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Keine Mehrheit für Haschfreigabe (sonntagszeitung.ch)

Newshawk: Joe Wein
Pubdate: 08.12.2002
Source: Sonntagszeitung
Copyright: (c) 2002 Tamedia
Contact: http://www.sonntagszeitung.ch/sz/szTabelle?rubrikid=770&rubrikid_tab=1153#artikel203334
Website: http://www.sonntagszeitung.ch
Webpage: http://www.sonntagszeitung.ch/sz/szUnterRubrik.html?ausgabeid=2743&rubrikid=127&ArtId=242195

Keine Mehrheit für Haschfreigabe

In einer Volksabstimmung hätte die Liberalisierung momentan einen schweren Stand

VON ADRIAN SCHULTHESS UND CHRISTIAN MAURER
ZÜRICH - Wird der Haschkonsum in der Schweiz liberalisiert, hat wohl der Souverän das letzte Wort und in einer Volksabstimmung könnte die vorgesehene Liberalisierung des Betäubungsmittelgesetzes scheitern. Eine Isopublic-Umfrage im Auftrag der bei 500 Personen ergab: Genau 50 Prozent der Befragten sind für eine Freigabe des Cannabis-Konsums, 44 Prozent dagegen bei einer statistischen Ungenauigkeit von 4,45 Prozent ein Patt. Exakt die gleiche knappe Zustimmung erhält die Straffreiheit von Handel und Anbau.

Für SVP-Nationalrat und Drogengegner Toni Bortoluzzi ist das Resultat keine Überraschung. Der Präsident der Nationalratskommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) weist auf frühere Abstimmungen hin, die ihm Recht gaben: «Bisher wurden alle Legalisierungsinitiativen deutlich verworfen.» Lockert der Nationalrat im nächsten Frühling das Cannabis-Verbot im Betäubungsmittel- gesetz, werde das Referendum ergriffen, ist sich Bortoluzzi sicher. «Nicht unbedingt von der SVP selber, aber wir werden es sicher unterstützen.»

Hoher THC-Gehalt des Hanfs weckt neue Fragen nach den Risiken

François Reusser, Präsident der Schweizer Hanfkoordination und einer der engagiertesten Kämpfer für die Cannabis-Legalisierung, ist trotz des knappen Umfrageresultats erleichtert. «Ich habe nach der Medienkampagne gegen den Hanf ein schlechteres Ergebnis erwartet.» Seit «Kassensturz»-Analysen einen massiv höheren THC-Gehalt im Schweizer Marihuana und Haschisch nachwiesen, sind die gesundheitlichen Risiken beim Kiffen wieder ein Thema geworden.

Politiker orteten bereits letzte Woche in der einen Stimmungswandel gegen die Liberalisierungseuphorie. SGK-Mitglied und CVP-Nationalrätin Rosmarie Dormann sieht sich vom Umfrageergebnis bestätigt: Sie macht eine deutliche Verunsicherung aus im Volk wie im Parlament. «Die Medien haben vermehrt die Probleme des Cannabis-Konsums thematisiert. Das hat eben Auswirkungen», sagt Dormann.

Eine Trendwende will der Präventivmediziner und FDP-Nationalrat Felix Gutzwiller in dem knappen Umfrageergebnis noch nicht sehen. «In früheren Umfragen sprachen sich rund 60 Prozent für eine Entkriminalisierung aus. Sehr viele sind es also nicht, die in der Zwischenzeit umschwenkten.» Richard Müller, Leiter der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme, bestätigt: «Eine solche Umfrage führten wir vor zwei Jahren durch. Das Resultat war auch ungefähr fifty-fifty.»

Das Resultat zeige ein grosses Informationsbedürfnis bei der Bevölkerung, sagt Thomas Zeltner, Direktor des Bundesamts für Gesundheit und Befürworter der Cannabis-Liberalisierung. Eine allfällige Volksabstimmung fürchtet er nicht: «Sie bietet die Chance einer breiten Diskussion.» So siehts auch Hanfkoordinator Reusser: «Die Argumente sind auf unserer Seite. Sind die Diskussionen anständig, wird die Abstimmung ein Spaziergang sein.»

