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Vorentwurf für ein "Anbauprogramm für Konsumhanf im Berggebiet"als Teil einer neuen Drogen- und Landwirtschaftspolitikvon Thomas Kessler, Agronom, Hanfforscher, Zürcher Kantonsrat8. Juni 1987 1. Einführung in die ThematikSeit Jahren geraten die Schweizerische Drogen- und Agrarpolitik zunehmend unter Beschuss. Obwohl die beiden Bereiche auf den ersten Blick kaum etwas miteinander zu tun haben, weist die landesweite Kritik doch Parallelen auf: Ursprünglich gutgemeinte Ideen erweisen sich in der heutigen Realität als unsinnig und kontraproduktiv. Von ernstzunehmenden Kreisen liegen derzeit konkrete Alternativ-Vorschläge zur Drogen- und Agrarpolitik vor. Im vorliegenden Hanfanbauprogramm fürs Berggebiet soll die wünschbare neue Politik im Themenkreis Hanf (Cannabis) sinnvoll vereinigt werden.2. Die heutige DrogenpolitikDie Schweiz steht im internationalen Vergleich schlecht da. Die durch ein Übermaß staatlichem Interventionismus gekennzeichnete Drogenpolitik kann ihr Ziel, den illegalen Handel und Konsum zu verhindern oder einzuschränken, nicht erfüllen. Stattdessen verschärft sie durch die Kriminalisierung der Konsumenten die Problematik durch Sekundärprobleme wie Desintegration, Isolation, und bei harten Drogen gar Beschaffungskriminalität, Krankheit und Tod. Die Drogenmafia wird durch die aufwendige Polizeiarbeit kaum behelligt, profitiert aber von diesem Aktivismus durch maximale Gewinnspannen trotz einem Überangebot an Drogen. Diverse Gruppen und Parteien haben zur Entschärfung der Probleme Vorschläge veröffentlicht, unter anderem, der Verein Schweizerischer Drogenfachleute (VSD).(s. Literatur)
3. Alte und neue DrogenpolitikBeim Hanf zeigt sich die Widersinnigkeit der bisherigen Drogenpolitik besonders deutlich. Das gesundheitliche Gefährdungspotential von Hanf wird heute übereinstimmend ähnlich oder kleiner als bei legalen Produkten (Tabak, Alkohol, Kaffee etc.) eingestuft. Trotzdem untersteht Hanf dem Betäubungsmittelgesetz, so dass Jahr für Jahr mehr als die Hälfte aller Verzeigungen wegen "Betäubungsmittelvergehen" Hanfgebrauch betreffen. Diese Kriminalisierung bindet staatliche Mittel, schafft die markttechnischen Voraussetzungen für einen florierenden Schwarzmarkt mit hohen Risiko-Gewinnspannen und desintegriert jene Jugendlichen, die Hilfe nötig haben. Heute gehen je nach Schätzung jährlich 75-286 Mio Franken für unkontrollierte, meist gestreckte Import-Hanfware in den illegalen Markt; etwa ein Drittel davon geht ins Ausland.Die Lösung heißt "Liberalisierung" oder "Entkriminalisierung",
nicht aber Legalisierung, da Hanf wie Tabak durch die Genussmittelindustrie
zum Massensuchtmittel entwickelt würde. Stattdessen soll der Konsument
sein Produkt selber anbauen und der Staat ergänzend, gemäss
den Vorstellungen des VSD, den bewilligungs- und kontrollpflichtigen Verkauf
durchführen bzw. ermöglichen.
Diese Lockerung würde zudem den kontrollierten Verkauf untergraben, die Polizei zu Gewichtskontrolleuren machen und die neue Hanfpolitik der internationalen Kritik aussetzen. Plausibler ist folgende Lösung: Neben dem freien Anbau zum Eigenbedarf und dem Besitz zum Eigengebrauch wird kein Handel toleriert (Ware gegen Geld) mit Ausnahme des staatlich bewilligten. Dieser Handel wird ausschließlich durch kontrollierten Anbau im Inland beliefert zu Preisen, die den illegalen Handel daneben uninteressant werden lässt. Diese Bestimmungen sind leicht zu überwachen und durchzusetzen, zudem entsprechen sie wegen der Stossrichtung gegen den illegalen Handel den zentralen Ideen der internationalen Drogenabkommen. Die oben vorgeschlagene Revision der Hanfpolitik entschärft die
aktuellen Probleme gewaltig. Sie ermöglicht einen überblickbaren
Anbau und Konsum, eine effiziente Marktkontrolle, eine markante Verringerung
des Handelsvolumens sowie ein solideres Vertrauensverhältnis zwischen
Betreuer und hilfesuchendem Jugendlichen. Weiter unten (unter ,,Finanzen")
werden wir sehen, dass ein kontrollierter Hanfanbau- und Handel trotz tiefen
Preisen wirtschaftlich ist und gar bedeutende Mittel für die Prophylaxe
und Betreuung freisetzen kann.
