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"Jugend ohne Drogen" betont bei jeder Gelegenheit, dass Schweden "seine Drogenprobleme gelöst" habe,- Probleme notabene, die erst durch eine Phase der "Legalisierung" in den 60ern entstanden seien. Schweden sei ein klassisches Beispiel, wie sich der Drogenkonsum durch Repression verhindern lasse. Als einziger Beweis für diese Behauptung werden immer wieder eine Handvoll Mediziner aus dem Umfeld des VPM zitiert, welche aber bislang keine fundierten Fakten auf den Tisch legen konnten. Behauptet wird:
Richtig ist: Vorbemerkung Vorbemerkend muss gesagt werden, dass Drogenpolitik in Schweden kaum
thematisiert ist. Mangelndes Interesse von Öffentlichkeit und Regierungsstellen,
fehlende oder nur sehr rudimentäre epidemiologische Erhebungen, Medienabsenz
und kaum vorhandene Medienberichterstattungen lassen auch nicht ansatzweise
eine derartige Sensibilisierung auf das Thema aufkommen, wie dies hierzulande
der Fall ist. Als Haupt-Suchtproblem in Schweden wird der Alkoholismus
betrachtet,- der Umgang mit illegalen Drogen wird realistischerweise als
vergleichsweise minimes Randgruppenproblem gesehen. Dazu kommt, dass Schweden
über ein sehr gut ausgebautes soziales Netz verfügt,- der Weg
zur Verelendung ist länger als anderswo. Und schliesslich kommt hinzu,
dass aufgrund der Liberalität Schwedens die politische Stigmatisierung
von DrogenkonsumentInnen ("Rebellen", "Systemveränderer") wie sie
in US-hörigen Staaten gang und gäbe war, nie auf fruchtbaren
Boden fiel ... ein hartes Pflaster für populistische Inquisitoren...
Vergleich zwischen schwedischer "Legalisierung" und schweizerischer Heroinabgabe Die sogenannte Legalisierung in Schweden bestand darin, dass zwischen April 1965 und Mai 1967 Betäubungsmittel auf Rezept erhältlich waren. In dieser Zeit bezogen rund 200 Personen insgesamt 3,335 kg Heroin und 15,1 kg Amphetamine von nicht einmal 10 Ärzten (ein einziger Arzt versorgte dabei allein 156 Klienten). Im schweizerischen Abgabeprojekt wurden demgegenüber rund 1000 Personen über 3 Jahre hinweg mit insgesamt rund 200 kg Heroin versorgt. Glaubt man den Behauptungen, dass das vergleichsweise winzige Schweden-"Projekt" zu einer "massiven Ausweitung des Drogenproblems" geführt haben soll, dann müsste in der Schweiz heute das nackte Chaos herrschen! Zählmethoden zur Ermittlung der Anzahl DrogenkonsumentInnen Die schweizerischen Schätzungen beruhen auf Daten, die von verschiedenartigsten Stellen zusammengetragen werden. Institutionelle Kontakte, Befragungen, polizeiliche Statistiken, Stichprobenerhebungen in verschiedenen sozialen Gruppen usw. ergeben schliesslich ein Gesamtbild. In Schweden wurde früher ausschliesslich nach dem IMS-System gezählt (Injection Mark Study), d.h. Verhaftete wurden auf mehrfache Einstichstellen untersucht. Ausserdem beschränkten sich die Erhebungen auf die Grossmetropole Stockholm. Die resultierenden Angaben beziehen sich folglich ausschliesslich auf straffällig gewordene i.v.-KonsumentInnen. Wer nicht mit der Polizei in Kontakt kam, und/oder nicht intravenös konsumierte, und/oder nicht aus dem sozialen Raster fiel, wurde nicht als Drogenkonsument erfasst. Abgesehen davon, dass allein diese Zählart schon zu völlig anderen Ergebnissen führen muss, als dies bei vielschichtigen Evaluationsmethoden der Fall ist, erlaubt sie keine Rückschlüsse auf die Gesamt"durchseuchung" eines Landes. Ausserdem birgt das Verfahren das Risiko, dass selbst bei konstant bleibender KonsumentInnen-Population starke Schwankungen auftreten können,- je nachdem, wie die Polizei gerade ihre Ermittlungsschwerpunkte setzt. Hat die "liberale Phase" (1965-1967) in Schweden tatsächlich zu einem explosionsartigen Anstieg des Drogenkonsums geführt? Die einzige Erhebung, die Schweden aus dieser Zeit vorweisen kann, reportiert bei einer vorselektierten Bevökerungsgruppe einen Anstieg um 20.1% der i.v.-Konsumenten, bzw. um 15.9% der i.v.-Konsumentinnen. Die Zahlen beruhen ausschliesslich auf Stichproben von in Stockholm verhafteten Personen. Angesichts des Umstandes, dass Drogenkonsum zu dieser Zeit in allen europäischen Grossstädten starke Zuwachsraten verzeichnete (die polizeiliche Registrierung desselbigen erst recht), ist dieser Befund nicht aussergewöhnlich (eine Übertragung auf die Gesamtpopulation Schwedens ist mangels statistischer Vergleichserhebungen nicht zulässig und ein kausaler Zusammenhang dieser Zunahme mit der nur in kleinem Rahmen praktizierten Heroinverschreibung ist NICHT belegbar). Hat die repressive Ausrichtung seit 1967 in Schweden tatsächlich zu einem Rückgang des Drogenkonsums geführt? Als Mitte der 70er Jahre die langfristige Entwicklung des Drogenkonsums
aufgrund der (nicht repräsentativen) Verhafteten-Daten zusammengestellt
wurde und man bemerkte, dass die Zunahme der DrogenkonsumentInnen nach
1967 deutlich abflachte und 1972 sogar eine stark rückläufige
Tendenz aufwies, lag der Schluss nahe, dass dies die Früchte der restriktiveren
Politik seien (Szenebeobachter führten den "Einbruch" von Mitte 1972
nicht auf die Politik, sondern auf die Verhaftung eines Grosshändlers
zurück; mit der Neuorientierung des Schwarzmarktes stieg die Kurve
dann auch wieder leicht an).
Ab 1977 wurden dann für die Schätzung einer landesweiten Gesamtzahl Drogenkonsumierender auch Umfrageergebnisse einbezogen, mit dem Erfolg, dass der Anstieg der Kurve seither weniger steil verlief. (Nebenbei: Währenddem in man der Schweiz von einem seit Jahren einigermassen konstanten Anteil Drogenkonsumierender ausgeht, reportiert Schweden mit seiner explizit restriktiven Drogenpolitik noch immer regelmässige Zuwachsraten). Schlusskommentar
Insgesamt muss festgehalten werden, dass die unsystematisch und nicht nach den Regeln der
Repräsentativität erhobenen Daten Schwedens weder einen Rückschluss auf die
Auswirkungen einer Liberalisierung, noch Aussagen zu den Konsequenzen einer verstärkten
Repression zulassen. Seriöse Aussagen zur Prävalenz sind aufgrund der bestehenden
Datenbasis nicht möglich,- und Korrelationen zwischen der Entwicklung und der angewendeten
Politik lassen sich erst recht nicht ziehen. |