartig
der Pegel jenes Stoffes an, der auch bei Kokainentzug gebildet wird.
THC und Heroin bewirken eine gleichartige, lokal erhöhte
Dopaminausschüttung. Entgegen anderslautenden Behauptungen kann der
regelmäßige Joint doch der erste Schritt zum Konsum harter Drogen sein,
und bereits diese mögliche Schrittmacherfuktion ist Grund genug, am
Verbot von Cannabis festzuhalten.
Würde Cannabis heute legalisiert, wäre eine enorme Zunahme des
Drogenkonsums, insbesondere bei Jugendlichen und Kindern, zu erwarten.
Nach einer Freigabe würde der Probierkonsum ansteigen, und zusätzlich
würde sich der Konsum bei vielen, die jetzt schon Cannabis nehmen,
wesentlich verstärken. Man bräuchte ja nicht mehr heimlich seinen Joint
zu rauchen oder seinen "Space-Cake" zu knabbern, sondern Cannabis könnte
beim Schützenfest, bei öffentlichen Veranstaltungen im Jugendheim, in
der Raucherecke auf dem Schulhof oder wo auch immer konsumiert werden.
Dies würde neben der Konsumausweitung auch eine Zunahme riskanterer
Konsummuster mit sich bringen. Bei den "legalen Drogen" Alkohol und
Nikotin ist unübersehbar, daß Legalität und leichte Zugänglichkeit zu
gesellschaftlicher Etablierung, zu hohem Konsum und teilweise
hochproblematischen Konsummustern führen.
Mit einer Legalisierung würde der Gruppendruck, der schon beim Alkohol,
wie Sie sicher wissen, ein großes Problem darstellt, auch beim Rundgeben
der Joints weiter steigen. Diesem Druck können sich gerade die am
wenigsten entziehen, die die schwächste Persönlichkeit haben und damit
ohnehin psychisch am stärksten gefährdet sind.
Zwar macht Haschisch körperlich nicht abhängig - das gilt aber auch für
Kokain, und niemand würde Kokain deswegen für harmlos erklären. Und
selbst bei einer so harten Droge wie Heroin kann die rein physische
Abhängigkeit durch Entgiftung innerhalb von Tagen beseitigt werden. Die
psychische Abhängigkeit hingegen bedarf monatelanger, manchmal
erfolgloser, Therapien.
Grundsätzlich wird es daher bei einem Verbot von Cannabisprodukten
bleiben. Sie sollten auch nicht der Versuchung erliegen, das
Wahlkampfgetöse einzelner mit dem politischen Handeln in
Regierungsverantwortung zu verwechseln.
Was die Bedeutung von Hanfprodukten als Medikament anbelangt, ist Ihnen
sicher bewußt, daß für eine etwaige Zulassung das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig ist. Das BfArM ist
ein unabhängiges Institut, das nach fachlichen Kriterien vorliegende
Zulassungsanträge prüft, einer politischen Einflußnahme aber nicht
unterliegt.
Durch eine Cannabisfreigabe würde die Beschaffungskriminalität nicht
eingeschränkt werden. Sie werden vielleicht selbst eine Vorstellung vom
Preis eines Joints haben. Niemand wird angesichts solch geringer Beträge
kriminelle Handlungen begehen, um sich das Geld für seinen
Cannabiskonsum zu besorgen. Sollten Sie allerdings der Auffassung sein,
der Suchtdruck könne bei Cannabis derart gravierend sein, daß
Beschafffungskriminalität entstehen kann, so wäre dies doch ein starkes
Argument gegen die Legalisierung.
Lassen sie mich abschließend festhalten: Niemand ist gezwungen, Cannabis
zu nehmen, und wenn er es dennoch tut, so hat er sich der Konsequenzen
bewußt zu sein. Das Interesse des Gesundheitsschutzes, insbesondere von
Kindern und Jugendlichen, muß Vorrang behalten vor dem Interesse
regelmäßiger Cannabiskonsumenten an der Legalisierung ihres Verhaltens.
Mit freundlichen Grüßen
Johanna Lorenz
Büro Hüppe MdB
Deutscher Bundestag
11011 Berlin
Tel. 0 30 - 22 77 75 89
Fax 0 30 - 22 77 67 08
email: hubert.hueppe@bundestag.de
Internet: www.huberthueppe.de