Cannabislegalisierung in Deutschland!
Neuigkeiten
Argumente
Politik
Verein
Aktionen
Medienprojekt
Infos über Cannabis
Hanf & Recht
Politik international
Studien
Bücher
Links
Suchen
Kontakt
in English in English
 

«Ein Leben ohne Cannabis ist besser als eines mit» (Sonntagsblick.ch)

http://www.sonntagsblick.ch [Sonntagsblick / CH, 09.10.2000]

Thomas Zeltner, BAG-Direktor
«Ein Leben ohne Cannabis ist besser als eines mit»

VON NATHALIE CHRISTEN, BERNHARD WEISSBERG, UELI HILTPOLD (FOTOS)

Haben Sie schon mal so ein Ding geraucht? SonntagsBlick drückt dem BAG-Direktor einen Joint in die Hand.

Thomas Zeltner: In dieser raffinierten Form noch nie. Aber ja, ich habe als Student mal Hasch probiert.

Und, wie wars?

Ich hatte etwas Schiss, aber es ist nichts passiert. Als Nichtraucher konnte ich wohl nicht richtig inhalieren, deshalb ist der psychoaktive Effekt des Cannabis ausgeblieben.

Warum haben Sie den Joint geraucht?

Eigentlich wollte ich gar nicht. Aber wie das bei Drogen häufig ist: Ich habe dem Gruppendruck nachgegeben. Es blieb dann auch bei diesem einen Mal vor rund 30 Jahren.

Waren Sie sich damals bewusst, etwas Illegales zu tun?

Nein, ich hatte überhaupt kein Unrechtsbewusstsein.

Genauso geht es den 600000 regelmässigen Kiffern in der Schweiz. War das die Motivation des Staates, jetzt das Kiffen zu entkriminalisieren?

Wir wissen, dass vor allem bei den Jugendlichen kaum ein Unrechtsbewusstsein vorhanden ist. Sogar bei deren Eltern schwindet es. Das war aber nicht das Hauptmotiv. Der Cannabiskonsum soll straffrei werden, weil er ein Bagatelldelikt ist, das sehr häufig begangen wird. Wir passen das Gesetz der Realität an.

Haben gesundheitliche Überlegungen beim Entscheid keine Rolle gespielt?

Nicht direkt. Selbstschädigung ist eigentlich nicht strafbar. Das Strafrecht soll nur dann angewendet werden, wenn die Gesellschaft einen Schaden erleidet. Das ist beim Cannabiskonsum nicht der Fall.

Müssten dann konsequenterweise nicht auch andere Drogen wie Heroin straffrei werden?

Wir haben entsprechende Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt. Aber die Akzeptanz ist politisch noch nicht vorhanden.

Jahrzehntelang wurde Cannabis verteufelt. Die Jugendlichen hat das aber völlig kalt gelassen. Der Staat hat bei der Drogenaufklärung anscheinend keine hohe Glaubwürdigkeit.

Die Überlegung damals war, den Konsum leichter zu bestrafen als den Besitz. Diese Rechnung ging nicht auf. Jetzt soll der Fehlbeschluss von 1975 korrigiert werden.

Ist die Entkriminalisierung nicht ein irritierendes Zeichen für Schulen und Eltern bei der Drogenbekämpfung?

Das ist das Risiko. Aber wir bagatellisieren die Substanz Cannabis ja nicht. Wir werden betonen mü ssen: Cannabis ist nichts Gutes für die Gesundheit. Ein Leben ohne Cannabis ist besser als eines mit. Dasselbe gilt bei Alkohol und Tabak. Es wird Begleitmassnahmen zur Suchtprävention allgemein und im Jugendschutz brauchen.

Bedeutet das: Der Staat entkriminalisiert den Cannabiskonsum, lanciert aber gleichzeitig eine Präventionskampagne gegen das Kiffen?

Richtig. Wir wollen nicht, dass die Zahl der Cannabisraucher steigt und mehr Jugendliche zu kiffen beginnen.

Ab welchem Alter soll das Kiffen straffrei werden?

Das ist noch offen. Zur Diskussion steht ab 16 oder ab 18 Jahren.

Und was passiert, wenn ein 15-Jähriger kifft?

Eine polizeiliche Bestrafung von unter 16-Jährigen halte ich persönlich für problematisch. Weil Minderjährige für etwas bestraft würden, das Erwachsene dürfen.

Der Konsum von Cannabis wird straffrei, Anbau und Verkauf sind aber vorläufig verboten. Das ist doch widersprüchlich?

Die Drogenpolitik ist generell mit Widersprüchen behaftet. Eine ähnliche Situation besteht beim Doping und bei unerlaubten Medikamenten. Wir wollen aber diese Widersprüche verkleinern.

Heisst das, der freie Handel mit Cannabis ist nur eine Frage der Zeit?

Die Akzeptanz bei Experten und in der Bevölkerung wäre jetzt schon gross. Aber die internationale Drogenkonvention lässt eine Legalisierung von Cannabis nicht zu. Der Bundesrat will diese Konvention nicht künden.

Aber faktisch plant die Schweiz ja eine Legalisierung. Wie gross ist der Spielraum beim Handel?

