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CannabisLegalNews (Nummer 174, 08.12.2004)Ein zweiwöchentlicher Service von cannabislegal.de"Steter Tropfen höhlt den Stein" Kontakt: info@cannabislegal.de INHALT
1. CSU ignoriert Grundgesetz
1. CSU ignoriert Grundgesetz
In einem Kommentar in der "Bild am Sonntag" hat sich CSU Generalsekretär Markus Söder für "null Toleranz" bei Cannabiskonsum ausgesprochen. Damit setzt er sich über eine mittlerweise 10 Jahre alte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinweg, wonach der Staat nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit bei geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse grundsätzlich von Strafe abzusehen hat.
Der Konsum selbst ist ausserdem grundsätzlich nicht strafbar, weil in unserem Rechtssystem Selbstschädigung nicht Gegenstand des Strafrechts ist. Wer sich z.B. selbst in den Finger schneidet, kann nicht wegen Körperverletzung angezeigt werden. Der Erwerb und Besitz von Cannabis sind überhaupt nur über eine Behelfskonstruktion strafbar, indem sie nämlich die Möglichkeit beinhalten, dass der Besitzer anderen Gelegenheit zum Konsum bietet. Er könnte z.B. Cannabis verschenken, so wie jemand eine Zigarette hergibt oder jemandem von seinem Maßkrug trinken lässt.
Doch Experten warnen: Fast jeder Junkie hat mit Hasch oder Marihuana begonnen. Das Beispiel Holland hat gezeigt, daß die Legalisierung von Drogen der völlig falsche Weg ist. Wir müssen unsere Kinder davor schützen und dürfen uns nicht mit Drogen arrangieren. Politiker, die für die Freigabe von Drogen demonstrieren, sind verantwortungslos. Gerade Erwachsene müssen bei diesem Thema Vorbild sein. Es darf nicht sein, daß Eltern vor ihren Kindern einen Joint rauchen.Hier gräbt Söder wieder das überholte Argument der "Einstiegsdroge" aus. Tatsächlich greift kaum jemand zu Heroin, der nicht vorher regelmässig Alkohol und Nikotin konsumiert hat. Der Grossteil der Alkohol-, Nikotin- und Cannabiskonsumenten greift jedoch nie zu Heroin und die CSU fordert sinnvollerweise auch kein Alkohol- und Tabakverbot.
Andererseits verhindert eine besonders intolerante Cannabispolitik wie in Bayern jedoch keine Probleme mit anderen Drogen. Im Gegenteil: Allein München meldete im Durchschnitt der letzten Jahre pro Jahr etwa soviele "Drogentote" wie die gesamten Niederlande, die zwölfmal soviele Einwohner zählen. An diesem Kriterium gemessen, müsste Bayern die niederländische Politik übernehmen und nicht umgekehrt.
Die CSU-Rhetorik ist ein wenig verwunderlich. Selbst im von der CSU regierten Bayern gilt schliesslich bei Cannabis keine "null Gramm" Grenze. Auch an bayerischen Gerichten ist man zumindest so realistisch, bei Mengen unterhalb 0,5 bis 3 Gramm (je nach Fall) das Verfahren einzustellen. In Berlin und Schleswig-Holstein werden jedoch Verfahren bis zu 30g eingestellt, ohne dass es deshalb mehr Probleme mit übermässigem Konsum gäbe. Im Gegenteil: Bei einer Studie, die vor zwei Jahren Cannabiskonsum unter Schülern in mehreren deutschen Grossstädten verglich, lag ausgerechnet die bayerische Landeshauptstadt an der Spitze!
Worum es bei diesem Artikel wahrscheinlich wirklich geht: Anfang 2005 wird eine lange erwartete Studie des Max-Planck-Instituts in Freiburg veröffentlicht, die sich mit der derzeitigen Rechtspraxis bei Cannabis beschäftigt. Wenn sie wie erwartet die Existenz einer ungleichen Rechtspraxis bestätigt, die der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung von 1994 zuwiderläuft, wächst der Druck auf die Länder, sich auf eine bundesweit einheitliche Mengenregelung zu einigen. Die SPD wird wahrscheinlich für eine Grenze von 10g oder 15g eintreten. Die offizielle Position der CDU ist, bundesweit bei höchstens 6g (wie etwa in Baden-Württemberg) von Strafe abzusehen. Indem die CSU nun mit (verfassungswidrig niedrigen) 0g ins Rennen geht, erhofft sie wahrscheinlich, bundesweit 6g als Kompromiss durchsetzen zu können.
