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  Südwind Magazin
Magazin, Heft 12 / 2000
Thema
 
1. Artikel: Thema: Der weltweite Krieg gegen Drogen

2. Artikel: Die enormen Kosten und die Ineffektivität der weltweiten Drogenprohition sind offensichtlich. Wer das Drogenproblem entschärfen will, kommt an der Ausschaltung des Schwarzmarkts nicht vorbei.

3. Artikel: Der von den USA propagierte "Krieg gegen die Drogen" schafft mehr Übel als er beseitigt, sagen KritikerInnen - und haben wahrscheinlich recht. Aber manches spricht dafür, dass er gerade deswegen geführt wird.



Thema: Der weltweite Krieg gegen Drogen
Robert Poth

Es gibt PolitikerInnen, die von der "bösen" Natur illegaler Drogen überzeugt sind und sich in einem herkulischen Kampf gegen eine vielköpfige Hydra sehen, die um jeden Preis vom Erdboden getilgt werden muss. Für solche "Heiligen Krieger" ist eine Abwägung von Kosten und Nutzen kein Thema, wie der New Yorker Soziologe Erich Goode in einem Essay über die Legalisierungsdebatte festhält. Ob der österreichische Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck von der FPÖ, der die "liberale Drogenpolitik" für gescheitert erklärt und nach Härte ruft, dieser Kategorie zuzurechnen ist, wissen wir nicht.

Dass im Paradeland für diesbezügliche Härte, China, nicht nur mutmaßliche Drogenhändler, sondern auch Oppositionelle aufgrund konstruierter Drogenanklagen hingerichtet werden, dagegen schon - und China ist ebenso wenig "drogenfrei" wie der Rest der Welt.
 

Eine drogenfreie Welt ist eine Illusion, keine Utopie, und es gibt keine Anzeichen, dass die aktuellen Bemühungen etwa um eine Reduktion des Angebots "harter" Drogen wie Kokain und Heroin erfolgreich wären. Die Kosten dieser Illusion sind gewaltig und werden akzeptiert, weil sie scheinbar nur von Menschen am unteren Rand der globalen Gesellschaft bezahlt werden, von armen Bauern, von kleinen Dealern und so genannten "Risikogruppen". In ihrem Buch "Kiss The Boys Goodbye" lässt die US-amerikanische Journalistin Monica Jensen-Stevenson ihren Mann William zu Wort kommen, einen langgedienten Kriegsberichterstatter. Er beschreibt die Einstellung französischer Agenten, die in den 50er-Jahren in Indochina militärische Operationen mit Opium finanzierten: "Um Frankreich zu retten, muss man den menschlichen Abschaum vernichten. Wenn der Abschaum seine Drogensucht fortführt, indem er riesige Summen Geld ausgibt, und dieses Geld Kriege gegen den Kommunismus inIndochina finanziert, dann zieht man einen gewissen Nutzen aus ihm."

Schon lange her und daher irrelevant? Keineswegs. "French Connection", Vietnam, Nicaragua, Afghanistan, Kosovo: Wo immer der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA seine Finger im Spiel hatte, waren die Drogen nicht weit. Warum? Sie liefern Geld für geheime Operationen - oder wie jetzt den Vorwand für die drohende US-Intervention im kolumbianischen Bürgerkrieg, mit der sich ein Beitrag der folgenden Thema-Seiten befasst. Diese Geldquelle fließt aber nur unter Bedingung der Prohibition. Wer für sie eintritt, kann die Hydra nicht besiegen. Er schlägt ihr höchstens einen Kopf ab - und dafür wachsen bekanntlich deren zwei nach.
 




Die enormen Kosten und die Ineffektivität der weltweiten Drogenprohition sind offensichtlich. Wer das Drogenproblem entschärfen will, kommt an der Ausschaltung des Schwarzmarkts nicht vorbei.
Robert Poth

Was Al Gore-Fans zu denken geben sollte: Ohne Drogenprohibition wäre der US-Vizepräsident wahrscheinlich am 7. November als Nachfolger Bill Clintons gefeiert worden. Denn einem Drittel der traditionell überwiegend demokratisch wählenden männlichen Afroamerikaner im umkämpften US-Bundesstaat Florida wurde das Wahlrecht permanent entzogen, wie die Internet-Gazette salon.com anmerkt; einem wesentlichen Teil davon aufgrund von Drogenvergehen, für deren harte Bestrafung sich Gore einsetzt - das "Gesetz"der ungewollten Nebenwirkungen missachtet man auf eigene Gefahr.

