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Drogen am Steuer: Das Problem der Grenzwerte

Pubdate: 30.12.2000
Source: Salzburger Nachrichten
Copyright: © Salzburger Nachrichten
Contact: redakt@salzburg.com
Website: http://www.salzburg.com
Notes: online http://www.salzburg.com/sn/00/12/30/gericht-16277.html

Es bedarf der Schulung und Sensibilität auf Seiten der Polizei, aber auch der rechtlichen Grundlagen zur Proben-Abnahme

DR. THOMAS KELLER

Gerichtsmedizin Salzburg

Im ersten Teil dieser Ausführungen ("Staatsbürger" vom 23.12.) wurde über die Aufgaben berichtet, die sich dem Gerichtsmediziner prinzipiell bei der Untersuchung möglicher Fälle des Fahrens unter Drogen- und Medikamenteneinfluss stellen. Lesen Sie Teil II:

Absolute Grenzwerte, wie beim Alkohol bekannt, gibt es für Drogen und Medikamentenwirkstoffe nicht. Die Grenzwertkommission, eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (GTFCh) der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin, hat sich seit ihrer Gründung 1993 intensiv mit Fragen rund um die Grenzwerte für die absolute Fahruntüchtigkeit nach Drogen- und/oder Medikamentenkonsum beschäftigt.

Bei den von der Grenzwertkommission vorgeschlagenen analytischen Grenzwerten handelt es sich nicht um die im Einzelnen mit einer Methode erreichbare Nachweisgrenze, sondern es handelt sich um Konzentrationen, die als Richtlinien (Grenzwerte) dienen, um die Frage zu beantworten, bei welcher Konzentration für die verschiedenen Substanzen ein sicherer qualitativer Nachweis im Hinblick auf den in der deutschen Rechtsprechung vorhandenen Paragraphen 24a StVG zu führen ist.

Weiters hat die Grenzwertkommission bei der Erarbeitung eines Konzeptes mitgewirkt, um die Qualifikation von Untersuchungslabors, die den Nachweis der Substanzen in Blutproben erbringen müssen, noch zu verbessern.

Damit aber unter Einfluss von Drogen und/oder Medikamentenwirkstoffen stehende Fahrzeuglenker überhaupt als solche von der Exekutive erkannt werden können, muss sowohl auf Seiten der Exekutivbeamten wie auch auf Seiten der Ärzteschaft das Bewusstsein und die Sensibilität für solche Fälle geschärft werden. Im Gegensatz zum Trinkalkohol, dessen Konsum vom "Foetor ethylicus" (Alkoholfahne) verraten wird, gibt es im Fall von Drogen und oder Medikamenten keine "Drogen-/Medikamentenfahne". Aus diesem Grund gibt es analog dem Atemalkoholtest auch keinen "Atem-Drogen-/Medikamententest". Ob eine Person unter Derartigem ein Fahrzeug lenkt, lässt sich eben nur durch Analyse einer Blutprobe zweifelsfrei verifizieren. Mitglieder der Grenzwertkommission haben an dem bekannten Schulungsprogramm für Polizeibeamte, das im Auftrag der deutschen Bundesanstalt für Stra-ßenwesen erarbeitet wurde, mitgewirkt. Polizisten, die an diesem Schulungsprogramm teilgenommen haben, werden in die Lage versetzt, u. a. die für Drogen und Medikamentenwirkstoffe typischen Verhaltensauffälligkeiten bei Verkehrsteilnehmern zu erkennen. Gerade auf diesem Gebiet werden von der Abteilung Toxikologie des Instituts für Gerichtsmedizin der Universität Salzburg immer wieder Spezialseminare für Exekutivbeamte wie für Amtsärzte durchgeführt.

Welche Gefahren von Drogen und Medikamenten im Straßenverkehr ausgehen, wurde im Rahmen des EU-Projektes ROSITA (Roadside Testing Assessment) objektiviert. Gleichzeitig wurden Strategien für effiziente Maßnahmen erarbeitet.

Cannabis beeinflusst Fahrleistung negativ

Die besten Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen können jedoch keine positiven Auswirkungen zeigen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die verpflichtende Abgabe einer Blutprobe sowie einer Urinprobe nicht geschaffen werden.

Wie in vielen Ländern bereits üblich, muss auch dem Exekutivbeamten in Österreich die Möglichkeit gegeben werden, nach einem Anfangsverdacht, sei es bei einer Routinekontrolle oder nach einem Unfall, die Abnahme einer Blut- und einer Urinprobe, deren Untersuchung auf Trinkalkohol, Drogen und Medikamentenwirkstoffe an einem gerichtsmed. Institut sowie eine ärztliche Untersuchung des Verdächtigen anzuordnen.

Immer wieder wird u. a. auch von der "Cannabislobby" auf Studien verwiesen, in denen festgestellt wird, dass ein Fahrzeuglenker unter Cannabiseinfluss vorsichtiger, weniger aggressiv und weniger unfallorientiert ein Fahrzeug lenken würde. In der Tat waren noch vor wenigen Jahren die Schlüsse, die aus solchen experimentellen Studien gezogen wurden, durchaus uneinheitlich und gegensätzlich. Neuen experimentellen Untersuchungen zufolge kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass Cannabiskonsum die fahrrelevanten Leistungen und damit das Fahren eines Kraftfahrzeuges negativ beeinflusst. Je nach Dosis sind sowohl in der ersten Stunde nach Rauchbeginn sowie 60 bis 90 Minuten nach oraler Aufnahme von höheren Dosen sehr deutliche fahrrelevante Leistungseinschränkungen experimentell nachzuweisen. In der zweiten und dritten Stunde nach Rauchen und bis einschließlich drei Stunden nach einem oralen Konsum sind die Prozentsätze der Leistungsminderung bereits deutlich reduziert. Sie ist jedoch keinesfalls unerheblich, mit Größenordnungen von bis zu etwa 40% signifikant verschlechterter Leistung.

Entwurf zur Reform des Vorverfahrens

Nur durch die Änderung der gegenwärtigen rechtlichen Situation, der Überprüfung und Neubewertung der jetzigen Kompetenzbereiche lässt sich das Problem "Fahren unter Drogen und Medikamenteneinfluss" auch auf Österreichs Straßen sinnvoll angehen. Ein entsprechender Entwurf zur Reform des strafprozessualen Vorverfahrens liegt bereits vor. Es bleibt zu hoffen, dass dieser vom Gesetzgeber möglichst rasch umgesetzt wird.

http://www.salzburg.com/sn/00/12/30/gericht-16277.html