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Die Niederländische DrogenpolitikInhaltsverzeichnis
1. Einführung und Fragestellung1.1 Die Entwicklung der niederländischen DrogenpolitikIn den sechziger und siebziger Jahren nahm der Konsum von Drogen wie Hanfprodukten und Opiaten in Westeuropa und Nordamerika stark zu; viele befürchteten eine explosiv ansteigende Gefährdung der Volksgesundheit. Dies war einer der Gründe dafür, daß damals auf nationaler und internationaler Ebene neue Rahmenrichtlinien zur Drogenbekämpfung erlassen wurden. Seither hat es im Konsumverhalten erhebliche Schwankungen und Verlagerungen gegeben. In manchen Ländern ist der Gesamtverbrauch weiter angestiegen, in anderen wie z.B. in den Niederlanden hat sich der Drogenkonsum in etwa auf dem Stand von 1980 stabilisiert.Der Konsum von Cannabis und Opiaten ist keineswegs drastisch gesunken, geschweige denn völlig eliminiert worden. Für diejenigen, die hofften, mittels entschlossener Regierungsmaßnahmen den Drogenkonsum abschaffen zu können, ist dieses Ergebnis enttäuschend. Angesichts früherer internationaler Erfahrungen mit Märkten für illegale Produkte und Dienstleistungen war jedoch zu erwarten, daß staatliche Interventionen nur begrenzt erfolgreich sein würden. In den Niederlanden hat man sich u.a. aus diesem Grund damit beschieden, die mit dem Konsum gefährlicher Drogen verbundenen gesundheitlichen und sozialen Probleme im Griff zu behalten oder in den Griff zu bekommen. So gesehen wurden mit der niederländischen Drogenpolitik gute Ergebnisse erzielt. Der Konsum der genannten Drogen hat sich in den Niederlanden im Vergleich zu den siebziger Jahren nicht wesentlich ausgeweitet, und auch in medizinischer Hinsicht hat sich das Problem nicht verschärft. Nikotin und Alkohol schaden der Volksgesundheit in den Niederlanden wie auch anderswo unvergleichlich mehr als alle unter das Betäubungsmittelgesetz (Opiumwet) fallenden Drogen zusammen. Die Empfehlung der Arbeitsgruppe Betäubungsmittel (1972) war für die damalige Regierung kein Anlaß, den Konsum der genannten Drogen in jedem Falle als ein für die Gemeinschaft unannehmbares Risiko einzustufen. Ein Urteil läßt sich erst abgeben, wenn man z.B. mehr über die jeweiligen Umstände und den Umfang des Konsums weiß. Daher wurden die Prävention und die Eindämmung der mit dem Drogenkonsum verbundenen sozialen und individuellen Risiken in den Vordergrund gerückt. Die niederländische Drogenpolitik hat sich seither nicht geändert. Die Behörden sollen demgemäß verhindern, daß insbesondere Jugendliche zu Drogen greifen, und sie sollen dafür sorgen, daß für Problemfälle ein medizinisches und/oder soziales Hilfsangebot zur Linderung der Not gewährleistet ist (sog. Harm reduction). Der niederländische Gesetzgeber hat aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse einen Unterschied zwischen Drogen mit unannehmbaren Risiken für die Gesundheit und Hanfprodukten, deren Risiken als weniger groß eingeschätzt werden, gemacht (harte bzw. weiche Drogen genannt). Die vom Strafrecht zu schützenden Interessen sind nach niederländischer Auffassung primär Interessen der Volksgesundheit. Die Drogenpolitik ist daher in den Niederlanden differenziert: sie richtet sich nach dem Ernst des potentiellen Gesundheitsschadens, der beim Konsum oder Mißbrauch der betreffenden Drogen entsteht. Der bloße Konsum von Drogen ist in den Niederlanden, wie in vielen anderen Ländern auch, nicht strafbar. Der Konsument harter Drogen wird eher als Patient denn als Krimineller betrachtet. Auf dieser Grundlage wurde in den Niederlanden ein umfassendes und differenziertes Paket präventiver und kurativer Maßnahmen geschnürt. Die Justiz ist immer davon ausgegangen, daß für Drogensüchtige die ärztliche Behandlung einer Freiheitsstrafe vorzuziehen ist. Trotz mitunter enttäuschenden Behandlungserfolgen und Rückfällen wurde dieser Standpunkt beibehalten, und es wurde immer wieder nach neuen Wegen gesucht, das Regierungskonzept in die Praxis umzusetzen. Die Niederlande wollen mit ihrer Drogenpolitik Risiken und Schäden für Drogenabhängige begrenzen und damit die soziale Integration der Drogenkonsumenten fördern. Prävention, ambulante Hilfe und stationäre Behandlung sind in Händen qualifizierten Personals, das in professionell geführten Organisationen tätig ist. In den Niederlanden werden ca. 160 Millionen Gulden für die Suchthilfe ausgegeben (u.a. Kliniken und ambulante Suchthilfe). Im Vergleich zum Ausland ist dieser Betrag hoch. Ziel der Betreuung ist nicht in jedem Falle die völlige Abstinenz, d.h. die Drogenfreiheit aller Abhängigen, sondern, je nach Zielgruppe, die Verbesserung ihrer körperlichen und geistigen Verfassung und ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft. Mittel hierzu sind u.a. eine gute medizinische Versorgung, Methadonverabreichung, der Umtausch von Spritzen und verschiedene Formen der Tages- und Nachtbetreuung. Übrigens ist die Drogenpolitik in den Niederlanden wie auch anderswo darauf ausgerichtet, mittels entschiedener strafrechtlicher Maßnahmen gegen den Drogenhandel, die Schwelle für den Konsum harter Drogen so hoch wie möglich zu halten. Der Handel mit harten Drogen spielt sich auch in den Niederlanden in der Illegalität ab, und die Fahndung nach kriminellen Organisationen, die sich u.a. mit dem Handel mit weichen und harten Drogen befassen, ist bereits seit vielen Jahren die Hauptaufgabe der niederländischen Polizei. Der besondere Einsatz der Fahndungs- und Kontrolldienste zeigt sich u.a. in der großen Menge beschlagnahmter Drogen (vgl. 5.2). Die Drogenpolitik folgt also in großen Zügen dem internationalen Drogenbekämpfungsmodell. Herstellung und Handel werden entsprechend dem Einheitsvertrag der Vereinten Nationen konsequent strafrechtlich verfolgt. Pro Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft in durchschnittlich 10.000 Fällen wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die strafrechtlichen Maßnahmen stellen eine große Belastung für Polizei und Justiz dar. Pro Jahr werden 270 Millionen Gulden in die strafrechtliche Bekämpfung des Drogenhandels investiert. Darüber hinaus fallen mindestens 370 Millionen für strafrechtliche Maßnahmen gegen Drogenabhängige an, die straffällig werden und z.B. Vermögensdelikte begehen. Die Kapazität der niederländischen Gefängnisse wurde von fünftausend auf zwölftausend Plätze erhöht. Mit Recht kann behauptet werden, daß strafrechtliche Maßnahmen gegen den Drogenhandel die wichtigste Ursache für den Anstieg der Freiheitsstrafen sind. Der Konsum weicher Drogen wird von der niederländischen Regierung zwar als riskant betrachtet, aber die Strategie ist angesichts der weniger ernsten Risiken differenzierter als bei den harten Drogen. Der Besitz einer für den Eigenverbrauch bestimmten Menge wurde u.a. nach dem Vorbild einiger US- Bundesstaaten entkriminalisiert, er gilt als Übertretung und nicht als Verbrechen. Damit hat der Gesetzgeber unterstrichen, daß es nicht zu einer strafrechtlichen Stigmatisierung und sozialen Marginalisierung der Konsumenten weicher Drogen kommen darf. In den Niederlanden geht man davon aus, daß der Umstieg von weichen auf harte Drogen eher soziale als physiologische Ursachen hat. Es ist besser, wenn Jugendliche, die weiche Drogen konsumieren wollen - und die Erfahrung hat gelehrt, daß dies auf große Gruppen zutrifft -, dies in einem Umfeld tun können, in dem sie nicht mit der kriminellen Subkultur für harte Drogen in Berührung kommen. Durch die Duldung eines relativ niederschwelligen Angebots von Mengen weicher Drogen für den Eigenverbrauch sollen die Märkte für weiche und harte Drogen voneinander getrennt werden; dadurch entsteht eine soziale Schwelle, die den Umstieg von weichen auf harte Drogen erschwert. In der Praxis hat dies im Laufe der Zeit dazu geführt, daß die Justizbehörden den Verkauf weicher Drogen in Jugendzentren durch bonafide "Hausdealer" duldeten. Sodann sind die sog. Coffeeshops entstanden, in denen weiche Drogen auf kommerzieller Basis an Volljährige verkauft werden. In fast allen Ländern, die mit Drogenproblemen zu kämpfen haben, müssen bei der Strafverfolgung durch die Polizei und Justizbehörden gezwungenermaßen Prioritäten gesetzt werden. Der großangelegte grenzüberschreitende Handel mit harten Drogen hat überall höchste Priorität. Die niedrigste Priorität haben der Kleinhandel und der Besitz weicher Drogen. Dies gilt z.B. für große Teile der Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Nur noch selten wird in diesen Ländern der Besitz kleiner Mengen weicher Drogen bestraft. Der Besitz von einigen Gramm für den Eigenverbrauch wurde de facto entkriminalisiert. In Deutschland wird z.B. aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (9. März 1994) der Besitz einer kleinen Menge Cannabis zum Eigenverbrauch nicht mehr bestraft. In den genannten Ländern werden in von Jugendlichen besuchten Vergnügungsstätten größerer Städte und in deren Umgebung in großem Umfang weiche Drogen verkauft und konsumiert. Die Verfügbarkeit weicher Drogen für Jugendliche ist heute in allen Städten der westlichen Welt groß. Zur Abschirmung dieser Konsumenten von der kriminellen Szene wird in den Niederlanden, wie gesagt, auch dem Kleinhandel mit sog. weichen Drogen, sofern bestimmte strenge Kriterien erfüllt sind, bei der Strafverfolgung eine so niedrige Priorität zuerkannt, daß faktisch nichts mehr dagegen unternommen wird. Auch anderswo wird gegen den Kleinhandel mit weichen Drogen nicht vorgegangen - so zum Beispiel in den angrenzenden deutschen Bundesländern. In den Niederlanden ist diese niedrige Priorität entsprechend den nationalen strafrechtlichen Traditionen allerdings in einer detaillierten öffentlichen Richtlinie der Staatsanwaltschaft verankert. Diese offizielle Duldung beruht also nicht auf einer nachgiebigen, geschweige denn positiven Haltung gegenüber dem Konsum weicher Drogen. Man geht von der Überlegung aus, daß die Duldung des Verkaufs weicher Drogen unter eindeutigen Voraussetzungen Jugendliche vom Konsum gefährlicherer Drogen abhält. Auch die niederländischen Coffeeshop-Maßnahmen stehen im Zeichen der Harm reduction. 1.2 Gegenwärtige Situation und EvaluierungBei der Beurteilung der niederländischen Drogenpolitik muß vor allem auf die in der Praxis erzielten Resultate geschaut werden. Statistische Informationen über den Drogenkonsum beruhen wegen des illegalen Charakters der Drogen auf Schätzungen. Diese Schätzungen basieren unter anderem auf Informationen der Polizei und Hilfseinrichtungen. Eine unbekannte Zahl von Drogenkonsumenten steht jedoch mit keiner einzigen Stelle in Verbindung; sie können daher nicht statistisch erfaßt werden. Der tatsächliche Umfang des Drogenkonsums wird häufig unter anderen aufgrund von Umfragen geschätzt. Wegen des illegalen Charakters werden die Befragten den Konsum von Drogen nicht immer zugeben. Auch werden die problematischsten Gruppen in der Stichprobe oft nicht entsprechend vertreten sein.Im allgemeinen kann davon ausgegangen werden, daß das Bild, das Behörden und Wissenschaftler vom Konsum bestimmter Drogen haben, in dem Maße zuverlässig wird, in dem der Konsum einer Droge seinen illegalen Charakter verliert. In den Niederlanden ist der Besitz weicher Drogen, wie gesagt, seit den siebziger Jahren entkriminalisiert. Der Konsum harter Drogen spielt sich zwar in der Illegalität ab, aber die Hilfseinrichtungen sind in den Niederlanden zahlreich und leicht zugänglich. Die Einrichtungen gehen davon aus, daß sie mit mindestens zwei Drittel aller Drogenabhängigen in Verbindung stehen. Aufgrund dieser Tatsache sind die niederländischen Behörden über Art und Umfang des Drogenkonsums besser informiert als die Behörden anderer Länder. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die verfügbaren statistischen Informationen über den Drogenkonsum in verschiedenen Ländern, dann ergibt sich folgendes Bild. Der Konsum weicher Drogen weicht in den Niederlanden nach Art und Umfang nicht wesentlich von dem in anderen Ländern der westlichen Welt ab. In den letzten Jahren liegt der Konsum u.a. in den Vereinigten Staaten wieder wesentlich höher als in den Niederlanden. Dies gilt auch für die Gruppe der Minderjährigen. Die Entkriminalisierung in den siebziger Jahren hat damals auch nicht zu einer Zunahme des Drogenkonsums bei Jugendlichen geführt. Die Zielsetzung der niederländischen Politik, jungen Erwachsenen, die in einer bestimmten Lebensphase weiche Drogen nehmen wollen, von der harten Drogenszene abzuschirmen, hat sich darüber hinaus als realistisch erwiesen. Nur ein sehr kleiner Teil der Jugendlichen, die weiche Drogen nehmen, steigt auf harte Drogen um. Die von manchen vertretene Auffassung, wonach der bloße Konsum von Hanfprodukten das physiologische und psychische Bedürfnis zum Konsum harter Drogen entstehen läßt - die sog. Stepping-stone-Theorie - hat sich angesichts der Entwicklungen in den Niederlanden als unhaltbar erwiesen. Niederländische Jugendliche, die weiche Drogen nehmen, sind sich durchaus der höheren Risiken bewußt, die der Konsum harter Drogen wie Heroin mit sich bringt; sie sind nicht rasch zu Experimenten bereit. Der Anteil der Konsumenten weicher Drogen, die auf harte Drogen umsteigen, ist in den Niederlanden relativ niedrig. Die Stepping-stone-Theorie muß angesichts dieser Erkenntnisse als eine der vielen Mythen im Bereich des Drogenkonsums bezeichnet werden, ein Mythos, der sich unter Umständen als self fullfilling prophecy erweisen könnte. Wenn man auf Regierungsebene Hanfprodukte und harte Drogen wie Heroin und Kokain in einen Topf wirft, kann das gerade dazu führen, daß Cannabis-Raucher mit harten Drogen in Berührung kommen. Eine solche Gleichstellung gefährdet überdies die Glaubwürdigkeit der Aufklärung Jugendlicher in Sachen Drogen. Egal wie man auch über die Drogenpolitik denkt, besteht doch ein breiter Konsens hinsichtlich des entscheidenden Kriteriums, an dem die Effektivität jeder nationalen Drogenpolitik beurteilt werden muß. Dieses Kriterium ist die Zahl der Konsumenten harter Drogen und insbesondere die Zahl der Konsumenten unter 21 Jahren. Tabelle 1 gibt eine vergleichende internationale Übersicht über die geschätzte Anzahl von Konsumenten harter Drogen. Tabelle 1: Internationaler Vergleich der Prävalenz in bezug auf Abhängige von harten Drogen
Die Zahl der Personen, die von harten Drogen abhängig sind, wird von verschiedenen Experten auf ungefähr 25.000, oder 1,65 Promille der Bevölkerung geschätzt. Unter anderem wegen der guten Zugänglichkeit der Drogenhilfe in den Niederlanden ist diese Schätzung einigermaßen zuverlässig. Ein direkter Vergleich mit den Schätzungen in anderen Ländern ist wegen methodologischer Unsicherheiten nicht möglich. Möglicherweise ist die Dunkelziffer in einigen anderen Ländern, in denen die Hilfseinrichtungen schlechter zugänglich sind, größer als in den Niederlanden. Die verfügbaren Zahlen weisen auf jeden Fall aus, daß der Prozentsatz der Konsumenten harter Drogen hierzulande im Vergleich zum europäischen Durchschnitt, der bei 2,7 auf 100.000 Einwohner liegen soll, niedrig ist. Der Promillesatz liegt in den Niederlanden wesentlich niedriger als etwa in Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und der Schweiz. Anhang I enthält eine Übersicht über die geschätzte Anzahl Drogenabhängiger in einigen europäischen Ländern; bei der Erstellung dieser Übersicht wurden verschiedene Quellen herangezogen. Allen Schätzungen zufolge ist die Zahl der Drogenabhängigen in den Niederlanden relativ niedrig. Erfreulich ist vor allem, daß in den Niederlanden die Zahl der Heroinabhänigen unter 21 Jahren - darunter auch Angehörige gefährdeter Gruppen - relativ niedrig ist und in den vergangenen Jahren weiter abgenommen hat. Auch der Konsum billiger Kokainarten hat hier keine große Verbreitung gefunden, wie vor einigen Jahren angesichts der Entwicklungen in den Vereinigten Staaten befürchtet wurde. Der Drogenkonsum bei Jugendlichen wurde wahrscheinlich auch durch das "Loser-Image" der Heroinsüchtigen gebremst. Stark verwahrloste ältere Heroinsüchtige in manchen sozial benachteiligten Vierteln liefern eine überzeugende Antipropaganda für den Heroinkonsum. Das Fehlen repressiver polizeilicher Maßnahmen gegen die Drogenabhängigen wegen ihres Drogenkonsums und die niedrigschwellige Abgabe des Ersatzmittels Methadon verhindern, daß der Lebensstil Drogenabhängiger von Jugendlichen als Äußerung sozialen oder kulturellen Protests gesehen wird. Die Zahl der Sterbefälle im Zusammenhang mit einer Überdosis von Rauschmitteln liegt in den Niederlanden auf einem relativ niedrigen Niveau. Einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge waren in den Niederlanden 1991 42 Drogentote zu verzeichnen, in Belgien waren es 82, in Dänemark 188, in Frankreich 411, in Deutschland 2125, in Italien 1382, im Vereinigten Königreich 307, in Spanien 479 und in den Vereinigten Staaten 5830. Die Zahl der Drogentoten pro 100.000 Einwohner liegt anderswo also mindestens zweimal so hoch. Im Gegensatz zu anderen Ländern in der Welt ist in den Niederlanden keine Zunahme der Zahl der Drogentoten zu verzeichnen. Die Zahl der Aids-Fälle unter Drogensüchtigen ist in den Niederlanden relativ gering. Vor allem in den südeuropäischen Ländern