4. Die heutige AgrarpolitikIm Vergleich zu den Nachbarländern geht es unserer Landwirtschaft in finanzieller Hinsicht relativ gut. Für sich betrachtet steht sie aber weniger gut da, sie entfernt sich zunehmend von den Zielen der schweizerischen Agrarpolitik.Ausgangspunkt des Zielsystems ist gemäss der Bundesverfassung (Art.31bis) und dem Landwirtschaftsgesetz der Grundsatz, ,,einen gesunden Bauernstand und im Dienste der Landesversorgung eine leistungsfähige Landwirtschaft zu erhalten." Die effektiv praktizierte Agrarpolitik geht aber in eine ganz andere Richtung: "Gesundschrumpfung" auf durchrationalisierte Einmannbetriebe, gigantische Verschuldung der Landwirtschaft, zunehmende Fremdmittelabhängigkeit, zunehmendes Gefälle innerhalb des Bauernstandes etc. kennzeichnen die Entwicklung unserer Agrarpolitik. Die Folgen sind ein starker Maximierungszwang wegen der indirekten Subventionierung der Bauern über erhöhte Abnahmepreise, ein massiver Einsatz von Pestiziden, Kunstdüngern und Importfuttermittel sowie Energieträgern, welche die Umwelt stark belasten und die Fremdabhängigkeit der Bauern erhöht, die Übermechanisierung, -düngung und -produktion und als Folge die teure ,,Überschussverwertung", die Verödung unserer Landschaft und die Benachteiligung der kleinen und alpinen Familienbetriebe. Wie bei der Drogenpolitik liegen auch hier von verschiedenen Kreisen brauchbare Alternativvorschläge vor. Zu erwähnen ist insbesondere die Arbeitsgruppe Neue Agrar Politik (NAP), in der einzelne Parteien, Umweltorganisationen, Kleinbauern Biolandbau-, Dritte-Welt- und Öko-Konsumentenorganisationen zusammengeschlossen sind. Die neuesten Reformvorschläge kommen von Nationalrat Arnold Müller und der eidg. FDP-Fraktion, die eine ,,markt- und umweltgerechte Agrarpolitik" skizziert hat. 5. Hanf in der neuen AgrarpolitikEine neue Agrarpolitik geht das Problem gesamtheimlich an und will die vorhandenen Mittel sinnvoll und weitsichtig einsetzen, damit die agrarpolitischen Oberziele erreicht werden können, ohne dass Sekundärprobleme das Konzept untergraben. Konkret heißt dies: Abkehr vom Maximierungszwang, mehr Direkt-Zahlungen, Honorierung natur- und landschaftsschützerischer Leistungen, Förderung der ökologischen Produktion, Qualitätsbezahlung, Begrenzung der Abnahmemengen auf die ,,ökologische Grenze", verbot bodenunabhängiger Tierproduktion, Besteuerung von Handelsdüngern, Pestiziden und Importfutter, marktangepasste Abnahmekontingente, Erhaltung lebensfähiger Klein und Bergbetriebe etc. Unter dem Strich kostet die neue Agrarpolitik den Bund kurzfristig nicht mehr als die alte, da beispielsweise die erhöhten Direktzahlungen zur Verringerung der Überproduktion durch die Einsparungen bei der heutigen Überschussverwertung ausgeglichen werden. Durch die günstigere Mischrechnung mit dem leicht erhöhten Anteil billiger lmport-Nahrungsmittel wird auch der Konsument trotz allfälligen Mehrzahlungen an die Bauern nicht mehr belastet als heute. Längerfristig kommt uns die neue Agrarpolitik in jeder Hinsicht "billiger" zu stehen, da sie viele der heute Üblen Sekundärprobleme gar nicht entstehen lässt.Die Hanfkultur passt sehr gut in die neue Agrarpolitik, da es sich beim Hanf um eine einheimische und robuste Kulturpflanze handelt, die in den Bergtalern ohne Agrochemikalien und Kunstdünger gezogen werden kann. Der lukrative Hanfanbau soll dezentral durch die Berglandwirtschaft erfolgen. Einkommensschwache Familienbetriebe in der Bergzone I und II (1000-1500m) in Entwicklungsregionen sollen durch den Hanfanbau in ihrer Existenz gesichert werden. Die agronomischen Voraussetzungen dazu (Zucht und Know how)sind durch
ein langjähriges Forschungsprogramm des Pharmazeutischen Instituts
der Universität Bern bereits erarbeitet worden. In unseren Bergtälern
lassen sich mit einigen Kenntnissen ohne weiteres internationale Spitzenprodukte
erzeugen.
