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Legal und illegal sagen nichts über das Gefährdungspotenzial aus

Klaus Hurrelmann über den Gebrauch von anerkannten und geächteten Drogen und wie ihr Missbrauch verhindert werden kann

 

Die heute in den modernen Gesellschaften vorherrschenden  Konsummuster machen eine Unterscheidung in legale und  illegale psychoaktive Substanzen - oder auch Drogen genannt - unnütz und überflüssig, unterstreicht der Wissenschaftler Klaus Hurrelmann. Er spricht sich stattdessen vielmehr für eine  umfassende Gesundheits-, Sozial- und Kulturpolitik aus, der es  in erster Linie um das Gefährdungspotenzial von Drogen gehen sollte. Der Autor ist Professor für Gesundheitswissenschaften an der Universität in Bielefeld. Wir dokumentieren Klaus Hurrelmanns Beitrag im Wortlaut.

Der Konsum von psychoaktiven Substanzen ist in unserem Kulturkreis seit Generationen stark verbreitet. Legale Substanzen, wie sie in vielen Arzneimitteln, in Kaffee und Tee, in Zigaretten und in  alkoholischen Getränken enthalten sind, werden oft schon vor Eintritt in die Jugendphase konsumiert. Die legalen psychoaktiven  Substanzen scheinen in dieser Umbruchphase des Lebensalters, die  durch die körperliche Geschlechtsreife und die seelisch-psychische Identitätssuche charakterisiert ist, eine hohe Attraktivität zu besitzen,  weil sie geeignet sind, den schwierigen Umordnungsprozess mit seinen körperlichen, psychischen und sozialen Unsicherheiten und Aufbruchperspektiven zu begleiten.

Vor allem seit den 1980er Jahren hat sich die Angebotspalette der psychoaktiven Substanzen erheblich erweitert. Neben die legalen  treten immer mehr neue Substanzen, von denen viele ursprünglich  einmal als Arzneimittel entwickelt worden sind. Fast alle diese  Substanzen sind in den westlichen Industrieländern von den  Gesetzgebern als illegal eingestuft worden. Eine besonders starke  Verbreitung mit kräftigen Zuwachszahlen haben zuletzt vor allem die  Produkte auf der Basis von Cannabis (Haschisch, Marihuana) und auf  der Basis von Amphetaminen (Ecstasy, Speed) erreicht, aber auch  der Konsum von Substanzen aus den Gruppen LSD, Heroin und  Kokain gewann ein beträchtliches Ausmaß.

 1. Drogenkonsum als Selbstmanipulation

Nicht nur im Jugendalter, sondern in jedem Lebensabschnitt sind in unserem Kulturkreis psychoaktive Substanzen in die Herstellung der Gesundheitsbalance einbezogen. Verstehen wir Gesundheit als die produktive, immer wieder erneut betriebene Lebensbewältigung,  dann besteht sie aus der Balance zwischen den inneren körperlichen  und psychischen Bedingungen (Veranlagung, Temperament,  Anforderungen des Körpers, psychische Bedürfnisse und Antriebe,  Selbstwertgefühl) und den äußeren Lebensbedingungen der sozialen  und natürlichen Umwelt (Familie, Freundschaftsgruppe, schulische  Situation, Arbeitssituation, Wohnumwelt, ökologische  Lebensbedingungen).

Jeder Mensch bemüht sich in jeder Lebensphase darum, die Gesundheitsbalance herzustellen, also die Risikofaktoren im körperlich-psychischen und im sozial-ökologischen Bereich  zurückzudrängen und individuelle und soziale Schutzfaktoren  aufzubauen, um eine produktive Lebensbewältigung herzustellen.

Psychoaktive Substanzen sind seit Menschengedenken in diese  Balance einbezogen: Der Tabak- und Alkoholkonsum hat die  subjektive Logik, die Gesundheitsbalance zu befördern. Die  psychoaktiven Substanzen wirken als stimulierende und/oder  beruhigende Mittel, um die psychischen Bewältigungskapazitäten zu  stärken und einen Schutz gegen die Risikofaktoren von innen und  außen aufzubauen. Alle diese Substanzen haben zugleich aber ein  hohes Gefährdungspotenzial für die Gesundheit. Sie selbst sind  Risikofaktoren im körperlichen und psychischen Bereich, denn bei  regelmäßigem Gebrauch kann es zu einer Abhängigkeit kommen.