ist der Prozentsatz mit dem Aidsvirus infizierter Drogenabhängiger wesentlich höher. Dank der Zugänglichkeit des Hilfsangebots, einschließlich des Spritzenumtausches und der umfassenden Aufklärung in unserem Land, sind die mit dem intravenösen Drogenkonsum verbundenen Risiken erheblich geringer geworden. Der Anteil der Drogenabhängigigen an der Gesamtzahl der HIV-Positiven ist verhältnismäßig gering. Untersuchungen haben ergeben, daß fast 60% der heroinsüchtigen Prostituierten auf Kondomgebrauch bestehen; 1986 waren es nur 20%. Hiervon geht ebenfalls seine präventive Wirkung gegen die Verbreitung der Epidemie außerhalb der primären Risikogruppen aus. Auch was die Mortalität und Morbidität unter den Drogenabhängigen angeht, fällt ein Vergleich mit den Nachbarländern günstig aus. Die sog. Harm-reduction-Politik, zu der auch die großangelegten Methadonprogramme und der Spritzenumtausch zu rechnen sind - Maßnahmen mit denen man in den Niederlanden bereits in den siebziger Jahren begonnen hat -, hat relativ gute Ergebnisse erbracht. Diese Maßnahmen haben zur Eindämmung der AIDS-Epidemie beigetragen. Alles in allem ist der Schluß gerechtfertigt, daß mit der niederländischen Drogenpolitik konkrete Ergebnisse in bezug auf die Volksgesundheit erzielt worden sind. 1.3 Komplikationen und neue TrendsTrotz der im internationalen Vergleich nicht ungünstigen Situation auf dem Gebiet der Volksgesundheit, ist der Drogenkonsum und alles, was damit zusammenhängt, auch in den Niederlanden ein großes Problem für den Staat und die Gesellschaft. Komplizierende Faktoren sind die Begleiterscheinungen des Drogenkonsums, die organisierte Kriminalität im Zusammenhang mit dem Drogenhandel und die Kritik des Auslandes bezüglich vermeintlicher und tatsächlicher externer Auswirkungen.Ein kleiner Teil der Abhängigen von harten Drogen verursacht eine erhebliche Belästigung der Bevölkerung. Auf das Konto dieser Gruppe gehen zahlreiche Vermögensdelikte, die begangen werden, um sich das Geld für Drogen zu beschaffen. Die niedrigschwellige Abgabe von Methadon, für die man sich in den Niederlanden entschieden hat, hat hier anders als erwartet kaum Verbesserung gebracht. Ungefähr zwanzig Prozent der Drogenabhängigen hat einen äußerst unangepaßten Lebensstil: Nichtseßhaftigkeit, Polytoxikomanie und Kriminalität verstärken sich gegenseitig. Durch den Verkauf von Drogen, die Drogenkriminalität und das asoziale Verhalten Drogenabhängiger, etwa wenn sie Spritzen liegen lassen, wird die Toleranzschwelle vor allem der Bewohner sozial benachteiligter Viertel in Städten regelmäßig überschritten. Als Folge davon nahmen Bürger in einigen Fällen das Recht selbst in die Hand, indem sie z.B. Drogenabhängige mit Gewalt aus ihrem Viertel entfernten (oder eine Straße für französische Drogentouristen sperrten). Selbstverständlich kann Drogenkonsum niemals ein Freibrief dafür sein, seine Mitbürger zu behindern und ihnen Schaden zuzufügen. Die Behörden müssen ungeachtet der drogenpolitischen Zielsetzungen gegen Kriminalität und asoziales Verhalten vorgehen. Da die Zielgruppe - etwa 5000 Drogenabhängige mit extrem unsozialem Verhalten - gut überschaubar ist, hofft das Kabinett hier kurzfristig Resultate verbuchen und eine dauerhafte Beseitigung dieses Übels in Aussicht stellen zu können. In einigen Gemeinden beschwert sich die Bevölkerung über Belästigungen durch Coffeeshops, ihre lärmenden und sich asozial verhaltenden (auch ausländischen) Besucher. Die Probleme, die Coffeeshops verursachen, sind anderer Art als die der Szene, in der harte Drogen gehandelt werden. Es handelt sich hier teils um Belästigungen, die auch bei anderen Gaststättenbetrieben auftreten. In manchen Gemeinden kommt es jedoch u.a. wegen der ausländischen Drogentouristen in der Nachbarschaft von Coffeeshops zu exzessiven Belästigungen. Hierfür gibt es keinerlei Entschuldigung. Diese unerwünschten Nebenwirkungen schwächen die gesellschaftliche Akzeptanz für die Coffeeshop- Maßnahmen und müssen daher beseitigt werden. Dies gilt ebenso für Probleme, die in Kneipen verursacht wurden, in denen entgegen den kommunalen Bestimmungen Cannabis verkauft wird. Auch gegen Coffeeshops, in denen illegale Aktivitäten wie der Handel mit harten Drogen, Waffen oder in denen Hehlergeschäfte stattfinden, müssen strengere Maßnahmen getroffen werden. Die Grenzen der Duldung müssen enger gezogen werden. Die zweite erschwerende Faktor ist der zunehmende Einfluß krimineller Organisationen, die sich auf die Beschaffung und den Verkauf von Drogen spezialisiert haben. Obwohl genaue Zahlen über diese Organisationen naturgemäß fehlen, haben Berufsverbrecher, die sich ganz oder teilweise dem Rauschgifthandel verschrieben haben, ihre Geschäfte in den letzten zehn Jahren sowohl international als auch national zweifelsohne stark ausweiten können. Weltweit werden im Drogenhandel Gewinne von schätzungsweise 500 Milliarden Gulden pro Jahr erzielt. Die Schätzungen der Umsätze, die in den Niederlanden mit weichen und harten Drogen erzielt werden, schwanken erheblich. Die in dem Regierungsbericht über das organisierte Verbrechen (Nota Georganiseerde criminaliteit: dreigingsbeeld en plan van aanpak; kamerstukken II 1992-1993, 22838, nr. 1) genannte Zahl von 5,5 Milliarden Gulden pro Jahr muß heute als Mindestbetrag betrachtet werden. Neuere Schätzungen gehen von 10 Milliarden aus. Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des organisierten Verbrechens geht auch aus der Tatsache hervor, daß finanzielle Einrichtungen im Jahre 1994 2600 "verdächtige" finanzielle Transaktionen bei der Meldestelle für ungewöhnliche finanzielle Transaktionen (Meldpunt Ongebruikelijke Transacties) gemeldet haben, die an die Justizbehörden weitergeleitet worden sind. Etwa die Hälfte dieser verdächtigen Transaktionen bezog sich auf den Drogenhandel. Die zunehmende Aktivität und wirtschaftliche Macht dieser meist international tätigen kriminellen Organisationen sind eine Bedrohung für den demokratischen Rechtsstaat und führen selbstverständlich zu Gegenreaktionen u.a. in Form von größeren Befugnissen und zusätzlichen Mitteln für Polizei und Justiz. Darüber hinaus werden auch die Banken und Angehörige bestimmter freier Berufe bei der Prävention und Ermittlung in Geldwäscheangelegenheiten eingeschaltet. Die Beträge, um die es geht, haben einen so großen Umfang angenommen, daß die Integrität mancher Wirtschaftsbereiche schwer auf die Probe gestellt wird. Staatliche Maßnahmen werden dadurch erschwert, daß Geldströme immer weniger durch Staatsgrenzen behindert werden. Die Reichweite der strafrechtlichen und präventiven Interventionen wird stets größer. Diese Entwicklung hat unvermeidlich zur Folge, daß im öffentlichen Interesse von Betrieben und Privatpersonen Opfer in Form zusätzlicher Lasten und Einschränkungen der bürgerlichen Rechte und Freiheiten verlangt werden. Umgekehrt versuchen kriminelle Organisationen, um sich gegen diese gemeinsame Gegenoffensive zu wehren, Mitarbeiter der Polizei, Justiz und Banken wie auch bestimmte Angehörige freier Berufe zu korrumpieren. Dies hat wiederum die Einführung oder Verschärfung standesrechtlicher Vorschriften zur Folge. Durch diesen Teufelskreis entstehen immer höhere soziale Kosten. In manchen Teilen der Vereinigten Staaten belasten die Kosten für das Gefängniswesen den Haushalt so stark, daß für andere öffentliche Einrichtungen wie Bildungsanstalten kaum noch genug Geld vorhanden ist. Manche Kritiker meinen, daß die Kosten der Drogenpolitik nicht mehr in angemessenem Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Die zur Zeit stattfindende parlamentarische Untersuchung über die Zulässigkeit von Fahndungsmethoden zur Aufdeckung krimineller Organisationen richtet sich so gesehen auch auf bestimmte widersprüchliche Auswirkungen der Politik in bezug auf den Drogenhandel. Ein weiterer komplizierender Faktor sind die internationalen Auswirkungen der niederländischen Politik. Die mitunter scharfe Kritik ausländischer Behörden beruht zum Teil auf einer unzureichenden Sachkenntnis. Deshalb müssen die Hintergründe, Zielsetzungen und tatsächlichen Auswirkungen der niederländischen Drogenpolitik international besser bekannt gemacht werden. Eine weitere Quelle der Kritik kann eine grundlegend andere Auffassung von der Aufgabe des Staates hinsichtlich des Konsums riskanter Stoffe durch erwachsene Bürger sein. Solch unterschiedliche Auffassungen kommen auch bei der Regulierung der Märkte für Tabak und Alkohol in den einzelnen europäischen Ländern zum Ausdruck. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Auffassungen über die medizinischen Risiken bestimmter Drogen. Die Auffassung des niederländischen Gesetzgebers, wonach Cannabisprodukte weniger Gesundheitsrisiken als harte Drogen mit sich bringen und somit eine andere Behandlung erfordern, wird auch innerhalb der Europäischen Union nicht überall geteilt. Neuere ausländische Berichte führender Drogenexperten rechtfertigen den vom niederländischen Gesetzgeber gemachten Unterschied zwischen weichen und harten Drogen. Kritik, die sich auf Meinungen über Gesundheitsrisiken stützt, für die es in der wissenschaftlichen Literatur keine Unterstützung mehr gibt, kann selbstverständlich kein Grund zur Anpassung der niederländischen Politik sein. Als Reaktion hierauf sollten wissenschaftliche und amtliche Austauschprogramme durchgeführt werden. Trotz des ideologischen Hintergrunds eines Teils der ausländischen Kritik darf nicht verhehlt werden, daß der niederländischen Politik problematische Elemente anhaften, mit denen das Ausland konfrontiert wird. Beim Handel mit bestimmten Drogenarten spielen die Niederlande und Niederländer eine unverhältnismäßig große Rolle. Nach polizeilichen Schätzungen gibt es in den Niederlanden ungefähr hundert kriminelle Organisationen, die zum größten Teil im Drogengeschäft tätig sind. Bei kriminellen Organisationen, die u.a. mit harten Drogen handeln, sind Personen ausländischer Herkunft mit engen Verbindungen zu ihrem Herkunftsland überproportional vertreten. Organisationen, in denen überwiegend autochthone Niederländer vertreten sind, handeln vor allem mit weichen Drogen. Es handelt sich hier nur zu einem kleinen Teil um die Versorgung des nationalen Marktes. Niederländer sind ferner an der Durchfuhr und am internationalen Handel mit weichen Drogen beteiligt. Die Niederlande sind auch ein wichtiges Herstellerland für Amphetamine und Ecstasy. Die Ursache für die Rolle der Niederlande im Drogenhandel ist teils in der geographischen Lage des Landes zu suchen. Die Niederlande sind für viele Waren der wichtigste Gateway to Europe. Auch ist insbesondere Amsterdam wegen seiner kosmopolitischen Ambiance ein internationaler Ort der Begegnung. Daß die bestehenden Infrastrukturen auch für den Drogenhandel genutzt werden, ist, wie dem Bericht Gesellschaft und Kriminalität (Nota Samenleving en Criminaliteit) aus dem Jahre 1985 zu entnehmen ist, nicht völlig zu vermeiden. Die niederländischen Behörden unternehmen große Anstrengungen bei der Strafverfolgung der Personen, die im internationalen Rauschgifthandel über die Seehäfen und den Flughafen Schiphol tätig sind. Die Teilnahme an internationalen Fahndungsvorhaben soll in den kommenden Jahren u.a. durch die Bildung eines überregionalen Fahndungsteams verstärkt werden. Es wird jedoch angesichts des Umfangs und der Schnelligkeit der Güterströme wohl nie gelingen, etwa den Rotterdamer Seehafen oder irgendeinen anderen Welthafen völlig "drogenfrei" zu machen. Die Regierungen einiger Nachbarländer sind wegen der grenzüberschreitenden Auswirkungen der niederländischen Politik besorgt. Stein des Anstoßes sind insbesondere die relativ niedrigen Preise, für die in den letzten Jahren in den Niederlanden, seit kurzem übrigens auch in Belgien, verschiedene harte Drogen gekauft werden können, aber auch der Export von in den Niederlanden in Coffeeshops gekauften weichen Drogen. Der Grund für die niedrigeren Preise auf dem illegalen Markt für Heroin kann nicht einfach der Haltung zugeschrieben werden, die die Niederlande in bezug auf die Produktion oder Einfuhr der Drogen einnehmen. Anders als im Ausland manchmal angenommen wird, wird der Handel mit harten Drogen in den Niederlanden, wie oben bereits erwähnt, intensiv verfolgt und schwer bestraft. Die rasche Erweiterung der niederländischen Gefängniskapazität zeugt hiervon. Der entscheidende Faktor ist das überwältigende Angebot harter Drogen auf den internationalen Märkten, was auch in den regelmäßig erscheinenden UNO-Berichten bestätigt wird. Der Marktpreis für die Konsumenten wird u.a. durch die lokale Nachfrage nach den jeweiligen Drogen bestimmt. In den Niederlanden wie auch in einigen anderen Ländern sinkt die Popularität von Heroin sehr stark; hinzu kommt, daß für die Gruppe älterer Abhängiger in großem Umfang Ersatzmittel wie Methadon bereitgestellt werden. Möglicherweise drückt die sinkende Nachfrage nach Heroin die Preise. Tatsache bleibt, daß die niedrigen Preise für harte Drogen den Drogentourismus fördern und daher Anlaß zur Besorgnis geben. Eine Intensivierung der Fahndungsbemühungen insbesondere in bezug auf harte Drogen einschließlich Ecstasy ist erforderlich. Die entsprechenden Regierungsmaßnahmen sollen in Kapitel 5 des Berichts näher erörtert werden. Die Coffeeshops ziehen, vor allem in den Grenzgemeinden, ausländische Kunden an. Zwischen Ländern mit unterschiedlichen Regelungen für den Verkauf von Spirituosen oder anderen Waren wie etwa Waffen entsteht ein spezieller hierauf ausgerichteter Grenzverkehr. Solange es Unterschiede dieser Art gibt, sind Schmuggelaktivitäten nicht zu verhindern. Da im Schengener Abkommen nunmehr vereinbart wurde, daß gewisse Unterschiede in der Drogenpolitik der Mitgliedsländer bestehen bleiben dürfen, müssen solche Nebenwirkungen bis zu einem gewissen Grad in Kauf genommen werden. Der niederländische Staat hat jedoch mit der Unterzeichnung des Schengener Abkommens die Verpflichtung auf sich genommen, bei der Durchführung der eigenen Politik unerwünschte internationale Nebenwirkungen möglichst zu vermeiden. Von der niederländischen Regierung darf erwartet werden, daß sie alle erforderlichen Anstrengungen unternimmt, um den Export der in den Coffeeshops gekauften weichen Drogen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Zu Recht stellen die Nachbarländer diese Forderung an die Niederlande. 1.4 Ausgangspunkte für die künftige PolitikNach unserer Auffassung gibt es angesichts der erzielten Ergebnisse keinen Grund, die primär auf die Beschränkung von Gesundheitsschäden ausgerichtete Drogenpolitik grundsätzlich zur Diskussion zu stellen. Es gibt demnach auch keinen Anlaß, sie grundlegend zu ändern. Tiefgreifende Änderungen könnten sich sogar nachteilig auf die Volksgesundheit auswirken. Allerdings zwingen die drei hier genannten Komplikationen - die Belästigung der Bürger, die organisierte Kriminalität und die Kritik des Auslandes wegen bestimmter externer Auswirkungen der Politik - zu einer genauen Analyse der Probleme, die sich in der Praxis ergeben und zu entsprechenden Korrekturen in Teilbereichen. Laut Koalitionsabkommen soll die relativ erfolgreiche niederländische Behandlung des Drogenproblems fortgesetzt werden; bestimmte Differenzierungen sollen vorgenommen und neue Möglichkeiten erprobt werden. Besondere Aufmerksamkeit soll Begleiterscheinungen des Drogenkonsums, wie der Belästigung der Bevölkerung, gelten.Anpassungen der Maßnahmen im Zusammenhang mit den sich fortwährend ändernden Umständen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite der verschiedenen Drogenmärkte sind ebenfalls erforderlich. Änderungen in der Gruppenstruktur und sozialen Herkunft der Drogenkonsumenten und das Angebot neuer Drogen machen neue Maßnahmen notwendig. Die Stabilisierung der Gruppenstruktur der Heroinsüchtigen in den Niederlanden hat zur Folge, daß die Suchthilfe sich auf ältere Klienten mit ernsten physischen und psychischen Problemen richten muß. Heroin hat, wie bereits gesagt, unter Jugendlichen stark an Popularität eingebüßt; die Anzahl primär Kokainsüchtiger hält sich offenbar in Grenzen. Die sog. Designerdrogen wie Ecstasy finden - bei riesigen House- Parties, aber auch anderswo - dagegen mehr Abnehmer. Diese Drogen erfordern neue Maßnahmen. Schließlich hat sich offenbar auch die Haltung der Bevölkerung gegenüber Drogenabhängigen geändert. Einerseits hat man sich bis zu einem gewissen Grad an bestimmte Formen des Drogenkonsums gewöhnt, anderseits wird die Drogensucht immer weniger als Entschuldigung akzeptiert, wenn andere Schaden leiden. Die Toleranz gegenüber Kriminalität, verschiedenen Begleiterscheinungen des Drogenkonsums und asozialem Verhalten von Drogenabhängigen hat abgenommen. Gerade zur pragmatischen niederländischen Drogenpolitik gehört ein großes Maß an Offenheit, kritischer Einstellung und Flexibilität. Auf auftretende Komplikationen und neue Trends wird man adäquate, d.h. realistische Antworten finden müssen. In der in den Niederlanden geführten Diskussion über die bei der Drogenpolitik auftretenden Komplikationen wurde von verschiedener Seite für eine weitgehende oder sogar völlige Legalisierung weicher und harter Drogen plädiert. Das Kabinett hat geprüft, ob eine Legalisierung