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Übergangssenat will Betäubungsmittelgesetz nicht ändern (Tagesspiegel)
Pubdate: 13.07.2001
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Übergangssenat will Betäubungsmittelgesetz nicht ändern
Justizsenator stößt mit Vorschlägen zur Liberalisierung auf
Widerstand
Sabine Beikler
Justizsenator Wolfgang Wieland (Bündnis 90 / Die Grünen) versucht
sich zurzeit in Alleingängen, die nicht Bestandteil der aktuellen
Senatspolitik sind. Vor Tagen verkündete er, dass er die
Bundesratsinitiative seines Vorgängers, des ehemaligen Regierenden
Bürgermeisters Eberhard Diepgen, zur strafrechtlichen Bekämpfung
von Graffiti nicht mehr weiter verfolgen will. Und am
Dienstagabend sagte Wieland in der SFB-Sendung "Berlin Life" zum
Thema "Gefahr im Park: Zäune gegen Dealer", man müsse darüber
nachdenken, ob "weiche Drogen an gewissen Orten" legalisiert
werden sollen. Wieland erwähnte die Möglichkeit, nach
holländischem Vorbild in so genannten "Coffeeshops" den Verkauf
von Haschisch oder Cannabis zu erlauben. Konkret gehe es um die
Drogenszene im Volkspark Hasenheide, erklärte Wieland. "Eine
Verdrängung des Rauschgifthandels bringt keine Lösung. Langfristig
muss man auch über eine Legalisierung nachdenken." Als
Grünen-Politiker vertrete er den Ansatz der Straffreiheit, dazu
müsse aber das Betäubungsmittelgesetz geändert werden. Polizei und
Staatsanwaltschaft allein lösen das Drogenproblem nicht.
Eine Gesetzesinitiative sei aber nicht geplant, erklärte
Justizsprecherin Anja Teschner auf Anfrage. "Wir haben darüber
nicht im Senat gesprochen. Die Legalisierung von weichen Drogen
ist auch nicht in Koalitionsrunden debattiert worden", sagte
Senatssprecher Helmut Lölhöffel am Donnerstag dem Tagesspiegel.
Schul- und Jugendsenator Klaus Böger (SPD) ergänzte: "Wir bleiben
bei der Drogenpolitik wie bisher." Ein "Amsterdamer Modell" werde
nicht diskutiert. Böger fügte hinzu, dass auch die Graffiti-Bundes
ratsinitiative nicht zurückgenommen werde, die zurzeit im Innen-
und Justizressort behandelt würde.
Auf Wielands Überlegungen zur Legalisierung weicher Drogen sagte
Roland Gewalt, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, der
Justizsenator sei offenbar fest entschlossen, die "Freigabe des
Drogenhandels schrittweise umzusetzen". "Es dürfen Wetten
abgeschlossen werden, wann die Straffreiheit für Ladendiebstahl
und Sachbeschädigung Berliner Regierungspolitik wird." Die
CDU-Fraktion werde verhindern, "dass Berlin Amsterdam den
unrühmlichen Rang der Drogenhauptstadt Europas abläuft".
Der Justizsenator stößt mit seinen Vorschlägen auch auf Kritik
beim Koalitionspartner SPD. Das konfliktreiche Thema Drogenpoltik
gerade in Wahlkampfzeiten anzuschneiden, sei "Quatsch und eine
gute Vorlage für die CDU". Wieland habe offenbar das Bedürfnis,
sich in seiner Senatorenzeit zu profilieren.
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