5. Das Anbauprogramm von Konsumhanf im BerggebietDie oben erwähnte Idee ist nicht ganz neu, wird hier aber erstmals beschrieben. folgende Kriterien soll das Programm berücksichtigen:
6.1. Der Bedarf an HanfDer heutige Verbrauch an Cannabis-Produkten in der Schweiz wird grob auf 10 -30 t pro Jahr geschätzt. Als plausible Ausgangslage nehmen wir den Bedarf von 20 t/J. davon sind nach einer Liberalisierung der vermehrte Eigenanbau und die erwartungsgemäße Reduktion des Konsums abzuziehen, so dass durch den kontrollierten Verkauf noch etwa 10 t gedeckt werden müssen. Diese Menge entspricht im oben beschriebenen Anbausystem (dezentral in den Bergen) einer Gesamtfläche von 10 ha = 1000a. Es soll nur Hanfkraut (Marihuana) erster Güte, aber kein Hanfharz (Haschisch) erzeugt werden. Die Verlagerung der Konsumgewohnheiten vom meist gestreckten Hanfharz zum reinen Hanfkraut hoher Qualität ist ohnehin bereits im Gange.6.2. Verteilung der AnbauflächeAus diversen Gründen wird die Fläche auf möglichst viele Kleinparzellen verteilt, Idealerweise auf la pro Betrieb. Auf diese Weise kommen 1000 Bergbetriebe in den Genuss des Hanfanbaus, der eine Bruttorendite von ca. 10000 sfr/a (s. Finanzen) ermöglicht. Die Betriebe müssen aus staatspolitischen Gründen auf alle Sprachregionen verteilt werden. Aus züchterischen Gründen und zu Forschungszwecken sollen zudem möglichst viele Täler mit unterschiedlichen Wachstumsbedingungen berücksichtigt werden. Die Beschränkung von la (100 qm) pro Betrieb erlaubt eine leichte Übersicht durch die Bauersfamilie und eine einfache Kontrolle durch den Berater.6.3. Die Auswahl der BetriebeNach den bereits erwähnten Kriterien (Entwicklunqsregion, 1000 -1500m, agronom. Eignung, Sprachregionen) werden Täler ausgewählt, die sich für den Hanfanbau eignen. Aus Gründen der Überblickbarkeit (Diebstahlsgefahr) müssen die Täler zudem abseits der großen Touristen ströme und weit entfernt von der nächsten Stadt liegen. In den ausgewählten Talschaften werden nach agronomischen, soziologischen und entwicklungspolitischen Kriterien einzelne Dörfer ausgewählt, in denen alle einkommensschwachen Familienbetriebe zum Hanfanbau eingeladen werden. Diese werden angeschrieben und dokumentiert, danach durch den örtlichen Landwirtschaftsberater zu einem Informationsabend eingeladen und eingehend informiert. Mit der Vertragsunterzeichnung wird der angeschriebene Betrieb ins ,,Hanfregister" aufgenommen.6.4. Koordination und ForschungBereits bestehende Institutionen sollen die Koordination und die wissenschaftliche Begleitung übernehmen; z.B. die eidg. Forschungsanstalten für Obst- und Weinbau Changins und Wädenswil, für die Analysentätigkeit ev. noch das Pharmazeutische Institut der Universität Bern. Sie werden das Zucht- und Anbauprogramm kreieren und die Qualitätskontrolle durchführen sowie die Berater schulen. Sie werden dem Bauern die Hanfsamen zur Verfügung stellen und von ihm die herbstliche Samenernte zurücknehmen. Im Bundesamt für Landwirtschaft wird eine Abteilung ,,Hanf" geschaffen, welche die Aufsicht über die Anbaumenge und -verteilung, Ankauf, Vertrieb, Koordination, Forschung und Beratung übernimmt.6.5. Die BeratungDer Berater ist Teil der üblichen landw. Beratung mit spezifischer Zusatz-Schulung an der eidg. Hanfforschungsstelle (s. oben). Er (oder