möglich und wünschenswert ist, und ist zu den folgenden Schlußfolgerungen gelangt. Entsprechend den niederländischen Auffassungen über die Schädlichkeit der verschiedenen Arten von Drogen muß ein Unterschied zwischen der Legalisierung harter bzw. weicher Drogen gemacht werden. Angesichts der Schädlichkeit harter Drogen überwiegen aus Gründen der Volksgesundheit die Bedenken in bezug auf drogenpolitische Maßnahmen, die eine Zunahme der Anzahl der Konsumenten zur Folge hätten. Die Befürworter einer Legalisierung schieben diese Bedenken zu leicht beiseite. Auch wenn es sich nicht mit letzter Gewißheit sagen läßt, so muß doch befürchtet werden, daß eine Legalisierung - egal für welche Modalität man sich auch entscheidet - die Verfügbarkeit der betreffenden Drogen erhöhen und von Jugendlichen als Hinweis darauf gesehen wird, daß sie weniger schädlich sind als angenommen. Somit bestünde die Gefahr, daß mehr Jugendliche harte Drogen erst ausprobieren und dann abhängig werden. Das Kabinett ist nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. Es sprechen noch andere Argumente dagegen. Nach einer Legalisierung gleich welcher Art würden die Preise auf den legalen und den übriggebliebenen illegalen Märkten für harte Drogen in den Niederlanden wahrscheinlich wesentlich niedriger liegen als in den Nachbarländern. Dies hätte mit Sicherheit eine Zunahme des bereits jetzt von den Regierungen der Nachbarländer wie auch von den niederländischen Gemeindeverwaltungen kritisierten Drogentourismus zur Folge. Die negativen Begleiterscheinungen durch den Drogenkonsum würden dann eher zu- als abnehmen. Ferner muß befürchtet werden, daß das Ziel, dem illegalen Drogenhandel durch den legalen Verkauf harter Drogen Schranken zu setzen, nicht erreicht würde, solange die Legalisierung auf die Niederlande beschränkt bleibt. Die Versorgung des Inlandsmarktes ist nur eine der Aktivitäten der größeren kriminellen Organisationen. Solange es irgendwo in Europa einen lukrativen Markt für illegale Drogen gibt, werden die Niederlande als zentral gelegenes Transitland mit illegalem Drogenhandel durch niederländische und internationale kriminelle Organisationen und der Notwendigkeit seiner Bekämpfung konfrontiert sein. Eventuelle Vorteile einer Legalisierung werden sich erst dann zeigen, wenn sich auch andere Länder hierfür entscheiden. Auch dann wäre es übrigens noch keineswegs sicher, daß kriminelle Organisationen weniger aktiv werden. Viele Organisationen würden ihre kriminellen Aktivitäten bloß in andere Bereiche verlegen. Kurzum, eine Legalisierung der harten Drogen wird vom Kabinett abgelehnt. Auch in bezug auf die weichen Drogen spielt das Argument der Volksgesundheit eine Rolle, obwohl es weniger schwer wiegt als bei den harten Drogen. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß der mehr oder weniger freie Verkauf weicher Drogen für den Eigenbedarf in den Niederlanden nicht zu einem wesentlich höheren Konsum geführt hat als in Ländern, in denen auf diesem Gebiet stark repressive Maßnahmen üblich sind. Der Unterschied liegt darin, daß in den Niederlanden die oft jungen Cannabis- Konsumenten nicht kriminalisiert werden. Der Konsum von Cannabis ist weniger schädlich als der Konsum von harten Drogen. Dennoch bringt auch der Konsum von Cannabis Gefahren mit sich, vor allem für Jugendliche. Die Parallele zu Stoffen wie Nikotin und Alkohol liegt auf der Hand. Auch bei den behördlichen Maßnahmen muß diese Parallele zum Ausdruck kommen. Wir versuchen, den Konsum von Alkohol und Nikotin durch eine gewisse Angebotsbeschränkung und andere restriktive Maßnahmen zu beschränken. Dabei geht es um Aufklärung und nicht um ein allgemeines Verbot. Wir halten weder die Schließung der Coffeeshops noch die völlige Freigabe des Cannabisverkaufs für wünschenswert. Man wird darauf hinwirken, den Konsum möglichst zu beschränken, indem man z.B. die Zahl der Coffeeshops reduziert, Altersgrenzen für den Verkauf festlegt und Coffeeshops in der Umgebung von Schulen verbietet. Schließlich soll auch die Aufklärung über die nachteiligen Folgen des Cannabiskonsums intensiviert werden. Vor diesem Hintergrund sollte eher an ein Modell gedacht werden, bei dem die Lieferung unter Staatsaufsicht geschieht oder auf andere Weise streng reglementiert wird. Dies erinnert an das frühere Opium-Monopol des Staates in Indonesien. Die Einführung irgendeines Genehmigungssystems für den Anbau von Cannabis erfordert jedoch die Abschaffung seiner Strafbarkeit, d.h. seine Legalisierung. Der niederländische Staat kann schließlich keine Genehmigung zur Erteilung strafbarer Handlungen erteilen oder sich selbst der Mittäterschaft schuldig machen. Wie in Anhang II zu diesem Bericht erläutert, lassen die von den Niederlanden ratifizierten Verträge nach Auffassung von Experten auf dem Gebiet des internationalen Strafrechts keinen Spielraum für die Legalisierung des Drogenverkaufs; ausgenommen sind lediglich Drogen für medizinische und wissenschaftliche Zwecke. Insbesondere das UNO-Übereinkommen von 1988 zwingt zur Bestrafung des Cannabis- Anbaus. Im Schengener Abkommen wurde vereinbart, daß die Opium-Verträge der Vereinten Nationen ohne Einschränkung befolgt werden. Mit einer großzügigen Auslegung der für die Niederlande geltenden Vertragsverpflichtungen durch die Vertragspartner und die zuständigen internationalen Organisationen kann nicht gerechnet werden. Eine Legalisierung würde daher nicht nur die Kündigung der Opium-Verträge, sondern auch des Schengener Abkommens erfordern, das schließlich die Einhaltung dieser Verträge fordert. Die Einführung eines Genehmigungssystems ist wegen der geltenden Vertragsverpflichtungen kein begehbarer Weg. Ferner muß der Tatsache Rechnung getragen werden, daß Nachbarländer unvermeidlich mit den Folgen einer solchen Politik konfrontiert würden. Zu befürchten wäre beispielsweise, daß ein Teil der reglementierten Lieferungen illegal ins Ausland gelangt. Eine Legalisierung des Anbaus, Handels und Verkaufs weicher Drogen würde durch das Wegfallen des strafrechtlichen Unternehmerrisikos darüber hinaus zu noch niedrigeren Preisen auf dem niederländischen Markt führen, wodurch der Drogentourismus neue Nahrung erhielte. Auch das ist - vor allem für die grenznahen Gemeinden - keine günstige Perspektive. Sowohl wegen der Vertragsverpflichtungen als auch wegen der großen und weiter zunehmenden Mobilität innerhalb der Europäischen Union darf es keine großen Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit von Drogen in den einzelnen Mitgliedstaaten geben. Die Diskussion über die Legalisierung von Drogen hat also eine europäische Dimension erhalten und muß deshalb in europäischem Rahmen geführt werden. Natürlich können die Niederlande, etwa in Zusammenarbeit mit einigen deutschen Bundesländern und im Sinne des bereits genannten Berichts des französischen Henrion-Ausschusses in dieser europäischen Diskussion eine aktive Rolle spielen. Wir werden uns auch weiterhin darum bemühen. In der heutigen Situation hält es das Kabinett jedoch nicht für möglich, daß die Niederlande im Alleingang eine Legalisierung der weichen Drogen ins Auge fassen. Allerdings ist unserer Auffassung nach die Zeit reif für mehr Deutlichkeit über die Grenzen, innerhalb deren Inhaber von Coffeeshops im Rahmen der vertragsrechtlichen Möglichkeiten ihre Tätigkeit ausüben können. Die Institution Coffeeshop hat hierzulande in den vergangenen zwanzig Jahren ihre Existenzberechtigung bewiesen und bedarf nunmehr einer Regelung. Dabei geht es nicht nur um eine Präzisierung der staatsanwaltschaftlichen Richtlinien in bezug auf die Fahndung und Strafverfolgung in Rauschgiftsachen, sondern auch um nähere verwaltungsrechtliche Regelungen. 1.5 SchlußfolgerungenEine Verbesserung der heutigen, unter dem Aspekt der Volksgesundheit erfolgreichen Politik verdient den Vorzug gegenüber einer radikalen Kursänderung mit allen ungewissen Vor- und Nachteilen. Die niederländische Drogenpolitik wird innerhalb der durch internationale Verträge festgelegten Grenzen primär auf Prävention und Harm reduction ausgerichtet sein. Aufgrund einer genauen Evaluierung der erzielten Ergebnisse und der aktuellen Probleme werden in diesem Bericht Vorschläge für drogenpolitische Kursänderungen unterbreitet.Gegen die durch in- und ausländische Drogenabhängige verursachten Probleme müssen kurzfristig effektive Maßnahmen ergriffen werden. Dies erfordert eine koordinierte Aktion der Exekutive, der Staatsanwaltschaften, der Hilfseinrichtungen, der Polizei und der Ausländerbehörde. Harte Maßnahmen sollen, wo nötig, nicht gescheut werden. Die Entwicklung des organisierten Verbrechens ist eine Bedrohung für den demokratischen Rechtsstaat. Der niederländische Rechtsstaat wird sich hiergegen u.a. in internationalem Rahmen weiterhin sehr entschieden zur Wehr setzen müssen, selbstverständlich ohne dabei seine normativen Prinzipien zu verleugnen. Die Fahndung nach Drogenhändlern und deren Strafverfolgung müssen bei der Polizei und Justiz weiterhin höchste Priorität genießen. Die Suchthilfe wird sich u.a. im Zusammenhang mit der Verlagerung der Probleme - mehr ältere Heroinabhängige, neue Designerdrogen - neu orientieren müssen. In den folgenden Kapiteln soll der Reihenfolge nach auf die Maßnahmen im Bereich der harten Drogen, die notwendigen Reformen bei der Suchthilfe, die Maßnahmen im Bereich der weichen Drogen und die strafrechtlichen Maßnahmen bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz eingegangen werden. Der Bericht schließt mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Schlußfolgerungen und Regierungsvorhaben. 2. Die Maßnahmen hinsichtlich des Konsums harter Drogen2.1 Umfang und ArtDie Zahl der Heroinsüchtigen wird, wie bereits erwähnt, in den Niederlanden auf etwa 25.000 geschätzt. Wenn man die beträchtliche Zahl von Süchtigen, die nicht mit Hilfeleistungseinrichtungen und Justizbehörden in Berührung kommen, mitberücksichtigt, fällt diese Schätzung mit 27.000 Personen etwas höher aus. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und sicherlich zu den Vereinigten Staaten sind diese Zahlen, wie bereits gesagt, nicht hoch (siehe Anhang I).Die Untergruppe der primär Kokainsüchtigen hatte in den letzten Jahren einen gewissen Zuwachs zu verzeichnen, ist jedoch weiterhin beschränkten Umfangs. Dies gilt auch für die Konsumenten billigerer Kokainarten. Etwa 65% der Dogenabhängigen haben Kontakt zu Hilfeleistungseinrichtungen. Schätzungsweise drei Viertel dieser Heroinkonsumenten erhalten mehr oder weniger regelmäßig das Ersatzmittel Methadon. Der Konsum von Ecstasy (MDMA) unter Schülern hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Jahre 1992 hatten 3,3% der Schüler zwischen 12 und 18 Jahren Ecstasy schon einmal ausprobiert. In den meisten Fällen handelt es sich um gelegentlichen Freizeitkonsum. Häufigen Konsum findet man unter spezifischen Gruppen gefährdeter Jugendlicher wie z.B. Klienten der Jugendhilfe. Der Konsum von Ecstasy kann ernste akute Gesundheitsschäden wie Überhitzung und Austrocknung verursachen, in Einzelfällen sogar bis zum Tod führen. Gleichzeitig können ernste Leber- und Nierenschäden auftreten. Ecstasy gilt wegen dieser Gesundheitsrisiken als harte Droge. Auch andere weniger bekannte Designerdrogen können eine Bedrohung für die Volksgesundheit darstellen. Die raschen Entwicklungen auf dem Gebiet der Psychopharmaka führen dazu, daß immer wieder neue Drogen für den Freizeitkonsum auf den Markt kommen. Eine positive Entwicklung ist, daß die Benutzer sich mehr und mehr als kritische Konsumenten verhalten, die möglichst wenig Risiken eingehen wollen. 2.2 Die Maßnahmen hinsichtlich des Ecstasy-KonsumsDie drogenpolitischen Maßnahmen in bezug auf Ecstasy wurden in einem Papier der Ministerin für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport (TK 1993-1994, Nr. 23760) dargelegt und am 29. Oktober 1994 und 14. Juni 1995 mit dem hierfür zuständigen Ständigen Ausschuß für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport der Zweiten Kammer besprochen. Darin hat die Ministerin ihre Besorgnis über die Entwicklung des Ecstasy-Konsums zum Ausdruck gebracht und eine Reihe von Maßnahmen angekündigt. Es handelt sich um behördliche Maßnahmen, um Maßnahmen, die eine genaue und kritische Beobachtung des Angebots von Designerdrogen, nähere Untersuchungen nach der Schädlichkeit dieser Drogen und die Intensivierung der Aufklärung zum Ziel haben.Angesichts der Tatsache, daß Ecstasy und damit verwandte Drogen häufig auf sog. House-Partys und anderen Großveranstaltungen genommen werden, hat die Ministerin inzwischen Richtlinien für die Kommunalpolitik hinsichtlich dieser Veranstaltungen erlassen. (Stadhuis en House, 1955). Darin wird erläutert, welche Möglichkeiten Gemeinden haben, mit ihren Genehmigungen Auflagen zu verbinden, um den Drogenkonsum und dessen Folgen soweit wie möglich zu unterbinden. Was die Beobachtung des Drogenmarktes angeht, sollen die zur Zeit bestehenden Kontrollsysteme weiter ausgebaut werden. Nähere Untersuchungen der Schädlichkeit von Designerdrogen werden in Kürze aufgenommen. Die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Konsum dieser Drogen erfordern aufmerksames Handeln und ein dynamisches Vorgehen auf dem Gebiet der Aufklärung und Prävention. Die fachliche Eignung der in diesem Bereich tätigen Personen soll daher gefördert werden. Im Herbst dieses Jahres soll außerdem mit einer Reihe von Aufklärungsveranstaltungen begonnen werden. Näheres hierzu enthält Kapitel 3, Abschnitt 2. 2.3 Kriminalität, Ordnungsstörungen und DrogenabhängigeWiederholt wird der Eindruck geweckt, das Gros der Ordnungsstörungen und der Löwenanteil der unter Beschaffungskriminalität fallenden Diebstähle und Einbrüche würde auf das Konto von Drogenabhängigen gehen und alle Drogenabhängigen würden ihren Lebensunterhalt durch Straftaten bestreiten. Dieser Eindruck trifft keineswegs zu.Für einen Teil der Vermögensdelikte sind Gelegenheitstäter verantwortlich. Ein anderer Teil wird von sozial schlecht integrierten Heranwachsenden begangen, die jedoch bei weitem nicht immer drogenabhängig sind. Ebensogut können Illegalität, Spielsucht oder mehr allgemein eine auf Luxuskonsum ausgerichtete Lebensweise, die nicht mit eigenen Mitteln zu finanzieren ist, zu Beschaffungskriminalität führen. Schätzungen zufolge gehen zehn bis zwanzig Prozent aller Straftaten - also einschließlich der nicht aufgeklärten Delikte - auf das Konto von Drogenabhängigen. Da innerhalb dieser Gruppe ein kriminell aktiver Kern überproportional viele Delikte begeht (die Rückfallquote ist hoch) und darüber hinaus sehr offen zu Werke geht, fallen die Drogenabhängigen bei Polizei und Justiz besonders auf. Die höhere Rückfallquote führt zu einem größeren Anteil in den Polizeistatistiken und hat auch längere Freiheitsstrafen zur Folge. Die Tatsache, daß etwa die Hälfte der Gefangenen drogenabhängig ist, paßt ebenfalls in dieses Bild. Hieraus darf jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß die Hälfte der Kriminalitätsprobleme durch Drogenkonsum verursacht wird. Von den aufgeklärten Vermögensdelikten in größeren Städten entfällt neueren Untersuchungen zufolge ein Drittel auf Drogenabhängige. Bei fünf häufig vorkommenden Vermögensdelikten wie Wohnungs- und Autoeinbrüche ist dies sogar die Hälfte. Auf Landesebene ist der Anteil etwas geringer. Niederländischen und ausländischen Untersuchungen zufolge wurden viele Drogenabhängige - manchen Experten zufolge sogar die Hälfte aller Drogenabhängigen - bereits vor ihrer Abhängigkeit straffällig. Bei dieser Gruppe sind Kriminalität und Drogenmißbrauch einander gegenseitig verstärkende Elemente eines unangepaßten Lebensstils. Hier muß wahrscheinlich auch die Erklärung dafür gesucht werden, daß die Abgabe von Methadon an Heroinsüchtige an sich bei weitem nicht immer das Ende ihrer kriminellen Karriere bedeutet. Drogenabhängige sind vor allem an Straftaten auf lokaler Ebene beteiligt: Vermögensdelikte wie Wohnungseinbrüche, Autoaufbrüche, Diebstahl unter Gewaltanwendung, Straßenraub und Ladendiebstähle (Art. 310, 311, 312 Strafgesetzbuch). Darüber hinaus kommen in geringerem Maße Gewalttaten wie Mißhandlung, Bedrohung und Mord- und Totschlag, Waffendelikte und in noch geringerem Umfang Sittlichkeitsdelikte, Verkehrsdelikte und Wirtschaftsstraftaten vor. Gewaltdelikte können durch die enthemmende Wirkung bestimmter Mittel mitverursacht werden. In dieser Hinsicht ist der Alkoholmißbrauch allerdings ein viel wichtigerer kriminogener Faktor. Ferner sind Rauschgiftsüchtige am Straßenhandel mit Drogen beteiligt. Drogenabhängige spielen fast gar keine Rolle in höheren Regionen des organisierten/professionellen Verbrechens. Ordnungsstörungen werden, wie auch die häufig vorkommende Vermögenskriminalität, oft verallgemeinert und undifferenziert Drogenabhängigen zugeschrieben. Obdachlose, Alkoholiker, Illegale, Spielsüchtige und psychiatrische Patienten verursachen in vielen Städten Probleme, und die Bevölkerung fühlt sich nicht mehr sicher. Diese Probleme mit Drogensüchtigen sind ein wichtiger Bestandteil der komplexeren Problematik der Konzentration sozialer Randgruppen in den großen Städten. Im Rahmen der für die großen Städte geplanten Maßnahmen hat der Staatssekretär des Innern u.a. im Namen des Ministers für Soziales und Arbeit, des Ministers für Wirtschaft, der Ministerin der Justiz, der Ministerin für Wohnungswesen, Raumordnung und Umwelt und der Ministerin für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport zunächst mit den vier größten Städten Vereinbarungen getroffen, die zu strukturellen Verbesserungen der Sicherheit und Lebensqualität insbesondere in den sozial am stärksten gefährdeten Vierteln führen sollen. Auch mit den 15 anderen großen Städten sollen derartige Vereinbarungen getroffen werden. Für die Durchführung der jetzigen Pläne hat die Regierung für die kommenden vier Jahre einen Betrag von insgesamt 375 Millionen Gulden bereitgestellt. Hiermit sollen unter anderem umfassende Projekte zur Integration gefährdeter Jugendlicher und Stadtviertel-Projekte zur Verbesserung der Sicherheit und der Lebensqualität finanziert werden. Darüber hinaus wurde ein Betrag von bis zu 560 Millionen Gulden für ein Beschäftigungsprogramm im Bereich der Überwachung vorgesehen. Das Kabinett hat damit die Politik der Prävention von Kriminalität und von Ordnungsstörungen in den großen Städten verstärkt. Es darf erwartet werden, daß die Vereinbarungen mit den Städten die Grundlage für umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung der Probleme im Zusammenhang mit der Verelendung und der Störung der Ordnung sein werden. Die Kriminalität und die Störung der öffentlichen Ordnung, die von einigen tausend sozial extrem unangepaßten Süchtigen mit hoher Rückfallquote verursacht wird, haben inzwischen solche Ausmaße angenommen, daß sie auf jeden Fall effektiver bekämpft werden müssen. Da die Möglichkeiten hierzu angesichts der übersichtlichen Zielgruppe vorhanden sind oder zu finden sein müssen, sieht es die Regierung als ihre Aufgabe an, hier kurzfristig spürbare Resultate zu erzielen. Maßnahmen zur Strafverfolgung, die auf die kleine Gruppe der kriminell besonders aktiven Süchtigen ausgerichtet sind, können zu einer Reduzierung der Kriminalität führen. Sie werden entschlossen vorangetrieben. Ferner muß das Betreuungsangebot angepaßt werden. In Kapitel 3, Abschnitt 6 wird hierauf näher eingegangen. 