Der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages will sich für eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten an Kranke einsetzen. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, Schritte zu unternehmen um das zu ermöglichen.
Ärztezeitung: Petitionsausschuß für kontrollierte Cannabisabgabe
" 2.10.5 Forderung nach Maßnahmen zur Legalisierung von
Cannabis-Produkten für medizinische Zwecke Zahlreiche Petenten wandten
sich an den Ausschuss und forderten Maßnahmen zur Legalisierung von
Cannabisprodukten für medizinische Zwecke.
Die Petenten trugen vor, dass die vorhandenen Erkenntnisse über die
arzneilichen Qualitäten von Cannabisprodukten bei einer Anzahl schwerer
Erkrankungen, die mit dem zur Verfügung stehenden therapeutischen
Repertoire oft nicht hinreichend behandelt werden könnten, einen
Behandlungsversuch mit isolierten Cannabinoiden oder natürlichem
Drogenhanf rechtfertigten. Cannabis helfe bei Multipler Sklerose, Krebs,
bei HIV/Aids, bei Spastik, bei Schmerzzuständen, bei Glaukom (grüner
Star), Migräne, Asthma, Epilepsie, Depressionen, Hauterkrankungen und
Magen- und Darmerkrankungen, bei denen die pharmakologischen
Inhaltsstoffe des Drogenhanfes einen Effekt erzielen könnten, der nicht
oder nicht ausreichend und vor allem nicht so kostengünstig und
nebenwirksamsarm mit den herkömmlichen Pharmaprodukten zu haben sei. So
sollte Patienten ein legaler und finanzierbarer Zugang zu
Cannabisprodukten ermöglicht werden.
Cannabis befinde sich in der Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes.
Dagegen befänden sich in der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes,
die verschreibungsfähige Substanzen aufführe, Substanzen mit
Suchtpotential, die aber auf einem einfachen Rezept verordnet werden dü
rften. Die deutschen Gesetze tolerierten eine Anzahl von Drogen mit
Suchtpotential als Genussmittel, nicht jedoch die medizinische
Verwendung von Hanfprodukten durch Schwerkranke. So sei es Realität,
dass eine zunehmende Zahl von Patienten in Deutschland illegal
Cannabisprodukte verwendeten, zum Teil mit Wissen und Verständnis ihrer
behandelnden Ärzte. Daher komme es immer wieder zu Verurteilungen von
Patienten. Die Verurteilungen, bei denen Bescheinigungen der Hausärzte
den Betroffenen nicht vor der Strafe schützten, zögen oftmals Fü
hrerscheinverluste und auch Kündigungen der Wohnung oder des
Arbeitsplatzes nach sich. Für den Ausschuss stellte sich die Sach- und
Rechtslage wie folgt dar:
Unstreitig wird Cannabis, das Harz von cannabis sativa, bereits seit
Jahrhunderten zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Es steht fest, dass
Cannabis u.a. appetit-steigernd, brechreizhemmend, muskelentspannend,
schmerzhemmend, bronchien-erweiternd, augeninnendrucksenkend und
stimmungsaufhellend wirkt.
Es bestehen internationale Übereinkommen, nach denen Deutschland
verpflichtet ist, Haschisch und andere Cannabisprodukte ausschließlich f
ür medizinische und wissenschaftliche Zwecke zu verwenden. Daraus folgt,
dass die Verwendung von Cannabis zu anderen Zwecken verboten ist. Auch
Art. 3 Abs. 2 des Sucht-stoffübereinkommens von 1988 schreibt fest, dass
Deutschland vorbehaltlich seiner Verfassungsgrundsätze und der Grundzüge
seiner Rechtsordnung den Besitz, den Kauf oder den Anbau von
Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen für den persönlichen Verbrauch
als Straftat zu umschreiben hat. Diese Verpflichtung wurde im
Betäubungsmittelgesetz umgesetzt, nach dem die verbotene Verwendung auch
strafbar ist.
Die derzeitige Rechtslage wurde durch einen Beschluss des
Bundes-verfassungsgerichts im Jahre 1994 bestätigt. Dabei wies das
Gericht allerdings darauf hin, dass nach dem Grundsatz des
Übermaßverbotes von der Verfolgung einzelner Taten abzusehen sei bzw.
die Strafverfahren einzustellen seien. In der Praxis hat sich auch
gezeigt, dass in der Regel eine Strafverfolgung beim Besitz kleiner
Mengen Cannabis nicht stattfindet.
