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"Genusskompetenz" vermitteln
Münster (HPE) - Eine abstinente Gesellschaft ist für ihn eine Utopie. Wolfgang Schallenberg setzt lieber darauf, Kindern und Jugendliche den vernünftigen und kontrollierten Umgang mit legalen und illegalen Drogen beizubringen und nennt das "Genusskompetenz". Denn ohne den kritischen Umgang mit Genuss- und Suchtmitteln droht der Missbrauch und führt unweigerlich zur Gewohnheit und letztendlich Abhängigkeit. Kriminalhauptkommissar Schallenberg ist für die Sucht- und Drogenprävention im KK Vorbeugung zuständig und sucht in erster Linie das Gespräch mit den Eltern und dann erst mit den Heranwachsenden. Schallenberg: "Eine zentrale Frage ist für uns, wie süchtiges Verhalten entsteht. Rauchende Kinder kommen aus Raucherfamilien, und wenn Zwölfjährige in der Unterrichtspause eine Bierdose leertrinken, haben sie das meist jeden Abend beim Vorbild Papa als Selbstverständlichkeit kennen gelernt." So sind es auch die ganz legalen und in der Werbung hochgepuschten Einstiegsdrogen wie Bier, Wein, Schnaps und Zigaretten, die bei Eltern, Pädagogen und auch vielen Polizisten im Gegensatz zu Haschisch oder Ecstasy als unproblematische Alltags-Begleiterscheinung verkannt werden. Auch deshalb will Schallenberg nicht zwischen "guten und schlechten Drogen" unterscheiden. Er bietet im Rahmen der Drogen- und Suchtprophylaxe seine Teilnahme an Podiumsdiskussionen an, besucht jährlich 100 Klassen weiterführender Schulen, spricht mit Azubis in großen Betrieben, besucht Lehrerfortbildungen und sensibilisiert nicht zuletzt seine eigenen Kollegen des Streifendienstes im Umgang mit den komplexen Themen. Anfällig sind besonders junge Menschen, die nicht gelernt haben, Konflikte durchzustehen oder Enttäuschungen zu ertragen. Deshalb ist für Schallenberg die Steigerung des Selbstwertgefühls bei Betroffenen besonders wichtig. Langweile, Wut, Angst und Einsamkeit sowie Schwierigkeiten in Familien, Schule und Beruf sind weitere Faktoren, die zum Drogenmissbrauch führen können. Schallenberg: "Nicht die Droge ist das Problem, sondern der Mensch, der sie konsumiert. Der Feind liegt in den gestörten Beziehungen, im Körper, der Umwelt und den von uns selbst geschaffenen Lebensbedingungen." Der Kommissar will Eltern auch klar machen, dass sie ihre Kinder kaum zu einem abstinenten Leben erziehen können. Verbote haben keine abschreckende Wirkung und bringen weniger, so der erfahrene Suchtexperte, als ein pragmatischer Umgang mit Drogenproblemen. Der Polizist: "Ein Leben ohne Drogen ist sicherlich das bessere Leben, aber selten erreichbar. Probieren und Experimentieren liegt in der Natur des Menschen und das gilt auch für Kinder. Ausprobieren macht nicht süchtig und ein Haschisch-Konsument wird nicht heroinabhängig." Im Gegensatz zur Flasche Bier steht aber bei illegalen Drogen nicht drauf, wie das Pülverchen gestreckt wurde. Illegalen Drogen sind schon deshalb gefährlicher, weil ihre Zusammensetzung und Konzentration von den Nutzern selten überprüfbar ist." Und weil jede Sucht ihre Geschichte hat, räumt Schallenberg auch dem Thema Genusskompetenz einen so hohen Stellenwert ein. Schallenberg: "Nicht der Krümel Haschisch in der Hosentasche des Sohns ist das Problem. Besser man fragt sich, warum es dort ist und was mit dem Kind los." Der städtische Koordinierungausschuss für die Drogenarbeit in Münster und die gute Zusammenarbeit zwischen kommunaler Drogenhilfe, Indro und Polizei sind für Schallenberg recht optimale Vorbedingungen, um miteinander abgestimmt Erfolg versprechende Ansätze der Prävention, Hilfe und Therapie realisieren zu können. In diesem Zusammenhang ist Schallenberg auch für eine Entkriminalisierung von Konsumenten: "Süchtige sollen nicht unter der Drohung des Strafrechts leben müssen." Verhaltenstipps für Eltern, wenn Kinder regelmäßig Alkohol konsumieren, ständig Medikamente einnehmen um Stress abzubauen oder illegale Drogen besitzen: Das Problem nicht ignorieren! Panik, der erhobene Zeigefinger und unerfüllbare Forderungen bringen ebenfalls nichts, und es ist auch utopisch, zu glauben, dass Eltern das Problem allein lösen können. Deshalb sollte neben dem Gespräch mit dem Kind ein Kontakt mit den Profis der Hilfs- und Beratungsstellen ein mutiger aber wichtiger Schritt sein. |