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Kommentar der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 30.04.1999

http://www.admin.ch/bag/sucht/drog-pol/drogen/d/revbetmg/b4-sgk-d.pdf

NATIONALRAT
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK)

* Pa.Iv. Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes.

Änderung (SGK)

Bericht und Antrag vom 30. April 1999

Im Namen der Kommission
Der Präsident

Paul Rechsteiner

(...)

Für ein Modell, das den Konsum von Betäubungsmitteln und entsprechende Beschaffungshandlungen straflos lässt, sprechen im wesentlichen folgende Argumente:

Ein strafrechtliches Verbot eines (möglicherweise) selbstgefährdenden Verhaltens widerspricht den grundlegenden Wertentscheidungen einer freiheitlich verfassten Rechtsordnung und damit der legitimen Funktion, die ein auf eine solche Ordnung verpflichtetes Strafrecht haben kann.

Die verbreitete Vermutung einer ins Gewicht fallenden generalpräventiven Wirkung der Konsumstrafbarkeit kann nicht nachgewiesen werden und scheint auch wenig plausibel: Gegen die Annahme einer generalpräventiven Wirkung spricht bereits, dass das Bestrafungsrisiko des Einsteigers gegen Null tendiert, weil der illegale Konsum von Betäubungsmitteln in aller Regel nicht entdeckt wird. Anders als bei den meisten Straftaten fehlt nämlich ein Geschädigter, der das Delikt den Strafverfolgungsbehörden durch eine entsprechende Anzeige zur Kenntnis bringen würde. Sämtliche empirischen Untersuchungen und statistischen Daten, sowohl im internationalen wie im interkantonalen Quervergleich deuten dementsprechend mit steter Regelmässigkeit darauf hin, dass zwischen der Verbreitung/Häufigkeit des Drogenkonsums und der strafrechtlichen Verfolgungs- und Sanktionierungspraxis kein signifikanter Zusammenhang besteht.

Auch steht die Tatsache, dass rund 25% der 15-30jährigen schon Cannabis, hingegen bloss annähernd 3% Opiate konsumiert haben, der Annahme einer generalpräventiven Wirkung des Konsumverbots entgegen, denn das Gesetz bedroht beide Verhaltensweisen mit (derselben) Strafe.

Die Bestrafung wegen Drogenkonsums kann ferner immer nur einen verschwindend geringen Bruchteil derjenigen treffen, die dem Verbot zuwiderhandeln. Es besteht die Gefahr, dass die (überdies regional erst noch höchst unterschiedliche) Strafverfolgung von den Betroffenen als willkürlicher Akt sinnloser Repression begriffen wird, die eigentlich kaum jemand noch wirklich ernst nimmt, mit der Folge, dass die Drogenpolitik insgesamt an Glaubwürdigkeit verliert - und dies auch insoweit, als die Prävention mit sinnvolleren Mitteln als dem Strafrecht betrieben wird.

Auch in der ihm zugeschriebenen Funktion als eine Art Warntafel, welche auf die Gefährlichkeit von Drogen aufmerksam macht, ist das Konsumverbot entbehrlich. Für die ausreichende Vermittlung dieser „Botschaft“ genügt, dass der Handel strafbar bleibt. Sie lässt sich überdies ebenso und in der Sache angemessener durch das Mittel aufklärender Prävention verbreiten und ist bereits in hohem Masse durch die anhaltende Aktualität des Themas in den Medien präsent.

Gegen „lästige Begleiterscheinungen“ des (öffentlichen) Drogenkonsums (offene Szenen) kann bei Straflosigkeit des Drogenkonsums auf der Grundlage eines entsprechend ausgestalteten kantonalen Polizeirechts (in extremis gestützt auf die polizeiliche Generalklausel) eingeschritten werden, wie dies beispielsweise bei Nebenerscheinungen der Prostitution (vgl. Artikel 199 StGB) bereits heute der Fall ist.

Ueberdies werden in offenen Szenen regelmässig nicht nur Drogen konsumiert. Es wird auch mit Betäubungsmitteln gehandelt, so dass polizeiliches Einschreiten auch aus diesem Grunde möglich ist.

Die Verfolgung des Drogenhandels wird durch die Straflosigkeit des Drogenkonsums ebenfalls nicht beeinträchtigt. Der Drogenkonsument kann als Zeuge befragt werden und steht dann, anders als wenn er als Angeschuldigter einvernommen wird, unter Aussagezwang und Wahrheitspflicht. Hinzu kommt, dass wirkliche Erfolge in der Bekämpfung des Drogenhandels ohnehin aufwendige Ermittlungen voraussetzen und vor allem durch verdeckte Fahndung und Ueberwachungsmassnahmen zustande kommen, nicht durch die Befragung von Konsumenten, die häufig genug nur den Kleindealer, nicht dagegen die eigentlichen Drahtzieher des Drogengeschäfts kennen.