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Regulierung von Cannabis in Holland und Europa

Stichting Drugsbeleid (Stiftung Drogenpolitik)
President: Raimond Dufour
Groot Heiligland 67, 2011 EP Haarlem
tel.+ fax: 023-5310133
email: R.Dufour@planet.nl

 

Regulierung von Cannabis in Holland und Europa

Einleitung

Am. 27. Juni 2000 nahm die Zweite Kammer der Niederländischen Generalstaaten einen Antrag an, in dem die Regierung aufgefordert wurde eine Cannabisanbauregelung anzuordnen in Einklang mit dem schon für den Verkauf üblichen Opportunitätsprinzip. Ziel dieses Antrags war die Entkriminalisierung der Produktion und Anlieferung für die Coffeeshops, die schon seit 20 Jahren bestehenden offiziösen Verkaufstellen. Die niederländische Regierung erwiderte dass sie nicht bereit war den Antrag zu erledigen, unter anderen aufgrund der internationalen politischen Verhältnisse.

Zugleich versprach die Regierung aber um in verschiedenen europäischen Gremien das Cannabisthema zur Diskussion zu stellen. So findet Anfang 2001 eine Beratung statt der Gesundheitsminister aus der BRD, Schweiz und Holland hinsichtlich Gesundheitsaspekte. Der niederländische Justizminister plant für Herbst 2001 eine Tagung für Städte aus EU Mitgliedländern.

Die Stichting Drugsbeleid (SDB) (1) möchte fördern dass diese Tagungen konkrete Schritte für eine Cannabisregulierung herbei bringen.

Die heutige Lage in Holland

Seit mehr als 20 Jahren wird in Holland Marihuana (Wiet) und Hashisch von Coffeeshops verkauft. Obwohl dieser Verkauf wegen UN Verträge nicht legal ist, findet keine Strafverfolgung statt wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden (Opportunitätsprinzip).

Diese Politik basiert sich auf dem Unterschied in Gesundheitsschaden zwischen Cannabis ("weiche" Drogen) und z.B. Heroïn oder Kokaïn ("harte" Drogen). Sie führt zu Markttrennung zugunsten der öffentichen Gesundheit, zu Dekriminalisierung der Verbraucher, zu einem verbesserten sozialen Aufsicht und ebenso zu weniger Kriminalität im Verkaufsbereich und damit zu einer Verringerung der illegalen Geldwirtschaft.

Diese Praxis hat nicht geführt zu einem höheren Konsum in Holland im Vergleich mit dem Ausland. Auf einer Bevölkerung von 15.8 Mio Einwohner gibt es rd. 325.000 regelmässige Cannabiskonsumenten. Es gibt rd. 1.000 Coffeshops wovon 300 in Amsterdam.

Vordertür und Hintertür

Die Anwendung des Opportunitätsprinzips beschränkt sich noch immer nur auf dem Verkauf (der "Vordertür").

Für Anbau, Bearbeitung, Bevorratung und Einkauf (der "Hintertür") bleibt die Strafverfolgung gehandhabt.

Dieser Umstand nennt man das "Hintertürproblem". Keiner ist damit glücklich. Die Politiker und ihre Mitarbeiter nicht wegen der Inkonsistenz. Polizei und Justiz nicht wegen Unklarheit hinsichtlich der Strafverfolgungspriorität. Die Inhaber der Coffeeshops nicht weil sie mit Zulieferungskriminalität konfrontiert werden können. Auch die Bevölkerung hat damit zu tun: die Anbau findet zum Teil in Wohnhäusern statt was Ueberlast und Feuergefahr hervorruft. Das Hintertürproblem erschwert auch die Qualitätsüberwachung (THC Gehalt und Zufüge).

Operation Hintertür

In 1998 entwickelte die SDB, zusammen mit Experten aus Kreisen von Kommunalverwaltungen, Justiz und Polizei, einen Vorschlag für die Regulierung von Anbau und Belieferung.

Der Vorschlag wurde von der SDB herausgegeben als Notiz mit dem Titel "Coffeeshops uit de schaduw" (Coffeeshops aus dem Schatten heraus). Die Introduktion dieser Notiz fand statt während einer vom VNG (Verein niederländischer Gemeinden) am 20. Juni 1998 organisierten Tagung. Vorgeschlagen wurde das für Cannabisverkauf hantierte Opportunitätsprinzip auch für Anbau und Belieferung anzuwenden und zwar derartig dass ein geschlossenes System erreicht wird: tolerierte Gärtnereien sollten nur tolerierte Coffeeshops beliefern und tolerierte Coffeeshops sollten nur von tolerierten Gärtnereien beliefert werden.