Söder fordert Verbot von Haschisch [Handelsblatt.com, 05.12.2004]
Falsche Toleranz gegenüber Cannabiskonsum ist besorgniserregend [Gerlinde Kaupa, cducsu.de, 06.12.2004]
Prohibition macht krank! [Grüne Jugend, 06.12.2004]
Rechtsungleichheit i.d. Ländern (§ 31a)
Münchner Schüler führend bei Alkohol und Cannabis [CLN#78, 27.09.2002]
Cannabis in Bayern
CDU/CSU und Cannabis
2. Neue Studie der BzgA veröffentlicht
Am Dienstag, 31.11.2004 veröffentlichte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) die neueste Ausgabe einer in regelmässigen Abständen für das Bundesgesundheitsministerium (BMGS) durchgeführten Studie, "Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2004". Die Studie steht auf der BzgA-Website online zum Download bereit und enthält vielfältige Daten zum Konsum von Cannabis, Alkohol, Nikotin und anderer Drogen.
Marion Caspers-Merk, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, gab anlässlich einer Cannabiskonferenz, bei der auch die Ergebnisse der BzgA-Studie vorgestellt worden waren, eine Pressemitteilung heraus:
Dazu erklärt Marion Caspers-Merk: "Der Cannabiskonsum hat heute eine andere Dimension als noch zu Flower-Power-Zeiten, als am Wochenende vielleicht mal ein Joint die Runde machte. Überall in Europa nimmt der Cannabiskonsum zu. Die große Mehrheit der Konsumenten belässt es bislang bei einem bloßen ‚Probieren‘. Gleichzeitig kiffen aber immer mehr junge Leute in exzessivem Ausmaß und sind praktisch den ganzen Tag ‚breit‘. Hiervon sind besonders junge Männer betroffen, die sich noch in der schulischen bzw. beruflichen Orientierungsphase befinden.
Frau Casper-Merks Bemerkungen über die "Flower-Power-Zeiten" erinnern an jenen scherzhaften Kommentar, der auf die Einflüsse von Cannabis auf das Kurzzeitgedächtnis anspielt: "Wer sich an die 60er Jahre erinnert, der war damals nicht mit dabei!"
Vergessen ist Tagesthemen-Sprecher Ulrich Wickert, der 1968 unter dem Einfluss von Haschischtee 16 Stunden berauscht war. Wenn damals der Cannabiskonsum tatsächlich immer so moderat war wie unterstellt, was ist dann mit all den Menschen, die damals dafür kriminalisiert wurden? Warum hat die SPD damals das Betäubungsmittelgesetz geschaffen? Frau Caspers-Merk, wollen Sie sich bei den Mitmenschen entschuldigen, die damals vom Staat für einen gemeinsam am Wochenende gerauchten Joint kriminalisiert und ausgegrenzt wurden?
Zurück in die Gegenwart: Ein fallendes Einstiegsalter (auch wenn es sich nur um ein Jahr über ein Jahrzehnt hinweg handelt) zeigt, dass die bisherige Kriminalisierungspolitik kein wirksames Mittel zum Jugendschutz war und ist. Im Gegenteil, indem der Gesetzgeber versucht, Cannabiskonsum mit dem Strafrecht zu bekämpfen, also dem kostspieligsten Mittel in seinem Arsenal, vergeudet er knappe Mittel für wirksamere Prävention. Wie soll Jugendschutz unter einem Gesetz funktionieren, das derzeit bei der Strafbarkeit des Erwerbs und Besitzes nicht zwischen Erwachsenen und Jugendlichen unterscheidet? Wenn der Gesetzgeber vermitteln will, dass Cannabis besondere Risiken für Jugendliche birgt, muss er andere Wege gehen, zum Beispiel staatlich kontrollierten Vertrieb nur an Erwachsene, der ganz nebenbei gezielte Aufklärung für Jugendliche mitfinanzieren kann.