2.4 Verwaltungsmaßnahmen gegen OrdnungsstörungenZur Bekämpfung der von den Drogensüchtigen verursachten Ordnungsstörungen und Vermögenskriminalität werden die lokalen Behörden, die Polizei, die Staatsanwaltschaften und die Helfer das Verhalten der genannten Personengruppen auf konsistente Art und Weise konditionieren müssen. Sozial unangepaßtes Verhalten muß konsequent sanktioniert werden, angepaßtes Verhalten sollte dagegen soweit wie möglich belohnt werden.Im Stadtteil Westerpark in Amsterdam ist seit einiger Zeit eine Meldestelle für Ordnungsstörungen erfolgreich tätig. In vielen Fällen kann bei Problemen vermittelt werden. Diese Initiative ist beispielhaft; die Einrichtung weiterer Meldestellen in Amsterdam ist geplant. Wir werden darauf hinwirken, daß an mehreren Orten in enger Zusammenarbeit mit der Polizei, den Gemeinden und Einrichtungen auf dem Gebiet der Suchthilfe solche Meldestellen eingerichtet werden. Solche Meldestellen können bei der gemeinsamen Vorbereitung von Gerichtsverfahren und bei der Beweisführung Unterstützung bieten. Sie machen rascheres Handeln und eine bessere Koordinierung der Maßnahmen möglich und können feststellen, welche Drogenabhängigen die meisten Probleme verursachen. An der Lösung dieser Probleme, die Drogenabhängige verursachen, sind viele Dienststellen beteiligt. Dies erfordert eine gute Regie, die bürokratische Hürden nehmen kann. Die vier größten Städte haben vorgeschlagen, gemeinsam mit den direkt beteiligten Ministerien eine Projektgruppe zur Bekämpfung der Drogenprobleme einzusetzen, der Beamte angehören sollen, die mit einem weitreichenden Mandat ausgestattet sind. Diese Projektgruppe muß dafür sorgen, daß behördliche Vereinbarungen von allen beteiligten Diensten nach einem genauen Zeitplan von allen beteiligten Dienststellen der Zentralbehörde und der Gemeinden durchgeführt und aufeinander abgestimmt werden. Dieser Vorschlag, auch bei der Durchführung zusammenzuarbeiten, paßt zu den von uns initiierten Maßnahmen zugunsten der großen Städte. Die Verwirklichung dieses Vorschlags wurde inzwischen in Angriff genommen. Die Projektgruppe, der neben den zuständigen Ministerien und den vier größten Städten auf jeden Fall auch die Vereinigung Niederländischer Gemeinden (VNG) als Vertreterin der übrigen Gemeinden angehören wird, kann mit der bereits bestehenden Projektgruppe Sicherheit, die für die Maßnahmen zugunsten der großen Städte eingesetzt worden ist, zusammengelegt werden. Es wird die Aufgabe der Projektgruppe sein, nicht nur für die Durchführung der in den Vereinbarungen mit den großen Städten formulierten Sicherheitsbestimmungen zu sorgen, sondern auch für die Durchführung der in diesem Bericht genannten Pläne und Vereinbarungen zur Sicherung der öffentlichen Ordnung. Der Lenkungsausschuß zur Beseitigung von Ordnungsstörungen (Stuurgroep Vermindering Overlast), der eingesetzt wurde, um die in dem Bericht über die Verminderung von Ordnungsstörungen durch Drogenabhängige vorgesehenen Maßnahmen (Nota inzake het beleid gericht op het verminderen van door verslaafden veroorzaakte overlast, TK 1993-94, 22684, Nr. 12) durchzuführen, wird in dieser Gruppe aufgehen, die fortan Zwischenbehördliche Projektgruppe Sicherheit und Suchthilfe (Interbestuurlijke Task Force Veiligheid en Verslavingszorg) heißen soll. Sie wird Arbeitsgruppen für verschiedene Themenbereiche wie die Suchthilfe einsetzen und über ein gut ausgestattetes Sekretariat verfügen können. 2.5 Das juristische InstrumentariumGegen Ordnungsstörungen durch den Handel und Konsum von Drogen auf der Straße kann aufgrund der allgemeinen Gemeindeverordnungen etwas unternommen werden. Man denke hierbei an Versammlungsverbote oder an das Verbot, öffentliche Verkehrswege für andere Zwecke als die zu benutzen, für die sie bestimmt sind. Der Rückgriff auf Notbefugnisse muß hierbei auf tatsächliche Notsituationen im Sinne von Artikel 175 und 176 des Gemeindegesetzes beschränkt sein. Verwiesen sei hierfür auf den Standpunkt der Regierung hinsichtlich der Untersuchung über kommunale Notbefugnisse, den der Minister des Innern dem Vorsitzenden des Ständigen Parlamentsausschusses mit Brief vom 21. März 1995 mitgeteilt hat.Der Handel mit (harten) Drogen von Wohnungen aus ist für die Umwohnenden eine besondere Quelle des Ärgernisses. Bei den Wohnungen handelt es sich meistens um Etagenwohnungen oder Appartements, wobei die Nachbarn mit einem Zulauf von Süchtigen konfrontiert werden, mit allen als bedrohlich empfundenen Begleiterscheinungen. Nicht immer agiert der Mieter als Händler; manchmal wird er unter Druck gesetzt (und mit kleinen Mengen für den Eigenverbrauch belohnt), um den Handel zu dulden, in anderen Fällen handelt es sich um Untervermietung oder illegalen Konsum. Soweit es um Privatvermieter, insbesondere um Wohnungsbaugenossenschaften geht, steht die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Räumungsklage gegen den betreffenden Mieter offen. In Fällen, in denen die Häuser Eigentum eines am Drogenhandel Beteiligten oder nicht an der Bewohnung interessierten Spekulanten sind, bietet dies keinen Ausweg. Strafrechtliche Sanktionen gegen den Kleinhändler können oft nicht verhindern, daß jemand anders den Handel fortsetzt. Vor allem in Vierteln mit einer geschwächten sozialen Struktur besteht das Bedürfnis, beginnende oder fortschreitende Verelendung durch den von Wohnungen aus betriebenen Drogenhandel zu bekämpfen. Wenn die Bewohner auf ein solches Problem hinweisen und polizeiliche Ermittlungen zu einem ähnlichen Ergebnis kommen, muß es möglich sein, den Zugang zu einer Wohnung vorübergehend - bis der Zulauf aufhört - zu unterbinden. Bislang stößt man dabei auf Schwierigkeiten, da Wohnungen aufgrund von Artikel 10 der Verfassung für Bewohner und ihre Angehörigen zugänglich bleiben müssen. Soll der Zugang zu einer Wohnung unterbunden werden, ist dafür eine formelle gesetzliche Grundlage erforderlich. Eine entsprechende Änderung des Gemeindegesetzes ist in Vorbereitung. Die Verletzung der Privatsphäre wird dadurch gerechtfertigt, daß Personen, die in ihrer Wohnung Drogenhandel zulassen oder dulden, in erheblichem Maße selbst den privaten Charakter der Wohnung verletzen. 2.6 DrogentourismusEin Teil der Probleme wird durch ausländische Drogenabhängige verursacht, die sich illegal in den Niederlanden aufhalten, und durch Drogentouristen aus EU-Nachbarländern. Aus Deutschland, Belgien, Frankreich und anderen Ländern kommen Konsumenten harter Drogen in die Niederlande, um sich Rauschmittel zu beschaffen oder sie zu konsumieren. Drogentourismus ist in verschiedenen Gemeinden entlang der Ost- und Südgrenze wie Arnheim, Venlo, Heerlen und Maastricht festzustellen, aber auch einige mehr landeinwärts gelegene Städte werden damit konfrontiert. Manche Drogentouristen konsumieren die gekaufte Ware an Ort und Stelle, andere nehmen bestimmte Mengen für sich selbst oder für andere mit über die Grenze.Der Drogentourismus geht oft mit aggressiver Werbung (sog. Drug-runners) und unzulässigen Ordnungsstörungen in Wohnvierteln und Stadtzentren einher. Die Bekämpfung des Drogentourismus auf der sog. Hazeldonk- Route (Lille, Antwerpen, Rotterdam) erfolgt in Zusammenarbeit mit den französischen und belgischen Behörden. Die Maßnahmen richten sich sowohl auf die Drug-runners als auch auf Drogentouristen. Im Jahre 1994 wurden über 800 Drogentouristen und Drug-runners festgenommen. Dieser Einsatz kostete die niederländische Polizei etwa 35.200 Mannstunden. Die Kurierdienste auf bestimmten Autobahnabschnitten in Belgien und in den Niederlanden haben abgenommen, aber das Phänomen erfordert weiterhin Aufmerksamkeit. Die in diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen beanspruchen die verfügbare Gefängniskapazität erheblich. Auch verlagerten sich die Probleme auf andere Grenzabschnitte und auf andere Häuser. Außerdem benutzte man häufiger die Eisenbahn als Verkehrsmittel. Im Jahre 1995 haben die Rotterdamer Behörden unter dem Namen "Victor" eine breitangelegte Offensive im Rahmen der Bekämpfung des Drogenproblems gestartet. Dabei wurde der Zugang zu zahlreichen Häusern unterbunden und einige hundert ausländische Drogentouristen und Drug-runners festgenommen. Diese repressiven Maßnahmen zur Abschrekung der ausländischen Drogentouristen sollen in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Dabei will man sich bei der Fahndung und Strafverfolgung verstärkt auf die führenden Köpfe der lokalen Verbrauchermärkte für harte Drogen konzentrieren, die die Drug-runners und die Händler einsetzen. Zwischen den Justizbehörden in Belgien und Nordfrankreich und Vertretern der niederländischen Staatsanwaltschaft wurden Gespräche über eine grundlegende Lösung des Problems aufgenommen, bei denen gute Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Fahndungsbehörden im Vordergrund stehen. Zwischen Frankreich und den Niederlanden wurden Gerichts- und Polizeibeamte ausgetauscht. Dadurch hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Justizbehörden verbessert. Die Regierungsmaßnahmen sind darauf ausgerichtet, die an der Süd- und Ostgrenze in diesem Zusammenhang von den verschiedenen Polizeidistrikten unternommenen Bemühungen besser aufeinander abzustimmen und ausländische Verdächtige, sofern möglich, den zuständigen ausländischen Behörden zu überstellen. Bei den Gesprächen mit den Nachbarländern werden auch die Elemente Betreuung und Prävention mitberücksichtigt. Man wird über Zwangsmaßnahmen und Anreize zur Entziehung sprechen, wobei aus dem Ausland stammenden kriminellen Süchtigen die Möglichkeit gegeben wird, als Alternative zu einer Gefängnisstrafe in den Niederlanden sich im Herkunftsland einer Behandlung zu unterziehen. Angesichts der beschränkten Kapazität, die - insbesondere in Frankreich - für die Behandlung Drogensüchtiger verfügbar ist, können die Erwartungen jedoch kurzfristig nicht allzu hochgespannt sein. Im Rahmen des europäischen Drogenbekämpfungsplans haben die Niederlande einen Vorschlag zur Bekämpfung des Drogentourismus vorgelegt. Die Europäische Kommission hat im Rahmen des Drogenbekämpfungsplans einen Vorschlag für ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm zur Prävention der Drogenabhängigkeit unterbreitet. Dieses Programm bietet die Möglichkeit, die Suchthilfe innerhalb der Europäischen Union zu verbessern. Soweit es ausländische Süchtige angeht, die sich strafbarer Handlungen schuldig machen, darunter Kleinhändler und Drug- runners, sind zielstrebige Ermittlungen, Strafverfolgung, Aburteilung oder Übertragung der Strafverfolgung, unmittelbare Ausweisung und, soweit möglich, die Erklärung zum unerwünschten Ausländer (Artikel 21 Ausländergesetz) angezeigt. Auch in bezug auf EU-Bürger, die aufgrund des Gemeinschaftsrechts ein Aufenthaltsrecht haben und im allgemeinen einen besonderen Schutz gegen Ausweisung genießen, sind wir der Auffassung, daß in dringenden Fällen eine unmittelbare Ausweisung erlaubt ist (Artikel 100 Absatz 4 Ausländererlaß). Drogentouristen aus den Nachbarländern, die sich strafbarer Handlungen schuldig machen und dadurch die öffentliche Ordnung stören, müssen damit rechnen, daß sie aufgrund des Ausländergesetzes sofort ausgewiesen werden. Auf keinen Fall kann man sich damit abfinden, daß die Niederlande ein zentrales Aufnahmegebiet für europäische Heroinsüchtige werden. Dem Import ausländischer Drogenprobleme in die Niederlande soll ein Ende bereitet werden.
3. Vorsorge, Betreuung und Behandlung Drogenabhängiger3.1 Das Interesse an neuen Formen der HilfeleistungDie Zahl der von harten Drogen abhängigen Personen ist in den Niederlanden stabil und relativ niedrig (siehe Anhang I). Das Durchschnittsalter von Heroinsüchtigen liegt über dreißig Jahren und steigt weiter. Es gibt daher keinen Grund anzunehmen, daß die Maßnahmen im Bereich der weichen Drogen zu einer Zunahme der Konsumenten harter Drogen geführt haben. Die Tatsache, daß niederländische Jugendliche nach Angaben u.a. des Amsterdamer kommunalen Gesundheitsdienstes (GG&GD) selten vor ihrem 21. Lebensjahr mit dem Konsum harter Drogen wie Heroin oder Kokain beginnen, läßt eher auf das Gegenteil schließen. Daß nur eine geringe Zahl von Jugendlichen bereits vor dem 21. Lebensjahr Heroin oder Kokain nimmt, ist positiv zu bewerten, und zwar um so mehr, als die Erfahrung lehrt, daß die Chancen zur Überwindung der Sucht mit der Zunahme des Einstiegsalters wachsen.Inzwischen werden die Hilfseinrichtungen mit neuen Entwicklungen konfrontiert. Wie oben bereits dargelegt, haben die von einem Teil der Süchtigen verursachten Störungen der öffentlichen Ordnung zugenommen. Ferner werden die Hilfseinrichtungen mit einer stets größer werdenden Vielfalt extrem problematischer Zielgruppen konfrontiert, die ein besonderes Vorgehen erfordern. Beispiele hierfür sind die psychisch gestörten Süchtigen, schwer kriminelle oder aggressive Drogenabhängige, süchtige Obdachlose und Ausreißer, Drogenabhängige ausländischer Herkunft und solche, die mehrere Drogen gleichzeitig konsumieren. Ein gemeinsames Kennzeichen dieser Gruppen ist, daß die Suchtproblematik nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern meist mit anderen Problemen wie psychischen Erkrankungen, Lebensstil- und Gesundheitsproblemen bzw. sozialen Benachteiligungen verknüpft ist. Immer häufiger tauchen bei Süchtigen Erkrankungen wie TBC und Hepatitis auf. Schließlich befinden sich viele Süchtige dieser Zielgruppen in einer schlechten körperlichen und geistigen Verfassung wegen des langanhaltenden Drogenkonsums, wodurch die Chance auf Gesundung gering ist. In den Niederlanden ist man lange davon ausgegangen, daß Drogenabhängige letztlich Patienten sind, die wegen ihrer Sucht mit Methoden zu behandeln sind, die die Abstinenz zum Ziel haben. Die Zahl der wissenschaftlich fundierten, umfassenden Evaluierungen der Effektivität solcher Behandlungsprogramme auf etwas längere Sicht ist jedoch gering. Aus internationalen Studien geht hervor, daß sie nur beschränkten Einfluß auf den Suchtverlauf haben,. Die Hilfe, die sich auf die Schadensbegrenzung während der Suchtperiode konzentriert, ist dagegen ziemlich effektiv. Die gesundheitliche Verfassung der niederländischen Drogenabhängigen ist dadurch relativ gut, was unter anderem in der steigenden Anzahl älterer Drogenabhängiger zum Ausdruck kommt. Ein Teil der niederländischen Drogenabhängigen ist auch relativ gut sozial integriert. Die enttäuschenden Ergebnisse mancher nur auf Abstinenz ausgerichteter Behandlungsmethoden und die Entstehung neuer Zielgruppen von Süchtigen, bei denen die Sucht oft Bestandteil eines komplexeren Problems ist, erfordern einige Änderungen im Angebot von Präventions- und Betreuungsmaßnahmen. Folgende Reformen haben nach Auffassung der Regierung höchste Priorität:
Diese Reformen beziehen sich auf die Betreuung und Prävention in bezug auf die Drogenabhängigen und Risikogruppen. In diesem Zusammenhang soll den problematischen, meist kriminellen Drogenabhängigen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Diese Reformvorhaben sollen nunmehr im einzelnen erläutert werden.
