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Regierung sucht nach einem Weg für eine kohärente Drogenpolitik für die Zukunft

Cannabis zwischen Dulden und Legalisieren

Eupen. ; Die Regierung unseres Landes beschäftigt sich derzeit mit einem ethisch äußerst delikaten Thema, der möglichen Freigabe weicher Drogen. Im Mittelpunkt der Debatte steht eine Note, die Gesundheitsministerin Magda Aelvoet (Agalev) über die künftige
Drogenpolitik Belgiens verfasst hat.

Das in einem Gesetz aus dem Jahre 1921 verankerte Verbot des Drogenkonsums, -besitzes und -verkaufs hat im Zuge der
gesellschaftlichen Entwicklung der jüngsten Jahrzehnte in eine Sackgasse geführt. Die Regierung hat inzwischen erkannt, dass das 1998 von dem damaligen Justizminister Stefaan De Clerck verfasste Rundschreiben mit Richtlinien für die Justiz bezüglich der Verfolgung (siehe auch Bericht unten) von Drogenkonsumenten die Lage kaum verbessert hat .

Tatsache ist, dass die Konsumenten illegaler Drogen im Zeitalter von Aids an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden, dass Heroin-Abhängige, die sich mit unsauberen Spritzen einen Schuss setzen, eine tödliche Gefahr laufen. Das Gesetz von Nachfrage und Angebot ist nicht reglementiert (einschließlich des Verbraucherschutzes bezüglich der Qualität des gekauften Produktes) und begünstigt das organisierte Verbrechen. Die Polizei findet kein wirksames Mittel gegen die Dealerbanden. Um den Drogenkonsum zu finanzieren, sehen sich viele Jugendliche, die den Halt in der Gesellschaft verloren haben, zu Aggressionen und Prostitution gezwungen. Hier liegt denn auch einer der Gründe für die wachsende Kriminalität in den Städten. Das strikte Verbot und die damit verbundene Verteuflung der Produkte verhindern zudem klare und glaubwürdige Botschaften der Vorbeugung: Denn nur ein Teil der Kiffer verliert die Kontrolle und wird zu »problematischen Konsumenten«.

Sicher, die internationalen Verträge, die Belgien ratifiziert hat, lassen den politischen Verantwortungsträgern nur einen engen
Handlungsspielraum zu. Doch hat die Regierung, indem sie sich der Debatte über eine neue Drogenpolitik stellt, ein Tabu angepackt - wie dies schon vorher die Niederlande, Deutschland, Italien, die Schweiz, Spanien und Portugal getan haben: In diesen Ländern wurde bereits die Etappe einer Duldung von so genannten weichen Drogen überschritten.

Ohne dass sich die Regierung bislang auf eine neue Regelung einigen konnte - dies wird auch nicht vor Mitte Januar geschehen -, ist schon bemerkenswert, dass die Drogenpolitik in Belgien künftig nicht mehr unter der Federführung des Justizministers steht, sondern die
Gesundheitsministerin verantwortlich ist.

Normalerweise hätte die Föderalregierung, laut Fahrplan, am vergangenen Mittwoch einen Gesetzentwurf über die Freigabe von Drogen verabschieden sollen, doch konnte das Kernkabinett (Premier- und Vizepremierminister) am Vorabend noch keine Einigung erzielen. Zum einen hatte Vizepremierminister Louis Michel (PRL) klar zu verstehen gegeben, dass vor dem 13. Januar keine Entscheidung fallen werde. An diesem Tag wird sich der ständige Ausschuss der frankophonen Liberalen u.a. mit diesem
Thema beschäftigen.

Zum zweiten scheiden sich innerhalb der Regierung nach wie vor die Geister in der Frage, ob der Konsum weicher Drogen geduldet oder legalisiert werden soll.

In der Tat stehen zwei mögliche Vorgehensweisen zur Debatte. Die erste, die vorsichtigere, ändert nichts an dem Gesetz von 1921. Demnach bliebe der Besitz von Drogen verboten. Gleichzeitig würde eine gewisse Toleranz ausgeübt. Im Klartext: Wird jemand mit höchstens fünf Gramm Cannabis (Haschisch und Marihuana) und/oder fünf weiblichen Cannabispflanzen erwischt, stellt die Polizei kein Strafmandat mehr aus. Die weiblichen Hanfpflanzen enthalten im Gegensatz zu den männlichen den Wirkstoff THC. Eine einzige Pflanze reicht immerhin zur Gewinnung von 400 Gramm Marihuana (fast 2000 Joints). Das Rundschreiben von De Clerck würde ihre
Gültigkeit verlieren, das Verhalten der einzelnen Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung würde harmonisiert. Lediglich der problematische Konsum würde geahndet.

Es sind aber vor allem Ecolo und die Sozialisten, die einen Schritt weiter gehen wollen: Sie sprechen sich dafür aus, den Besitz und Konsum von Cannabis (bei gleichen quantitativen Voraussetzungen wie im ersten Szenario) aus der Strafgesetzgebung herauszunehmen. Anbau, Verkauf und Verteilung sollen durch den Staat kontrolliert werden. Der Verkauf soll nach niederländischem Vorbild in so genannten »Cannashops« erfolgen.

Dieser zweite Vorschlag stößt vor allem bei Justizminister Marc Verwilghen auf Widerstand, der darin einen Widerspruch mit einem
Abkommen im Rahmen des Schengen-Vertrags sieht.

Die Frage, wie der Besitz und Konsum von weichen Drogen verfolgt werden soll, bildet den eigentlichen Knackpunkt in der Debatte auf
Regierungsebene. Dabei macht diese Problematik gerade mal acht der insgesamt 76 Seiten umfassenden Note aus. Über den Rest scheint weitestgehend eine Einigung zu bestehen. Demnach soll sich die künftige Drogenpolitik unter der »Schirmherrschaft« des Gesundheitsministeriums auf drei Pfeilern stützen: Prävention der Gelegenheitskonsumenten und Probierer sowie der Nicht-Konsumenten; Beratung und Hilfe für problematische Konsumenten; repressives Vorgehen gegen Produzenten und Dealer. Die Note enthält bereits Vorschläge im Bereich der Vorbeugung: u.a. Gründung einer Drogen-Beobachtungsstelle und Hilfe für Drogensüchtige.

Pubdate: 09.12.2000
Source: Grenzecho (BE)
Contact: info@grenzecho.be
Copyright: © Grenzecho
Website: http://www.grenzecho.be/