BzgA - Aktuelle Studien
"Jugendkult" Cannabis - Risiken werden oft verharmlost [BMGS Pressemitteilung, 30.11.2004]
BzgA - Homepage
3. EMCDDA Jahresbericht 2004 veröffentlicht
Die europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogenabhängigkeit (EMCDDA) in Lissabon hat ihren diesjährigen Jahresbericht zur Drogensituation in der EU und in Norwegen veröffentlicht.
Nach wie vor ist Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge in der EU: ungefähr einer von fünf Erwachsenen (20%) hat wenigstens einmal im Leben Cannabis probiert. Im Allgemeinen sind die Prävalenzraten für Cannabis unter jungen Erwachsenen (15–34 Jahre) am höchsten. Sie reichen von weniger als 15% in Estland, Portugal und Schweden bis zu 35% und mehr in Dänemark, Spanien, Frankreich und im Vereinigten Königreich. Laut Umfragen haben etwa 5 bis 20% der jungen Europäer diese Droge während der letzten 12 Monate konsumiert.
Im Juni diesen Jahres veröffentlichte die EMCDDA eine Studie, die ergab, dass es in den meisten europäischen Ländern keine Anzeichen für einen drastischen Anstieg des Wirkstoffgehalts gibt, von dem in den Massenmedien immer wieder die Rede ist. Der Jahresbericht stellt dazu fest:
Die Stärke von Cannabis
http://annualreport.emcdda.eu.int/de/page115-de.html
EMCDDA Jahresbericht 2004 [Adobe PDF, 25.11.2004]
EMCDDA: Kein Anstieg des Wirkstoffgehalts [CLN#163, 04.07.2004]
EMCDDA - Homepage
4. DHS für Aufklärungskampagne
Thomas Redecker, stellvertretender Vorsitzende der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) , hat sich für eine Präventionskampagne zu den Risiken des Cannabiskonsums ausgesprochen. Eine Herausnahme von Cannabisbesitz aus dem Strafrecht und Umstufung zu einer Ordnungswidrigkeit hält er für "diskussionswürdig", berichtete die "Welt". Er forderte eine bundesweit einheitliche Regelung bezüglich der Menge Cannabis, bei der Verfahren gegen Konsumenten eingestellt werden.
Kampagne gegen Kiffen [welt.de, 25.11.2004]
DHS fordert mehr Einsatz im Kampf gegen Cannabis-Konsum [Yahoo! Nachrichten, 24.11.2004]
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen - Homepage
5. USA: 55 Jahre Haft für Cannabishändler
Ein Bundesrichter im US-Bundesstaat Utah hat einen 25-jährigen Chef einer Musikfirma und Cannabishändler zu 55 Jahren Haft und einem Tag verurteilt. Anschliessend kritiserte der Richter sein eigenes Urteil, wies aber darauf hin, dass ihm das Gesetz keinen Spielraum ließ. Weldon H. Angelos verkaufte bei zwei Gelegenheiten Cannabis im Wert von 350 Dollar (ca. 270 Euro) an einen Polizeispitzel. Dabei trug er eine versteckte Schusswaffe bei sich, von der er keinen Gebrauch machte.
Sollte er die Strafe überleben, wäre er bei seiner Freilassung 80 Jahre alt. Seine beiden Kinder, jetzt 5 und 7, wären dann 60 bzw. 62 Jahre alt. Ein Jahr Haft kostet die US-Steuerzahler etwa 25.000 Dollar. Bei 55 Jahren wären das also rund 1,3 Millionen Dollar.
Hätte der Unternehmer jemanden erschossen, ohne dabei Cannabis zu verkaufen, dann wäre das Urteil deutlich milder ausgefallen. Ein Mörder muss nach den selben Strafmassrichtlinien normalerweise mit höchstens 25 Jahren rechnen, also 30 Jahre weniger als der Cananbishändler, der keine Waffe zog.
