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Ist Schweden tatsächlich ein "Musterland"?

"Jugend ohne Drogen" betont bei jeder Gelegenheit, dass Schweden "seine Drogenprobleme gelöst" habe,- Probleme notabene, die erst durch eine Phase der "Legalisierung" in den 60ern entstanden seien. Schweden sei ein klassisches Beispiel, wie sich der Drogenkonsum durch Repression verhindern lasse. Als einziger Beweis für diese Behauptung werden immer wieder eine Handvoll Mediziner aus dem Umfeld des VPM zitiert, welche aber bislang keine fundierten Fakten auf den Tisch legen konnten.

Behauptet wird:

"In Schweden hat eine liberale Drogenpolitik zu einer explosionsartigen Ausweitung der Drogensucht und einem Emporschnellen der Drogentoten geführt. Seitdem die dortige Drogenpolitik kompromisslos abstinenzorientiert ausgerichtet wurde, stellen Drogen kein Problem mehr dar."
Quelle: verschiedene Schriften von "Jugend ohne Drogen", dem VPM, der Vereinigung "Sag Nein zu Drogen" und wie sie alle heissen...

Richtig ist:

Vorbemerkung

Vorbemerkend muss gesagt werden, dass Drogenpolitik in Schweden kaum thematisiert ist. Mangelndes Interesse von Öffentlichkeit und Regierungsstellen, fehlende oder nur sehr rudimentäre epidemiologische Erhebungen, Medienabsenz und kaum vorhandene Medienberichterstattungen lassen auch nicht ansatzweise eine derartige Sensibilisierung auf das Thema aufkommen, wie dies hierzulande der Fall ist. Als Haupt-Suchtproblem in Schweden wird der Alkoholismus betrachtet,- der Umgang mit illegalen Drogen wird realistischerweise als vergleichsweise minimes Randgruppenproblem gesehen. Dazu kommt, dass Schweden über ein sehr gut ausgebautes soziales Netz verfügt,- der Weg zur Verelendung ist länger als anderswo. Und schliesslich kommt hinzu, dass aufgrund der Liberalität Schwedens die politische Stigmatisierung von DrogenkonsumentInnen ("Rebellen", "Systemveränderer") wie sie in US-hörigen Staaten gang und gäbe war, nie auf fruchtbaren Boden fiel ... ein hartes Pflaster für populistische Inquisitoren...
Die Tatsache, dass die Drogenthematik in Schweden kaum auf öffentliches Interesse stösst bedeutet jedoch noch lange nicht, dass dort kein Problem besteht!

Vergleich zwischen schwedischer "Legalisierung" und schweizerischer Heroinabgabe

Die sogenannte Legalisierung in Schweden bestand darin, dass zwischen April 1965 und Mai 1967 Betäubungsmittel auf Rezept erhältlich waren. In dieser Zeit bezogen rund 200 Personen insgesamt 3,335 kg Heroin und 15,1 kg Amphetamine von nicht einmal 10 Ärzten (ein einziger Arzt versorgte dabei allein 156 Klienten). Im schweizerischen Abgabeprojekt wurden demgegenüber rund 1000 Personen über 3 Jahre hinweg mit insgesamt rund 200 kg Heroin versorgt.

Glaubt man den Behauptungen, dass das vergleichsweise winzige Schweden-"Projekt" zu einer "massiven Ausweitung des Drogenproblems" geführt haben soll, dann müsste in der Schweiz heute das nackte Chaos herrschen!

Zählmethoden zur Ermittlung der Anzahl DrogenkonsumentInnen

Die schweizerischen Schätzungen beruhen auf Daten, die von verschiedenartigsten Stellen zusammengetragen werden. Institutionelle Kontakte, Befragungen, polizeiliche Statistiken, Stichprobenerhebungen in verschiedenen sozialen Gruppen usw. ergeben schliesslich ein Gesamtbild.