sie) instruiert das Bauernehepaar eingehend und begleitet sie beratend und kontrollierend (Saatgut, Quantität, Bioanbau, Verarbeitungsart) über die Vegetationsperiode. Ein eidg. Hanfinspektor vom Bundesamt für Landwirtschaft übernimmt die nationale Aufsicht der Beratung.6.6. Das AnbaujahrDie Anbauare muss ein warmer Standort sein, der zum Schutz vor Tieren (und Wanderern) mit Maschendraht eingezäunt werden muss. Im Mai werden die von der Forschungsanstalt vorgeschriebenen Sorten im Frühbeet unter Glas oder Plastik angezogen und ca. Mitte Juni ausgepflanzt, 200-400 Pflanzen an der Zahl. Die Parzelle wird von Hand gejätet und mit Mist gedüngt. Im Juli/August werden die männlichen Pflanzen reif und entfernt (auf den Kompost). Ende September erfolgt die Ernte, das Verarbeiten (Trocknen oder Vergären, Verlesen und Sortieren) und die Bedeckung der Parzelle mit Mulch oder Mist. Die Koordinationsstelle organisiert das Einsammeln des Ernteguts und des Samenmaterials.6.7. Der VertriebDas fertige Produkt (ca. 10 kg/Betrieb) wird zentral gelagert und bewertet; nach Sauberkeit, Reinheit, Verarbeitungssorgfalt, Samenanteil etc. Die Forschungsstelle entnimmt zudem von jedem Betrieb eine Probe zur THC Qualitätsbestimmung und Inhaltskontrolle. Nach der Klassifizierung wird das Hanfkraut an die lizenzierten Verteiler abgegeben (ev. an Kioskunternehmungen etc.). Diese müssen sich an strenge Auflagen halten: Werbeverbot, Abgabeverbot an unter 16-Jährige, Verbot des Automatenverkaufs, genau bezeichnete Abgabestellen, Buchführungspflicht, Höchstmengenbeschränkung pro Kunde (z.b. 30 g) sowie Warnungsaufdruck auf der Packung und Preisvorschriften.6.8. Finanzen und PreisgestaltungDer Hanfanbau und -handel soll wirtschaftlich sein, einen Teil der Subventionen an die Bergbauern ersetzen, Steuereinnahmen (für die Suchtprophylaxe) ermöglichen und gleichzeitig den Endverkaufspreis so niedrig gestalten, dass keine illegalen Parallelmärkte attraktiv werden. Mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 4 Franken pro Gramm Hanfkraut, je nach Qualität 3-5 Fr., lohnt sich ein Schwarzmarkt oder Schmuggel nicht. Bei einem Absatz von 10 t Hanf pro Jahr ergibt sich ein Gesamtumsatz von 40 Mio. Fr. Dieser Betrag wird (ganz grob) folgendermaßen verteilt:
6.9. Sicherheit und KontrolleHeutzutage müssen Hanfpflanzer mit dem Diebstahl oder der Beschlagnahmung ihrer Pflanzen rechnen. Nach der Liberalisierung sinkt diese Gefahr, da der Eigenanbau straffrei wird und fertige Hanf-Produkte zu mäßigen Preisen erhältlich sind. Beschlagnahmungen treffe nur noch Pflanzer, die ohne Bewilligung eindeutig mehr Pflanzen anbauen als es der Eigenbedarf rechtfertigt.Der Anreiz zum Diebstahl wird also sehr gering. Um trotzdem Überraschungen vorzubeugen, sind im Hanfprogramm mehrere Hemmschwellen eingebaut: Der offizielle Anbau erfolgt nur in leicht überblickbaren Seitentälern ohne Durchgangsstrasse, möglichst weit von den nächsten Städten entfernt. Die Hanfparzellen werden direkt am Bauernhaus angelegt und mit Maschendraht umzäunt. Zudem ist die Vegetationszeit in den Bergen kurz, erst ab Mitte Juni werden die Setzlinge ausgepflanzt. Vor der Ernte im September wird die Bauerfamilie die Hanfparzelle aufmerksam im Auge behalten. Anbaubewilligungen werden nur an gut beleumundete Bauern abgegeben. Betrügereien