Cannabis als Medizin
Kommt der Joint auf Rezept?
"Lassen Sie Ihre
MS-Patienten abends einmal einen Cannabis-Joint rauchen", empfahl der Pharmakologe
Walter Zieglgänsberger seinen Kollegen auf einem Schmerzkongress im Frühjahr
diesen Jahres und sorgte damit für einigen Aufruhr. Die gängigen Medikamente
gegen Multiple Sklerose (MS), die mit schmerzhaften Krampfanfällen einhergeht,
haben oftmals starke Nebenwirkungen wie grippeähnliche Symptome, Osteoporose
oder Magenschmerzen. Cannabis hingegen ist nahezu nebenwirkungsfrei und lindert
die Beschwerden der Krankheit effektiver als Kortison oder Betaferon. Doch die
Verwendung von Cannabis als medizinisches Therapeutikum ist verboten.
"Wenn ein MS-Patient
Cannabis nimmt, kann er die ganze Nacht schlafen, die Spastik läßt
nach und der Patient fühlt sich wohl", sagte Zieglgänsberger vom Max-Planck-Institut
für Psychiatrie, München in einem Interview mit der "Ärzte Zeitung".
Tetrahydrocannabinol (THC), so wird
vermutet, ist der krampflösende und schmerzlindernde Hauptwirkstoff. Doch
vermutlich sind noch weitere Wirkstoffe der Pflanze an der effektiven und lang
anhaltenden Wirkung beteiligt, denn das synthetisch hergestellte THC mit dem
Namen Marinol® erzeugt bei weitem nicht so viele Wirkungen wie die
über tausend Inhaltsstoffe eines Joints. Zieglgänsberger ist der Meinung,
dass man Patienten eine solch effektive Behandlung nicht vorenthalten sollte.
Seit 1996 darf
in Deutschland wieder wirkstoffarmer Hanf angebaut werden. Im Zuge der Wiederentdeckung
der Kulturpflanze wurden zahlreiche Produkte wie Papier, Textilien, Baustoffe,
Kosmetika und Pflegemittel aus Hanf entwickelt und auf den Markt gebracht. Die
gegenwärtige Forschung richtet ihr Interesse zudem auf die Möglichkeit,
Cannabis als Heilpflanze zu medizinischen und therapeutischen Zwecken zu nutzen.
Allerdings steht der Anwendung noch die Zulassung beim Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte bevor.
Bis dahin gelten
alle Patienten, die ihre Schmerzen und Spasten illegal mit Hanf bekämpfen
als kriminell. Der 55-jährige MS-Patient Dieter B. raucht ein Zehntel Gramm
Cannabis am Tag. Seitdem ein Arzt ihm den in Cannabis enthaltenen Wirkstoff
THC in Tropfenform verschrieben hat, ist er von der entspannungsfördernden
Wirkung begeistert. Da der Konsum von Cannabis in Deutschland verboten ist und
strafrechtlich verfolgt wird, gilt auch er aufgrund seiner geringen Haschisch-Konsums
als kriminell. Und das kann Dieter B. nicht verstehen.
Hauptproblem bei
der Nutzung der Hanfpflanze als Medikament ist ihr offizieller Status als Einstiegsdroge
in den Konsum härterer Drogen wie Heroin oder Kokain. Die wirksamen Inhaltsstoffe
(Cannabinoide) sind vor allem in den Blättern und Blüten der weiblichen
Pflanze enthalten, sie besitzen eine rauschhafte Wirkung. Doch anders als bei
Alkohol entsteht bei dem Konsum von Cannabis keine körperliche Abhängigkeit.
Um den gewünschten Effekt zu erzielen, muss die Dosis nicht erhöht
werden. Beim Absetzen der Droge sind keine wesentlichen Entzugserscheinungen
zu erwarten. Dennoch erlaubt das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtmG)
den Gebrauch berauschender Substanzen nach der Anlage 1 des BtmG nur zu
"wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken".
Die rechtlich mögliche Erlaubnis zur medizinischen Behandlung mit Cannabis
muss daher zunächst vom zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte (BfArM) in Berlin geprüft werden. Der Legalisierung
steht vor allem die Sorge vor Missbrauch im Wege.
Rechtslage in
Deutschland und NRW In Deutschland ist der Besitz und Anbau von Cannabis (Cannabis
sativa L.) verboten. Dennoch wird nicht automatisch strafrechtlich verfolgt,
wer eine "geringfügige" Menge Cannabis besitzt (wohl aber, wer damit handelt).
Die Vorstellungen darüber, was als geringfügig angesehen wird, ist
von Bundesland zu Bundesland verschieden. In NRW gelten Mengen bis zu 10 Gramm
als geringfügig.