«Jetziges Recht macht Jugendliche nach dem Zufallsprinzip strafbar»

Verwundert über das Umfrageergebnis ist hingegen Jost Gross, SP-Nationalrat und Präsident der Nationalen Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik. Er hätte mehr Cannabis-Befürworter erwartet. «Viele Eltern wissen heute, dass ihr Nachwuchs kifft. Mit der jetzigen Rechtslage machen sich Jugendliche nach dem Zufallsprinzip strafbar», sagt Gross.

Viele Hanffreunde befürchten einen äusserst emotionalen Abstimmungskampf. Nicht nur Rechtsaussenpolitiker wollen den Legalisierern die Stirn bieten: Paradoxerweise finden sich unter den Gegnern der Betäubungsmittelrevision auch Exponenten von linker Seite. «Es gibt Uralt-68er, denen die Revision zu wenig weit geht», sagt Jürg Kauer vom Verband der Eltern- und Angehörigenvereinigung Drogenabhängiger. «Sie verlangen auch für harte Drogen eine Konsumfreigabe. Sie sehen die Lösung, die sich jetzt abzeichnet, als schlechten Handel.» Auch Urs Rohr von der Suchtpräventionsstelle Zürich würde die Strafbefreiung für den Konsum harter Drogen bevorzugen. «Doch die Beschränkung auf Cannabis ist realpolitisch sicher die vernünftigere Entscheidung», sagt Rohr.


Leserbrief zu "Keine Mehrheit für Haschfreigabe":

Reine Schaumschlägerei

Ich halte den Artikel vom letzten Sonntag über die Haschischfreigabe für eine reine Schaumschlägerei. Es wurde berichtet, dass nunmal nur noch 50% der Bevölkerung für die Freigabe und 44% dagegen seien. Früher wären es aber 60% Legalisierungsbefürworter gewesen. Das stimmt aber nicht. Die Umfrage von der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) ergaben nämlich, dass am 15. Februar 2001 gerade mal 53% dafür und 41% dagegen waren. Das war die Stimmungslage kurz bevor der Bundesrat den Gesetzesvorschlag an die Räte sandte. Das liegt nun exakt in der statistischen Ungenauigkeit der Umfrage von 4,45%. Somit gab es kein Stimmungsumschwung im Lande.

Unter anderem wurde auch der Bericht vom Kassensturz erwähnt, welcher auf die hohen THC-Werte im schweizerischen Marihuana hinwies. Das ist aber bereits beim Ständeratsentscheid bekannt gewesen. Aber auch hier ist das Problem nur scheinbar. Der Konsument kann erstens die Stärke des Joints dosieren, indem er mehr oder weniger Marihuana dem ganzen Gemisch beimengt. Zweitens dosiert er es, wie häufig er daran zieht und wie lange er es in der Lunge behält. Dass jetzt Marihuana stärker geworden sei, spielt in der ganzen Sache somit überhaupt keine Rolle. Sollte es trotzdem zu einer Ueberdosis beim Konsumenten kommen, so hat bereits das Bundesgericht 29. August 1991 (Urteil 117 IV 314) festgestellt, dass auch eine hohe Menge an Haschisch keine gesundheitliche Gefahr für den Konsumenten darstellt. Bei einer Ueberdosis von THC wird es dem Kiffer nämlich bloss übel und er muss erbrechen.

Egal ob Marihuana und Haschisch stärker oder schwächer geworden sei, der Cannabiskonsum wird nie die gleichen negativen Auswirkungen haben, wie Alkohol und Tabak. Es wird auch in Zukunft keine kranken Süchtigen geben, wie beim Alkohol, weil THC eben nicht abhängig macht. Ebenso wird es keine krebskranke Personen geben, wie beim Tabak, weil ein Kiffer niemals 20 Joints am Tag raucht. Es ist deshalb schlicht unsinnig zu behaupten, man müsse sich aus Gründen des Jungendschutzes überlegen, ob man die Cannabislegalisierung tatsächlich verwirklichen wolle. Denn dann bleibt nur die weiterhin schädliche Kriminalisierung des Konsumenten.

Ich hoffe sehr, dass sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus solchen scheinbar negativen Berichterstattungen in den Medien nicht beirren lassen. Die Bevölkerung steht knapp mehrheitlich hinter der Cannabislegalisierung. Aber die eigentliche Meinungsbildung findet eben erst vor einer eventuellen Abstimmung statt.

Zürich, 10. Dez. 02, M. Rieser