§31b BtMG - Entwurf einer strafprozessualen Regelung für die
arzneiliche Verwendung von Cannabis/Marihuana
a) Begründung
Die vorgeschlagene Regelung bezweckt, erkrankte Patienten für die
arzneiliche Verwendung von Cannabis/Marihuana, hinsichtlich des
Strafbarkeitsrisikos zu entlasten und zu erproben, ob eine Lockerung
des Verschreibungsverbotes des § 13 Abs. 1 S. 3 BtMG
gesundheitspolitisch geeignet ist, den Zweck des
Betäubungsmittelgesetzes die notwendige medizinische Versorgung der
Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Missbrauch von
Betäubungsmitteln soweit wie möglich auszuschließen (vgl. § 5 Abs. 1
Nr. 6 BtMG).
Der Petitionsauschuss des Bundestages ist der Ansicht, dass es
feststehe, dass Cannabis u.a. appetitsteigernd, brechreizhemmend,
muskelentspannend, schmerzhemmend, bronchienerweiternd,
augeninnendrucksenkend und stimmungsaufhellend wirke. Dennoch werden
Patienten, die sich entsprechend der ärztlichen Empfehlung ihres
Arztes mit Cannabis/Marihuana behandeln, vor Gericht gestellt und zu
Geld- oder Haftstrafen verurteilt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte stellt sich in Antragsverfahren von Patienten auf
den Standpunkt, eine Erlaubniserteilung zur Selbstmedikation sei nicht
möglich, da völkerrechtlich hierfür eine ärztliche Verordnung
gefordert sei, die nach deutschem Recht aufgrund des
Verschreibungsverbotes des § 13 Abs. 1 S. 3 BtMG durch den
behandelnden Arzt aber nicht ausgestellt werden könne.
Um den Leidens- und Strafverfolgungsdruck für Patienten mindern zu
können, Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten zu schaffen und
Forschung hinsichtlich der Selbstmedikation von Patienten aufgrund
ärztlicher Empfehlung ermöglichen zu können, wird die Schaffung einer
prozessualen Lösung im Betäubungsmittelgesetz angeregt; die Regelung
des § 31b BtMG, der bei Vorlage einer ärztlichen Empfehlung (vgl.
hierzu Art. 30 Abs. 2 b Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe) im
Regelfall die Einstellung des Verfahrens vorsieht. Anders als im
Bereich der Opportunitätsregelung des § 31 a BtMG ist hinsichtlich der
prozessualen Lösung der Frage der arzneilichen Verwendung von
Cannabis/Marihuana die Klärung von Beschlagnahme und Sicherstellung im
Wege des Opportunitätsgedanken geboten.
Rechtssicherheit wird durch die Schaffung einer Sollvorschrift
geschaffen, die im Regelfall ein Absehen von der Strafverfolgung
vorsieht. Dem Rechtsschutzbedürfnis wird durch die Verweisung auf § 98
Abs. 2 S. 1 StPO Genüge getan.
Um die Staatsanwaltschaften von der Ermittlung komplexer medizinischer
Tatsachenfragen zu entlasten, sollen Patienten, soweit für diese die
arzneiliche Verwendung von Cannabis/Marihuana indiziert ist, durch die
prozessuale Lösung veranlasst werden, sich die Verwendung von Cannabis
von einem Arzt empfehlen zu lassen. Bei einer solchen ärztlichen
Empfehlung handelt es sich um ein aliud gegenüber einer Verschreibung
im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 3 BtMG.
Um Missbrauch auszuschließen, sollen bzw. können folgende Maßnahmen
getroffen werden:
- Es soll eine Liste von Indikationen erstellt werden, bei
denen Ärzte eine ärztliche Empfehlung ausstellen dürfen. Solche Listen
für Indikationen existieren in acht Staaten der USA und in Kanada.
Dort ist die medizinische Verwendung von Cannabisprodukten allerdings
erlaubt und nicht nur geduldet.
- Es soll eine Höchstmenge festgelegt werden, mit der der
Umgang geduldet ist. Diese Höchstmenge soll eine maximale Menge in
Gramm des Betäubungsmittels und eine maximale Zahl von Pflanzen in
erntefähigem Zustand festlegen. Diese Menge ist in der ärztlichen
Empfehlung anzugeben. Ähnliche Regelungen existieren in den Staaten
der USA, in denen die medizinische Verwendung von Cannabis erlaubt
ist. In Kanada gibt es keine solche Höchstmenge.
- Es ist vom Arzt eine Kopie der ärztlichen Empfehlung zu
erstellen, die beim Arzt verbleibt.
- Der Arzt ist verpflichtet, die Ausstellung einer ärztlichen
Empfehlung in anonymisierter Form einer zentralen Stelle zu melden,
beispielsweise analog § 13 Abs. 3 zur Meldung über die ärztliche
Verschreiben eines Substitutionsmittels.
- Die ärztliche Empfehlung ist jährlich zu erneuern.
b) Entwurf:
Arzneiliche Verwendung von Cannabis/Marihuana
§ 31b BtMG
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen nach § 29 Abs. 1, 2 oder 4 zum
Gegenstand, so soll die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen,
wenn der Betroffene Inhaber einer ärztlichen Empfehlung ist und der
Betroffene die Betäubungsmittel lediglich zur eigenen arzneilichen
Verwendung anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt,
sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(2) Die Staatsanwaltschaft soll von der Beschlagnahme und Einziehung
der Betäubungsmittel absehen, wenn der Betroffene Inhaber einer
ärztlichen Empfehlung und nicht mit einer Menge an Betäubungsmitteln
betroffen ist, die die in der ärztlichen Empfehlung angegebene Menge
übersteigt. Bei der Vorlage einer ärztlichen Empfehlung handelt es
sich um einen Widerspruch entsprechend § 98 Abs. 2 S. 1 StPO.