Ob gewollt oder nicht: Die negativen Folgen der Drogenprohibition sind jedenfalls gewaltig, wie sich insbesondere am Beispiel der USA zeigen lässt. In
keinem anderen westlichen Land wurde die Kriminalisierung, ja Militarisierung eines Problems, das im wesentlichen zu den Agenden der Gesundheitsbehörden gehört, so weit vorangetrieben wie im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten". Nicht zufällig ist der amtierende oberste Anti-Drogenbeamte der USA, Barry McCaffrey, Ex-Chef des für Lateinamerika zuständigen Südkommandos der US-Armee.
 

Ein Resultat ist die Tatsache, dass die USA mit mehr als zwei Millionen Menschen die weltweit höchste Gefängnispopulation pro Einwohner aufweisen.
Bereits der bloße Besitz von Marihuana kann zu längeren Gefängnisstrafen führen. Rund 460.000 US-AmerikanerInnen sitzen aufgrund von Drogenvergehen ein, und nach Angaben der International Human Rights Law Group sind fast 63 Prozent davon AfroamerikanerInnen, obwohl es ca. fünfmal mehr weiße DrogenkonsumentInnen gibt als schwarze. Der "War on drugs" ist eher ein Krieg gegen die Armen.

"Tough on crime" zu sein bedeutet auch eine Erweiterung der Befugnisse von Polizeieinheiten bei der Drogenfahndung. In den meisten US-Bundesstaaten sind Polizeieinheiten etwa berechtigt, verdächtige Gelder sowie Drogen nicht nur zu beschlagnahmen, sondern für eigene Zwecke zu verwenden: Die Kriminellen sollen für ihre eigene Verfolgung bezahlen. Ausreichend dafür ist meist der bloße Verdacht. Dies eröffnet polizeilicher Willkür Tür und Tor und fördert Nacht-und-Nebel-Aktionen, die allein den Zweck verfolgen, an kolportierte Drogen heranzukommen.

Am 4. Oktober traf es den 64-jährigen John Adams in Lebanon, Tennessee. Die Polizei hatte schlicht das Haus verwechselt und erschoss den Afroamerikaner, der sich gegen die vermeintlichen Einbrecher zur Wehr setzen wollte. Die Zahl der Menschen, die auf diese Art und Weise unschuldig ums Leben kommen, ist unbekannt - die Politik interessiert sich nicht dafür.

"Sie wollen das Bargeld, die Drogen ... Die Polizei ist süchtig nach Geld, das sie einziehen kann", so Joseph McNamara, Ex-Polizeichef von Kansas City
und San Jose. Eine zu 100 Prozent selbstfinanzierte Spezialeinheit, die South Florida Impact Task Force mit 50 Mitgliedern, konnte seit 1993 neben 30 Tonnen Kokain und sieben Tonnen Marihuana mehr als 140 Millionen US-Dollar verdächtiger Gelder einziehen. Ein Erfolg? Um an diese Pfründe heranzukommen, musste die Einheit seit 1994 selbst mehr als 120 Millionen Dollar weißwaschen, Gelder, die zumeist Drogenhändlern zugute kamen. Verbrechen begehen, um ein ebensolches aufzuklären?

Dies verweist auf einen gefährlichen Aspekt der Strafverfolgung, der sich aus der Natur des Drogengeschäfts ergibt: Es handelt sich im Prinzip um
Handlungen, die auf wechselseitigem Einverständnis beruhen. Niemand erstattet Anzeige. Daher kommt das einschlägige Instrumentarium zum Einsatz: verdeckte Ermittlungen, V-Männer, Kronzeugenregelungen, Scheinkäufe und so genannte "kontrollierte Lieferungen", bei denen die Polizei selbst am Drogenschmuggel mitwirkt. Letzlich droht die Verschmelzung der zuständigen Behörden mit dem Objekt ihrer Nachforschungen.
 

