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Cannabis und SchizophrenieAls Cannabis im Jahre 1925 erstmals auf einer Drogenkonferenz auf eine Verbotsliste gesetzt wurde, wurde nicht behauptet, dass es eine Einstiegsdroge sei, dass es süchtig mache oder zum "Null Bock Phänomen" führe. All diese Behauptungen traten erst nach dem 2. Weltkrieg an die Stelle der ursprünglichen Begründung, dass es nämlich gesunde Menschen wahnsinnig mache. Die Nervenkrankenhäuser Ägyptens und der Türkei seien voller Patienten, die wegen einer "Cannabispsychose" (in den USA: "Reefer madness") eingeliefert worden seien, so die Vertreter dieser beiden Staaten auf der Genfer Opiumkonferenz. Dr. Dr. El Guindy von der ägyptischen Delegation schrieb in einem Memorandum:The illicit use of hashish is the principal cause of most of the cases of insanity occurring in Egypt. In support of this contention, it may be observed that there are three times as many cases of mental alienation among men as among women, and it is an established fact that men are much more addicted to hashish than women. (In Europe, on the contrary, it is significant that a greater proportion of cases of insanity occur among women than among men.)Diese Behauptungen wurden von den ägyptischen Delegierten mit keinerlei Studien untermauert. Schon der weite Spielraum bei der verwendeten Zahlenangabe zu Cannabis zeigt, wie wenig fundiert die dahinter stehenden Daten waren. Die Möglichkeit, dass gesellschaftliche Faktoren wie Vorstellungen von Geschlechterrollen, das jeweilige Scheidungsrecht oder materielle Gesichtspunkte bei den unterschiedlichen Hospitalisierungsraten (soweit sie überhaupt den Tatsachen entsprachen) eine Rolle spielen könnten, wurde nicht in Erwägung gezogen. Die ägyptische Delegation bekam was sie wollte und Cannabis landete erstmals auf einer internationalen Verbotsliste. In den USA wurden in den 20er und 30er Jahren Cannabisverbote zuerst in den Bundesstaaten und dann landesweit erlassen, deren Notwendigkeit mit Zeitungsberichten wie dem folgenden begründet wurde: Eine Witwe und ihre vier Kinder sind verrückt geworden, nachdem sie eine Marihuana-Pflanze assen, so die Ärzte, die sagen, dass keinerlei Hoffnung besteht, die Leben der Kinder zu retten, und dass die Mutter zeitlebens verrückt sein wird. Die Mutter hatte kein Geld, um andere Lebensmittel für die Kinder zu kaufen, die zwischen drei und fünfzehn Jahre alt waren; also sammelte sie einige Kräuter und etwas Gemüse, das in ihrem Garten wuchs, um daraus ihr Abendbrot zu bereiten. Zwei Stunden, nachdem Mutter und Kinder die Pflanzen gegessen hatten, erlitten sie einen Anfall. Nachbarn, die Ausbrüche von irrem Gelächter hörten, fanden die ganze Familie vom Wahnsinn befallen. Eine Untersuchung ergab, dass das betäubende Marihuana im Gemüsegarten wuchs.Cannabis kann bei übermässigem Konsum (vor allem oral) kurzfristig eine sogenannte toxische Psychose auslösen, d.h. einen vorübergehenden übermässigen Rauschzustand. Dieser ist jedoch nicht lebensbedrohlich und klingt nach einigen Stunden bis spätestens einigen Tagen wieder ab. Cannabis verursacht keine dauerhaften Psychosen wie damals dargestellt. In den folgenden Jahrzehnten beschäftigten sich zahlreiche internationale Wissenschaftlicher kritisch mit der Problematik und kamen zu dem Schluss, dass die Symptome des sogennanten "Cannabiswahns" genauso aussahen wie klinische Schizophrenie. Ob und inwieweit ein Zusammenhang zum Cannabiskonsum bestand, war nicht eindeutig festzustellen. Studien zu Cannabis und Schizophrenie Im Jahre 1972 schrieben Dr. Prince, Dr. Greenfield und Dr. Marriott einen Artikel unter dem Titel "Cannabis or alcohol? Observations on their use in Jamaica" in der Zeitschrift "Bulletin on Narcotics". Darin stellten sie fest, dass unter den psychiatrischen Patienten eines Krankenhauses in Kingston, Jamaika, weniger Cannabiskonsumenten zu finden waren als