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Legalisieren, sofort!
Ulla Jelpke
(Drogenpolitische Sprecherin der PDS)
Die Legalisierung von Cannabis ist überfällig. Seit Ende 1999 liegt ein entsprechender Antrag der PDS-Fraktion im Bundestag (Drucksache 14/1695, 29.9.99). Darin fordern wir:
1. die Entkriminalisierung des für den persönlichen Eigenkonsum dienenden Besitzes und Erwerbs von Drogen sowie die Festlegung der gesetzlich zulässigen Höchstgrenze der für den Eigenkonsum gedachten Menge;
2. die ärztlich kontrollierte Abgabe sogenannter harter Drogen sowie die Schaffung einer Expertenkommission, die Modelle für diese medizinisch kontrollierte Abgabe harter Drogen entwickeln soll,
3. die Legalisierung von Cannabisprodukten und des Anbaus von Cannabispflanzen, wobei ein Abgabeverbot an Jugendliche unter 16 Jahren sowie die Verpflichtung von Abgabestellen zu Beipackzetteln über den THC-Gehalt sowie mögliche Risiken Bestandteil dieser Legalisierung sein soll,
4. den Ausbau von Therapieeinrichtungen für Drogenabhängige und die Zulassung bzw. Ausweitung von Programmen zur niederschwelligen Substitution nach niederländischem Vorbild sowie
5. ein Werbeverbot für alle Drogen, inklusive Alkohol, Tabakprodukte und andere Rauschmittel.
Die alte Drogenpolitik ist gescheitert
Die alte Drogenpolitik ist in meinen Augen komplett gescheitert. Nicht nur, weil wir mit den kürzlich gemeldeten 2.023 Drogentoten für das Jahr 2000 inzwischen wieder bei den traurigen Negativzahlen von Anfang der 90er Jahre angekommen sind.
Mir geht es um grundsätzliche Korrekturen. Die gegenwärtige Politik der Tabuisierung und Kriminalisierung von Drogensucht bekämpft die Kranken, nicht die Krankheit. Drogensucht ist eine Krankheit. Sie kann nicht durch Kriminalisierung der Drogenkranken bekämpft werden. Kranke brauchen Therapie. Davon haben wir noch immer viel zu wenig.
Die alte, falsche, noch immer herrschende Drogenpolitik setzt auf Strafrecht, auf Repression. Sie produziert damit in erheblichem Maße die Probleme, die sie zu bekämpfen vorgibt, hält einen verhängnisvollen Kreislauf von Illegalisierung, Kriminalisierung und Abhängigkeit aufrecht.
Die Regierung aus SPD und Grünen ist zu einer
wirklichen Abkehr von dieser falschen und gescheiterten Drogenpolitik, die sie von ihrer Vorgängerregierung übernommen hat, bis heute nicht bereit. Zu einer Drogenpolitik nach niederländischem oder Schweizer Vorbild hat diese Regierung keinen Elan, keine Konzeption, keinen Mut.
Wissenschaftliche Erkenntnisse werden ignoriert
Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß Cannabis zum Beispiel für untergewichtige Menschen (aber auch für andere Krankheitssymptome) eine wichtige therapeutische Wirkung haben kann. Ich erinnere daran, daß der Schweizer Cannabisbericht bereits 1999 vorgeschlagen hat, "Cannabis und Cannabinoide .... bei wissenschaftlich nachgewiesener Wirkung sowohl als Medikamente als auch für Forschungszwecke im Rahmen kontrollierter Studien" zuzulassen (Neue Zürcher Zeitung, 17.01.2001)
Inzwischen gibt es weltweit zahlreiche seriöse Forschungen, die therapeutischen und anderen Wirkungen von Cannabis und Cannabinoiden nachgehen. (a.a.O.)
Selbst das Schweizer Innenministerium hat erklärt, "daß der Konsum von Hanf im Vergleich zu anderen psychoaktiven Substanzen wie Alkohol oder Kokain relativ wenig gesundheitsschädigend" sei. (zitiert nach Frankfurter Rundschau, 13.3.2001)
Das ganze Gerede von der "Einstiegsdroge" Cannabis ist in meinen Augen pure Propaganda und durch nichts gerechtfertigt. Es muß einfach Schluß gemacht werden mit der Kriminalisierung von Cannabis-Konsumenten und der gleichzeitigen Verharmlosung von Alkoholmißbrauch.
Droge Alkohol
Mit welchem Mißbrauchsproblem wir es beim Thema Alkohol zu tun haben, hat mir erst Anfang März wieder die Bundesregierung bestätigt.