3.2 Reformen in den Bereichen Hilfeleistung und PräventionDer Charakter der Drogenproblematik ändert sich ständig. Das hat Folgen für die Betreuungsmaßnahmen, aber ebensogut für die Vorbeugungsmaßnahmen. Neue Drogen, sich verändernde Konsummuster und neue Risikogruppen stellen hohe Anforderungen an die Prävention und machen dynamisches Handeln erforderlich. Neue Mittel am Markt wie etwa Ecstasy erfordern eine andere Einstellung und andere Formen als die in der Vergangenheit durchgeführten "traditionellen" Aktivitäten. Prävention kann nicht auf die traditionellen Zielgruppen wie Schüler und, was die sekundäre Prävention angeht, auf Heroin-Konsumenten beschränkt bleiben. Die Prävention muß, wenn es darum geht, adäquat auf neue Entwicklungen zu reagieren, verbessert werden. Neue Risikogruppen und unauffällige Konsumenten werden noch ungenügend erreicht. Illustrativ in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß es nicht selten andere als die traditionellen Einrichtungen sind, die mit jugendlichen Drogenkonsumenten, die Diskotheken, Coffeeshops und Housepartys besuchen, Kontakt aufnehmen. Auch von traditionellen Einrichtungen wird eine aktive Haltung gegenüber neuen Konsumentengruppen und der Besuch von Orten erwartet, an denen Drogen konsumiert werden.Da es an Evaluierungsmaterial fehlt, ist schwer festzustellen, welche spezifischen Ergebnisse die einzelnen Bemühungen in den vergangenen Jahren gehabt haben. Da der Arbeitsbereich sowohl in bezug auf die primäre als auch auf die sekundäre Prävention größer wird, muß festgestellt werden, welche Interventionen effektiv sind und welche nicht. Untersuchungen hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Vorbeugung werden deshalb gefördert. Das gilt ebenfalls für die Beobachtung der Entwicklung von Art und Umfang des Drogenkonsums. Kenntnisse hierüber sind absolut erforderlich, um adäquat auf neue Trends reagieren zu können. Marktanalysen mittels eines Überwachungssystems sind für die Prävention und für die Hilfseinrichtungen von großer Bedeutung. Man kann auf diese Weise zu einem früheren Zeitpunkt einen besseren Einblick in gesellschaftliche Trends erhalten, die Einfluß auf die Drogenproblematik haben können. Überwachungssysteme sind auch für die Hilfseinrichtungen von Bedeutung, die dadurch z.B. frühzeitig neue, schadenbegrenzende Strategien entwickeln könne. Für eine gute Überwachung haben wir Mittel bereitgestellt. Wie bereits erwähnt, ist problematischer Drogenkonsum stark mit sozialen Benachteiligungen verbunden. Bei der Prävention wird man, um neue Risikogruppen in einem frühen Stadium erkennen zu können, aus einer breiteren Perspektive heraus handeln und mehr auf solche Benachteiligungen achten müssen. Will man Ausreißer, Schulschwänzer und allochthone und autochthone Randgruppenjugendliche erreichen, wird man auch mit anderen Einrichtungen wie etwa der Jugendhilfe zusammenarbeiten müssen. In den Maßnahmen zugunsten der großen Städte ist ein integrales Konzept vorgesehen, um die drohende Marginalisierung großer Gruppen Jugendlicher in den großen Städten zu verhindern. Die großen Städte werden zu diesem Zweck noch in diesem Jahr gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei konkrete Aktionsprogramme aufstellen. Ausgangspunkt ist das sog. Facetten-Konzept; dabei wird möglichst vielen Aspekten der Problematik Rechnung getragen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf den Gesundheitsbericht "Gezond en Wel, kader van het volksgezondheidsbeleid 1995-1998" (TK 1994-1995, Nr. 24126) und auf den Bericht "Regie in de Jeugdzorg" (Regie in der Jugendhilfe). Für die Drogensucht gilt ganz besonders, daß vorbeugen besser ist als heilen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, daß bei Jugendlichen der entscheidende präventive Faktor ein hinreichendes Risikobewußtsein auf der Grundlage objektiver Informationen ist. Bereits seit einer Reihe von Jahren führt das NIAD in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsdiensten (GG&GD) und den Bildungsanstalten zahlreiche Aufklärungsaktivitäten für Jugendliche durch. Voraussichtlich wird noch im Herbst dieses Jahres ein telefonischer Informationsdienst in bezug auf Alkohol, Drogen, Tabak und Spielsucht eingerichtet. Wir werden darauf hinwirken, daß u.a. im Rahmen des umfassenden Maßnahmenkatalogs zur Lösung der Jugendproblematik in den großen Städten - ein wichtiger Bestandteil der Maßnahmen zugunsten der großen Städte - besonders die Aufklärung an Schulen über den Konsum und Mißbrauch von Alkohol, Nikotin und Drogen stark gefördert wird; diese hochwertige und realistische Aufklärung soll sich u.a. direkt an spezifische Problemgruppen wenden. Die Alkohol- und Drogenberatungsstelle (CAD) in der Provinz Drenthe hat z.B. auf Vorschlag der Staatsanwaltschaft nach dem Vorbild einer erfolgreichen deutschen Initiative Videoclips über die Risiken des Drogenkonsums produziert, die für Aufklärungsmaßnahmen in Diskotheken u.ä. verwendet werden können. Auch die Möglichkeit von Aufklärungsmaßnahmen in Coffeeshops soll besser genutzt werden. Schlußstein der Prävention muß sein, daß gegen Drogenhändler, die an Schulen oder in deren Umgebung tätig sind oder für den Drogenhandel Schüler einsetzen, entschlossen vorgegangen wird. Die Ministerin der Justiz wird die Staatsanwaltschaft anweisen, ihre Richtlinien für die Fahndung und Strafverfolgung entsprechend zu formulieren. Der Verkauf harter Drogen an Jugendliche soll besonders hart bestraft werden. Das Angebot und der Konsum von Designerdrogen wie Ecstasy erfordern neue Maßnahmen. Das Problem aus dem Blickwinkel der Prävention besteht darin, daß diese Drogen im allgemeinen zwar keine körperliche Abhängigkeit, in einer Reihe von Fällen jedoch ernste Gesundheitsschäden verursachen. Ferner stellt sich das Problem, daß Pillen von schlechter Qualität im Umlauf sind. Im Rahmen der obengenannten Überwachungsmaßnahmen soll auch die Qualität dieser Drogen beobachtet werden. Ferner sollen neue Kommunikationstechniken entwickelt werden. Zur Zeit bereitet eine überregionale Arbeitsgruppe Aktivitäten auf diesem Gebiet vor. Auch kann der "verwaltungsmäßigen Prävention" mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Wie gesagt hat die Ministerin für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport kürzlich ein Papier an die Gemeinden geschickt, das Vorschläge für die Entwicklung von Maßnahmen bei Großveranstaltungen enthält (Stadhuis en House, 1995). Insbesondere die ausführenden Stellen weisen auf einen Mangel an überregionaler Unterstützung der Präventionsarbeit in Form von Informationserteilung, Schulung und Innovation hin. Diese Situation ist nicht akzeptabel, da so Überschneidungen und Mängel in der Präventionsarbeit schwer zu erkennen sind. Auch hinsichtlich der Abstimmung zwischen der Suchthilfe und den Maßnahmen von Polizei und Justiz besteht ein Defizit. Wir werden kurzfristig Möglichkeiten für die Einrichtung eines überregionalen Stützpunkts zur Förderung der Qualität der Präventionsarbeit schaffen, der die hier notwendigen Dienstleistungen erbringen kann. 3.3 Bessere Abstimmung im Rahmen der SuchthilfeAngesichts der Diversität der Nachfrage nach Hilfe und der Zunahme der Anzahl der Zielgruppen dürfen sich die Hilfseinrichtungen nicht auf ein Standardangebot beschränken, sondern müssen vielmehr Hilfe nach Maß anbieten. Letztlich bedeutet dies eine Verlagerung von einem meist wenig differenzierten Angebot auf ein nachfrageorientiertes Angebot, das auch Aspekte wie soziale Benachteiligung, Wohnen, Unterbringung und soziale Fertigkeiten berücksichtigt. Hierfür müssen Betreuungsprogramme entwickelt werden, die einen individuell orientierten Behandlungsplan mit einem Anfangs- und Endpunkt vorsehen. Während der Behandlung muß, soweit erforderlich, allen Elementen der Nachfrage Rechnung getragen werden.Auf diese Art und Weise kann auch besser verhindert werden, daß Drogenabhängige ohne Koordination mit verschiedenen Organisationen Kontakt aufnehmen (das sog. Shopping innerhalb der Suchthilfe). Das bedeutet, daß "Klienten" im Rahmen der Hilfsmaßnahmen an andere Einrichtungen verwiesen werden, daß Daten weitergegeben und Termine überwacht werden. Mit Hilfe von Klientendossiers, Standardregistrierungen, Standardberichten und persönlichen Kontakten muß das Personal der verschiedenen Einrichtungen sich gegenseitig auf dem laufenden halten. Case-management ist von grundlegender Bedeutung. Im Betreuungsangebot sind zwei Schlüsselbegriffe richtungsweisend: Verantwortung und Gegenseitigkeit. Drogenabhängige müssen lernen, Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zu tragen. Die Drogenabhängigkeit ist keine Entschuldigung dafür, daß man anderen Schaden zufügt. Der zweite Begriff, Gegenseitigkeit, bedeutet, daß vom Drogenabhängigen erwartet wird, daß er sich als Gegenleistung für die Hilfe zumindest an die Vereinbarungen mit den Hilfseinrichtungen hält. Die im Zuge der Reform neu zu entwickelnden Programme müssen zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen beitragen. Wenn ein nachfrageorientiertes Konzept zu einem auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche zugeschnittenen Betreuungsprogramm führt, dann bekommen die Begriffe "Verantwortung" und "Gegenseitigkeit" größere Bedeutung für den Klienten. Die Möglichkeit, vom Drogensüchtigen eine angemessene Gegenleistung zu verlangen und ihn auf seine Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft hinzuweisen, wird hierdurch größer. Die ambulante Suchthilfe ist zu einem großen Teil für die Methandonprogramme verantwortlich. Eine große Zahl von Drogenabhängigen führt u.a. dank dieser Programme in vielen Fällen ein ziemlich normales Leben. Dennoch fehlt es in vielen Fällen an geeigneten Behandlungs-, Schulungs-, Arbeits- und Wohnmöglichkeiten für diese Personengruppe. Die Methadonabgabe, die Behandlungsprogramme und die Resozialisierungsprojekte müssen komplementär sein. Dieser Komplementarität muß in den kommenden Jahren mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Eine bessere Abstimmung mit den anderen Einrichtungen der Drogenhilfe, den allgemeinen Einrichtungen für soziale Dienstleistungen, einschließlich der Arbeitsförderung, der Polizei, der Justiz und den Resozialisierungseinrichtungen, kann hier einen positiven Beitrag leisten. Die Zwischenbehördliche Projektgruppe Sicherheit und Suchthilfe soll an der Verwirklichung dieses Ziels mitwirken. 3.4 Differenzierung der stationären BehandlungMit Ausnahme einiger Betten für akute Notfälle im Zusammenhang mit Überdosen (die sog. Krisendetoxifikation) richtet sich die stationäre Behandlung fast gänzlich auf das Erreichen eines Abstinenzzustands. Problematisch ist, daß es verschiedene Gruppen von Drogenkonsumenten gibt, die zwar stationärer Hilfe bedürfen, bei denen Abstinenz jedoch nicht als realistische Zielsetzung gelten kann. Zum Zeitpunkt der Aufnahme befinden sie sich meist in einer Notlage, die keine fundierten Zukunftspläne möglich macht. Das einzige echte Bedürfnis, das sie dann haben, ist Ruhe und eine Umgebung, in der sie wieder zu sich selbst finden können. Wenn Abstinenz in einer solchen Situation als Ziel formuliert wird, gibt, wie die Praxis zeigt, eine große Zahl von Klienten sofort auf oder bricht die Behandlung vorzeitig ab. Dies ist ein Grund, das Behandlungsangebot auch im stationären Bereich nach Ziel und Inhalt zu differenzieren.Neben der Betreuung, die auf die Erreichung des Abstinenzzustands ausgerichtet ist, sollen im stationären Bereich auch Programme angeboten werden, die weniger weitreichende Zielsetzungen haben z.B. die Stabilisierung und Verbesserung der Situation des (drogenabhängigen) Klienten. In der heutigen Situation kann der Klient nur zwischen verschiedenen auf Abstinenz ausgerichteten Programmen wählen, die meist langfristig angelegt sind. Kurzzeit- und Teilzeitbehandlungen, die nicht direkt auf Abstinenz, sondern auf Stabilisierung und Verbesserung ausgerichtet sind, sind stark unterrepräsentiert. Mit der Einrichtung des Stationären Motivationszentrums (Intramuraal Motivatie Centrum/IMC) in Amsterdam wurde in dieser Richtung ein Anfang gemacht. Die Schaffung stabiler, sicherer Lebensumstände ist hier die primäre Aufgabe. Auf dieser Grundlage kann eine geeignete Folgebehandlung (innerhalb oder außerhalb des stationären Bereichs) gewählt werden. Mit der Entwicklung eines hierfür geeigneten Programms wird die Chance größer, daß Gruppen, die bisher nicht oder kaum erreicht worden sind, Kontakt mit Hilfseinrichtungen bekommen und behalten. Zu diesem Zweck sollen innerhalb der stationären Einrichtungen von Anfang an Aspekte der Resozialisierung berücksichtigt werden. Versuche, bei denen eine Art Wohnbetreuung und eine Hinführung zur Arbeit als Bestandteil einer integralen Behandlung miteinander kombiniert werden, sind hierfür ein konkretes Beispiel. Wir werden darauf hinwirken, daß auch die stationären Einrichtungen solche auf gesellschaftliche Wiedereingliederung ausgerichteten Projekte durchführen. 3.5 Regie und Finanzierungsstruktur der ambulanten SuchthilfeDie ambulante Suchthilfe konzentriert sich hauptsächlich auf ca. 45 größere Gemeinden. Bis 1994 galt für die ambulante Suchthilfe die Vorübergehende Finanzierungsregelung Suchthilfe (Tijdelijke Financieringsregeling Verslavingszorg/TFV); hierfür waren Mittel in Höhe von gut 110 Mio. Gulden vorgesehen. Ein besonderes Merkmal dieser Regelung war, daß die Finanzierung über 23 sog. Kern-/Zentrumgemeinden lief. Sie waren verpflichtet, im Einvernehmen mit anderen beteiligten Gemeinden die ambulante Suchthilfe in der jeweiligen Region zu organisieren. Die Verteilung des Regionalbudgets auf die betreffenden Einrichtungen und beteiligten Gemeinden war hiermit gesichert. Diese zum Teil dezentralisierte Regie und Finanzierungsstruktur funktionierten zufriedenstellend.Im Rahmen der "sozialen Erneuerung" wurde die ambulante Suchthilfe verklausuliert in das Interimsgesetz zur Förderung der Sozialen Erneuerung (Tijdelijke Wet Stimulering Sociale Vernieuwing/TWSSV) aufgenommen. Die obenerwähnte Einteilung in 23 Kerngemeinden für die ambulante Suchthilfe in der Region blieb erhalten. Neu waren die Betreuungs- und Informationspflicht der betreffenden Gemeinden sowie die Auflage, innerhalb der Region in geeigneter Weise Beratungen mit den Beteiligten zu führen. Angesichts des vorübergehenden Charakters des Interimgesetzes soll ab 1997 das gesamte TWSSV-Budget dem Gemeindefonds übertragen werden. Da eine klausulierte Übertragung naturgemäß nicht möglich ist, werden die Mittel für die ambulante Suchthilfe über alle Gemeinden verteilt. Die jetzt noch bestehende Koppelung zwischen behördlicher Verantwortung, Betreuungspflicht und der Verfügbarkeit entsprechender Mittel entfällt damit. Die Niederländische Vereinigung von Einrichtungen für Suchthilfe und einige Gemeindeverwaltungen haben auf die Gefahr der Verzettelung hingewiesen. Die Verpflichtung zur Zusammenarbeit und Informationserteilung der beteiligten Gemeinden in bezug auf die ambulante Suchthilfe muß nach Auffassung des Kabinetts gesetzlich verankert werden. Dies könnte z.B. durch eine Änderung insbesondere von Artikel 12 des Gemeinwohlgesetzes (Welzijnswet) geschehen. Im Rahmen von Beratungen zwischen den zuständigen Stellen wird nach Möglichkeiten gesucht, bis 1997 eine neue Finanzierungsstruktur zu schaffen. Die heutige Arbeitsweise soll dabei im großen und ganzen beibehalten werden. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, daß die Koppelung zwischen behördlicher Verantwortung und der Verfügbarkeit des entsprechenden Budgets erhalten bleiben. Der Gemeindefonds besitzt ein Instrument, das es erlaubt, Gelder vorübergehend einzelnen Gemeinden zuzuweisen. Die Mittel bleiben dabei gleich hoch, laufen jedoch über den Gemeindefonds. Dies kann maximal vier Jahre dauern. Diese vier Jahre sollen genutzt werden, um die notwendige regionale Zusammenarbeit zu verbessern. Diese Zusammenarbeit wird es sodann möglich machen, die Mittel nach allgemeinen Kriterien zu verteilen. 3.6 Zwang und Anreize in der SuchthilfeGrundlage für die behördlichen Maßnahmen ist der bereits genannte Bericht über Maßnahmen zur Bekämpfung von Ordnungsstörungen (Nota over overlastvermindering, TK 1992- 1994, 22684, Nr. 12). Im Mittelpunkt steht dabei der erzwungene oder empfohlene Entzug: ein Teil der süchtigen Straffälligen wird vor die Wahl gestellt, sich entweder Begleitungs- oder Behandlungsmaßnahme zu unterziehen, die Aussicht auf soziale Integration und Beendigung der kriminellen Laufbahn bieten, oder weiter in Haft zu bleiben.Zur Durchführung der in dem Bericht dargelegten Maßnahmen wurde, wie gesagt, die Interministerielle Lenkungsgruppe zur Bekämpfung von Ordnungsstörungen (Interdepartementale Stuurgroep Vermindering Overlast/SVO) eingesetzt. Diese Interministerielle Lenkungsgruppe hat im Einvernehmen mit den Partnern in den Gemeinden, die die Verantwortung für die Bekämpfung der Ordnungsstörungen und die ambulante Suchthilfe haben, an der Aufstellung integraler Projektpläne gearbeitet. Die Erstverantwortung für die Gestaltung der Gemeindepolitik liegt schließlich bei der Gemeinde. Im Jahre 1994 haben neun Gemeinden einen finanziellen Beitrag erhalten. Bei der Auswahl der insgesamt 25 Gemeinden, die seit 1995 für einen finanziellen Beitrag in Betracht kommen, wurde den "Maßnahmen zugunsten der großen Städte" Rechnung getragen. Bei der Zuweisung der Mittel spielte u.a. eine Rolle, ob ein integrales Vorgehen, das sowohl Prävention, Betreuung, Haft und Resozialisierung beinhaltet, gewährleistet ist. Ferner mußte deutlich sein, daß die verschiedenen Akteure wie die Einrichtungen für Suchthilfe (ambulant und stationär), Polizei, Justiz, Resozialisierungseinrichtungen, kommunale Dienste und Strafanstalten akzeptiert hatten, daß sie alle gemeinsam die Verantwortung für die Bekämpfung der Ordnungsstörungen tragen.
Abgesehen von Mitteln für lokale
Projekte wurden und werden auch Mittel für überregionale
Initiativen zur Verfügung gestellt wie für das Projekt
"Anreize nach Maß" (Drang naar Maat) der Niederländischen
Vereinigung von Einrichtungen für Suchthilfe (Nederlandse
Vereniging van Instellingen voor Verslavingszorg/NeVIV), für
soziale Pensionen, die Erweiterung der
Frühhilfe-
Diese
Einrichtung ist für drogenabhängige Straffällige bestimmt, die
behandlungsfähig sind, die jedoch angesichts der Art ihrer
Drogenabhängigkeit, der Schwere der begangenen Straftat, der
Persönlichkeitsstruktur und der Krankengeschichte für eine
Aufnahme in eine offene Anstalt nicht in Frage kommen. Die
Behandlung erfolgt daher zunächst in einer geschlossenen
Abteilung, wobei die Behandlungsdauer von Klient zu Klient
unterschiedlich sein kann. Danach werden die Klienten in eine
offene Abteilung, eine Wohn- und Arbeitsgemeinschaft in
ländlicher Umgebung, verlegt. Es handelt sich um eine für die
Suchthilfe neue Einrichtung, ein Versuchsprojekt, das eine
gewisse Entwicklungszeit erfordert. Aus diesem Grund soll in
kleinem Umfang mit der geschlossenen Abteilung begonnen
werden, letztlich sollen bis zu 70 Plätze zur Verfügung
stehen.
Wir werden entsprechend der Schätzung in dem Bericht über
Maßnahmen zur Bekämpfung von Ordnungsstörungen durch
Drogenabhängige (Nota inzake het beleid gericht op het
verminderen van door verslaafden veroorzaakte overlast) das
Budget der Interministeriellen Lenkungsgruppe (SVO) für das
Jahr 1996 um 12,5 Millionen erhöhen. Wie bereits gesagt, soll
die SVO mit der Projektgruppe zur Bekämpfung von
Ordnungsstörungen durch Drogenabhängige und der
Zwischenbehördlichen Projektgruppe Sicherheit und Suchthilfe
zusammengelegt werden.
Die Regierung legt großen Wert auf Ausweitung der Kapazität
der Entziehungsprojekte. Die 200 zusätzlichen Zellen, die zum
großen Teil dieses Jahr verfügbar sein werden - die sog.
Wallage-Zellen - wurden im Rahmen der Maßnahmen zugunsten der
großen Städte für die vier großen Städte reserviert. Für die
Entziehungsprojekte sind andere Zellen erforderlich. Von den
1996 vom Kabinett vorgesehenen zusätzlichen Zellen werden im
Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft 500 für die
Unterbringung von Drogenabhängigen reserviert, die schwere
Straftaten begangen haben. Damit ist für diese Kategorie genug
zusätzliche Kapazität verfügbar.
In den Strafanstalten wurden
im Rahmen des Grundsatzplans Arbeit im Gefängnis (Beleidsplan
Werkzame Detentie) drogenfreie Abteilungen (DVA) geschaffen.
Die Kapazität dieser Abteilungen mit angepaßtem Vollzug
beträgt ungefähr 300. Eine Erweiterung auf insgesamt 620
Plätze im Jahre 1997 ist vorgesehen. Motivierte Süchtige
sollen ihre Haftzeit (zum Teil) in drogenfreien Abteilungen
verbringen und sich aktiv auf die Behandlung und soziale
Eingliederung vorbereiten können. Nach dem Aufenthalt in
drogenfreien Abteilungen kommen die Gefangenen entweder in
Behandlungseinrichtungen unter Anwendung von Artikel 47 der
Gefängnismaßregel (Gevangenismaatregel) oder sie erhalten,
wenn sie ihre Strafe verbüßt haben, eine weitere Betreuung
durch Suchthilfeeinrichtungen und/oder
Resozialisierungseinrichtungen.
Mit den vier größten Städten wurden
im Rahmen der Maßnahmen zugunsten der großen Städte Gespräche
über die Möglichkeit geführt, kriminelle Drogensüchtige, die
am laufenden Band Straftaten begehen, versuchsweise in einer
geschlossenen Anstalt zu betreuen. Für viele Angehörige dieser
Zielgruppe ist eine Verbesserung des Lebensstils das maximal
Erreichbare. Hierfür ist eine geschlossene
Behandlungseinrichtung geeignet, in der durch Ausbildung und
Arbeit an der sozialen Integration gearbeitet wird.
Rechtliche
Grundlage für diese neuen Formen der Betreuung von
problematischen kriminellen Drogensüchtigen können vorerst die
Vorschriften für die Aussetzung der Untersuchungshaft unter
bestimmten Auflagen sein. Die Drogensüchtigen befinden sich
dann auf freiwilliger Basis in einer geschlossenen Anstalt als
Alternative für den Aufenthalt in einem Untersuchungsgefängnis
oder einem anderen Gefängnis. Wenn sie vorzeitig aus dem
Programm ausscheiden, werden sie festgenommen und erneut
inhaftiert. Die Gemeinden werden für die Hilfs-, Schulungs-
und Arbeitstrainingsangebote sowohl während der Unterbringung
als auch nach der Entlassung zuständig sein. Im Idealfall wird
dabei auch ein Arbeitsplatz nach Abschluß des Projekts
angeboten. Das Ministerium für Soziales und Arbeit ist an der
Vorbereitung dieses Experiments beteiligt.
Entziehung statt Untersuchungshaft ist nicht der ideale Weg.
Da diese Maßnahme an die Stelle einer verhältnismäßig kurzen
Freiheitsstrafe tritt, kann sie unter Umständen von nur kurzer
Dauer sein. Wünschenswert ist vielmehr, daß Möglichkeiten für
die zwangsweise Aufnahme von Drogensüchtigen geschaffen
werden, die u.a. durch das wiederholte Begehen leichter
Straftaten und/oder durch aggressives Verhalten weitreichende
Belästigungen verursachen. Hierfür muß eine spezifische
rechtliche Basis geschaffen werden. Die Ministerin der Justiz
wird daher so rasch wie möglich eine Gesetzesvorlage für die
Einführung einer strafrechtlichen Maßregel zur Aufnahme von
Drogensüchtigen vorlegen. Diese Maßregel soll sich an Artikel
432 des Strafgesetzbuchs orientieren, der früher die Aufnahme
von Landstreichern, Bettlern und Zuhältern in staatlichen
Arbeitshäusern regelte.