Diese "Kollateralschäden" der Prohibition sind allerdings nur die halbe Geschichte. Ein Großteil der Kosten, die im allgemeinen mit dem Drogenkonsum
verbunden werden, sind in Wirklichkeit "sekundär", wie ExpertInnen unermüdlich wiederholen: Sie entstehen nicht durch den Konsum, sondern durch seine Illegalität. Dazu gehören die Verbreitung von AIDS und Hepatitis C durch unsaubere Injektionsnadeln; Vergiftungen und Todesfälle durch unreine Substanzen; die Beschaffungskriminalität; die mit Handel und Vertrieb verbundene Gewalt, die unmittelbaren Kosten der Strafverfolgung sowie ihre "Opportunitätskosten" (weniger Ressourcen zur Vorbeugung und Bekämpfung anderer Straftaten).

Zu addieren sind natürlich noch die Folgekosten der Prohibition auf internationaler Ebene, die von ihren Verfechtern seltsamerweise den illegalen Drogen zugerechnet werden anstatt ihrer Verfolgung: Finanzierung der organisierten Kriminalität, Korrumpierung und Schwächung aller rechtsstaatlichen Institutionen in den Produktions- und Transitländern, wirtschaftliche Fehlentwicklungen durch Drogengelder, Repression gegen Hunderttausende arme Bauern, Eskalation der Gewalt bis hin zu Bürgerkriegen - alles das ist nur unter der Bedingung der Illegalität und der hohen Gewinne möglich, die im Drogengeschäft erzielt werden können. Und aufgrund der Armut: "Drogenhandel destabilisiert Zentralasien" titelte die Neue Zürcher Zeitung einen Hintergrundbericht Anfang November. Später erfahren wir, wie Armut und Unterbezahlung öffentlich Bediensteter
zusammenwirken, um Menschen auf eine kriminelle Laufbahn zu bringen. "Armut destabilisiert Zentralasien" war offenbar nicht zugkräftig genug.
 

Wozu das Ganze? Selbst die US-Antidrogenbehörde DEA sieht die Angebotsbekämpfung als gescheitert. Wie DEA-Chef Donnie Marshall Ende Juli 1999 einräumte, ist die DEA beim besten Willen weder in der Lage, die Preise für Heroin und Kokain in unbezahlbare Höhen zu treiben noch das Angebot von Drogen zu eliminieren. Kurz davor hatte die DEA auch zugegeben, dass die Verhaftung von Drogendealern keine Dauerlösung sei, da einfach andere Dealer an ihre Stelle treten würden.

Tatsächlich sind insbesondere Kokain und Crack, eine rauchbare Variante, zur Überlebensgrundlage großer Teile der afroamerikanischen Gemeinschaft und anderer Minderheiten in den USA geworden, die in der "Wissensökonomie" keinen Platz finden. Die Hand internationaler "Kartelle" ist nur in einigen
US-Regionen zu erkennen, was übrigens in verstärktem Maße für Europa gilt, wie das UN-Drogenkontrollprogramm UNDCP anmerkt.

Für die Architekten der Repression kein Problem: Gemäß dem Entwurf zu einer UN-Konvention über transnationale organisierte Kriminalität, die Mitte
Dezember zur Unterzeichnung aufliegen wird, gilt als solche jedes schwere Verbrechen, das von drei Personen aufwärts zwecks materiellem Gewinn geplant wird. Drogenhandel gehört natürlich dazu.
 

"Politiker", so die ENCOD, ein Forum europäischer NGOs zum Thema Drogen und Entwicklung, in einer Analyse des UN-Plans für eine "Welt ohne Drogen", "scheinen gewöhnlich den Schluss zu ziehen, dass der Grund des Scheiterns der Gewalt darin liegt, dass sie nur ungenügend angewendet wurde, und dass die logische Antwort daher in ihrer Eskalation besteht, nicht aber in einer Neubewertung".

Eine solche Neubewertung kann nur zu Schritten in Richtung Entkriminalisierung und Legalisierung führen.

Entsprechende Impulse werden nicht von den USA ausgehen, sondern am ehesten von Europa, meint Peter Webster vom Washingtoner Drug Reform Coordination Network.

