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Erklärung der Evangelischen Jugend in Thüringen zu Drogentests an Thüringer Schulen (18.03.2002)

Presseveröffentlichung:

KÖCKERT (Innenminister von Thüringen, CDU)
FÜR REGELMÄSSIGE DROGENTESTS AN SCHULEN
Innenminister Köckert ist für regelmäßige Drogentests per Haar-, Urin- oder Blutprobe an den Schulen des Landes. Die rechtliche Handhabe werde geprüft, sagte der CDU-Politiker gestern in Erfurt...Er würde Reihenuntersuchungen bei den Mädchen und Jungen anordnen. Die rechtlichen Grundlagen für solche Tests müssten auf Bundesebene geregelt werden, meinte er....Die drastische Zunahme der Rauschgiftdelikte bereitet dem Minister gegenwärtig großes Kopfzerbrechen.
5710 erfasste Fälle im vorigen Jahr bedeuten gegenüber dem Jahr 2000 einen Anstieg um knapp 20 %. Bemerkenswert für die Fahnder ist die Zunahme harter Drogen wie Heroin und Amphetamine.
Ostthüringer Zeitung vom 28. Februar 2002
Stellungnahme der Evangelischen Jugend in Thüringen zum Jugendbericht der Bundesregierung von 1999:
"Jede Gesellschaft hat mit Menschen zu leben, die suchtgefährdet, bzw. süchtig sind. Sucht ist kein gesellschaftliches Phänomen, sondern gesellschaftliche Realität. Dabei ist es oftmals die Gesellschaft selber, die diese Realität produziert. Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Suchtprävention und Missbrauchsverhütung beim Umgang mit Rauschmitteln ist deshalb eine ganzheitliche - in allen Lebensbereichen greifende - konstruktive Jugend-, Familien-, Gesundheits- und Sozialpolitik. ...
Aber auch eine Gleichsetzung der illegalen Drogen, wie z.B. von Heroin und Cannabis, entspricht keinesfalls dem Wissensstand von Medizin und Drogenforschung. Eine undifferenzierte Kriminalisierung des Drogenkonsums und eine mangelhafte fachlich differenzierte Öffentlichkeitsarbeit helfen nicht, Polemik abzubauen, Pauschalurteile zu relativieren, Konsumenten zu entkriminalisieren und betroffene Angehörige im Umgang mit Drogenabhängigen zu stärken. Drogenpolitische Entscheidungen müssen generell aus dem Bereich des Strafrechts herausgenommen und konsequent in die Gesundheits- und Sozialpolitik eingebunden werden."

Deswegen erklären wir zum Vorhaben des Innenministers, Herrn Köckert:
Polizei und Staatsanwaltschaft im Freistaat Thüringen verfolgen mit großem Eifer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz auch dann, wenn es sich im Cannabisbereich um geringe Mengen zum Eigenbedarf handelt.
Der jetzige Vorstoß von Innenminister Christian Köckert, regelmäßige Drogentests an Thüringer Schulen anzuordnen, verstärkt dieses auf Repression orientierte Politik. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist dabei längst nicht mehr gewahrt.

Wir haben diesbezüglich drei grundlegende Einwände:

Präventiv pädagogischer Einwand:
Die Broschüre "Drogen und Kriminalität" herausgegeben von der Gewerkschaft der Polizei betont ausdrücklich: Die Jugendlichen sind nicht unsere Präventionsobjekte, sondern unsere Partner. Sie müssen spüren, dass sie ernst genommen werden und sich selbst, ihre Sicht und ihre Erfahrungen, einbringen können.
Prävention ist ein wechselseitiger Prozess, der vor allem auf Dialog und gegenseitiges Zuhören angewiesen ist. Vertrauen bleibt das alles entscheidende Fundament, von dem aus präventives pädagogisches Handeln getragen werden muss.
Zwang, Drohung oder Einschüchterung entziehen einer wirklichen Prävention die Grundlage!

Juristischer Einwand:
Unserer Ansicht nach widerspricht diese Thüringer Strafverfolgungspraxis und der Vorschlag des Thüringer Innenministers zu Drogentests an Thüringer Schulen der Intention des Beschlusses des Verfassungsgerichtes zu Cannabis von 1994, der den Besitz zum Eigengebrauch legitimiert. Regelmäßige Drogentests an Schulen widersprechen weiterhin dem Unschuldsvorbehalt, der für demokratisch begründete Rechtssicherheit eine grundlegende Bedeutung besitzt.

Politischer Einwand:
Die veröffentlichte Kriminalstatistik, welche einen Anstieg der Drogendelikte sowie eine stärkere Verbreitung auch harter Drogen belegt, macht eines deutlich: Die stark repressive Drogenpolitik der Thüringer Regierung hat ihr Ziel, die Etablierung eines Rauschmittelschwarzmarktes zu unterbinden, trotz Repression nicht erreicht.
Die politische Mentalität, die meint, mit umfassender Kontrolle, Überwachung und noch weiter steigender Repression das Drogenproblem in den Griff zu bekommen, löst nicht nur das Problem nicht, sonder etabliert zudem ein sicherheitspolitisches Grundprinzip, dessen fatale Folgen wir aus jüngster Vergangenheit noch kennen. Gerade unsere DDR - Erfahrungen machen uns solchen Ideen gegenüber sensibel und kritisch.

Fazit:
Eine Drogenpolitik, die letztlich Prävention verhindert, einen Teil unserer Jugend kriminalisiert und unsere junge Demokratie punktuell beschneidet, halten wir für nicht zukunftsfähig.
Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass eine undifferenzierte Kriminalisierung des Drogenkonsums und eine mangelhafte fachlich differenzierte Öffentlichkeitsarbeit nicht helfen, Polemik abzubauen, Pauschalurteile zu relativieren, Konsumenten zu entkriminalisieren und betroffene Angehörige im Umgang mit Drogenabhängigen zu stärken. Drogenpolitische Entscheidungen müssen generell aus dem Bereich des Strafrechts herausgenommen und konsequent in die Gesundheits- und Sozialpolitik eingebunden werden." Während verschiedener Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen der Evangelischen Jugend haben wir bei europäischen Nachbarn Ansätze kennen gelernt, die unseres Erachtens Drogenarbeit und -politik in geeigneterer Weise umgesetzt haben. Wir würden uns gern an der Suche nach Wegen zur Gestaltung von Drogenpolitik in Thüringen beteiligen. Ein offener und vorurteilsloser Dialog ist dabei die Voraussetzung. Wir sind zum Gespräch bereit, auch mit dem Thüringer Innenministerium.

Ulrich Töpfer
Landesgeschäftsführer der Evangelischen Jugend in Thüringen

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