Zwei Stunden vor dem Urteil gegen Angelos hatte der selbe Richter einen Mörder zu 22 Jahren hinter Gittern verurteilt, der eine alte Frau mit einem Holzpfahl zu Tode geprügelt hatte.
Der Richter forderte Angelos Anwalt auf, nach der Ausschöpfung aller Rechtsmittel ein Gnadengesuch an Präsident Bush zu richten, damit dieser die Strafe verkürzt. Ob er damit Erfolg haben wird, ist zweifelhaft. Seit Jahrzehnten hat kein US-Präsident so wenige Gnadengesuche unterschrieben wie George W. Bush.
Die derzeit geltenden strengen und unflexiblen Mindeststrafen bei Drogendelikten wurden in den 80er Jahren unter dem Einfluss einer Crack-Hysterie in den Medien erlassen. Zahlreiche Richter drängen inzwischen auf Reformen. Den Konsum illegaler Drogen haben diese Strafen jedenfalls nicht gebremst. Die USA liegen dort nach wie vor mit an der Weltspitze, trotz überquellender Gefängnisse.
Judge Questions Long Sentence in Drug Case [New York Times (US), 17.11.2004]
Cannabis in den USA
6. Bayern: Neuer Rekord bei Cannabisanzeigen
Wie das Bayerische Innenministerium meldete, hat die Zahl der Anzeigen aufgrund des Cannabisverbots im Freistaat erneut zugenommen.
Deutlicher Anstieg bei Cannabis-Delikten in Bayern
Innenminister Beckstein nennt weder eine Jahreszahl, wann der durchschnittliche Wirkstoffgehalt nur 2% betragen haben soll, noch eine Quelle für den Wirkstoffgehalt. Doch selbst wenn der Wirkstoffgehalt in dem Masse zugenommen hätte wie behauptet, würde das nur belegen, dass mit der bisherigen Verbotspolitik keine Kontrolle des Markts erreicht werden kann.
Während der Staat bei einer legalen Droge wie Alkohol von der Produktion bis zum Verkauf jeden Schritt kontrollieren kann, von der Festlegung, wo Weinberge angelegt werden können und wo nicht bis hin zum Volumen von Weinflaschen, kann er bei einem Schwarzmarkt nur regelmässig beklagen, was trotz Verbot geschieht. Cannabis wird in jedem Landkreis in Deutschland angebaut. Sein Konsum nimmt seit Jahrzehnten zu.
Der Versuch, die Niederlande zum Sündenbock für die bayerische Cannabispolitik zu machen, ist wenig glaubwürdig, denn in den Niederlanden selbst ist Cannabiskonsum trotz jahrzehntelanger Toleranz nicht weiter verbreitet als im intoleranten Bayern.
Zum Thema Kokainschmuggel sei anzumerken, dass die niederländische Toleranzpolitik nur für Cannabis und nicht für andere illegale Drogen gilt. Dass die Niederlande dennoch zum Transitland für Kokain wurden, hat geschichtliche und geographische Ursachen. Man kann davon ausgehen, dass auch Bayern mehr Schmuggelprobleme mit Kokain hätte, wenn es wie die Niederlande eine Inselkolonie in der Karibik, nur wenige Kilometer vor der kolumbianischen Küste, mit direkter Flugverbindung ins Mutterland hätte.
Laut eines Drogenberichts der US-Regierung von 1998 zu den Niederlanden wird 80% des in den Niederlanden beschlagnahmten Heroins über die "Balkanroute" über Deutschland eingeschmuggelt. Eine Route also, die unter anderem auch durch Bayern führt.
Pressemitteilung Nr. 472/04 [11.11.2004]
Bayern: 37.521 Drogendelikte in 2003 [CLN#157, 21.05.2004]
Was ist die "Droge Nummer eins" in Bayern? [CLN#152, 09.04.2004]
Cannabis in den Niederlanden
Drogenpolitik in den Ländern: Bayern
7. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:
01.-03.04.2005 Bern (CH): Cannatrade
Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen:
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