Es ist bereits nach der derzeitigen Rechtslage möglich, Cannabisprodukte
in den Verkehr zu bringen. Dies kann auf der Grundlage des
Arzneimittelgesetzes und des Betäubungsmittelgesetzes geschehen, wenn
insbesondere die reproduzierbare Qualität, Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit der cannabishaltigen Produkte wissenschaftlich
nachgewiesen werden. Ferner könnten auf der Grundlage standardisierter
natürlicher Gemische von Cannabis oder standardisierter isolierter
Wirkstoffe in Apotheken Rezepturarzneimittel nach spezifischer
ärztlicher Verschreibung hergestellt werden. Dazu hat das BMG den
Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) gebeten, die dafür erforderlichen
Standards auszuarbeiten. Deswegen steht der DAC mit der
Arbeitsgemeinschaft "Cannabis als Medizin" in Verbindung. In Deutschland
wurde am 10. April 2000 einem Unternehmen die Erlaubnis erteilt, den
Hauptwirkstoff von Cannabis (Tetrahydrocannabinol) Apotheken zur Verfü
gung zu stellen, so dass dort in naher Zukunft auf ärztliche
Verschreibung entsprechende Arzneimittel angefertigt werden können. In
den USA und in Großbritannien werden bereits seit längerem Arzneimittel
mit den Cannabiswirkstoffen Dronabinol und Nabilon verschrieben. Nach §
73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz ist es Apotheken in Deutschland aber anhand
eines Rezeptes möglich, diese Arzneimittel zu importieren. Dronabinol
und Nabilon sind auch bereits in der Anlage III des
Betäubungsmittel-gesetzes (verkehrsfähige und verschreibungs-fähige
Betäubungsmittel) auf-genommen worden.
In Berlin hat im Jahre 1999 eine klinische Prüfung von
Cannabisarzneimitteln begon-nen. Dieses geschieht auf der Grundlage des
§ 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz, nach der für Betäubungsmittel,
einschließlich Cannabis, für wissenschaftliche oder andere im
öffentlichen Interesse liegenden Zwecke eine Erlaubnis zum Verkehr und
zum Anbau erteilt werden kann.
Der Petitionsausschuss beschloss, für eine kontrollierte, auf den
medizinischen Be-reich begrenzte Abgabe von Cannabisprodukten an
Erkrankte einzutreten und die Bemühungen um eine weitere Erforschung von
Cannabis als Arzneimittel zu unterstützen. Die Erkrankten, unterstützt
von den behandelnden Ärzten, begehren lediglich die Möglichkeit, dass
ihnen Cannabispräparate ärztlich verordnet werden dürfen. Nach ihrer
Einschätzung hilft ihnen Cannabis, ihre Erkrankungen mit zu heilen bzw.
zu lindern und ihr Leben wieder lebenswert zu gestalten. Diese
Einschätzung wird von den bisher gewonnenen Erkenntnissen bestätigt.
Soweit allerdings eine weitergehende Zulassung von Cannabisprodukten
gefordert wird, konnte diese vom Ausschuss im Grundsatz nicht befü
rwortet werden. So führte die Ärztekammer Berlin aus, dass als
hauptsächliche unerwünschte Wirkungen dosisab-hängige zentralnervöse
Störungen und die mögliche psychische Abhängigkeit entgegenstehen. Nach
rund 1.000 Studien werde zwar das Abhängigkeitspotential von Cannabis
als weitaus geringer eingeschätzt als das von Alkohol und Tabak. Das
Abhängigkeitspotential sei auch nicht zu vergleichen mit dem von Heroin,
Kokain, Psychopharmaka und synthetischen halluzinogenen Rauschmitteln.
Auch nach Einschätzung der Ärztekammer könne es aber nicht
ausgeschlossen werden, dass Cannabis als Einstiegsdroge missbraucht
werden könne.
Da der Ausschuss die Petition für begründet befand, wurde sie der
Bundesregierung mit der Aufforderung zugeleitet, für Abhilfe zu sorgen.