von kriminellem Ausmaß neben der Kontrolle der Beratung vorbei sind kaum möglich und ebenso wenig lukrativ, ähnlich attraktiv wie etwa die illegale Branntweinherstellung. Für die Polizei und Justiz wird die Arbeit einfacher, da mit dem vorgeschlagenen Programm Hanf vom übrigen Drogenmarkt abgekoppelt und in die ordentliche Verwaltung übergeführt wird. 6.10. Mögliche AnbauregionenUm den administrativen Aufwand zu begrenzen, sollen nur die Kantone Graubünden, Tessin, Uri und Wallis berücksichtigt werden. Eine erste Prüfung nach den unter 6.2. und 6.3. aufgeführten Kriterien hat ergeben, dass 15 Täler bzw. ca. 20 Gemeinden aus allen Sprachregionen für den Hanfanbau geeignet sind:
GR: Borgonovo, Vicosprano (Bergell, ab 1000 m am Hang), Valbella
(Calancatal), Angeli-Custodi, S. Carlo, Ravisce (Puschlav, ab l000m
am Hang), Tschlin, Vnä (Unterenqadin)
In manchen Regionen dieser Kantone wurde bis vor wenigen Jahren bzw.
Jahrzehnten noch der Hanffaseranbau betrieben, so dass aus volkskundlicher
Sicht nach einem kurzen Unterbruch an eine alte Kultur angeknüpft
werden kann.
Zusammenfassung des HanfanbauprogrammsAnstelle des heutigen Schwarzmarkts wird ein kontrollierter Handel entstehen. Tausend kleine Familienbetriebe im Berggebiet können neu eine alte Kulturpflanze anbauen und dank der hohen Rendite ihre finanzielle Situation verbessern und die Landeskasse entlasten. Das Programm arbeitet wirtschaftlich1 es entstehen keine neuen Überschüsse, das Arbeitskonzept der betreffenden Bergbauernbetriebe wird vielseitiger. Die wissenschaftliche Begleitung erlaubt eine genaue Qualitätskontrolle und interessante Forschungs- und Zuchtmöglichkeiten. Die mäßigen Abgabepreise machen einen illegalen Handel und Import unattraktiv, der Hanf wird quasi rehabilitiert und von den Übrigen Drogenmärkten getrennt. Mit den neuen Hanfsteuern werden die bestehenden Hilfe- und Beratungsstellen unterstützt und erweitert.7. Kurzer Vergleich zur heutigen Alkohol- und TabaksituationAlkohol: Tote; über 1000/J, Umsatz: Über 5 Mia./J,Gesamtgesellschaftliche Kosten: Über 2.1 Mia.Fr. Staatseinnahmen: unter 1 Mia./J, der Weinbau wird subventioniert, Mittel gegen die Sucht (Alkoholzehntel) ca. 14 Mio Fr./J (-0.25 Prozent des Umsatzes) Werbung erlaubt, Suchttendenz: steigend, Erntewert der Reben: 340 Mio./j, Rebland; ca. 13000 ha, Betriebe: 20000, v.a. Rebbau als Teilerwerb Tabak; Tote; ca. 5000/J, Umsatz: ca. 2 Mia./J, Gesamtgesellschaftliche
Hanf (neu) :Tote: 0, Gesamtgesellsch. Kosten: unbekannt, ev. für
Fazit: Alkohol und Tabak stehen in jeder Hinsicht schlechter da. Es
geht hier aber nicht darum, die Genussmittel gegeneinander auszuspielen,
es müssen jedoch die Relationen erkannt werden. Während der relativ
unproblematische Hanf zusammen mit harten Drogen dem Betäubungsmittelgesetz
untersteht und deshalb alljährlich ca. 10000 Verzeigungen wegen Hanfkonsum
erfolgen, darf für das häufigste Suchtmittel, Tabak, aktiv geworben
werden (Gratisverteilung); zudem kann der Tabakanbau mit Subventionen rechnen,
die den Ernteerlös übersteigen. Das neue Hanfmodell zeigt den
idealen Mittelweg zwischen gesundheitspolitischer Einflussnahme des Staates
und liberalem Menschenverständnis auf. Ein Vergleich der neuen Hanfpolitik
mit der heutigen (Kriminalisierung, Schwarzmarkt etc.) erübrigt sich
wohl.
