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Immer mehr Jugendliche greifen zum Joint
Pubdate: 21. 09. 2002 Immer mehr Jugendliche greifen zum Joint Laut einer Studie steigt auch die Zahl junger Gewalttäter aus der Türkei und Ex-Jugoslawien Von Sven Loerzer In München greifen mehr Jugendliche regelmäßig zu Bierkrug und Schnapsflasche als in norddeutschen Städten: 10,4 Prozent der Neuntklässler im Alter zwischen 14 und 16 Jahren bekannten sich dazu, wöchentlich bis täglich Promillehaltiges zu trinken. Damit liegt ihr Anteil nach Angaben des Schulreferats gut doppelt so hoch wie in Hamburg, Hannover oder Leipzig. Doch nicht nur der Hang zum Alkoholkonsum ist in der Wiesn-Stadt stärker ausgeprägt, sondern auch der Griff zu einer anderen Droge: Mehr Neuntklässler als in anderen Städten ziehen sich mindestens einmal im Monat einen Joint rein oder inhalieren den Rauch aus dem Haschisch-Pfeifchen. Der Anteil Münchner Jugendlicher, die Cannabisprodukte konsumieren, hat sich in zwei Jahren mehr als verdoppelt und liegt nun bei 14,8 Prozent. Dieser Trend ergibt sich aus einer Nachfolgestudie zu der 1999 vorgelegten umfangreichen Erhebung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Der damalige Leiter und heutige niedersächsische Justizminister, Professor Christian Pfeiffer, hatte nach einer repräsentativen Befragung von Neuntklässlern in sechs deutschen Großstädten eine umfassende Analyse zu Gewalterfahrungen und Kriminalitätsfurcht von Jugendlichen vorgelegt. Der Drogenkonsum war dabei nur ein Teilaspekt. Die wesentlichen Ergebnisse der Nachfolgestudie will Schulreferentin Elisabeth Weiß-Söllner am Mittwoch dem Stadtrat vorstellen. Zwar ist der Anteil der einheimischen deutschen Jugendlichen in München gesunken, die auf den anonymen Fragenbogen angaben, im letzten Jahr Gewaltdelikte gegen Eigentum und Personen begangen zu haben: Statt 17,2 Prozent sind es nun 14,2 Prozent. Aber neben diesem positiven Ergebnis löst ein anderer Trend Besorgnis aus: „Während in allen anderen Erhebungsorten die Gewalttäterraten auch der nichtdeutschen Jugendlichen rückläufig sind, gibt es in München einen leichten Anstieg bei ausländischen Jugendlichen aus der Türkei und aus Ex-Jugoslawien“, stellt Weiß-Söllner fest. Bei den „nichtdeutschen Eingebürgerten“ verschiedener Nationalitäten gebe es sogar einen erheblichen Anstieg von 14,1 auf 21,4 Prozent. Damit nimmt ein Problem, auf das Pfeiffer schon in der letzten Studie sehr eindringlich hingewiesen hat, noch deutlichere Formen an: Bei der Gewalt gegen Personen sind junge Migranten aus der Türkei und aus Ex-Jugoslawien deutlich überrepräsentiert. Das ist auch dann noch nachweisbar, wenn berücksichtigt wird, dass Migrantenkinder häufiger unter sehr ungünstigen Lebensbedingungen aufwachsen. Die Autoren der Nachfolgestudie deuteten dies als Phänomen, so Weiß-Söllner, „das seine Ursache in einer stark ausgeprägten Tradition von Gewalt legitimierenden Männlichkeits- und Geschlechterrollenvorstellungen haben könnte“. Junge Migranten erleben außerdem häufiger Gewalt durch Eltern als deutsche Jugendliche. Schon die erste Studie belegte den Zusammenhang, dass Jugendliche, je häufiger sie innerfamiliäre Gewalt erlebt haben, desto eher selbst gewalttätig werden. Als „Symptom einer sich einschleichenden Frühkriminalität“ oder „Kindergarten der Kriminalität“ gilt bei den Fachleuchten das massive Schulschwänzen. In München und Hannover haben 17,9 Prozent der als abwesend registrierten Jugendlichen eigenen Angaben zufolge in den letzten sechs Monaten fünf und mehr Tage den Unterricht geschwänzt – es ist die höchste Rate, deutlich über dem Durchschnitt. Die Autoren fordern mehr Kontrolle und deutlichere Reaktionen. Zusammenhänge bestehen aber auch zwischen der Häufigkeit des Schwänzens, Erziehungsproblemen in der Familie, beobachteter Gewalt zwischen den Eltern und erlittener Züchtigung und Misshandlung durch die Eltern. |