Anbau und Verkauf von Cannabis werden im Grundsatz illegal bleiben - wie in Holland. Aber der Bundesrat soll Rahmenbedingungen festlegen können, wo auf Strafverfolgung verzichtet wird.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Zum Beispiel, dass man einem Konsumenten maximal fünf Gramm Cannabis verkaufen dürfte, wenn er darlegen kann, dass er über 16 Jahre alt ist. Zudem müsste der Händler belegen können, keine anderen Drogen zu verkaufen. Wir werden vermeiden müssen, dass ein Drogentourismus wie in Holland entsteht. Deshalb dürfte an Ausländer kein Cannabis verkauft werden. Die Schweiz hat schon heute Probleme. Norditaliener decken sich im Tessin bereits mit Cannabis ein.

Besteht mit dieser Lösung nicht die Gefahr einer mafiaähnlichen Schattenwirtschaft?

Wir wollen auch beim Anbau klare Regelungen schaffen, um den Export zu verhindern. Wer Cannabis anbaut, muss an einen inländischen Laden verkaufen. Wer sich nicht daran hält, wird bestraft.

Kiffer rauchen ihren Hanf zusammen mit Tabak. Und da sind Sie ja bekanntlich ein Hardliner. Am 1. Januar 2001 steigt der Preis eines Zigarettenpäcklis auf 4.70 Franken. Ist das jetzt wie bei den Krankenkassenprämien. Alle Jahre wieder ein bisschen teurer?

Studien beweisen nun mal: Je teurer der Tabak, desto weniger wird geraucht. Aber es gibt eine Obergrenze. Bei Preisen ab sechs, sieben Franken entsteht Schwarzmarkt. Deshalb sollte die Schweizer Steuerbehörde den Tabakpreis international abstimmen.

Wo liegt in der Schweiz die Schmerzgrenze für den Preis pro Päckli?

Bei rund fünf Franken. Bis 5.20 Franken kann man allenfalls noch gehen. Dann ist Schluss.

Sie sagen, der hohe Preis verkleinere den Tabakkonsum. Tatsache ist aber, dass immer mehr Jugendliche und immer jüngere mit Rauchen beginnen. Wie geht das auf?

In der Gesamtbevölkerung nimmt die Zahl der Raucher leicht ab. Die Zunahme bei Jugendlichen ist aber ein Phänomen, das derzeit niemand erklären kann. Ein Problem ist gewiss, dass die Jugendlichen eine Zielgruppe der Tabakwerbung sind.

Ist die Tabakwerbung aggressiver geworden?

Schwer zu sagen. Sie ist jedenfalls in vielen Fällen sehr jugendspezifisch.

Wählen Sie mit der hohen Tabaksteuer nicht die Massnahme des geringsten Widerstands? Gerade unter den sozial Schwächeren gibt es ü berdurchschnittlich viele Raucher. Und gerade die schmerzen die hohen Zigarettenpreise doppelt.

Der Preis ist nicht die einzige Massnahme. Daneben machen wir Prävention und streben Werbeeinschränkungen an. Unterschätzt hat man bisher zudem die Hilfe beim Ausstieg. Die Mehrheit der Raucher will ja aufhören. Dort liegt ein grosses Potenzial. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt aber zum Schluss, dass der Preis weiterhin das effektivste Mittel gegen das Rauchen ist. Tabakprodukte sind in den letzten 20 Jahren im Vergleich zu anderen Produkten billiger geworden.

Aber Sie sagen ja selbst, viel mehr könne man die Preise nicht mehr anheben. Was haben Sie denn noch im Köcher im Kampf gegen das Rauchen?

Wir möchten die Tabakreklame nur noch direkt am Verkaufsplatz zulassen. Auf Plakaten und im Kino etwa sollte die Zigarettenwerbung eingeschränkt oder verboten werden. Weil gerade dort der Beachtungsgrad bei Jugendlichen hoch ist.

Aus Gesundheitsgründen müssten Sie eigentlich auch den Alkohol massiv verteuern. Wollen Sie das?

Politisch ist das chancenlos. Wir haben uns auch gegen die Verbilligung von hochprozentigem Alkohol gewehrt. Es ist eingetroffen, was wir befü rchtet haben: Laut Alkoholverwaltung ist der Konsum der Hochprozentigen seit der Preissenkung gestiegen.

Prüfen Sie analog zum Tabak eine Aufschrift auf Flaschen: «Alkohol kann Ihre Gesundheit gefährden»? Die Franzosen machen das schon.

Nein. Das wird überlesen. Wir haben festgestellt, dass das auch bei Zigaretten nur wenig bringt.

Wie beobachten Sie das Suchtverhalten in der Gesellschaft allgemein?

Mit grosser Sorge. Wir haben in der Schweiz eine lange Tradition des Suchtmittelkonsums. Der ist auch im europäischen Vergleich hoch.

Warum?

Wir wissen es schlicht nicht. Es scheint aber, dass die Akzeptanz bei uns besonders gross ist, Probleme mit Suchtmitteln zu kompensieren.

Welche Prognose stellen Sie?

Ich sehe kurzfristig nur wenig Besserung.

Wäre eine Gesellschaft ohne Sucht- und Genussmittel nicht auch eine lustfeindliche Gesellschaft?

Bestimmt. Ein sozial verträglicher Umgang mit Suchtmitteln ist ja durchaus möglich. Die meisten Leute verstehen es zum Beispiel, mit Alkohol umzugehen. Wir wären die letzten, die den Konsum jeglicher Art von Genussmitteln vermiesen wollten.