8. Realisierbarkeit des HanfanbauprogrammsVoraussetzung für eine Realisierung ist selbstredend auf gesetzlicher Ebene die Revision des Betäubungsmittel- und Landwirtschaftsgesetzes. Bereits seit Jahren wird die Überarbeitung der beiden Gesetze diskutiert, das Bundesparlament könnte ohne Verzug mit der konkreten Neugestaltung beginnen. Bis 1990 könnte theoretisch eine verabschiedungsreife Überarbeitung vorliegen, die allenfalls noch eine Referendumsabstimmung zu überstehen hätte. Im günstigsten Fall könnte man das Hanfanbauprogramm am 700sten Geburtstag der Schweiz in Kraft setzen. Vermutlich geht es aber ein bisschen länger, so dass bis dahin in aller Ruhe die agronomischen Vorarbeiten weitergeführt werden können. Das Programm selber kann auch nicht in einem Jahr vollständig realisiert werden, erst nach einigen Pionierjahren können alle Anbautäler gleichermaßen berücksichtigt werden. Wenn wir heute beginnen, kann die neue Politik im nächsten Jahrzehnt verwirklicht werden.ZusammenfassungDie Zeiten ändern sich, die Drogen- und die Agrarpolitik müssen den heutigen Realitäten angepasst werden. Die aktuellen Missstände in beiden Bereichen dürfen nicht mehr länger hingenommen werden. Im Bereich ,,HANF" kann eine neue Politik der beiden Gebiete zum Wohle der Betroffenen und der Allgemeinheit verknüpft werden. Die besseren Alternativen sind da; es liegt an uns, sie zu verwirklichen.Literatur:
Hanfbericht der EKDF3. Optionen für die Zukunft3.1. Beibehaltung Status quo (A)
Gemäss Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) hat der Hanfanbau industrielle Ausmaße angenommen, 1997 wurden 7,2 t Hanfprodukte (=Rekord der Jahre 1975-97) und 313255 Hanfpflanzen sichergestellt. Die Schweiz ist gemäss BAP zum Hanf-Exportland geworden und damit in Europa zur größten Produzentin neben Holland (solides Datenmaterial fehlt jedoch). Die Preise für Haschisch (6-15 Fr/g) und Hanfkraut (4-10 Fr/g) sind seit Jahren stabil. Die Kilopreise betragen beim Haschisch Fr. 3000-7000.- und beim Kraut 900-5000.- (Tendenz leicht sinkend). 1997 haben die Verzeigungen wegen Konsum von Hanfkraut um 70% zugenommen. Diese Zunahme resultiert einerseits aus intensiver Polizeiarbeit, andererseits ist auf der Produktionsseite derzeit ein eigentlicher Hanfboom feststellbar. Allein die Schweizer Hanf-Koordination (SHK) vertritt über 250 Läden, Handelsfirmen und verarbeitende Betriebe. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zahlte 1997 für 2 Hektaren Industriehanf (TH-Arm) Subventionen von je Fr. 3000.- aus. Auf 150 ha registrierte das BLW sogenannten Naturhanf (ohne Subventionen). Im langjährigen Durchschnitt betreffen rund 60% der Anzeigen wegen Widerhandlung gegen das BetmG Hanfkonsum und -handel (1995: 25000 von 42000) Hanfgebrauch ist seit den ersten Erhebungen 1972/73 die am weitesten verbreitete Form des illegalen Drogenkonsums. 16,3% im Alter von 15-39 haben Hanferfahrung, hochgerechnet rund 415000 Personen. Auf die letzten 12 Monate bezogen sind es aus dieser Altersgruppe 5% (=1 27300 Personen). Ein Drittel der 20jährigen hat Hanferfahrung, 8-10% der 20jährigen Schweizer/innen sind häufige Hanfbenutzer/innen. Über eine Million Schweizer und Schweizerinnen im Alter von 15-74 Jahren haben Kontakte mit Hanfprodukten gehabt. In den Medien ist von 200000 regelmäßigen und 300000 gelegentlichen ,,Kiffern" die Rede (vgl. Basler Zeitung vom 2.9.98, S.4). Der Hanfkonsum nimmt derzeit zu. Die politische und gesellschaftliche Akzeptanz des Hanfgebrauchs ist aufgrund der weiten Verbreitung und der demographischen Entwicklung steigend. Die Schere zwischen prohibitivem Gesetz und gelebter Wirklichkeit öffnet sich ständig. Hanfgebraucher verspüren in der Regel kein Unrechtsgefühl, da für sie der Konsum Genuss bedeutet und sie darin keine Selbst- oder Fremdschädigung sehen. Für die Mehrheit der Menschen in der ersten Lebenshälfte ist Hanfgebrauch ein mehr oder weniger bekannter Bestandteil der eigenen Generationenkultur, so dass sie die Prohibition mehrheitlich als Anachronismus empfinden. Gemäss Umfragen befürworten rund 50% der Bevölkerung die Straffreiheit des Hanfkonsums. Die aktuelle gesetzliche Situation schafft ideale Voraussetzungen für
eine enorme Marktexpansion. Der Hanfmarkt weist große Zuwachsraten
auf; legale, halblegale und illegale Hanfprodukte sorgen für Millionenumsätze
vorab in innovativen Kleinbetrieben.