Die Rechtfertigung für die Aufnahme
von Süchtigen, die mit großer Regelmäßigkeit Straftaten
begehen, liegt nicht in der Schwere der von ihnen im einzelnen
begangenen Straftaten, sie liegt einerseits in der durch ihre
Straftaten verursachten Störungen und andererseits in dem
Interesse, das drogenabhängige Personen an einem integrierten
Hilfs- und Schulungsangebot in einer geschlossenen Anstalt
haben. Die maximale Unterbringungsdauer wird daher über das
für Vermögensdelikte übliche Strafmaß hinausgehen und etwa
mindestens drei Monate und höchstens ein oder zwei Jahre
betragen.
Die Gemeindeverwaltungen der vier großen Städte haben
inzwischen ihre Mitwirkung an einem oder mehreren Versuchen
zugesagt. Sehr kurzfristig soll eine inventarisierende Studie
zur Bestimmung u.a. des genauen Umfangs der Zielgruppe
durchgeführt werden. Die Gemeinden Rotterdam und Amsterdam
haben sich bereit erklärt, die Versuche mitzufinanzieren. Auch
wir sind bereit, hierfür Gelder aus dem Budget für Maßnahmen
zugunsten der großen Städte zur Verfügung zu stellen.
Mit den großen Städten wurde vereinbart, daß die bereits
genannte Zwischenbehördliche Projektgruppe Sicherheit und
Suchthilfe eine Arbeitsgruppe bilden wird, deren Aufgabe es
sein soll, die Studie und danach einen oder mehrere Versuche
vorbereiten und begleiten soll. Wir sind bestrebt, im Jahre
1996 in jedem Fall mit einem Versuch in der Gemeinde Rotterdam
für hundert Problemfälle zu beginnen. Die Projektgruppe wird
Vorschläge zur Erweiterung des Versuchs erarbeiten; es sollen
mindestens 300 Plätze zur Verfügung gestellt werden, von denen
die Gemeinde Amsterdam auf jeden Fall hundert erhalten soll.
Wir erwarten, daß die Erweiterung der Entziehungsprojekte in
Verbindung mit der Erweiterung der regulären
Gefängniskapazität angesichts der festumgrenzten Gruppe
chronischer Rückfalltäter in den jeweiligen Städten zu einer
wesentlichen Verringerung der Störungen durch kriminelle
Drogenabhängige führen wird.
Die Aufnahme von
Drogensüchtigen in Kliniken aufgrund des Gesetzes Besondere
Einweisung in Psychiatrische Krankenhäuser (Wet Bijzondere
Opneming in Psychiatrische Ziekenhuizen/BOPZ) ist nach
Auffassung von Fachleuten nur für eine sehr kleine Gruppe von
Drogenabhängigen möglich. Drogenabhängigkeit ist keine
Geisteskrankheit. Die meisten Drogenabhängigen können nicht
ernsthaft als geisteskrank bezeichnet werden. Allerdings gibt
es unter den am meisten Verwahrlosten relativ viel Patienten
mit psychischen Störungen. Geisteskranke, die lange Zeit stark
drogenabhängig sind, gelten jedoch als schwer oder nicht
behandlungsfähig. Die Möglichkeiten, mehr Süchtige in
geschlossenen Kliniken zu behandeln, sind also sehr
beschränkt.
Art und Umfang der von ihnen begangenen Straftaten sind nicht
so schwerwiegend, daß, strafrechtlich gesehen, eine Einweisung
in eine gerichtsmedizinische Suchtklinik oder eine
Zwangsbehandlung indiziert wäre.
Am 7. Juni 1995 hat der stellvertretende Vorsitzende des
Gesundheitsrats der Gesundheitsministerin eine Teilempfehlung
für das Verordnen von Heroin an Süchtige vorgelegt, die auch
der Zweiten Kammer zugegangen ist. Da es an wissenschaftlich
fundierten Daten über die Effektivität/Schädlichkeit der auf
medizinischer Indikation beruhenden Abgabe von Heroin an
Heroinsüchtige fehlt, hält es die Kommission Medikamentöse
Interventionen bei Drogensucht (Commissie Medicamenteuze
Interventies bij Drugverslaving), die die Empfehlung
formuliert hat, zu für wünschenswert, in den Niederlanden
medizinisch-wissenschaftliche Versuche in dieser Richtung
durchzuführen. Sie ist der Auffassung, daß für ein solches
Experiment "schwer Heroinsüchtige, die nicht oder unzureichend
auf die heute zur Verfügung stehenden medikamentösen
Interventionen reagieren" in Frage kommen. Die Dauer der
Drogenabhängigkeit ist dabei nach Auffassung der Kommission
nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Voraussetzung ist
allerdings, daß die betreffenden Personen wiederholt ohne
Erfolg an Behandlungsprogrammen teilgenommen haben, deren Ziel
es war, mittels Medikamenten ein Rückfall zu vermeiden und
eine Stabilisierung zu erreichen.
Im Rahmen des Versuchs soll
herausgefunden werden, ob diese Kategorie von Drogenabhängigen
durch das Verordnen von Heroin stabilisiert werden kann, ob
sich ihr körperlicher und psychosozialer Zustand verbessern
läßt, ob der zusätzliche Konsum anderer Drogen vermindert
werden kann und ob sie möglicherweise motiviert werden können,
den Drogenkonsum zu beenden.
Die Kommission empfiehlt, die therapeutische Wirkung von
Heroin mit der zur Zeit am häufigsten (oral) verabreichten
Droge, Methadon, zu vergleichen. Unter Umständen kann dabei
das Heroin mit oral verabreichtem Methadon kombiniert werden.
Bei dem Versuch muß nach Auffassung der Kommission sowohl
injizierbares als auch nichtinjizierbares Heroin
berücksichtigt werden. Die Untersuchung muß demnach so
angelegt sein, daß bei der Interpretation der Ergebnisse die
unterschiedlichen Verabreichungsformen und die damit
verbundenen unterschiedlichen Wirkungsweisen berücksichtigt
werden können. Der Versuch muß selbstverständlich den
Anforderungen genügen, die an klinische Untersuchungen zu
stellen sind.
Die Kommission empfiehlt, einen solchen Versuch von den
bestehenden Hilfsorganisationen durchführen zu lassen.
Möglicherweise kann die Untersuchung an verschiedenen Orten
gleichzeitig - nicht nur in den großen Städten - stattfinden.
Im Prinzip können die Untersuchungsprotokolle in verschiedenen
Teilbereichen unterschiedlich sein. Aus Gründen der
Überschaubarkeit muß eine zu große Zahl von Orten vermieden
werden. Die wissenschaftliche Auswertung muß durch eine
unabhängige Organisation erfolgen. Die Kommission hält es für
ratsam, das Untersuchungsprotokoll nicht nur einer
medizinisch-ethischen Kommission, sondern auch einem
internationalen Sachverständigengremium vorzulegen. Angesichts
der Bedeutung einer solchen Untersuchung und der Notwendigkeit
der Koordination empfiehlt die Kommission darüber hinaus, eine
überregionale Begleitungskommission einzusetzen.
Die Kommission rät davon ab, das verordnete Heroin den
Teilnehmern des Projektes einfach so mitzugeben. Sie weist
ferner mit Nachdruck darauf hin, daß die Beendigung der
Heroinabgabe auf Rezept nach Ablauf der Untersuchung Probleme
mit sich bringen kann. Wie sich zeigte, sind solche Probleme
laut Kommission weitgehend dadurch zu vermeiden, daß mit jedem
Versuchsteilnehmer ein Vertrag geschlossen wird. Im Vertrag
soll außer dem Zweck und der Dauer des Versuchs festgelegt
werden, welche Rechte und Pflichten und welche Verantwortung
der Patient und der Behandelnde haben. Die Kommission
empfiehlt ferner, die Möglichkeiten zu untersuchen, die andere
Rauschmittel, insbesondere Mittel, die (potentiell) einfach zu
verabreichen sind, bei der Behandlung von Heroinsüchtigen
bieten können.
Wir teilen die Auffassung der Kommission, daß eine
medizinisch-wissenschaftliche Untersuchung der Effektivität
und Schädlichkeit der Abgabe von Heroin an Süchtige
wünschenswert ist, da die einschlägigen wissenschaftlichen
Informationen unzureichend sind.
Auch was die Zielgruppe eines solchen Versuchs angeht, können
wir der Kommission im Prinzip zustimmen: Es handelt sich hier
um "schwer Heroinsüchtige, die nicht oder nicht ausreichend
auf die jetzt verfügbaren medizinischen Interventionen
reagieren". Angesichts der unzweifelhaft großen
Anziehungskraft eines solchen Versuchs für Drogenabhängige
sind wir der Auffassung, daß an dem Versuch in erster Linie
ältere, seit langer Zeit süchtige Patienten, deren
psychosoziale Situation ohne Perspektive ist, teilnehmen
sollten. Diese Sicht weicht von der Auffassung der Kommission
ab, die die Dauer der Sucht für nicht entscheidend hält.
Auch mit der Festsetzung des Ziels eines solchen Versuchs, der
klären soll, ob diese Kategorie von Süchtigen durch
Heroingaben zu stabilisieren ist, ob ihr körperliches und
psychosoziales Befinden verbessert werden kann, ob sich der
Konsum von Zusatzdrogen verringert und ob sie möglicherweise
motiviert werden können, ihre Drogenkarriere zu beenden, sind
wir einverstanden. Die drei Aspekte des Wohlbefindens -
körperlich, geistig und sozial - hängen funktionell
miteinander zusammen und müssen objektiv meßbar sein. Die
vielen Faktoren, die das Behandlungsergebnis beeinflussen -
die Kommission nennt hier die eingesetzten Medikamente, deren
Dosierung und die Art ihrer Verabreichung, die Person des
Behandelnden, die Behandlungsumgebung, das Behandlungsritual,
die Erwartung und Absicht des Behandelnden, die Erwartung,
Hoffnung und Aufgeschlossenheit des Patienten und schließlich
vor allem die Interaktion, die sich zwischen beiden im Laufe
der Behandlung entwickelt - stützen die Auffassung der
Kommission, daß ein Versuch an mehreren Orten stattfinden muß
und daß an jedem Ort mehr als hundert Patienten an dem Versuch
teilnehmen sollten.
Wir sind der Auffassung, daß zunächst eine Voruntersuchung
erforderlich ist, um die praktischen medizinischen und
organisatorischen Fragen beantworten und die Kosten besser
abschätzen zu können. Ferner ist sie nötig, um ein
realistisches Untersuchungsprotokoll entwerfen und in der
Praxis auf seine Durchführbarkeit überprüfen zu können. An
einer solchen Voruntersuchung sollten maximal 50
Drogenabhängige beteiligt sein. Dabei wäre an eine
Anfangsperiode von sechs Monaten zu denken, die durch eine
erste Evaluierung abgeschlossen werden muß; daran anschließend
erfolgt eine sechs Monate lange, genaue medizinische
Protokollierung. Eine erneute Evaluierung muß dann ein
definitives Konzept für die Durchführung des medizinisch-
wissenschaftlichen Versuchs erbringen. An der Vorstudie
sollten Patienten der obengenannten Gruppen teilnehmen. Die
Auswahlkriterien hierfür müssen sorgfältig festgelegt werden.
Ziel der Drogenabgabe ist es, wie schon gesagt, den
körperlichen und psychosozialen Zustand der Patienten zu
verbessern. Eine Verringerung der Folgeerscheinungen für
Dritte ist nicht das Ziel dieser Maßnahmen. Sowohl im
Protokoll als auch bei der Evaluierung müssen die Aspekte
Folgeerscheinungen und Kriminalität berücksichtigt werden.
Fest steht, daß bei Drogensüchtigen, die wegen Straftaten
einsitzen, keine weitere Drogenabgabe möglich ist.
Die Ministerin für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport wird sich
mit den Gemeindeverwaltungen in Verbindung setzen, die bereits
Vorschläge für die Durchführung solcher Abgabetests
eingereicht haben, um festzustellen, wo die obenerwähnte
Vorstudie durchgeführt werden könnte. Ist die Voruntersuchung
mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen worden, wird über
das endgültige medizinisch-wissenschaftlich Experiment
entschieden. Voraussetzung ist irgendeine Form der
Mitfinanzierung zur Deckung der zusätzlichen Kosten, wie die
Kosten für Heroinpräparate und für medizinische Expertisen und
Evaluierung. Die Durchführung sollte primär unter der
organisatorischen Verantwortung der Gesundheitsämter erfolgen.
Die Ministerin hat den Allgemeinen Hauptinspekteur für das
Gesundheitswesen (Algemeen Hoofdinspecteur van de
Gezondheidszorg) um eine entsprechende Empfehlung gebeten.
Die therapeutischen Experimente können während der
Voruntersuchung und für die Dauer des medizinisch-
wissenschaftlichen Versuchs aufgrund einer Ausnahmegenehmigung
für wissenschaftliche Zwecke erfolgen, die der Minister für
Gesundheit, Gemeinwohl und Sport aufgrund von Artikel 6 des
Betäubungsmittelgesetzes (Opiumwet) erteilen kann. In diesem
Rahmen kann auch die notwendige gegenseitige Kontrolle in
bezug auf das medizinische Handeln durchgeführt werden. Die
Supervision sollte von der Staatlichen Aufsichtsbehörde für
das Gesundheitswesen (Staatstoezicht op de Volksgezondheid)
übernommen werden. Über jährlich zu erstellende
Inspektionsberichte könnten der Minister für Gesundheit,
Gemeinwohl und Sport und die Zweite Kammer des Parlaments über
die mit dem Projekt gesammelten Erfahrungen informiert werden.
Inzwischen kann geprüft werden, ob die in der Schweiz
laufenden Versuche mit der Heroinabgabe, die u.a. von der
Weltgesundheitsorganisation evaluiert werden, Erkenntnisse
bringen, die für die Drogenpolitik in den Niederlanden
wertvoll sein können. Zur Zeit wird in der Schweiz an
siebenhundert Süchtige Heroin abgegeben. Die bisherigen
Erfahrungen sind, wie zu hören ist, überwiegend positiv. Die
Aufsichtsbehörde wurde ersucht, die Entwicklung dieser
Projekte zu verfolgen und der Gesundheitsministerin hierüber
Bericht zu erstatten. Der Bericht soll auch der Zweiten Kammer
zugeleitet werden.
Aufgrund von Artikel 12 in Verbindung mit Artikel 19 des
Einheits-Übereinkommens muß die notwendige Erhöhung des
Verbrauchs von Heroin gegenüber dem Internationalen
Kontrollorgan für Suchtstoffe in Wien verantwortet werden.
Daher muß zwischen den zuständigen Gesundheitsämtern und der
Staatlichen Aufsichtsbehörde für das Gesundheitswesen hierüber
Einvernehmen erzielt werden.
Abgesehen davon empfiehlt die Kommission, die palliative
Behandlung schwerkranker, schon lange und dauerhaft
heroinsüchtiger Patienten, deren Lebenserwartung nur noch
gering ist, mit Heroin bzw. heroinähnlichen Rauschmitteln zu
vereinfachen. Die Kommission begründet diese Empfehlung nicht
mit einer Erläuterung der zur Zeit bestehenden technischen
Schwierigkeiten. Deshalb wurde die Staatliche Aufsichtsbehörde
für das Gesundheitswesen ersucht, eine Untersuchung
durchzuführen und nähere Vorschläge zur Erleichterung solcher
Behandlungen zu unterbreiten. Die Bereitstellung
heroinhaltiger Arzneimittel stellt dabei auf jeden Fall ein
Problem dar, da diese Medikamente in den Niederlanden nicht
registriert sind. Die Auswahlkriterien für diese Gruppe von
Patienten müssen genau formuliert werden. Die
Gesundheitsministerin ist bereit, diesen letzten Teil der
Empfehlung zu prüfen und sodann mit der Zweiten Kammer zu
besprechen.
Inzwischen sind die Maßnahmen zur Förderung der Qualität in
der Suchthilfe angelaufen. Zu diesem Zweck wurden Kriterien
und Produktnormen erarbeitet und Untersuchungen über die
Zufriedenheit mit Dienstleistungen durchgeführt. Der Stiftung
Zukunftsszenarien Gesundheitswesen wurde der Auftrag erteilt,
auch in bezug auf die Drogenproblematik Zukunftsszenarien zu
entwickeln. Auch hier soll der europäische
Kontext miteinbezogen werden.
Die Zahl der Personen in den Niederlanden, die regelmäßig
Cannabis nehmen, schätzt das Niederländische Institut für
Alkohol und Drogen (Nederlands Instituut voor Alkohol en
Drugs/ NIAD) auf 675.000.
Wie gesagt hat die Zahl der Konsumenten weicher Drogen nach
einem Rückgang in den siebziger Jahren zugenommen. Meist
handelt es sich um Freizeitkonsum. Bei bestimmten Gruppen
Jugendlicher wie z.B. bei gewohnheitsmäßigen Schulschwänzern
und Ausreißern ist der Konsum von Cannabis allerdings
besonders hoch und intensiv.
Die in den Niederlanden verfolgte Drogenpolitik hat offenbar
nicht zu einer Zunahme des Drogenkonsums geführt. Allerdings
gibt es Hinweise dafür, daß die Existenz frei zugänglicher
Coffeeshops dazu beiträgt, daß bestimmte Personen länger
Drogen nehmen.
Die Prävalenzziffern - Ziffern über den Umfang des Konsums
innerhalb bestimmter Bevölkerungsgruppen - geben kaum
Aufschluß über die problematischen Aspekte des Konsums. Über
die Wirkung von Cannabis ist inzwischen viel wissenschaftliche
Literatur verfügbar. Cannabis wirkt sich vor allem auf die
Stimmung, das Bewußtsein und das Gedächtnis aus. Die Wirkung
ist von der Dosierung und der Art des Konsums abhängig.
Abgesehen von der euphorisierenden, beruhigenden und
entspannenden Wirkung - aus diesem Grund wird Cannabis u.a. in
den Vereinigten Staaten ärztlich verordnet - verursacht
Cannabis eine Verringerung der Konzentrationsfähigkeit, der
Wachsamkeit und des Erinnerungsvermögens.
Die Toxizität von Cannabis ist gering. Weder tödliche
Überdosen, noch körperliche Abhängigkeit wurden festgestellt.
Psychische Abhängigkeit kann vorkommen, sie ist jedoch nach
Häufigkeit und Ausmaß nicht vergleichbar mit der psychischen
Abhängigkeit von Heroin, Kokain, Alkohol und Nikotin.
Cannabiskonsum verursacht weniger Aggressivität als
Alkoholkonsum. Der Konsum von Cannabis hat gewiß nicht
zwangsläufig den Umstieg auf harte Drogen zur Folge. Die Zahl
der Zwischenfälle, die durch akute Überdosierung verursacht
werden, beträgt einige Dutzend pro Jahr. Die Behandlung ist
einfach und kann sich in den meisten Fällen darauf
beschränken, den Patienten in eine ruhige Umgebung zu
verbringen und ihm Beruhigungsmittel zu verabreichen.
Die Anzahl der Personen, die wegen ihres Cannabiskonsums bei
den Alkohol- und Drogenberatungsstellen (Consultatiebureaus
voor Alkohol en Drugs/CAD) Hilfe suchten, hat in den
vergangenen Jahren zugenommen. Im Jahre 1993 waren 1749
Personen wegen Problemen im Zusammenhang mit dem Konsum von
Cannabis bei den Beratungsstellen registriert. Das sind 3%
aller bei Einrichtungen der Suchthilfe registrierten Personen.
Schätzungsweise handelt es sich um ein bis zwei Prozent der
intensiv Cannabis konsumierenden Personen; als solche gelten
Personen, die zehn Mal oder öfter pro Monat Cannabis nehmen.