Auch wenn die
rechtlichen Grundsätze zu einer medizinischen Anwendung noch nicht gegeben
sind, zeigen erste Studien zur Einnahme von Cannabis bei MS-Patienten positive
Ergebnisse. Dabei muss der Patient nicht unbedingt zum verpönten Joint
greifen, sondern kann das THC auch als Ingredienz in Gebäck, in Form von
Tropfen oder als Tee zu sich nehmen. Neben seiner schmerzlindernden, appetitanregenden,
spannungs- und krampflösenden Eigenschaften zeigt der Einsatz von Hanf
auch bei der Behandlung AIDS- und krebskranker Menschen sowie bei der Behandlung
des Glaukoms und weiterer Beschwerden Erfolg. (siehe Tabelle)
Anwendungsgebiete
und Wirkung von Cannabis
siehe unter
http://www.wdr.de/tv/aks/thema_woche00_37.html
Mittlerweile wird
auch seitens der Gesetzgebung der Nutzwert der alten Kulturpflanze als Medikament
zunehmend diskutiert. Folgt man einem Bericht
der Ärzte Zeitung Online vom 30.06.2000, hat sich der Petitionsausschuss
des Deutschen Bundestages dafür ausgesprochen, den Einsatz von
Cannabisprodukten für medizinische Zwecke zu legalisieren.
Die Legalisierung
der Nutzung pharmakologischer Inhaltsstoffe von Cannabis als Therapeutikum ist
auch Ziel der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als
Medizin (ACM). Die in Deutschland, der Schweiz und Österreich agierende
Vereinigung von Ärzten, Apothekern, Juristen, Patienten und anderen
Interessierten fordert, - dass natürliche Cannabisprodukte und einzelne
Cannabinoide auf einem einfachen ärztlichen Rezept über jede Apotheke
bezogen werden können, - dass Patienten mit einer entsprechenden ärztlichen
Bescheinigung Drogenhanf für den eigenen medizinischen Bedarf anpflanzen,
ernten, besitzen und konsumieren dürfen, - dass Ärztinnen und Ärzte
keinen Nachteil durch die Verschreibung von Drogenhanfprodukten an Kranke erleiden,
- dass die weitere Erforschung des arzneilichen Potentials der Hanfpflanze und
der Cannabinoide gefördert wird. Darüber hinaus organisiert die ACM
regionale Selbsthilfegruppen, pflegt internationale Kontakte und unterstützt
Forschungsaktivitäten.
Seit Februar 1998
darf der Cannabiswirkstoff Delta-9-THC in Deutschland zur Behandlung der Chemotherapie-assoziierten
Übelkeit auf einem Betäubungsmittelrezept von jedem Arzt verschrieben
werden. Das weltweit bisher einzige Präparat Marinol ist von Apotheken
nur in den USA
erhältlich und zeichnet sich vor allem durch seinen hohen Preis aus. In
einigen Apotheken ist Dronabinol erhältlich, eine Apothekenzubereitung
der
Frankfurter THC Pharm. Allerdings haben viele Kranke festgestellt, dass das
Naturprodukt besser wirkt. Sie greifen daher überwiegend auf die
illegale Selbstmedikation mit Haschisch (Cannabisharz) und Marihuana (Cannabisblüten)
zurück. Die Legalisierung wäre ein großer Schritt für Patienten,
die sich Cannabis zur Linderung ihrer Beschwerden auf dem Schwarzmarkt besorgen
und mit einer Kriminalisierung rechnen müssen.
Programmtipp:
Am Freitag, 15.09.00, berichtet die Aktuelle Stunde über "Cannabis als
Medizin". Zu Gast im Studio ist Dr. Poehlke, Internist aus Münster
Adressen und Links:
Arbeitsgemeinschaft
Cannabis als Medizin (ACM) - Gemeinschaft von Ärzten, Apothekern, Juristen
und Patienten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zur Förderung
des medizinisch-therapeutischen Einsatzes von Cannabis
Maybachstr. 14
50670 Köln
Telefon: 0221-9123033
Fax: 0221-1300591
E-Mail: info@acmed.org
Hanfmedizin -
Webangebot der Gesellschaft für nachwachsende Rohstoffe e.V. Nauwieser
Str. 19
66111 Saarbrücken
Telefon: 0681-3907808
Fax: 0681-3907638
E-Mail: hanfrohstoff@t-online.de
Bundesverband
Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft e.V.
Vahrenwalder Str. 205-207
30165 Hannover
Tel.: 05 11/9 68 34-0
Fax: 05 11/9 68 34-50
E-mail-Adresse: dmsg@dmsg.de
BtMG - Gesetz
über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz)
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