In Schweden wurde früher ausschliesslich nach dem IMS-System gezählt (Injection Mark Study), d.h. Verhaftete wurden auf mehrfache Einstichstellen untersucht. Ausserdem beschränkten sich die Erhebungen auf die Grossmetropole Stockholm. Die resultierenden Angaben beziehen sich folglich ausschliesslich auf straffällig gewordene i.v.-KonsumentInnen. Wer nicht mit der Polizei in Kontakt kam, und/oder nicht intravenös konsumierte, und/oder nicht aus dem sozialen Raster fiel, wurde nicht als Drogenkonsument erfasst. Abgesehen davon, dass allein diese Zählart schon zu völlig anderen Ergebnissen führen muss, als dies bei vielschichtigen Evaluationsmethoden der Fall ist, erlaubt sie keine Rückschlüsse auf die Gesamt"durchseuchung" eines Landes. Ausserdem birgt das Verfahren das Risiko, dass selbst bei konstant bleibender KonsumentInnen-Population starke Schwankungen auftreten können,- je nachdem, wie die Polizei gerade ihre Ermittlungsschwerpunkte setzt.

Hat die "liberale Phase" (1965-1967) in Schweden tatsächlich zu einem explosionsartigen Anstieg des Drogenkonsums geführt?

Die einzige Erhebung, die Schweden aus dieser Zeit vorweisen kann, reportiert bei einer vorselektierten Bevökerungsgruppe einen Anstieg um 20.1% der i.v.-Konsumenten, bzw. um 15.9% der i.v.-Konsumentinnen. Die Zahlen beruhen ausschliesslich auf Stichproben von in Stockholm verhafteten Personen. Angesichts des Umstandes, dass Drogenkonsum zu dieser Zeit in allen europäischen Grossstädten starke Zuwachsraten verzeichnete (die polizeiliche Registrierung desselbigen erst recht), ist dieser Befund nicht aussergewöhnlich (eine Übertragung auf die Gesamtpopulation Schwedens ist mangels statistischer Vergleichserhebungen nicht zulässig und ein kausaler Zusammenhang dieser Zunahme mit der nur in kleinem Rahmen praktizierten Heroinverschreibung ist NICHT belegbar).

Hat die repressive Ausrichtung seit 1967 in Schweden tatsächlich zu einem Rückgang des Drogenkonsums geführt?

Als Mitte der 70er Jahre die langfristige Entwicklung des Drogenkonsums aufgrund der (nicht repräsentativen) Verhafteten-Daten zusammengestellt wurde und man bemerkte, dass die Zunahme der DrogenkonsumentInnen nach 1967 deutlich abflachte und 1972 sogar eine stark rückläufige Tendenz aufwies, lag der Schluss nahe, dass dies die Früchte der restriktiveren Politik seien (Szenebeobachter führten den "Einbruch" von Mitte 1972 nicht auf die Politik, sondern auf die Verhaftung eines Grosshändlers zurück; mit der Neuorientierung des Schwarzmarktes stieg die Kurve dann auch wieder leicht an).
Die grosse Ernüchterung folgte 1974: Die Erhebungen verzeichneten in den folgenden 2 Jahren einen massiven Anstieg des i.v.-Konsums, der in seinem Ausmass denjenigen der "liberalen Phase" (1965-1967) deutlich übertraf. Die Politik war jedoch unverändert repressiv... Zu diesem Zeitpunkt war der Bericht vom angeblichen Erfolg der permissiven Drogenpolitik allerdings schon geschrieben ... und die Repressionsfans in ganz Europa berufen sich noch heute darauf.

Ab 1977 wurden dann für die Schätzung einer landesweiten Gesamtzahl Drogenkonsumierender auch Umfrageergebnisse einbezogen, mit dem Erfolg, dass der Anstieg der Kurve seither weniger steil verlief. (Nebenbei: Währenddem in man der Schweiz von einem seit Jahren einigermassen konstanten Anteil Drogenkonsumierender ausgeht, reportiert Schweden mit seiner explizit restriktiven Drogenpolitik noch immer regelmässige Zuwachsraten).

Schlusskommentar

Insgesamt muss festgehalten werden, dass die unsystematisch und nicht nach den Regeln der Repräsentativität erhobenen Daten Schwedens weder einen Rückschluss auf die Auswirkungen einer Liberalisierung, noch Aussagen zu den Konsequenzen einer verstärkten Repression zulassen. Seriöse Aussagen zur Prävalenz sind aufgrund der bestehenden Datenbasis nicht möglich,- und Korrelationen zwischen der Entwicklung und der angewendeten Politik lassen sich erst recht nicht ziehen.
Auch wenn die Repressionisten von "Jugend ohne Drogen" beharrlich das Gegenteil behaupten.

http://www.virus-bs.ch/jod/nojod020.htm