Beim jüngsten Präsidentschaftswahlkampf blieb Kritik am "War on drugs" dem Kandidaten der Grünen Partei, Ralph Nader und Harry Brown von der Libertären Partei vorbehalten. Allerdings nimmt in den USA quer durch die politischen Lager der Widerstand gegen die offizielle Linie zu, und die Forderung nach einer Legalisierung von Marihuana, finanziell unterstützt vom offenbar allgegenwärtigen George Soros, ist längst kein Tabu mehr. Etwa durch den demokratischen Abgeordneten Barney Frank (Massachusetts), der eben mit 75 Prozent der Stimmen wieder gewählt wurde: Er sehe nicht ein, warum heute Jugendliche dafür sitzen sollten, was sowohl Gore als auch Bush in ihrer Jugend getan hätten, meinte Frank bei einer Wahlrede.
 

Vielleicht hat Webster recht. In Europa wird nicht nur generell eine weichere Linie gefahren - der Europäische Drogenbericht 2000 konstatiert einen
entstehenden Konsens betreffend Schadensbegrenzung und Entkriminalisierung - sondern hier haben Länder auch durchaus erfolgreiche Experimente gewagt. Beispielgebend etwa die niederländische Politik einer begrenzten Freigabe von Cannabis mit dem Ziel, die Märkte für "harte" und "weiche" Drogen voneinander zu trennen.

Ernst machen will nun offenbar die Schweiz: Anfang Oktober wurde ein Grundsatzbeschluss zur Entkriminalisierung des Cannabiskonsums gefasst, dem sich allein die rechte Schweizer Volkspartei nicht anschloss. Eine Expertenkommission hatte zuvor eine echte Legalisierung befürwortet, aber eingedenk der diesem Schritt entgegenstehenden UN-Suchtgiftkonventionen einen Kompromiss empfohlen.

Offenbar ist in Sachen Cannabis ein Trend zu erkennen: Wenigstens die KonsumentInnen und ProduzentInnen dieser relativ harmlosen Substanz mit geringem Suchtpotential könnten aus dem Visier genommen werden. Dies würde eine Konzentration auf tatsächliche "Problemdrogen", die Ursachen und die Vorbeugung ihres Missbrauchs erlauben: in Europa sind das Opiate, deren Bedeutung für die Gesundheitspolitik allerdings von Alkohol und Nikotin mehr als in den Schatten gestellt wird; in den USA vor allem Kokain und Crack, deren Missbrauch untrennbar mit Armut und Rassismus zusammenhängt. Ausschaltung des Schwarzmarkts und damit der Destabilisierung der Herkunfts- und Transitländer wäre dabei oberste Priorität.




Der von den USA propagierte "Krieg gegen die Drogen" schafft mehr Übel als er beseitigt, sagen KritikerInnen - und haben wahrscheinlich recht. Aber manches spricht dafür, dass er gerade deswegen geführt wird.

Robert Poth

"Drogenfrei in zehn Jahren... Wir können es schaffen!", so lautete der offizielle Slogan, als Anti-Drogenbehörden aus der ganzen Welt im Juni 1998 zum UNO-Drogengipfel in New York zusammenkamen. Im Februar davor hatte US-Präsident Bill Clinton eine Halbierung des Drogenkonsums in den USA angekündigt, zufälligerweise ebenfalls in zehn Jahren. 1989 hatte der damalige Präsident George Bush das selbe Ziel proklamiert. Und schon Anfang der 60er-Jahre hatte die UNO die gleiche Devise wie 1998 ausgegeben, damals aber noch mit einer großzügigen Frist von 25 Jahren. Die lief 1989 ab: ergebnislos; die Gründe dieses Scheiterns wurden jedoch keiner unabhängigen Analyse unterzogen. Stattdessen wurde das in Wien ansässige UN-Drogenprogramm UNDCP zu einem Propagandainstrument des US-Außenministeriums umfunktioniert, um der Welt zu erklären, warum der jüngste Anlauf doch funktionieren könnte.

Angesichts der trockenen Fakten eine schwierige Aufgabe, denn bisher hat sich die Wirklichkeit den Wünschen der Anti-Drogen-Krieger beharrlich
widersetzt: Weltweit nimmt der Konsum illegaler Drogen eher zu denn ab, die Produktion von Rohopium erreichte 1999 einen Rekordwert (rund fünfmal mehr als noch Anfang der 60er-Jahre), und selbst bei Kokain räumt die UNO ein, dass sich die Produktion trotz jahrelanger Eradikationsprogramme in den Andenländern gegenüber 1987 fast verdreifacht hat und bestenfalls stagniert (siehe Grafiken).
 