 Psychoaktive Substanzen, ob legal oder illegal, dienen dem  Konsumenten als "Medium" bei der Herstellung der  Gesundheitsbalance. Die Eigenschaft der psychoaktiven Substanzen,  direkt auf das zentrale Nervensystem zu wirken und dabei willentliche  Steuerungsprozesse auszuschalten, wird vom Konsumenten  instrumentell genutzt. Die Substanzen haben je nach stofflicher  Zusammensetzung und Kontext der Nutzung die Funktion der  Stimulation, der Beruhigung oder der Dämpfung, entweder um eine  interessante Erfahrung und ein starkes Sinneserlebnis zu befördern  oder auch, um eine subjektiv unerträgliche Situation nicht mehr in ihrer  ganzen Tragweite wahrnehmen zu müssen. Der Drogenkonsum dient  subjektiv dem Bestreben eines Menschen, mit der eigenen Lebenssituation umzugehen.

Diese Mechanismen wirken im Jugendalter besonders intensiv, weil  in der Pubertät - die heute bei den meisten Mädchen zwischen 11 und  12 und bei den meisten Jungen zwischen 12 und 13 Jahren eintritt -  eine hohe Sensibilität für innere und äußere Impulse der  Lebensgestaltung vorherrscht. Wie unsere Untersuchungen zeigen,  werden sowohl die legalen als auch die illegalen Substanzen von  Jugendlichen hauptsächlich als Hilfsmittel für die Lebensgestaltung  und die Lebensbewältigung eingesetzt. Die illegalen Substanzen  erweitern die Ausdrucksmöglichkeiten über das Spektrum hinaus,  das mit den legalen Substanzen schon seit Jahrzehnten gegeben ist.

Kommt es zu einer intensiven gewohnheitsmäßigen Nutzung von  Drogen, dann ist das meist ein Zeichen dafür, dass die spontanen  Fähigkeiten und Kompetenzen der Lebensgestaltung und  Lebensbewältigung zurückgedrängt und nicht etwa, wie es sich der  Konsument wünscht, gestärkt und gekräftigt werden. Der Konsument  bewältigt seine alltäglichen Entwicklungsaufgaben nicht mehr ohne  die psychoaktive Substanz. Er benötigt für Lebensfreude, Kreativität  und Konzentration den Stoff, der Gebrauch der Substanz ist in einen  Missbrauch umgeschlagen. Das stoffliche Abhängigkeitspotenzial der  Substanzen fordert nun ebenso seinen Tribut wie das psychische  Abhängigkeitspotenzial, das in den Nutzungsmustern liegt.

Legale und illegale Substanzen haben in der öffentlichen  Wahrnehmung einen unterschiedlichen Stellenwert. Die meisten  Erwachsenen halten es für völlig selbstverständlich, wenn Jugendliche  zu Zigaretten und Alkohol greifen und Kaffee und Tee trinken,  teilweise sehen sie hierin einen notwendigen Schritt, um dem  Erwachsenenstatus näher zu kommen.

Der erste Schluck Alkohol wird mit wohlwollender Billigung der Erwachsenen konsumiert, der erste Zug an der Zigarette gilt heute sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen ab zehn Jahren als eine notwendige Bewährungsprobe und als Mittel der Demonstration eines
selbstständigen Lebensstils. Auch Rauscherfahrungen mit Alkohol  finden durchaus Anerkennung und Bewunderung, zumindest in der  Clique der männlichen Gleichaltrigen. Sie vermitteln ein Gefühl von  Macht und Stärke und sorgen für eine enge Bindung an die Clique.

Bei den illegalen Alltagsdrogen gibt es eine solche duldende und akzeptierende Einstellung in der Öffentlichkeit nicht. Völlig unabhängig von Wirkungsgrad und Wirkungsweise der zu Grunde  liegenden Stoffe werden die illegalen Substanzen als Symptom für  soziale Abweichung, psychische Krisen und  gesundheitsgefährdendes Verhalten bewertet. Der Umgang mit  diesen illegalen Substanzen gilt für die Entwicklung im Jugendalter als  prekär. Den Konsumentinnen und Konsumenten der illegalen  Substanzen wird unterstellt, ihre körperlichen, psychischen und  sozialen Entwicklungsaufgaben zu vernachlässigen und sich so zu  verhalten, dass es für die Gesundheitsbalance abträglich sei.

