ALTERNATIVE KONTROLLPOLITIK


Keine zusätzlichen Drogen etablieren

Hubert Hüppe

(Drogenpolitischer Sprecher der CDU)


Cannabis erfreut sich in der Gesellschaft einer zunehmenden Akzeptanz, an die 2 Millionen Menschen sollen nach Angaben der DHS in Deutschland Haschisch und Marihuana konsumieren. Immer wieder wird eine Freigabe der bislang illegalen Droge gefordert.

Die am häufigsten konsumierte illegale Droge bietet sich zum Konsum scheinbar geradezu an. Unter Jugendlichen relativ weit verbreitet und toleriert ist Cannabis sowohl billig, als auch leicht zu beschaffen. Als Gründe für den Konsum werden meistens die Steigerung der Stimmung, Erleben von Glücksgefühlen oder Bewußtseinserweiterung genannt.
Die Angst vor negativen körperlichen Folgen ist gering, da keine physische Abhängigkeit befürchtet werden muß.

Dennoch begeben sich immer mehr Cannabiskonsumenten in Behandlung: Waren es 1997 noch 6300 Cannabispatienten, befanden sich 1998 bereits 8700 und 1999 schließlich 11000 Konsumenten in Behandlung, wie Hochrechnungen des renommierten Instituts für Therapieforschung (IFT) aus ambulanten und stationären Behandlungsfällen wegen Cannabis belegen.

Der enorme Anstieg der Cannabispatienten von 75 % in nur zwei Jahren zeigt, dass Cannabiskonsum keineswegs harmlos ist. Zudem hat mit der Ausweitung des Konsumentenkreises offenbar auch die Behandlungsbedürftigkeit zugenommen.

Selbst das Gutachten, das 1996 den „Modellversuch“ Schleswig-Holsteins mit der Haschischabgabe in Apotheken stützen sollte, und von daher kaum im Verdacht steht, zu dramatisieren, spricht von „Gefährdungen“, „gesicherten Schäden“, „akutem Rausch“, „akuter toxischer Psychose“, „Lungenschäden“ usw. Weiter erwähnt es „Psychosen“ bei einem eingeschränkten Personenkreis, der „vollständige Abstinenz von Cannabis“ wahren sollte.

Die Gefahren von Cannabis liegen allerdings sicher weniger in den physischen, sondern hauptsächlich in den psychischen Folgen. Wenn auch Haschisch nicht körperlich abhängig macht, sollte dies aber kein Grund für eine Bagatellisierung der Droge sein. Denn auch Kokain, für welches dasselbe gilt, wird doch niemand deswegen für harmlos erklären. Und selbst bei Heroin kann die rein physische Abhängigkeit durch Entgiftung innerhalb weniger Tage behoben werden, womit die Abhängigkeit aber noch lange nicht beseitigt ist.
Der Drogenkonsument will Veränderung der wahrgenommenen Realität. Daher besteht bei regelmäßigem Konsum die Gefahr, mit realen Problemen nicht mehr fertig zu werden. Das ist besonders verheerend für Jugendliche in der Phase erster Partnerschaften und beruflicher Orientierung.

Zur Zunahme der gesellschaftlichen Akzeptanz von Cannabis haben Verharmlosung und Verherrlichung von Haschisch sicher ihren Beitrag geleistet. Viele glauben heute, der Konsum sei erlaubt.

Die rot-grüne Bundesregierung tritt Legalisierungskampagnen leider nicht entgegen, von Initiativen zur Reduzierung der Cannabiskonsums ganz zu schweigen. Verantwortliche Drogenpolitik muß aber den Eindruck, Cannabiskonsum sei im Grunde unproblematisch, vermeiden.

Dazu kommt, dass von weiten Teilen der Bevölkerung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Quasi-Legalisierung empfunden wurde.
Im März 1994 wurde das vielbeachtete Urteil gefällt, das ein Absehen von Strafverfolgung bei Besitz geringer Mengen von Cannabisprodukten zum eigenen Konsum sowie bei nicht vorhandener Fremdgefährdung ermöglicht. Eine bundesweite Definition einer solchen „geringen Menge“ gibt es allerdings nicht. Sie ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich festgelegt.

Das Urteil verleitete sogar den Suchtstoffkontrollrat der UN, Deutschland zu beschuldigen, es habe in seiner Drogenpolitik einen Scherbenhaufen angerichtet. Damit bezog sich der Suchtstoffkontrollrat auf die laufende Diskussion zur Legalisierung von Drogen. Dennoch hatte das Bundesverfassungsgericht das existierende Gesetz im Grunde nur bestätigt. Es hatte auf eine einheitliche Einstellungspraxis gedrängt, nicht aber der generellen Freigabe des Besitzes zum Eigenkonsum das Wort geredet. Cannabisbesitz bleibt weiterhin illegal, wie es schon seit vielen Jahren im Gesetz steht. Etwas anderes hatte das Urteil auch nicht behauptet.