Das "Paradies ohne Apfel" ist ein Luftschloss geblieben, wie zu erwarten war. Denn Angebotskämpfung kann keinen dauerhaften Erfolg zeitigen, solange es Anreize gibt, in Produktion und Handel einzusteigen, und die sind unter Bedingung der Prohibition und der resultierenden hohen Gewinnspannen besonders stark - gleich, ob es sich um natürliche Substanzen, deren Derivate oder synthetische Drogen handelt. Und dass die Nachfrage nach legalen und illegalen Drogen ausrottbar wäre, glaubt auch kein Drogenkrieger - denn wozu sonst das Angebot eliminieren?

Nun könnte eingewendet werden, dass Prohibition und Strafverfolgung das "Drogenproblem" zwar genauso wenig "lösen" wie dies bei einem politisch undenkbaren Verbot von Alkohol und Nikotin der Fall wäre, aber das Ausmaß des Konsums verbotener Drogen immerhin reduzieren. Das war zweifellos auch während der Alkoholprohibition in den 20er und 30er-Jahren in den USA der Fall, und wer die offizielle Auffassung teilt, dass jeder Gebrauch auch gleich einen Missbrauch und eine Schädigung der Gesellschaft darstellt, wird hier wohl zustimmen müssen. Was aber wie damals zunehmend in Frage gestellt wird, ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis.

"Wir glauben, dass der weltweite Krieg gegen Drogen derzeit mehr Schaden anrichtet als der Drogenmissbrauch selbst... Die Fortsetzung unserer aktuellen Politik wird nur zu mehr Drogenmissbrauch, mehr Macht für Drogenmärkte und Kriminelle, mehr Krankheit und Leid führen", hieß es etwa in einer zweiseitigen Anzeige in der New York Times am Tag der Eröffnung des UN-Drogengipfels. Zu den 500 prominenten UnterzeichnerInnen aus der ganzen Welt gehörten u.a. Ex-US-Außenminister George Schultz, zwei frühere US-Justizminister, ein früherer US-Gesundheitsminister, einige Nobelpreisträger, US-Bundesrichter, frühere Staatschefs von Bolivien, Kolumbien, Costa Rica, Guatemala und Nicaragua, Ex-UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar, sowie katholische, evangelische und anglikanische Bischöfe - "eine Art Randgruppe", wie sie der aktuelle oberste Drogenbekämpfer der USA, Ex-General Barry McCaffrey, zu diskreditieren versuchte.
 

Mehr Schaden durch die Bekämpfung als durch den Drogenmißbrauch selbst: Es gibt gute Gründe für diese Einschätzung, und die öffentliche Kritik an der aktuellen Politik kann nicht breit genug geäußert werden.Andererseits greift sie aber zu kurz, denn sie misst den Erfolg der Drogenstrategie bloß an ihren öffentlich genannten Zielen. Tatsächlich pflegen die USA, die federführende Kraft im Anti-Drogenkampf, dazu jedoch seit jeher ein bemerkenswert flexibles Verhältnis - jedenfalls in ihrer Außenpolitik.

Der Anti-Drogen-Krieg repräsentiert lediglich ein untergeordnetes Ziel, das mit vorhersagbarer Gewissheit geopfert wird, wenn ihm geostrategische
Interessen entgegenstehen: das Ziel der Durchsetzung bzw. Aufrechterhaltung der Hegemonie der USA und des von ihr vertretenen Systems. Und in diesem Kontext kann die Drogenpolitik durchaus rational sein, obwohl oder sogar gerade wenn sie scheitert.
 

Anzeichen dafür sind allenthalben zu erkennen. Ein aktuelles Beispiel liefert der "Plan Colombia" (siehe Artikel auf Seite 27). Der US-Regierung ist seit
Jahren bekannt, dass die Paramilitärs, die weitgehend mit der kolumbianischen Armee kooperieren und die "schmutzige Arbeit" bei der Guerrillabekämpfung übernehmen, sich durch Kokain finanzieren, und die Kokain-Ökonomie auch bis weit in die Armee hineinreicht. Die Weltöffentlichkeit glauben zu machen, eine Allianz mit solchen Bündnispartnern könnte, wenn auch erst in "einigen Jahren", wie es jetzt heißt, zur Eliminierung des Kokaanbaus führen, wäre ein erstaunlicher Propagandaerfolg der USA. Es ist offensichtlich, dass die Gewinne aus dem Kokaingeschäft aus Sicht der USA bloß in die falschen Hände geraten.