Wenn die Hintertür aus dem Schatten der Kriminalität hinaus geholt wird bekommt die Gesellschaft die ganze Kette des einheimischen Cannabismarktes im Griff. Uebrigbleibende nicht tolerierte Geschäftmässige Produktion und Verkauf sterben aus bzw. können effektiver bekämpft werden.

Für Export und Import ist das gleiche zu erwarten. Holland wird weniger attraktiv für den internationalen Cannabishandel. Auch wird eine effektive Qualitätsüberwachung ermöglicht. Zuletzt bekommen die Behörden zusätzliche Steuereinkommen, geschätzt auf EU 30 Mio pro Jahr.

Kontrolle

Die heutzutage von den holländischen Coffeeshops verkauften Cannabisprodukte sind Mari-huana (rd 80%) und Haschisch (rd 20%). Marihuana ist praktisch immer in Holland angebaut (Nederwiet) und Haschisch ist meistens importiert, grundsätzlich wegen der Kostpreis. Es ist aber technisch möglich auch Haschisch aus holländischem Cannabis anzufertigen, z.B. mit einer Pollinator. Marihuana und Haschisch werden praktisch immer in kleinen Kunststoffbeuteln verkauft. Diese enthalten z.B. 0.5, 1 oder 2 g. Das Assortiment umfasst meistens rd 5 Marihuana- und 5 Haschisch Qualitäten.

Cannabis wird Beetweise angebaut. Das Beet wird Chargeweise gepflanzt (meistens mittels Stecklingen) und auch Chargeweise geerntet. Nach einer Trocknungsvorgang und eventueller Haschischanfertigung wird das Fertigprodukt in die Beutelchen verpackt und ist fertig für den Verkauf. Aus 50 Cannabispflanzen ergibt sich so 750-1000 g Marihuana. Laut unserem Vorschlag bekommt jede tolerierte Gärtnerei ihre eigene Gärtnereikode und auch jede Charge ihre eigene Chargekode. Beim Verpacken werden Menge, Gärtnereikode und Chargekode auf das Beutelchen als Streifenkode (Barkode) abgedruckt.

Beim Verkauf werden die Beutelchen elektronisch abgelesen, wie das schon für viele Produkten überhaupt üblich ist.

Aus dem Einkaufs-, Verkaufs- und Vorratsadministration ergeben sich die produzierten, eingekauften, gelagerten und verkauften Mengen, spezifiziert nach Gärtnereikode und Charge-kode. Diese Daten werden von den Gärtnereien und Coffeeshops elektronisch zugeleitet an einer von der Regierung gegründeten Behörde. Diese Cannabisbehörde administriert das ganze System von Anbau, Transport, Vorrat und Verkauf mittels Elektronische Daten Verarbeitung und kontrolliert dabei ob das System tatsächtlich geschlossen ist. Die Behörde verfügt auch über eine Inspektionsdienststelle. Diese besucht die Gärtnereien (ins Besondere wenn geerntet wird) und auch (Stichsprobeweise) die Coffeeshops.

Die Behörde kann auch Inspektionsverantwortlichkeit haben für Qualitätsaspekte wie maximaler THC-Gehalt, Anwesenheit gesundheitsschädlicher Zufüge, Arbeits-, Sicherheits- und Umweltverhältnisse bei Anbau, Verarbeitung und Vorratshaltung, Herkunft der Stecklinge und evt. Assortiments- und Qualitätsentwickelung.

Das geschlossene System kann sowohl in kleineren Gebietsteilen ( Gemeinde oder Regionen) als auch auf Nationalebene angewendet werden.

Anklang bei Gemeinden

Der Regulierungsvorschlag der SDB wurde von vielen Gemeinden mit Interesse und Begeisterung begrüsst und war eine Anregung um konkrete Pläne zu entwickeln. Die Stadtverwaltung von Tilburg publizierte 1999 als Erste eine detaillierte Ausarbeitung einer Hintertürregelung für das eigene Gemeindegebiet und bat die Regierung (umsonst) um Genehmigung zum experimentieren.

Die DSB hatte die Regierung um eine Reaktion auf dem Vorschlag gebeten aber wurde nach den Gemeinden verwiesen.

Inzwischen wurden immer mehr Stadtverwaltungen interessiert um selbst oder regional Experimente zu organisieren. Wenn sie ihre Pläne den örtlichen Justizautoritäten anboten verweigerten diese aber ihre notwendige Mitwirkung weil ihnen dass vom Justizminister verboten wurde.