Die Gesamtheit der heute bekannten Tatsachen und Umstände läßt
den Schluß zu, daß die Risiken des Cannabiskonsums an sich
nicht als "unannehmbar" qualifiziert werden müssen, was im
Gegensatz zu den mit dem Konsum harter Drogen wie Heroin
verbundenen Risiken steht.
Dennoch ist auch beim Konsum von Cannabis Vorsicht geboten.
Der Cannabiskonsum ist vor allem unter Jugendlichen beliebt,
d.h. bei Leuten, die sich in einer Lebensphase befinden, in
der sie besonders risikofreudig sind. Einerseits nimmt der
Leistungsdruck an den Schulen zu, andererseits sind die
Aussichten auf eine feste Anstellung, die einen bestimmmten
Status und bestimmte soziale Beziehungen verspricht, für
manche Gruppen Heranwachsender unsicher. In einem solchen
Umfeld ist die Gefahr exzessiven Cannabiskonsums größer.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Auswirkungen des
Cannabiskonsums bei Schülern. Fest steht, daß gelegentlicher
Konsum wenig Probleme mit sich bringt; täglicher
Cannabiskonsum wirkt sich allerdings negativ auf die
Schulleistungen aus. Es wäre zu begrüßen, wenn mehr
Informationen über die Erfahrungen von Schulen mit dem Konsum
weicher Drogen zur Verfügung stünden. Diese Informationen sind
schwer erhältlich, weil die Schulleitungen und Schulvorstände
um den Ruf ihrer Schulen besorgt sind und die Eltern und
Erzieher einen Einbruch in die Privatsphäre der Schüler
befürchten. In dieser Hinsicht ist mehr Offenheit
wünschenswert.
In Ergänzung der bereits bestehenden
Aktivitäten soll versucht werden, mehr Informationen über
Umfang und Art der Probleme im Zusammenhang mit dem
Cannabiskonsum unter Schülern und über die Effektivität der
angewendeten korrektiven und präventiven Maßnahmen zu sammeln.
Die Aufklärung über die Risiken häufigen und intensiven
Cannabiskonsums soll verstärkt werden.
Im Jahre 1994 wurden über 43 Tonnen Haschisch und fast 195
Tonnen Marihuana beschlagnahmt. Die Zahl der gefundenen und
vernichteten "Nederwiet-Pflanzen", also des niederländischen
Hanfs, stieg auf 558.000. Mehre im Ausland beschlagnahmte
Partien Cannabis waren, wie festgestellt wurde, für die
Niederlande bestimmt. Trotz dieser Fahndungserfolge wurde der
niederländische Markt unverändert gut beliefert.
Der Marktanteil des Nederwiets, an in den Niederlanden
konsumierten weichen Drogen, soll inzwischen 50% betragen. Die
in den Niederlanden seit alters vorhandene Kenntnis von
Gartenbau- und Veredelungstechniken hat zur Erreichung dieses
Marktanteils beigetragen. Nederwiet gilt als Qualitätsprodukt
und ist daher vor allem bei Jugendlichen beliebt.
Die Jahresumsätze - Import, Inlandsabsatz, Export und
Transithandel - mit weichen Drogen werden auf 6,5 Milliarden
Gulden geschätzt. Schließlich muß noch erwähnt werden, daß
Niederländer auch anderswo in der Welt am Handel mit weichen
Drogen beteiligt sind. Diese Aktivitäten
fallen primär unter die Jurisdiktion der betreffenden Länder.
Die Coffeeshops haben, wie in der Einführung gesagt, bewiesen,
daß sie einen Beitrag zur erwünschten Trennung der
Detailhandelsmärkte für weiche und harte Drogen leisten
können. Die Zahl der an sich nützlichen Coffeeshops hat
zugenommen, und damit haben auch die negativen
Begleiterscheinungen zugenommen. Ein Teil der Coffeeshops
steht außerdem unter dem Einfluß krimineller Organisation.
Bewohner beschweren sich in manchen Gemeinden über
herumlungernde Kunden, Verschmutzung und
Verkehrslärm. Coffeeshops in Stadtzentren
rufen verständlicherweise weniger Proteste hervor als
Coffeeshops in Wohngegenden. Die Klagen kommen insbesondere
aus Grenzgemeinden, in denen ausländische Kunden sich nicht
selten aggressiv und einschüchternd verhalten.
Auf viel Kritik stoßen Coffeeshops in der Nähe von Schulen und
Jugendeinrichtungen. Vereinzelt kommen auch Beschwerden über
den Verkauf harter Drogen in Coffeeshops oder in deren Nähe
vor. Der Verkauf harter Drogen steht im Widerspruch zur
Richtlinie der Staatsanwaltschaft über Coffeeshops vom Oktober
1994. Gegen Verstöße dieser Art wird die Staatsanwaltschaft
strenger vorgehen. Die hohe Konzentration von Coffeeshops in
manchen Gemeinden verursacht nicht nur Probleme, sondern
begünstigt auch den Verkauf harter Drogen. Außerdem ist
dadurch der Verkauf weicher Drogen nicht mehr rentabel. Auch
aus diesem Grund ist eine hohe Konzentration von Coffeeshops
unerwünscht. Die im Ausland manchmal aufgestellte Behauptung,
in den niederländischen Coffeeshops würden in der Regel auch
harte Drogen verkauft, entspricht im übrigen nicht der
Wahrheit.
Ziel der strafrechtlichen Maßnahmen, die die
Generalstaatsanwälte im Oktober 1994 in der
Fahndungsrichtlinie Coffeeshops (Richtlijn Opsporingsbeleid
inzake de coffeeshops; Staatscourant 1994, Nr. 203) formuliert
haben, ist es, die in den lokalen Dreiergesprächen über
Coffeeshops festgelegten Leitlinien zu stützen. Unter strengen
Voraussetzungen - keine Werbung, kein Verkauf harter Drogen,
keine negativen Begleiterscheinungen, kein Verkauf an
Jugendliche unter 18 Jahren, kein Verkauf von mehr als 30
Gramm pro Person und Transaktion - wird nicht strafrechtlich
gegen Personen vorgegangen, die in Gaststättenbetrieben, über
die in den Dreiergesprächen eine Einigung erzielt worden ist,
weiche Drogen verkaufen. Hierfür kommen lediglich Betriebe
ohne Schankerlaubnis für alkoholische Getränke in Frage.
Trotz der Richtlinie der Staatsanwaltschaft gibt es noch eine
große Vielfalt von Einrichtungen, in denen weiche Drogen
verkauft werden. Coffeeshops im engeren Sinne sind
Gaststättenbetriebe ohne Alkoholausschank und ohne
Spielautomaten. In der Praxis findet der Verkauf von Drogen
auch in Cafés, Videotheken, Fitneßzentren und Wohnhäusern
statt. Die Zahl solcher illegaler Verkaufsstellen wird auf 900
geschätzt, die Zahl der Coffeeshops im engeren Sinn auf 1100
bis 1200. Bei den geduldeten Coffeeshops handelt es sich um
Großstadt-Shops, die auf den Massenverkauf ausgerichtet sind,
um kleinere Coffeeshops in den Stadtvierteln oder um
Coffeeshops für Jugendliche, in denen Stammgäste Tischfußball
spielen, bis zu zweifelhaften Hinterhof-Etablissements. Der
Kommerz hat überall die Oberhand gewonnen. Verkauf aus
ideellen Motiven kommt nur noch in einigen wenigen Gemeinden
vor.
In vielen Gemeinden findet inzwischen in Zusammenarbeit mit
Polizei und Justiz eine Reform der Coffeeshop-Politik statt.
Die Rahmenbedingungen für die Duldung werden verschärft. Die
Gemeinden befinden sich in verschiedenen Phasen in bezug auf
die Formulierung und Durchführung dieser neuen Coffeeshop-
Maßnahmen. In vielen Gemeinden strebt man eine drastische
Reduzierung der Anzahl Coffeeshops an, teilweise um die Hälfte
in den kommenden Jahren. Wir unterstützen diese Bestrebungen
u.a. deshalb, weil Coffeeshops hierdurch besser kontrollierbar
werden.
Mit dem Verwaltungsinstrumentarium, das den lokalen
Gebietskörperschaften zur Verfügung steht, kann man, wenn es
konsequent angewendet wird, einen großen Teil der durch den
Drogenhandel und Drogenkonsum verursachten Probleme in den
Griff bekommen. Man kann auf diese Weise verhindern, daß in
der Nähe von Schulen oder in Straßen, in denen die Verkehrs-
oder Wohnsituation dies verbietet, Coffeeshops eröffnet
werden.
Maßnahmen zur Regelung der Niederlassung sind aufgrund der
Verordnungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, des Erlasses
Gaststättenbetriebe Immissionsschutzgesetz (Besluit
horecabedrijven hinderwet), der lokalen Verordnungen für
Gaststättenbetriebe ohne Alkoholausschank, Allgemeiner
Polizeiverordnungen (APV) und Umweltverordnungen möglich. Über
einen Flächennutzungsplan kann die Niederlassung von
Coffeeshops an unerwünschten Orten (gegenüber Schulen, Klub-
und Nachbarschaftsheimen) verhindert werden. Regelungen für
den Betrieb von Coffeeshops können nach dem Vorbild des
Ausschank- und Gaststättengesetzes (Drank- en Horecawet)
aufgrund allgemeiner Polizeiverordnungen und lokaler
Verordnungen für Gaststätten ohne Alkoholausschank getroffen
werden. In einigen Gemeinden wurden darüber hinaus
Vereinbarungen mit Coffeeshop-Inhabern getroffen.
Mit Hilfe des obengenannten Instrumentariums ist die
Formulierung eindeutiger Regeln hinsichtlich der Coffeeshops
möglich. Sodann muß selbstverständlich auf die Einhaltung der
kommunalen Regeln geachtet werden und muß gegen den Verkauf
weicher Drogen außerhalb der Coffeeshops tatsächlich
eingeschritten werden. Dies erfordert konkrete Vereinbarungen
zwischen den Gemeindeverwaltungen, den Staatsanwaltschaften
und der Polizei im Rahmen der Dreiergespräche. Ziel dieser
Maßnahmen ist die Unterbindung des Verkaufs weicher Drogen in
Gaststättenbetrieben und die Festlegung strenger Regelungen
für Coffeeshops in bezug auf Lage, Öffnungszeiten,
Einrichtung, Toiletten, Parkmöglichkeiten und Lärmbelästigung.
Ob Ordnungsstörungen zu erwarten sind, hängt von der
Attraktivität des Lokals für kriminelle Elemente ab. Wichtig
ist daher auch, daß Anforderungen an die Qualifikationen und
den Leumund des Geschäftsführers gestellt werden können. Bei
Coffeeshops ist dies aufgrund einer lokalen Verordnung für den
Betrieb von Gaststätten ohne Alkoholausschank nach dem Vorbild
der Verordnung zum Ausschank- und Gaststättengesetz und dem
Erlaß über die sittlichen Anforderungen (Besluit eisen
zedelijk gedrag) kraft dieses Gesetzes möglich. Zusammen mit
der Vereinigung Niederländischer Gemeinden gehen wir
inzwischen der Frage nach, ob zu diesem Zweck
Musterbestimmungen entwickelt werden können. Dabei geht es
nicht nur darum, eine Reihe von Qualitätsanforderungen
festzulegen, sondern auch darum, die Genehmigung verweigern zu
können, wenn der Geschäftsführer oder Inhaber vorbestraft ist
oder als Strohmann für eine kriminelle Organisation fungiert.
Unter anderem im Rahmen der präventiven Maßnahmen gegen die
organisierte Kriminalität soll bei der Revision des Ausschank-
und Gaststättengesetzes die Frage geprüft werden, wie die
Möglichkeiten der Gemeinden, Genehmigungen zu verweigern oder
einzuziehen, verbessert werden können. Bei der näheren
Ausgestaltung der Regelungen soll eventuellen negativen
Auswirkungen auf den Ruf des übrigen Gaststättengewerbes
Rechnung getragen werden.
Die Existenz dieser administrativ-rechtlichen Maßnahmen will
nicht besagen, daß Gemeinden auch verpflichtet sind, eine oder
mehrere Verkaufsstellen zu dulden. Eine Gemeindeverwaltung
kann beschließen, überhaupt keine Coffeeshops zuzulassen. Dies
muß jedoch in den Dreiergesprächen mit dem Chef des
Polizeikorps und dem Staatsanwalt erörtert werden. Wenn keine
Coffeeshops zugelassen werden, können Jugendliche, die sich
Cannabis beschaffen wollen, von der kriminellen Szene abhängig
werden. Darüber hinaus kann sich der Verkauf dann in
Wohnungen, Kneipen oder auf die Straße verlagern und so
allerlei negative Begleiterscheinungen nach sich ziehen. Die
Durchsetzbarkeit solcher Maßnahmen muß mitberücksichtigt
werden. Die meisten Gemeinden ziehen es daher vor, einige
relativ sichere Verkaufsstellen zu dulden. Das Kabinett
unterstützt diese Maßnahmen, sofern die Einhaltung der
beschlossenen Regelungen auch kontrolliert wird. Wenn man sich
in den Dreiergesprächen für die Nulloption entscheidet, werden
die zuständigen Staatsanwaltschaften gegen die vorhandenen
Coffeeshops strafrechtlich vorgehen, auch wenn sie sich
ansonsten an die Bestimmungen halten.
Soll die Kontrolle wirksam sein, so muß Kapazität für die
Überprüfung und Überwachung der Einhaltung der Genehmigungen
sowie der Einhaltung der Richtlinie der Staatsanwaltschaft und
der lokalen Verordnungen freigemacht werden. Verstöße gegen
die Regelungen dürfen nicht ohne Folgen bleiben. Die Gemeinden
und die Staatsanwaltschaft werden ersucht, dies aufmerksam zu
kontrollieren. Sollen die "Sanierungsmaßnahmen" in bezug auf
die Coffeeshops erfolgreich sein, erfordert dies zuallererst
eine strenge Überwachung der Einhaltungen der Bestimmungen.
Das Kabinett weist in diesem Zusammenhang auf die in der
Koalitionsvereinbarung beschlossene Aufstockung des
Personalbestands bei der Polizei hin. Es ist zu erwarten, daß
die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen nach Durchführung der
"Sanierung" reduziert werden können.
Inhaber von Coffeeshops sind einkommensteuerpflichtig.
Geldbewegungen, die mit den Umsätzen von Coffeeshops
zusammenhängen, gelten, sofern die Coffeeshops sich an die von
den Justizbehörden gestellten Anforderungen halten, nicht als
ungewöhnliche Transaktionen im Sinne des Gesetzes über die
Meldung ungewöhnlicher Transaktionen (Wet Meldpunt
Ongebruikelijke Transacties).
Nach unserer Auffassung ist ein kohärentes Vorgehen auf
lokaler Ebene für die Bekämpfung der von Coffeeshops
verursachten Störung der öffentlichen Ordnung von großer
Bedeutung. Die bereits genannte Zwischenbehördliche
Projektgruppe wird eine Beratungsstelle einrichten, die die
Gemeinden, die Polizei und die Staatsanwaltschaft bei der
Einsetzung einer Kombination behördlicher und strafrechtlicher
Mittel zur Kontrolle der Coffeeshops und zur Weiterentwicklung
der behördlichen Maßnahmen berät. Diese Beratungsstelle wird
ferner Empfehlungen für kommunalpolitische Maßnahmen in bezug
auf andere Aspekte der Drogenproblematik geben können.
Manche Coffeeshop-Inhaber bauen inzwischen selbst Nederwiet an
oder kaufen Nederwiet von Privatpersonen, die Cannabis zu
Hause anbauen. Die gesamte Produktions- und Handelskette
bleibt auf diese Weise dem Einfluß krimineller Organisationen
entzogen. Bei strafrechtlichen Ermittlungen stieß man jedoch
auch wiederholt auf kriminelle Organisationen, die sich mit
dem Import, dem Anbau, dem Großhandel und dem Vertrieb von
Cannabis sowie mit der Betreibung von Coffeeshops und anderen
Gaststättenbetrieben befaßten. Man investiert in Immobilien
und in legale Betriebe unter anderem in der Sexindustrie und
der Automatenbranche. In solchen Organisationen sind
Coffeeshop-Inhaber oft nichts anderes als Strohmänner.
Zudem gibt es Anhaltspunkte dafür, daß kriminelle Organisation
sich sowohl mit dem Innen- und Außenanbau in großem Maßstab
wie auch mit gewerbsmäßigen Innenanbau von Nederwiet befassen.
Der Anbau von Nederwiet wird jedoch in seiner Allgemeinheit
sicherlich nicht von kriminellen Organisationen beherrscht.
Der Einfluß der organisierten Kriminalität ist bei der
Beurteilung der Coffeeshop-Maßnahmen ein wichtiger Prüfstein.
Die Rolle krimineller Organisationen bei der Versorgung der
Coffeeshops mit weichen Drogen muß u.a. im Zusammenhang mit
der beabsichtigten Trennung der Märkte soweit wie möglich
reduziert werden. Wenn die Coffeeshops nämlich unter den
Einfluß krimineller Organisationen geraten, ist das Risiko
groß, daß harte Drogen verkauft werden und daß auch kriminelle
Aktivitäten in den Coffeeshops stattfinden. Abgesehen davon
soll den kriminellen Organisationen möglichst wenig
Gelegenheit geboten werden, am geduldeten Verkauf von Cannabis
in den Coffeeshops mitzuverdienen. Ein wichtiges Ziel unserer
drogenpolitischen Maßnahmen ist die Reduzierung des Einflusses
der organisierten Kriminalität auf die Coffeeshops. Im fünften Kapitel
dieses Berichts soll auf die strafrechtlichen
Maßnahmen in bezug auf die Lieferung weicher Drogen an
Coffeeshops näher eingegangen werden.
Zur
Lösung für das Problem des Drogentourismus wurde
vorgeschlagen, den Verkauf an Ausländer unter Berufung auf das
Schengener Übereinkommen zu verbieten. Das Gebot, einen
Unterschied zwischen niederländischen und ausländischen
Konsumenten zu machen, ist jedoch verfassungsrechtlich
problematisch und im übrigen schwer durchsetzbar. Bei einer
unterschiedlichen Behandlung würden man Niederländer als
Zwischenpersonen einschalten.
Die Kritik des Auslands richtet
sich nicht in erster Linie auf den Konsum von Cannabis in
niederländischen Coffeeshops, sondern vielmehr gegen den
Import von Mengen, die als Vorrat zu betrachten sind. Das 30-
Gramm-Kriterium, das die Grenze zwischen Übertretung und
Verbrechen markiert, wurde bei der Verabschiedung des
Betäubungsmittelgesetzes aus dem Jahre 1976 dem Recht der
Vereinigten Staaten entlehnt, wo der Besitz einer Unze
Cannabis entkriminalisiert wurde. Diese Norm wurde auch
deshalb übernommen, weil es sich dabei angeblich um eine Menge
handelt, mit der Konsumenten, die ihren Stoff mit anderen
teilen, etwa zwei Wochen auskommen können. Mit dieser Menge
würden die Konsumenten noch unter der Strafbarkeitsgrenze
liegen. Bei der Behandlung des Betäubungsmittelgesetzes von
1976 wurde in der Zweiten Kammer des Parlaments bereits darauf
hingewiesen, daß dieses Kriterium das Risiko gewerbsmäßigen
Handels in sich birgt.
Von 30 Gramm Cannabis kann man zwischen 50 und 100 Zigaretten
(Joints) drehen. Der Durchschnittskunde in den Coffeeshops
kauft höchstens drei Gramm im Wert von etwa 25 Gulden. Man
kann davon ausgehen, daß in den Grenzgebieten an Ausländer
verkaufte Mengen von mehr als einigen Gramm für den Export
bestimmt sind. An Wochenenden sorgen Drogentouristen in
manchen Gemeinden für zwei Drittel des Coffeeshop-
Umsatzes. Es gibt Hinweise darauf, daß die
Mengen, die bei schmuggelnden Drogentouristen beschlagnahmt
wurden, nach dem Wegfallen der Grenzkontrollen größer geworden
sind.