1,6 Millionen Menschen litten nach Schätzungen unter akuter Alkoholabhängigkeit, bei 2,7 Millionen wurde schwerer Alkoholmissbrauch festgestellt. Insgesamt 4,8 Millionen Menschen leiden derzeit im Verlauf ihres Lebens mindestens einmal unter Alkoholabhängigkeit, 10,7 Millionen durchleben einen schweren Alkoholmißbrauch.
Etwa 42.000 Menschen sterben jedes Jahr direkt oder indirekt an den Folgen von Alkoholkonsum. Die Kosten alkoholbezogener Krankheiten werden auf jährlich 40 Milliarden DM geschätzt. (MdB-Pressedienst der PDS-Bundestagsfraktion, 7.3. 2001, Bundestags-Drucksache 14/5434 vom 5.3. 2001)
Was ist eine "geringe Menge"?
Doch zurück zum Thema Cannabis. Um den Druck zu einer Korrektur der Drogenpolitik zu erhöhen, habe ich Anfang April eine Anfrage an die Bundesregierung eingereicht. Darin frage ich nach den unterschiedlichen Festlegungen in den Bundesländern über die nicht der Strafverfolgung unterliegende sogenannte "geringe Menge" von Drogen zum Eigenkonsum.
Das Bundesverfassungsgericht hatte bekanntlich schon vor Jahren in seinem Beschluß vom 9. März 1994 (Aktenzeichen 2 BvL 43/92 u.a.) entschieden, daß bei der Strafverfolgung des Konsums illegaler Drogen "geringe Mengen" zum Eigenkonsum nicht der strafrechtlichen Verfolgung unterliegen müssen. Allerdings sei die unterschiedliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften in den Bundesländern bedenklich. Die Länder treffe die Pflicht, für eine im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen.
Dieser Verpflichtung sind die Länder bis heute nicht nachgekommen. Eine gemeinsame bzw. einheitliche Verwaltungsvorschrift der Länder, die dafür sorgt, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt und eine einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften gewährleistet ist, besteht bis heute nicht.
Der Bundestag hat das Betäubungsmittelgesetz (BTMG) im letzten Jahr in mehreren Punkten geändert. In Artikel 31a Absatz 1 BTMG wurde ein Satz eingefügt, der für den Konsum in Drogenkonsumräumen festlegt, daß von einer Strafverfolgung abgesehen werden soll, wenn bei einer Person Betäubungsmittel "lediglich zum Eigenverbrauch" und "in geringer Menge" gefunden werden. Wörtlich heißt es in § 31a BTMG nun, daß die Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung absehen "kann", wenn "die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt." (Betäubungsmittelgesetz in der Fassung vom 1.4.2000) Was genau eine "geringe Menge" ist, ist damit weiterhin nicht bestimmt.
In der Praxis ist aufgrund dieser Situation die Strafverfolgung oder Nicht-Verfolgung in den Bundesländern weiterhin sehr unterschiedlich.
Nach Auskunft von Betroffenen können derzeit in den Bundesländern straffrei bleiben:
- Berlin: 5 Gramm Cannabis
- Brandenburg: 6 Gramm Cannabis
- Bremen: 10 Gramm Cannabis, 0,5 Gramm Heroin
- Hamburg: 10 Gramm Cannabis, 1 Gramm Heroin
oder Kokain
- Hessen: 30 Gramm Cannabis, 1 Gramm Heroin
- Nordrhein-Westfalen: 10 Gramm Cannabis, 0,5
Gramm Heroin
- Rheinland-Pfalz: 20 Gramm Haschisch, 100
Gramm Marihuana
- Saarland: 10 Gramm Haschisch
- Schleswig-Holstein: 30 Gramm Cannabis, 1
Gramm Heroin
- Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-
Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-
Anhalt, Thüringen: Einzelfallprüfung.
Vor diesem Hintergrund will ich von der Bundesregierung nun wissen, ob sie die unterschiedliche Handhabung der Strafbefreiung bzw. Nicht-Verfolgung des Besitzes von "geringen Mengen" zum Beispiel von Cannabis bestätigen kann oder ob ihr ggfs. andere Informationen über die derzeitige Praxis in den Bundesländern vorliegen.
Vor allem aber will ich wissen, welche Schritte die Bundesregierung ergreifen will, um im Benehmen mit den Bundesländern endlich die im Urteil des Bundesverfassungsgericht schon seit sieben Jahren geforderte einheitliche Praxis in den Bundesländern herzustellen. (Drucksache 14/5770 vom 3.4.2001)
Auf die Antwort der Bundesregierung bin ich gespannt.
Korrespondenzadresse:
Ulla Jelpke
PDS-Bundestagsfraktion
Platz der Republik,
11011 Berlin
Tel. 030 22775787
E-Mail: ulla.jelpke@bundestag.de
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