Oder die Affäre um den ehemals starken Mann von Peru, Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos. Offiziell in die Umsetzung der Anti-Koka-Politik Perus
eingebunden, die von den USA und vom UNDCP unisono als Erfolg verkauft wird, dürfte Montesinos, auch "Noriega der Anden" genannt, tatsächlich mit Drogenhändlern kooperiert haben. Anders lassen sich die 48 Millionen US-Dollar auf den Ende Oktober gesperrten Schweizer Konten kaum erklären. Montesinos war seit 30 Jahren "ein Liebkind der CIA", zitierte die peruanische La República im Jänner den pensionierten peruanischen General Alberto Arciniega Huby. Seine Prophezeiung: "Wenn sie ihn (Montesinos; Anm.) nicht mehr brauchen, ist klar, was mit ihm geschehen wird. Denn die USA mögen Montesinos nicht. Sie verwenden ihn, weil er ihrer Politik nützt." Das ist offenbar nicht mehr der Fall, weshalb den Schweizer Behörden auch signalisiert wurde, die Konten aufzudecken. Montesinos, nunmehr quasi vogelfrei, soll sich nach seiner Rückkehr vom Kurzexil in Panama nach Peru und zuletzt nach Bolivien abgesetzt haben.
 

Die Verwicklung der USA bzw. ihres Auslandsgeheimdienstes CIA in den Drogenhandel geht jedoch weit über das aus dem Kalten Krieg bekannte Prinzip - "ein Schweinhund, aber unser Schweinhund" - hinaus. Eine inoffizielle Geschichte der CIA zeigt eine konsequente Instrumentalisierung des Drogenhandels zur Verfolgung politischer Ziele: ob in Marseille, wo nach dem Zweiten Weltkrieg der Wiederaufbau der korsischen Mafia toleriert wurde, um der Kommunistischen Partei die Kontrolle über die Gewerkschaften zu entreissen, mit dem Resultat der "French Connection", des Heroinschmuggels in die USA in Kooperation mit der US-Mafia; oder in Indochina in den sechziger Jahren, wo sich Hmong-Rebellengeneral Vang Pao gegen den kommunistischen Pathet Lao mit Drogengeldern finanzierte. CIA-eigene Luftlinien flogen das Opium aus den Anbaugebieten im Goldenen Dreieck zwischen Laos, Thailand und Myanmar. Ebenso wurde der Kokainschmuggel in die USA zur Finanzierung des Contra-Kriegs gegen die Sandinisten in Nicaragua von der CIA nachweislich toleriert, wenn nicht sogar mitorganisiert.

Die Eskalation des Schlafmohnanbaus in Afghanistan und Pakistan während des Kriegs der Mujahedin gegen die sowjetische Besatzung lag im Interesse Washingtons, und bei der Kosovo-Intervention waren die engen Verbindungen der UCK zu albanischen Heroinschmugglern kein Hindernis.
 

Wie es Noam Chomsky vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) kurz formulierte: "Das Nahverhältnis zwischen dem Drogengeschäft und dem internationalen Terrorismus (manchmal auch "Aufstandsbekämpfung" oder "Kriegsführung niedriger Intensität" genannt) ist nicht überraschend. Geheime Operationen kosten viel Geld, das nicht aufspürbar sein sollte. Und man braucht auch kriminelle Mitarbeiter. Der Rest ergibt sich."

Etwa die langjährige Involvierung der CIA in die Bank of Credit and Commerce International (BCCI), Gegenstand des 1991 aufgeflogenen größten
Bankenskandals der Nachkriegsgeschichte. Nicht nur wurde die u.a. mit dem Waschen von Drogengeldern und illegalen Waffengeschäften befasste BCCI von der CIA etwa im Iran-Contra-Waffendeal genutzt und jahrelang gedeckt, wie aus einem Bericht eines US-Senatsausschusses von 1992 geschlossen werden kann. Zu den BCCI-Eigentümern gehörten die beiden Hauptkontakte der CIA zum saudi-arabischen Geheimdienst, und im Vorstand der über Strohmänner von der BCCI übernommenen First American Bank in Washington saß mit Clark Clifford sogar ein ehemaliger US-Verteidigungsminister. Seine Aussage, nichts von krummen Geschäften der BCCI gewusst zu haben, hielt der Senatsausschuss für eine glatte Lüge.
 