In der Medizin gewinnt Hanf durch bekannte 11 therapeutische Effekte wieder an Bedeutung. Die entkrampfende und schmerzlösende Wirkung wird derzeit wissenschaftlich untersucht7 u.a. am Paraplegikerzentrum in Basel. Der jahrzehntelange Forschungsstillstand im Hanfbereich löst sich allmählich auf. Das Hanfverbot wird - wie das gesamte BetmG - extrem föderalistisch gehandhabt. Dies ist u.a. eine Folge der Prioritätensetzung. Die BetmG-Entscheide von 1994 ergeben nach Kanton und Delikten aufgeschlüsselt folgendes Bild: Im Kanton GE betreffen 83,% (409) der Entscheide reinen Handel und 13,6% (67) bloßen Konsum, im Kt. AG sind es beim Handel 1,3% (52) und beim Konsum 90,7% (3758). 1994 wurden gesamtschweizerisch 81% (11535) der Verurteilten (wegen Verstößen gegen das BetmG) ausschließlich wegen Konsum von illegalen Drogen bestraft. Pro tausend Einwohner hat der Kanton VS 9.23 Verzeigungen wegen Hanfkonsums auszuweisen, der Kanton UR 0.06, BL 0.69 und SZ 0.85. Aus gesundheitspolitischer Sicht ist der Status quo problematisch. Das Angebot übertrifft die Nachfrage, der Hanfmarkt boomt unkontrolliert, der Konsum lässt sich über die Prohibition nicht steuern, für wirksame Präventionsarbeit fehlen sowohl die notwendigen Mittel wie ein kohärentes Gesamtpaket. Zudem untergräbt die medizinisch nicht begründbare (gesetzliche) Ungleichbehandlung von Hanf gegenüber Nikotin und Alkohol die Glaubwürdigkeit der staatlichen Gesundheitspolitik. Prohibition für Hanf auf der einen Seite und Werbemöglichkeit für legale Suchtmittel auf der anderen Seite ist widersprüchlich. Die Wirkung der staatlichen Interventionen im Hanfbereich ist vernichtend klein oder gar kontraproduktiv. Einem großen Einsatz an Repression/Strafjustiz und einem kleinen präventiven Engagement steht eine in Wirklichkeit ungesteuerte Entwicklung von relativ stabiler Nachfrage (mit derzeitigem Boom) und expandierendem Markt gegenüber. Fazit: Der Status quo bedeutet Marktexpansion, stabiler bis steigender
Konsum, minimale Wirkung der staatlichen Interventionen, Glaubwürdigkeitsverlust
von Behörden, Strafjustiz und Gesundheitspolitik.
3.4. Kontrollierte Erhältlichkeit (D)
Das oben beschriebene Modell ist 1987 erstmals publiziert worden. Potentielles Fazit. Die kontrollierte Erhältlichkeit erhöht
die Wirkung staatlicher Interventionen, der Staat gewinnt die Steuerungsfähigkeit
zum Teil zurück, Schwarzmarkt und Importschmuggel verlieren ihre Gewinnspanne,
sie schafft Rechtsgleichheit und finanziert sich und die Prävention
selber, sie bettet sich ein in eine kohärente Gesundheitspolitik und
erhöht damit die Glaubwürdigkeit staatlicher Tätigkeit.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors
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