2. Der Übergang von legalen zu illegalen Substanzen

Es gibt offensichtlich kulturell verankerte Schritte im Aufbau und in der  Abfolge des Konsums von psychoaktiven Substanzen. Die zuerst konsumierte Substanz ist das Arzneimittel, teilweise mit  psychoaktiven Bestandteilen, es folgen Koffein, Nikotin und Alkohol,  anschließend werden illegale Substanzen konsumiert, und zwar meist  in der Reihenfolge Haschisch, Amphetamine, Heroin, LSD und  Kokain. Nicht alle Konsumentinnen und Konsumenten folgen dieser  Reihung, aber doch die große Mehrzahl von ihnen.

Bislang ist es nicht geklärt, warum gerade diese Reihenfolge in unserem Kulturkreis typisch ist. Folgende Vermutungen können für die Abfolge genannt werden:

-Die soziale und gesellschaftliche Akzeptanz der Drogen. Es ist  denkbar, dass zunächst die gesellschaftlich mühelos erreichbaren  und zugleich sozial geduldeten und befürworteten Substanzen  konsumiert werden, bevor die nicht offen erreichbaren und  gesellschaftlich nicht akzeptierten, diskriminierten und gesetzlich  verbotenen Substanzen genommen werden.

-Biologische Bahnung und Sensitivierung. Es könnte sein, dass der Erstkonsum einer psychoaktiven Substanz bestimmte Bahnungen im zentralen Nervenbereich, dort besonders im so genannten "dopaminerg-mesolimbischen Belohnungssystem" vornimmt,  wodurch nach dem Konsum einer Substanz ein physiologischer  "Hunger" nach einer weiteren und möglichst anders und stärker  wirkenden Substanz entsteht.
Wahrscheinlich lässt sich aber die  Abfolge von Konsumgewohnheiten der verschiedenen psychoaktiven  Substanzen nicht isoliert mit einem der beiden Ansätze erklären,  sondern durch eine Kombination. Ob ein Konsument von einer  Substanz zu einer anderen voranschreitet und dabei den Schritt von  den legalen zu den illegalen Substanzen geht, dürfte nicht nur von der  Strukturierung des zentralen Nervensystems abhängen, sondern auch  von den persönlichen und sozialen Umfeldbedingungen.

Jede psychoaktive Substanz hat eine ganz bestimmte Bedeutung bei  den anstehenden Entwicklungsaufgaben, zugleich hat jede Substanz  ihren eigenen Stellenwert im sozialen Umfeld, im Freundes- und  Bekanntenkreis des Konsumenten. Wenn von einer Substanz zu einer  anderen vorangeschritten wird, dann verändert sich auch die  persönliche und soziale Bedürfnislage und umgekehrt.

Der Eintritt in den Bereich der illegalen Substanzen könnte insbesondere durch die Exklusivität der sozialen Beziehungen  begründet sein, die sich aus dem rechtlichen Status mit der  öffentlichen Ächtung der Substanzen ergeben. Da der Konsum der  illegalen psychoaktiven Substanzen meist in der Gleichaltrigen- und  Freundesgruppe stattfindet, die eine sehr hohe Bindekraft hat, kann  mit illegalen Substanzen der Wunsch des Konsumenten verbunden  sein, neue soziale Unterstützungen zu erschließen. Auf der  psychologischen Ebene kann der Effekt gesucht werden, mit der  neuen Substanz auch eine veränderte Selbstdefinition und  Selbstwertorientierung zu verbinden. Die biologisch-pharmakologische Wirkungsweise der Substanz kann  diesen Prozess unterstreichen und befördern.

Das stoffliche Abhängigkeitspotenzial der einzelnen Substanzen  scheint für die Sequenz des Gebrauchs der verschiedenen Drogen  nicht ausschlaggebend zu sein. Es fällt aber auf, dass die früh konsumierte Substanz Tabak unter allen bekannten Substanzen das  größte Abhängigkeitspotenzial hat, gemessen daran, wie viele der regelmäßigen Nutzerinnen und Nutzer von der Substanz dauerhaft  abhängig werden.

Bei Tabak dürften es etwa bis zu 40 Prozent der regelmäßigen Nutzer sein, während bei den Substanzen Heroin, Kokain und Alkohol die Werte in der Größenordnung von 20 Prozent und bei den  Amphetaminen, Cannabis und psychoaktiven Medikamenten aus der  Gruppe der Analgetika (Schmerzmittel) von zehn Prozent liegen.