Die Erfahrungen mit legalen Suchtstoffen lassen befürchten, dass bei einer Freigabe eine noch stärkere Zunahme des Konsums erfolgt.

Die Verheimlichung des Konsums wäre nicht mehr nötig, man könnte seinen Joint in aller Öffentlichkeit rauchen, oder in Form von Tees oder Gebäck zu sich nehmen. Cannabis könnte beim Schützenfest, bei öffentlichen Veranstaltungen im Jugendheim, in der Raucherecke auf dem Schulhof oder wo auch immer konsumiert werden. Dabei würde der Gruppendruck, der schon beim Alkohol, ein großes Problem darstellt, auch beim Rundgeben des Joints weiter steigen. Diesem Druck könnten sich gerade diejenigen am wenigsten entziehen, die die schwächste Persönlichkeit haben, und daher ohnehin psychisch am stärksten gefährdet sind.

Bereits heute ist laut einer europäischen Vergleichsstudie, über die die Universität Bielefeld jüngst berichtete, die Schule bei den Jugendlichen der beliebteste Ort für Tabakkonsum. Soll das in Zukunft auch für Haschisch und Marihuana gelten?

Völlig zu Recht wird darauf hingewiesen, dass wir mit Alkohol und Nikotin die größeren Schwierigkeiten haben. Bei den legalen Drogen Alkohol und Nikotin ist unübersehbar, dass Legalität und leichte Zugänglichkeit zu gesellschaftlicher Etablierung, zu hohem Konsum und teilweise hochproblematischen Konsummustern geführt haben. Aber gerade deshalb sollten wir eher darüber nachdenken, wie wir den bereits bestehenden Konsum legaler Drogen einschränken, als eine weitere Droge in der Gesellschaft etablieren zu wollen.

Gerade wer Jugendliche vor den Gefahren von Tabak und Alkohol schützen will, darf nicht andererseits den Eindruck erwecken, der Konsum weiterer Drogen sei unproblematisch. So ist es mehr als fragwürdig, wenn Politiker einerseits Cannabis verharmlosen, aber glaubwürdige Prävention gegen Nikotin und Alkohol betreiben wollen. So ließ sich Christa Nickels, bis vor kurzem immerhin noch Bundesdrogenbeauftragte, auf dem Parteitag der Grünen im letzten Jahr, eine Hanfpflanze überreichen. Das ist Gift für jede Prävention.

Sicher sind als Einstiegsdrogen Alkohol und Tabak an erster Stelle zu nennen. Und natürlich nimmt nicht jeder, der Cannabis konsumiert hat, später härtere Drogen. Umgekehrt hat nahezu jeder Heroinabhängige vorher Cannabis genommen.

Andauernd wird behauptet, die Legalisierung führe zu einer Trennung der Märkte. Aber bereits heute erwirbt praktisch niemand die Droge in der offenen Szene.

Die Einwendung, dass Cannabis auch medizinischen Nutzen habe, taugt wohl kaum als Argument für eine generelle Freigabe der Droge. Denn soweit die therapeutische Wirkung des Hauptwirkstoffes von Cannabis, THC, z. B. bei Aids- oder Krebspatienten in klinischen Prüfungen im Rahmen eines Zulassungsverfahrens nachgewiesen ist, ist seine Abgabe nach dem üblichen Zulassungsverfahren für Medikamente als standardisiertes Präparat mit pharmakologisch genau definierten Wirkstoffen unproblematisch. Schließlich wird in der Schmerztherapie mit wesentlich härteren Drogen gearbeitet.

Für eine etwaige Zulassung ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zuständig, das als unabhängiges Institut einer politischen Einflußnahme nicht unterliegt. Über die Zulassung von Medikamenten kann man nicht per Mehrheits-entschluß entscheiden.

Zuletzt wird immer wieder die Kriminalisierung der Cannabiskonsumenten beklagt. Allerdings ist niemand gezwungen, Cannabis zu nehmen, und wenn er es dennoch tut, muß er die Konsequenzen in Kauf nehmen. Das Interesse der Gesundheitsschutzes, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, muß den Vorrang behalten vor dem Interesse regelmäßiger Cannabiskonsumenten an der Legalisierung ihres Verhaltens.

Die Schäden bereits legaler Drogen , die Aussichtslosigkeit, einen einmal etablierten Konsum wieder zurückzudrängen, und die bereits vorhandenen Cannabispatienten, sind starke Argumente gegen weitere Legalisierung.

Korrespondenzadresse:

Hubert Hüppe, MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Email: hubert.hueppe@bundestag.de


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