Wieso war es etwa möglich, dass nach der US-Invasion in Panama, die zur Verurteilung des Ex-Staatschefs Manuel Noriega wegen Drogenhandels führte, der Drogenhandel über Panama sogar zunahm? Wieso erweist es sich als dermaßen schwierig, etwa unter britischer Oberhoheit stehende Offshore-Finanzzentren auf den Cayman Islands oder den Turks and Caicos Islands mit ihren zahllosen Briefkastenfirmen einer Kontrolle zu unterwerfen? Eine nahe liegende Hypothese: Die vorgeblich unerwünschten Aktivitäten sind dermaßen mit verdeckten Operationen und Geschäften respektabler Unternehmen und Banken aus der ganzen Welt verfilzt, dass das eine nicht bekämpft werden kann, ohne das andere zu gefährden.

Beispielsweise eignen sich transnationale Unternehmen nicht nur perfekt als Drogentransportkanäle, sondern stellen sich auch als Fassade für
Geheimdienstoperationen zur Verfügung und werden dafür mit fetten Regierungsaufträgen bedacht. Einer dieser Multis, ein weltweit tätiger US-Sicherheitskonzern mit ausgezeichneten Kontakten zu Washington, ist übrigens auch ein bedeutender Betreiber von privaten Gefängnissen in den USA und profitiert direkt von der Drogenprohibition, die diesen Geschäftszweig durch die Inhaftierung Hunderttausender Drogenkonsumenten erst ins Leben gerufen hat. "Eisenhower warnte uns vor dem militärisch-industriellen Komplex", aber "ebenso existiert ein Drogenkomplex", konstatierte Joseph McNamara, ehemaliger Polizeichef in Kansas City und San Jose, in einem Interview mit der Internet-Gazette des Washingtoner Drug Reform Coordination Network.

Das fehlende Glied zur Versöhnung des Widerspruchs zwischen dem fortgesetzten "Krieg gegen die Drogen" und seinem offensichtlichen Scheitern scheint gerade das vermeintlich Irrationale zu sein: Die Drogenprohibition und ihre weltweite Durchsetzung. Sie ist einerseits ein probates Mittel, um den Rest der Welt politisch unter Druck zu setzen; andererseits sorgt sie für einen anzapfbaren Cashflow für die CIA und ihre Partner, der die Abwicklung verdeckter Operationen ermöglicht.

Und sie liefert - weltweit - die Legitimation für eine Einschränkung von Bürgerrechten zugunsten einer Exekutive, die dem organisierten Verbrechen das Handwerk legen soll, aber letzlich in erster Linie ihre eigene Macht vergrößert.

Die Strategie dahinter hat Erwin Weissel, emeritierter Wirtschaftsprofessor der Wiener Universität, in der Zeitschrift Zoom (3/98) folgendermaßen
charakterisiert: "Bei der Wahl seiner Feinde kann man nicht sorgfältig genug sein, meinte Oscar Wilde. Die Warnung des großen Spötters müssen vor allem diejenigen beherzigen, die den Feind dazu brauchen, mehr Ressourcen und Befugnisse zu erlangen, denn sie sind ja dabei auf seine fortdauernde Existenz angewiesen. Der Feind muss so gefährlich sein oder scheinen, dass das Volk als Souverän etliche seiner Rechte an den abtritt, der ihn bekämpft, aber nicht so gefährlich, dass der Kampf aussichtslos erscheint und der Feind letztlich den Staatsapparat zerstört, um ihn durch seinen eigenen Machtapparat zu ersetzen. Kurzum, die Politiker und ihre Bürokraten brauchen einen Feind, mit dem sie sich arrangieren können, ohne dass das Volk etwas davon merkt." Dem ist wenig hinzuzufügen.



Falls Sie sich für das Thema interessieren können Sie auch unsere Sektion "Harte Drogen" sowie einen Artikel über die Situation in Kolumbien lesen!
 
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