Zweifellos spielen auch genetische Disposition und angeborene Persönlichkeitsfaktoren für die Abhängigkeitsdynamik eine große  Rolle.
Psychiatrisch diagnostizierbare Störungen der Persönlichkeit  scheinen eine Anfälligkeit ("Verletzlichkeit") für den Konsum und die  spätere Abhängigkeit von Substanzen mit sich zu bringen.

Auch die Verträglichkeit mit Substanzen im Gehirn und im Körper und die Fähigkeit des Organismus, eine Substanz zu verarbeiten und zu absorbieren, scheint je nach Anlage unterschiedlich ausgeprägt zu  sein.Die genetische Disposition determiniert aber nicht zwangsläufig  die Abhängigkeit, sondern stellt eine Art angeborener Anfälligkeit dar,  die erst dann bedeutsam wird, wenn auch im Bereich von  Persönlichkeit und sozialem Umfeld weitere Risikofaktoren auftreten.

 3. Strategien der Suchtprävention

Für die präventive, auf Suchtvermeidung abstellende Arbeit lässt sich aus den bisherigen Erkenntnissen die Konsequenz ableiten, alle  Schritte jeweils auf die Stufe in der Entwicklung der Drogenkarriere abzustellen, auf der sich ein Konsument oder eine Konsumentin  gerade befindet. Ziel muss eine adressatengerechte, lebensphasen-  und entwicklungsphasenspezifische Vorbeugung sein.

In den letzten Jahren hat sich für die Arbeit in diesem Bereich eine Zielhierarchie entwickelt, die zunehmend von Fachstellen in der Suchtprävention und der Suchthilfe beachtet wird:

-Erstes Ziel ist es, alle Menschen in ihrem Verhalten zu unterstützen, die keinerlei psychoaktive Substanzen konsumieren. In den letzten  zehn Jahren sind leichte Rückgänge in der Verbreitung des Konsums  von Zigaretten und Alkohol bei Jugendlichen festgestellt worden. Die Primärprävention hat in diesem Bereich bereits gute Erfolge zu verzeichnen.

-Zweites Ziel ist es, wegen der möglichen Sensibilisierungs- und Bahnungsprozesse im Gehirn und wegen der psychischen Abhängigkeitsdynamik jeden Eintritt in den Konsum von  psychoaktiven Substanzen so weit wie möglich in der Lebensspanne  aufzuschieben. Das gilt besonders für psychoaktive Substanzen aus  der Gruppe der Arzneimittel, weil sie in der Regel im Lebenslauf als  Erste konsumiert werden.

-Drittes Ziel ist es, bei einmal bestehendem gewohnheitsmäßigem  Konsum die Qualität und Wirkungsmenge einer psychoaktiven  Substanz so zu reduzieren, dass möglichst wenige  gesundheitsgefährdende körperliche und seelische Effekte eintreten.  Es handelt sich um "sekundärpräventive" Strategien, bei denen in  einem ersten Schritt grundsätzlich der Konsum der Substanz  akzeptiert, aber zugleich auf ein gesundheitsverträgliches Muster des  Konsums hingewirkt werden muss.

-Viertes Ziel ist es, bei einer bereits vorhandenen Abhängigkeit eine effektive Therapie einzuleiten und die Progression von einem leichten Stadium in ein schweres Stadium der Drogenkarriere zu verhindern  (tertiäre Prävention). Die therapeutischen Strategien müssen dabei  Rücksicht auf körperliche und psychische Ausgangslagen der  Klienten und ihr soziales Umfeld nehmen.

 4.Konsequenzen für die Sucht- und Drogenpolitik

Eine effektive präventive Arbeit ist nur möglich, wenn sie von einer glaubwürdigen Sucht- und Drogenpolitik begleitet und unterstützt wird.

In einem demokratischen Staat muss sie von der Setzung ausgehen,  dass der Gebrauch von psychoaktiven Substanzen (Drogen) in die  freie Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger gestellt ist. Oberstes  Ziel der Sucht- und Drogenpolitik sollte nicht die Verhinderung des  Gebrauches, sondern des Missbrauches von psychoaktiven  Substanzen sein. Eine solche Politik muss von einem vielfältigen Bedingungsgefüge für  das Entstehen von Drogenabhängigkeit ausgehen und entsprechend verschiedenartige vorbeugende und therapeutische Angebote  bereithalten.