Sommer 2000 hatten schon 59 Gemeinden eine von der SDB organisierte Bitte für Regulierung an die Regierung unterschrieben (2).

Weiter hat die SDB seit 1998 über das Hintertürproblem regelmässig mit verschiedenen Parlamentsfraktionen Rücksprache gehalten.

Es wurde allmählich klar dass eine parlamentarische Aussprache notwendig war. Die Fraktion der sozialdemokratischen Regierungspartei PvdA stellte einen Antrag für eine Hintertürregulierung, der am 27. Juni 2000 mit einer Stimme Mehrheit angenommen wurde.

Weitere Fortsetzung

Die Regierung erwiderte am 15. September dass sie nicht bereit war den Antrag zu erledigen und zwar weil die Regulierung ungenügend effektiv und betriebssicher sein würde, und zu unerwünschten internationalen Reaktionen führen würde. Die Regierung versproch aber in internationalen Gremien die Frage zur Diskussion zu stellen wie das Cannabisverbot laut UN Verträge sich verhält mit dem europäischen Alltagspraxis. Dass war ein Wunsch der grossen Majorität des Parlamentes.

In diesem Lichte muss man auch die geplante Tagung mit europäischen Städten in Herbst 2001 sehen.

Es ist von grosser Bedeutung das diese internationalen Beratungen keine freibleibende Angelegenheiten werden aber zu konkreten Massnahmen führen. Man kann sich z.B. eindenken dass Experimente in Holland auch als europäische Experimente betrachtet werden.

Die SDB steht gerne zu Verfügung um solche Entwickelungen zu unterstützen.

Entwickelungen in der Schweiz

Mai 1999 erschien in der Schweiz der Cannabisbericht der Eidgenössische Kommission für Drogenfragen-EKDF. In diesem Bericht wurde vorgeschlagen für die Schweiz eine einheitliche Regulierung für Cannabis einzuführen. Das sollte unter Anwendung des Opportunitätsprinzipes stattfinden weil Legalisierung nicht kompatibel sei mit den UN Verträgen. Die Regulierung sollte Anbau, Bearbeitung, Distribution und Verkauf umfassen.

Der Bundesrat ermächtigte das Eidgenössische Departement des Innern ein Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Betäubungmittelgesetzes sowie der Hanfverordnungen zu eröffnen. Die Ergebnisse dieses Vernehmlassungsverfahrens wurden September 2000 veröffentlicht. Von den 26 Kantonen befürworteten 21 die EKDF Empfehlungen , 6 waren dagegen. Eine parlamentarische Behandlung dieser Angelegenheit ist für 2001 vorgesehen.


Fussnoten:

(1) Die Stichting Drugsbeleid (Niederländische Stiftung für Drogenpolitik) wurde 1996 gegründet. Zielsetzung der Stiftung ist die Förderung einer Drogenpolitik mit weniger Gesundheitsschäden und weniger Kriminalität. Der Vorstand setzt sich zusammen aus Beigeordneter, Stadtratsmitglieder und Experte aus unterschiedenen Arbeitsgebieten. Im Beirat nehmen teil u.a. eine eh. Gesundheitsministerin, ein eh. Unterminister von Justiz und eh. Mitglieder des Oberste Gerichtshof.

(2) Es handelt sich dabei um die unterstehenden Gemeinden:
Amsterdam, Apeldoorn, Breda, Delft, Delfzijl, Deventer, Eindhoven, Emmen, Enschede, Goes, Gorinchem, Groningen, Gouda, Haarlem, Harderwijk, Harlingen, Heerenveen, Heerhugowaard, Heerlen, Hilversum, Leeuwarden, Nijmegen, Smallingerland, Tilburg, Utrecht, Venlo, Vlissingen, Weststellingwerf und Zutphen.
Weiter aus den Polizeibezirken Noord und Oost Gelderland, soweit nicht schon oben erwähnt:
Aalten, Bergh, Borculo, Brummen, Dinxperlo, Doetinchem, Eibergen, Elburg, Epe, Ermelo, Lochem, Gendringen, Groenlo, Gorssel, Hattem, Heerde, Hengelo (Gld), Hummelo en Keppel, Lichtenvoorde, Neede, Oldebroek, Putten, Ruurlo, Steenderen, Voorst, Vorden, Wehl, Winterswijk, Wisch en Zelhem. Rotterdam hat eine Hintertürregelung aufgenommen im Kollegiumprogramm.