unter der Normalbevölkerung. Das bestätige sie in ihrer Ansicht, die sogenannte "Ganja-Psychose" werde nicht durch Cannabiskonsum verursacht, sondern sei nur ein anderer Name für Schizophrenie, falls sie bei einem Cannabiskonsumenten auftrete: To return to the comparison of hospitalized men with their neighbours in the community, it will be recalled that the percentage of heavy ganja users at large was, if anything, higher than the percentage of ganja users on the ward. This finding would support our opinion that ganja use is not a significant cause of psychosis. The so called "ganja psychosis" is schizophrenia occurring in a ganja-using population. Der Zusammenhang zwischen Cannabis und einer schizophrenen Psychose ist komplex. Laut einer am Donnerstag, 11.07.2002, veröffentlichten Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim kann Cannabiskonsum eine latente Schizophrenie früher zum Ausbruch kommen lassen und bei fortgesetztem Konsum die Psychose verschlimmern. Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist grundsätzlich von Schizophrenie gefährdet. Meist tritt die Krankheit zwischen der Pubertät und dem Alter von 30 Jahren auf. Dabei scheinen genetische Faktoren eine bedeutende Rolle zu spielen. Prof. Heinz Häfner, der Leiter der Arbeitsgruppe Schizophrenieforschung, der die in der Fachzeitschrift «Nervenheilkunde» (Nr. 4/2002) erschienene Studie erstellt hat: Sei die Krankheit erst ausgebrochen, habe der Cannabis-Konsum weitere negative Folgen: «Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Denkstörungen werden signifikant verstärkt», sagte Häfner, «Gleichgültigkeit und Abstumpfung, worunter manche Patienten ausgesprochen leiden, werden hingegen vermindert». Das bringe manche Kranke in die Versuchung, mit Cannabis eine Selbsttherapie zu betreiben - mit oft negativen Folgen: Längerer Cannabismissbrauch führe zu schlechterer Therapierbarkeit, so Häfner. Wichtig bei der Betrachtung der Studie ist, dass, wenn Cannabis Schizophrenie auslöst, das nicht bedeutet, dass es die Krankheit verursacht, dass also auch ein gesunder Mensch von Cannabis schizophren werde. Der international bekannte Experte Dr Wayne Hall schrieb dazu 1994 in einer Studie für die australische Regierung: "Es gibt Hinweise darauf, dass andauernder, starker Cannabisgebrauch eine toxische Psychose erzeugen, psychotische Krankheiten in dafür veranlagten Personen auslösen und psychotische Symptome bei Personen mit Schizophrenie verschlimmern kann."Von Personen mit schizophrener Veranlagung abgesehen, hat Cannabiskonsum im allgemeinen keine negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. 1997 liess Gesundheitsminister Seehofer (CSU) eine wissenschaftliche Expertise zu den gesundheitlichen Folgen von Cannabiskonsum erstellen. In der Zusammenfassung schreiben die Autoren, Professor Dr. Kleiber und Professor Dr. Kovar: "Was die Auswirkungen von Cannabis auf die psychische Gesundheit anbelangt, muss aufgrund der vorliegenden Ergebnisse die Annahme, dass der Konsum von Cannabis eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit nach sich zieht, zurückgewiesen werden."Verschiedene Wissenschaftler vermuten, dass sich ein hoher Prozentsatz an Cannabiskonsumenten unter Schizophreniepatienten damit erklären lässt, dass Cannabis bestimmte Symptome davon lindern kann. Der Cannabiswirkstoff THC dämpft die Wirkung eines überaktiven Dopaminsystems im Gehirn, das als eine Ursache von Schizophrenie gilt. Daraus zu schliessen, dass Cannabis Schizophrenie verursache ist so, als würde man aus der Beobachtung, dass Leute die Hustensaft trinken auch einen Husten haben, schliessen dass Hustensaft Husten verursacht. In bestimmten Fällen brauchen jugendliche Schizophrene unmittelbar vor der Entwicklung einer manifesten Psychose Cannabis in auffällig hohen Dosen. Wer aus diesem Befund schließt, Cannabis verursache Psychosen, hat die einfache zeitliche Abfolge zu einem monokausalen Ursache-Wirkungs-Verhältnis erhoben. Dabei ist es viel wahrscheinlicher, daß der Gebrauch von Cannabis in solchen Fällen ein Versuch ist, in einem Stadium der Erkrankung, das durch bodenlose, namenlose Angst gekennzeichnet ist, eine drohende Psychose unter Kontrolle zu halten. Würde Cannabiskonsum schizophrene Psychosen nicht nur verfrüht auslösen sondern verursachen, dann wäre mit der steten Verbreitung des Cannabiskonsums seit Anfang der 60er Jahre eine Zunahme von Schizophrenie zu vermuten gewesen. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Dr Wayne Hall, National Drug and Alcohol Research Centre, University of New South Wales, Sydney, Australien: "Die abnehmende Häufigkeit von behandelten [Schizophrenie]Fällen macht es unwahrscheinlich, dass Cannabisgebrauch Schizophrenie verursacht hat die nicht ohnehin aufgetreten wäre." Damit weist Dr Hall auf die wohlbekannte Tatsache hin, dass der Cannabiskonsum in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat während die Häufigkeit von Schizophrenie abgenommen hat. Eine ähnliche Feststellung machte Dr. Lester Grinspoon (Harvard Medical School) in seinem Buch "Marijuana Reconsidered"), wo er darauf hinwies, dass zwar in den 60er Jahren rund zwei Drittel der amerikanischen Rekruten während ihrer Stationierung in Vietnahm Cannabis konsumierten, die Häufigkeit von Psychosen jedoch nicht höher sondern geringer war als während des Korea-Konfliktes Anfang der 50er Jahre oder gegen Ende des Zweiten Weltkriegs: "The psychiatric incidence rate for U.S. Army troops in Vietnam was reported to be 12 per 1000 strength per year during the calendar years 1965 and 1966. This rate is much lower than that recorded for both the Korean War (73 per 1000 strength per year July 1950 to December 1952) and World War II (between 28 and 101 per 1000 strength per year September 1944 through May 1945). During World War II, 23 percent of all cases evacuated for medical reasons were psychiatric cases; the percentage for the comparable group in Vietnam has been aproximately 6 percent." Oft wird zu diesem Thema eine schwedische Studie von einem Dr. Andreasson erwähnt, der bei Rekruten des schwedischen Militärs einen Zusammenhang zwischen Cannabis und Schizophrenie festgestellt haben will vor. Dr. Franjo Grotenhermen schreibt dazu: Andreasson et al. (1987) werteten Daten einer langzeitigen prospektiven Studie mit 45.570 Wehrpflichtigen aus. Sie fanden eine Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen der Intensität des Cannabiskonsums zum Zeitpunkt der Musterung und der Entwicklung einer Schizophrenie in den folgenden 15 Jahren. 752 der Probanden waren als starke Cannabiskonsumenten eingestuft worden mit einem sechfach erhöhten relativen Risiko für die Entwicklung einer Schizophrenie. Nach Berücksichtigung weiterer möglicher Einflußfaktoren in einem hierarchisch loglinearen Modell blieb ein statistisch grenzwertig signifikanter Einfluß des Cannabiskonsums bestehen (Relatives Risiko: 2,3; Konfidenzintervall: 1,0-5,3). Das Konfidenzintervall zeigt, dass die Studie nur knapp überhaupt einen signifikanten Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Psychosen nachweisen konnte. Den stärksten Einfluß auf die Psychose-Wahrscheinlichkeit hatten bei Andreasson et al. eine psychiatrische Diagnose (z. B. Neurose) bei der Musterung, gefolgt von geschiedenen Eltern. Aufgrund der beobachteten Problematik empfehlen Experten Personen mit schizophrenen Psychosen oder mit Fälle von Schizophrenie in der engeren Familie, Cannabis generell zu meiden, bzw. beim Auftreten von Problemen den Konsum dauerhaft einzustellen. Drohung mit Bestrafung und sozialer Ausgrenzung dürfte dagegen bei einer Krankheit, die ohnehin durch extreme Angstzustände und Verarmung von sozialen Kontakten gekennzeichnet ist, wenig produktiv sein. Links:
Cannabis und Psychosen, Zur Studie von Andreasson et al. (1987) |