Im Einzelnen sind folgende Erwartungen an die Sucht- und  Drogenpolitik zu formulieren:

-Die Sucht- und Drogenpolitik in einem demokratischen Staat sollte Vorkehrungen treffen, um einen verantwortungsvollen Umfang mit psychoaktiven Substanzen zu unterstützen. Rechtliche Restriktionen allein können dieses Ziel nicht erreichen, sondern müssen mit  Anreizen für einen kulturell gestützten und sozial gepflegten Umgang  mit Genussmitteln verbunden sein. Insbesondere sollte es darum  gehen, dass der Probier- und Neugierkonsum von psychoaktiven  Substanzen möglichst spät im Lebenslauf einsetzt, unter  Selbstkontrolle bleibt und keine bleibenden gesundheitlichen  Schäden zur Folge hat.

-Die Definition von psychoaktiven Substanzen als "legal" oder "illegal"  sagt, wie die bisherige Erfahrung zeigt, nichts über den tatsächlichen Gefährdungsgehalt einer Substanz aus. Die Definition einer Substanz  als legal darf nicht dazu führen, dass Substanzen - wie es heute bei Kaffee, Tee, Tabak und Alkohol der Fall ist - unter das Lebensmittelgesetz fallen und damit praktisch völlig frei verkäuflich sind. Vielmehr sollte der Gesetzgeber deutlich zwischen  Lebensmitteln und Genussmitteln unterscheiden, wobei unter die  Genussmittel alle psychoaktiven Substanzen fallen, die ein  Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial haben.

Für diese Substanzen sollten besondere Formen der Verfügbarkeit, Produktinformation, Preisgestaltung und Produktkontrolle gefunden werden. Die Werbung sollte eingeschränkt und ständig nach ihrem Wahrheitsgehalt kontrolliert werden.

-Nur eine Sucht- und Drogenpolitik, die psychoaktive Substanzen  legal als Genussmittel ausweist, kann auf die  Produktionsbedingungen für alle psychoaktiven Substanzen  einwirken, also eine wirkungsvolle Kontrolle der Produktion dieser  suchtfördernden, potenziell abhängig machenden Substanzen  einleiten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Definition von  psychoaktiven Substanzen als illegal kontraproduktiv. Die heute illegalen Substanzen, die am Schwarzmarkt kursieren, sollten  vielmehr schrittweise unter staatliche Produktionskontrolle gestellt und  von dafür autorisierten Einrichtungen nach bestimmten Auflagen  verkauft werden. Auf diese Weise sollte versucht werden, die  stofflichen und sozialen Schädigungen durch den Missbrauch der  Substanzen unter Kontrolle zu bringen.

-Die bisherige Geschichte der staatlichen Drogenpolitik hat - nicht nur in Deutschland - gezeigt, dass jegliche Art von Verboten ("Prohibition") am Ende zum Scheitern verurteilt war. So haben sich weder die Kaffee-, Tee-, Tabak- noch Alkoholverbote, die früher  einmal ausgesprochen wurden, durchhalten und durchsetzen lassen.  Alle diese Substanzen sind mittlerweile "legale" Drogen. Die  Definition einer Substanz als "illegal" hatte bisher immer die  Konsequenz, dass diese Substanz nur am Schwarzmarkt erworben  und gehandelt werden konnte. Auf die Verfügbarkeit der Substanz hat  die Definition als illegal wenig Einfluss, wie das Beispiel von  Cannabis und Partydrogen deutlich zeigt. Diese Substanzen sind  mindestens genauso leicht erhältlich wie die meisten legalen,  vielleicht mit dem kleinen Unterschied, dass man sich gezielt um den  Zugang bemühen muss.

-Sucht- und Drogenpolitik müssen aus ihrer rechtlichen und  politischen Sonderstellung herausgeführt werden. Sie sind  Bestandteil einer umfassenden Gesundheits-, Sozial- und  Kulturpolitik, die es allen Gruppen der Bevölkerung ermöglichen soll,  ein sinnvolles, erlebnisreiches und verantwortungsvolles Leben zu  führen.

[ document info ]  Copyright © Frankfurter Rundschau 2000   Dokument erstellt am 09.08.2000 um 21:03:46 Uhr  Erscheinungsdatum 10.08.2000