Die geringere Strafbarkeit bei Mengen von nicht mehr als
30 Gramm gilt nicht für die Ein- und Ausfuhr. Es ist natürlich
nie die Absicht der niederländischen Behörden gewesen, daß
Coffeeshops die Auslandsmärkte bevorraten. Die Ausfuhr weicher
Drogen gilt ungeachtet der Menge nach dem niederländischen
Betäubungsmittelgesetz als Straftat. Ein Coffeeshop-Inhaber,
der weiche Drogen an einen Ausländer verkauft, kann sich unter
Umständen der Beihilfe zur Ausfuhr schuldig machen, und das
ist - auch bei Mengen unter dreißig Gramm - strafbar.
In der Richtlinie der Staatsanwaltschaft gilt die gesetzliche
Norm für den Besitz eines Vorrats zum Eigenverbrauch von
maximal 30 Gramm auch für den Verkauf von Cannabis in
geduldeten Coffeeshops. Wir nehmen die in den Grenzgebieten
auftretenden Probleme und die Kritik aus dem Ausland zum
Anlaß, diese Verkaufsnorm zu überprüfen. Die Abgabemenge pro
Kunde soll auf fünf Gramm beschränkt werden. Diese Anpassung
der staatsanwaltschaftlichen Richtlinie bringt die zentrale
drogenpolitische Zielsetzung - die Abschirmung der Konsumenten
von der Welt der harten Drogen - nicht in Gefahr. In den
wenigen Coffeeshops, die ohne Gewinnabsicht arbeiten, werden
bereits jetzt nur Mengen von maximal 3 bis 5 Gramm verkauft.
Niederländer ab 18 Jahren, die weiche Drogen konsumieren
wollen, erhalten sie nach wie vor bei den Coffeeshops. Darüber
hinaus erhält der Besitz eines Vorrats zum Eigenverbrauch von
maximal 30 Gramm auch weiterhin keine Priorität bei der
Fahndung. Ausländischen Besuchern wird es allerdings schwerer
gemacht, sich einen Vorrat für den Export zu beschaffen. Das
wird sicherlich die Schwelle für ausländische Jugendliche
erhöhen.
Die Kontrolle ist bei der Fünf-Gramm-Norm für den Verkauf an
sich nicht schwieriger als bei der heutigen Norm von dreißig
Gramm. Coffeeshops, die regelmäßig Mengen von mehr als fünf
Gramm verkaufen, werden sofort auffallen. Wo die Einhaltung
der Dreißig-Gramm-Norm bereits überprüft wird, kostet die
Kontrolle der Einhaltung der Fünf-Gramm-Norm keine zusätzliche
Kapazität. Auf die Einhaltung der Fünf-Gramm-Norm soll im
Rahmen der nach Abschluß des "Sanierungsvorhabens" geplanten
strengeren Kontrollen geachtet werden. Wenn der ausländische
Drogentourismus nicht abnimmt, sollen zur Unterstützung der
neuen drogenpolitischen Maßnahmen regelmäßig gezielte
Fahndungen im Zusammenhang mit dem Export von Handelsvorräten
an Cannabis, die die ausländischen Touristen in Coffeeshops
oder anderswo erworben haben, stattfinden. Hierzu sollen, wo
erforderlich, ausländische Polizeibehörden um Unterstützung
aufgrund der im Schengener Übereinkommen 1990 getroffenen
Vereinbarungen ersucht werden.
Mit der Einführung einer Höchstgrenze für die Mengen Cannabis,
die in den Coffeeshops verkauft werden dürfen, erfüllen die
Niederlande die in der Schlußakte zum
Durchführungsübereinkommen von 1990 eingegangene
Verpflichtung, grenzüberschreitende Auswirkungen, die durch
unterschiedliche drogenpolitische Maßnahmen im Bereich der
weichen Drogen hervorgerufen werden, soweit wie möglich zu
verhindern. Durch diesen Schritt wird ein Teil der gegen die
Coffeeshops im In- und Ausland geübten Kritik gegenstandslos,
ohne daß ihre primäre soziale Funktion - die Trennung der
Verbrauchermärkte für weiche und harte Drogen - in Gefahr
käme. Die Staatsanwaltschaft wird diese Norm in die
staatsanwaltschaftliche Richtlinie aufnehmen und für die
Kontrolle sorgen.
Ein Problem für die Inhaber von Coffeeshops besteht darin, daß
der Verkauf kleiner Mengen weicher Drogen zwar geduldet wird,
der Besitz des dafür benötigten Handelsvorrats aber nicht. In
der täglichen Rechtspraxis spielt dieses Problem keine große
Rolle. Die staatsanwaltschaftliche Richtlinie wird in dem
Sinne angepaßt, daß keine gezielt Fahndung stattfindet, wenn
Coffeeshop-Inhaber sich an die kommunalen und strafrechtlichen
Voraussetzungen halten und zu diesem Zweck nur einige hundert
Gramm Drogen besitzen.
Die Zahl der Ermittlungen gegen Hersteller synthetischer
Drogen hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Eines der
fünf sog. Kernteams, die für die Fahndung nach kriminellen
Organisation eingesetzt wurden, befaßt sich insbesondere mit
der Bekämpfung der Herstellung von synthetischen Drogen und
mit der Bekämpfung des Handels mit diesen Drogen.
Die Menge der beschlagnahmten Drogen ist zwar kein
zuverlässiger Gradmesser für die Fahndungsbemühungen und
Fahndungserfolge, aber die Angaben lassen deutlich erkennen,
daß die niederländische Polizei und der niederländische Zoll
keinesfalls untätig sind. Die Entwicklung von Analysemethoden
für eine effiziente Kontrolle u.a. von Schiffscontainern und
Fluggästen durch den Zoll beginnt Früchte abzuwerfen. Im
Vergleich zum Vorjahr hat der Zoll 1994 58% mehr Drogen
beschlagnahmt. In den ersten sieben Monaten des Jahres 1995
war wiederum eine erhebliche Zunahme zu verzeichnen. Mit den
Behörden der Niederländischen Antillen soll darüber gesprochen
werden, wie der Drogenexport auf der Flugroute nach Amsterdam
schärfer kontrolliert werden kann.
Etwa die Hälfte der Meldungen bei der Meldestelle für
ungewöhnliche Transaktionen, die als verdächtig qualifiziert
wurden, bezieht sich auf Drogengeschäfte.
Organisationen, denen überwiegend Niederländer angehören, sind
vor allem im Handel mit weichen Drogen tätig. Auf dem
niederländischen Verbrauchermarkt für weiche Drogen werden pro
Jahr schätzungsweise 800 Mio. Gulden umgesetzt; die Hälfte
davon entfällt auf Nederwiet. Niederländer sind darüber hinaus
an der Durchfuhr sowie am internationalen Handel mit weichen
Drogen und Ecstasy beteiligt, wobei sich der internationale
Handel großenteils außerhalb der Niederlande abspielt.
Haupttätigkeit von drei Viertel der hundert gutorganisierten
Gruppen ist der Handel mit harten Drogen; fast die Hälfte von
ihnen hat als Haupttätigkeit den Handel mit weichen Drogen
(eine Anzahl Gruppen hat mehrere Haupttätigkeiten).
Mehr als die Hälfte der Gruppen, die vorwiegend mit harten
Drogen handeln, handelt auch mit weichen Drogen und der
überwiegende Teil der Gruppen, die mit weichen Drogen handeln,
handelt auch mit harten Drogen. Die auf der Verbraucherebene
angestrebte Trennung der Märkte scheint also auf dem Gebiet
der organisierten Kriminalität kaum zu bestehen.
Mit den nötigen Vorbehalten wegen der genannten
Informationslücken kann gesagt werden, daß die organisierte
Kriminalität fest im Sattel sitzt und daß der Drogenhandel und
Drogenschmuggel für in der EU tätige kriminelle Gruppen nach
wie vor eine Haupttätigkeit ist. In vielen Fällen sind die
Organisationen international tätig. Sie beschränken sich nicht
auf eine Art von Delikten, sondern sind an einer ganzen
Palette krimineller Aktivitäten beteiligt. Insbesondere seien
hier Menschenschmuggel und Prostitution, Waffenhandel,
Erpressung, Gewaltverbrechen, Autodiebstahl und Handel mit
gestohlenen Autos, Urkundenfälschung, EG-Betrugsdelikte, die
illegale Verarbeitung oder Ablagerung von Müll, Bestechung,
Betrug und Geldwäsche sowie Bedrohungen z.B. von
Polizeibeamten und Zeugen genannt.
Einzelne Gruppen arbeiten (auf internationaler Ebene)
zusammen. Wie bereits erwähnt, ist durch die
Brückenkopffunktion unseres Landes im internationalen
Transport legaler Waren eine Infrastruktur entstanden, die
auch für den Import und Transit illegaler Drogen und deren
Vorbereitung benutzt wird. Dieser Mißbrauch soll in den
kommenden Jahren aktiv bekämpft werden.
Die Anstrengungen der Polizei- und Justizbehörden tragen dazu
bei, daß die Drogen für die Konsumenten relativ teuer sind und
nicht öffentlich verkauft werden können. Im Zusammenhang mit
der Trennung der Märkte für weiche und harte Drogen wird so
ein Beitrag zur Beschränkung der Anzahl Erstkonsumenten von
harten Drogen geleistet. Da die Beschaffung von Geld für den
Kauf harter Drogen viel Energie kostet, tragen die
strafrechtlichen Maßnahmen bei einem Teil der älteren
Süchtigen vermutlich zur Beendigung des Drogenkonsums bei.
Die strafrechtlichen Maßnahmen gegen den Handel haben auch in
den Niederlanden den Import und das Angebot harter Drogen
nicht dauerhaft versiegen lassen. Drogen werden nach wie vor
auf den internationalen Märkten angeboten. Die
Gewinnaussichten sind so günstig, daß der Platz festgenommener
Händler und aufgelöster krimineller Organisation in der Regel
von anderen eingenommen wird. In dieser Hinsicht ist die
Aussicht auf dauerhafte Erfolge gering. Auch muß man der
Gefahr ins Auge sehen, daß nationale und internationale Netze
krimineller Organisationen allmählich mehr wirtschaftliche und
finanzielle Macht erwerben. Schätzungsweise werden in der Welt
jährlich Drogen im Wert von 500 Milliarden Gulden
umgesetzt. Die Problematik des Wachstums der
u.a. im Drogenhandel tätigen kriminellen Organisationen spielt
in vielen Teilen der Welt eine Rolle und genießt die volle
Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, wie
sich auf den Konferenzen der Regierungschefs und Minister 1994
in Neapel zeigte.
Das Kabinett wird in den kommenden Jahren einen aktiven
Beitrag zur Bewußtwerdung und Diskussion über die weltweite
Problematik leisten, die von manchen als unvermeidliche Folge
der Strafbarkeit des Drogenkonsums angesehen wird.
Für falsch hält das Kabinett jedoch die vereinzelt geäußerte
Auffassung, daß das einzige Mittel gegen die Drogenproblematik
in einer völligen Legalisierung aller Drogen liege und daß
differenzierte Kontrollmaßnahmen sinnlos seien. Die
juristische und verwaltungsmäßige Bekämpfung des organisierten
Verbrechens im Zusammenhang mit u.a. dem Drogenhandel soll
energisch fortgesetzt werden.
Das angekündigte
überregionale Fahndungsteam soll dieses Jahr seine Arbeit
aufnehmen. Es wird sich insbesondere auf finanzielle
Recherchen und auf die Unterstützung von Fahndungsvorhaben,
die von anderen Ländern ausgehen, konzentrieren. Es wird sich
daher vor allem mit der Fahndung nach international
arbeitenden kriminellen Organisationen befassen. So kann bei
im Ausland aufgenommenen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem
Drogenhandel adäquatere Unterstützung gewährt werden.
Selbstverständlich werden die Ergebnisse und Schlußfolgerungen
der parlamentarischen Untersuchung für weitere Entscheidungen
in dieser Sache maßgeblich sein. Schon jetzt steht fest, daß
die Fahndung nach kriminellen Organisationen in den kommenden
Jahren intensiviert werden soll. Sobald die Schlußfolgerungen
aus der parlamentarischen Untersuchung bekannt sind, werden
die Ministerin der Justiz und der Minister des Innern einen
aktualisierten Aktionsplan für die Bekämpfung des
organisierten Verbrechens der Zweiten Kammer vorlegen.
Die Möglichkeiten für finanzielle Recherchen wurden, wie
bekannt, erheblich erweitert. Die Tatsache, daß Banken,
Unternehmen und Angehörige bestimmter freier Berufe an der
Bekämpfung der Reinvestition von Gewinnen aus kriminellen
Aktivitäten mitarbeiten, hält das Kabinett für ermutigend.
Unter anderem dank der regionalen und überregionalen
Aktivitäten der Nationalen Plattform für Verbrechensbekämpfung
(Nationaal Platform Criminaliteitsbestrijding) - ein
Kooperationsorgan der Wirtschaft, der freien Berufe und der
Regierung unter dem Vorsitz der Ministerin der Justiz - ist
man gegen die schleichende Infiltration durch kriminelle
Organisationen besser gewappnet und schenkt ihr mehr
Aufmerksamkeit. Auch einige Gemeindeverwaltungen treffen
Maßnahmen mit dem Ziel, kriminellen Organisationen möglichst
keine Chance zu geben. In dem aktualisierten Aktionsplan soll
auch den Maßnahmen der Exekutive zur Bekämpfung der
organisierten Kriminalität große Aufmerksamkeit geschenkt
werden.
Die Notwendigkeit dieser Zusammenarbeit besteht bereits seit
geraumer Zeit und kommt in Verträgen zum Ausdruck, die
speziell zur Verhinderung und Bekämpfung des illegalen Handels
geschlossen wurden. Auf internationaler Ebene wurde die
rechtliche Grundlage in drei Verträgen der Vereinten Nationen
gelegt, und zwar in dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über
Suchtstoffe in der durch das Protokoll zur Änderung des
Einheits-Übereinkommens von 1972 geänderten Fassung, dem
internationalen Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe
und dem Übereinkommen gegen den unerlaubten Verkehr mit
Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988.
Diese Verträge
bieten durch ihren weltweiten Charakter und hohen
Ratifizierungsgrad eine gute Basis für die strafrechtliche
Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Bestimmungsländern. Bei
der Zusammenarbeit zwischen den Bestimmungsländern wird
ebenfalls von diesen Instrumenten Gebrauch gemacht. Dabei hat
sich jedoch gezeigt, daß die Effizienz der Zusammenarbeit
durch zusätzliche Regelungen erhöht wird. So wurde vom
Europarat der Vertrag zur Durchführung von Artikel 17 des
obengenannten UNO-Vertrags von 1988 verabschiedet, der die
Zusammenarbeit bei Aktionen außerhalb der Hoheitsgewässer
gegen Schiffe, in denen Drogen geschmuggelt werden, regelt;
ferner wurde im Durchführungsübereinkommen zum Schengener
Übereinkommen den Betäubungsmitteln ein gesonderter Abschnitt
gewidmet. Schließlich enthält der Europäische Unionsvertrag
Bestimmungen über die Bekämpfung des illegalen Handels mit
Betäubungsmitteln und wurden im EU-Rahmen weitere Initiativen
ergriffen, wie die Verabschiedung der genannten Verordnungen
und Richtlinien über die Präkursoren und die Einrichtung der
Europol-Drogeneinheit als Vorläuferin von Europol.
Mitunter
werden auch auf bilateraler Basis vertragliche Regelungen
geschlossen. So wurde im Jahre 1989 zwischen dem Königreich
der Niederlande und Venezuela ein Vertrag über die Bekämpfung
des Mißbrauchs, des unerlaubten Handels und der unerlaubten
Herstellung von Betäubungsmitteln, pyschotropen Stoffen und
damit zusammenhängenden chemischen Stoffen geschlossen.
Diese spezifischen Regelungen stellen zusammen mit den
allgemeinen Verträgen über internationale strafrechtliche
Zusammenarbeit (Auslieferung, Rechtshilfe in Strafsachen,
Übertragung und Übernahme der Strafverfolgung bzw. des
Strafvollzugs, Beschlagnahme von Erträgen aus kriminellen
Handlungen) und den Verträgen über gegenseitige Unterstützung
der Zollverwaltungen, die in den Niederlanden und ihren
Nachbarländern in Kraft sind, ein umfassendes Instrumentarium
für die internationale Fahndung nach Drogendelikten und die
Verfolgung der in diesen Ländern tätigen international
organisieren Gruppen dar. Bei der internationalen
Zusammenarbeit geht es daher auch nicht in erster Linie um
eine Ergänzung des vertraglichen Instrumentariums.
Eine weitere Erhöhung der Effizienz in der internationalen
Zusammenarbeit ist jedoch wünschenswert. Sie kann durch eine
gründliche Analyse der grenzüberschreitenden Aspekte des
Drogenhandels und der daran beteiligten Organisationen
erreicht werden. Wichtig sind auch die Entwicklung und
Unterhaltung internationaler Netzwerke der Polizei-, Zoll- und
Justizbehörden, damit die Koordinierung bei der Fahndung und
Strafverfolgung im Einzelfall effizient und unter Wahrung des
jeweiligen einzelstaatlichen Rechts verläuft und das
Instrumentarium, das mit den genannten Verträgen
bereitgestellt wird, optimal eingesetzt wird.
Innerhalb Europas nimmt infolge der Intensivierung der
Zusammenarbeit die Zahl der Rechtshilfeersuchen im Bereich der
Fahndung und Strafverfolgung in Drogensachen zu. Dies zwingt
zu einer Vereinfachung der internationalen und nationalen
Verfahren. Mit dem Inkrafttreten des Schengener
Durchführungsübereinkommens sind viele Verfahren zwischen den
Mitgliedstaaten erheblich einfacher geworden; so können
Ersuchen unmittelbar an die Polizeibehörden und
Staatsanwaltschaften gerichtet werden.
In den Niederlanden ist man angesichts der zunehmenden Zahl
von Anträgen zu der Einsicht gelangt, daß die Behandlung der
Anträge durch Polizei, Staatsanwaltschaft und
Justizministerium in qualitativer Hinsicht verbessert werden
muß. Da im Gegensatz zu früher die Behörden ein ständiger
Strom von Ersuchen erreicht, müssen alle beteiligten Parteien
gemeinsam die hierfür erforderlichen organisatorischen
Voraussetzungen schaffen.Sowohl beim Justizministerium als
auch bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei wurden oder
werden die Verfahren mittels Automatisierung optimalisiert.
Dabei wird auch der gegenseitigen Abstimmung und dem
gegenseitigen Informationsaustausch Aufmerksamkeit geschenkt.
Was die Polizei angeht, so wird, wie bereits erwähnt, in Kürze
ein überregionales Fahndungsteam einsatzfähig sein.
Zur Verhinderung des Mißbrauchs von Chemikalien für die
illegale Produktion von Betäubungsmitteln wurde das am 1. Juli
1995 in Kraft getretene Gesetz zur Verhinderung des Mißbrauchs
von Chemikalien (Wet Voorkoming Misbruik Chemicaliën)
verabschiedet, das Vorschriften über die Herstellung von und
den Handel mit Präkursoren, die übrigens zu etwa 90% legal
genutzt werden, enthält. Mit diesem Gesetz erfüllen die
Niederlande ihre Verpflichtungen aufgrund des Übereinkommens
gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und
psychotropen Stoffen von 1988 und der darauf basierenden EG-
Verordnungen und Richtlinien. Bei einem Verstoß gegen das
Gesetz kann nicht nur auf eine Freiheitsstrafe und Geldbuße
erkannt werden, sondern auch der finanzielle Gewinn eingezogen
werden.
Die internationalen Vorschriften auf diesem Gebiet sollen den
illegalen Handel mit Präkursoren weltweit verhindern. Die
Aufsicht über die Einhaltung dieses Gesetzes liegt beim
Wirtschaftskontrolldienst (ECD), der im Zusammenhang mit
anderen Kontrollaufgaben bereits Kontakte zur chemischen
Industrie hat. Die Division Zentrale Kriminalpolitische
Informationen und der Wirtschaftskontrolldienst werden beim
Wirtschaftkontrolldienst eine zentrale Meldestelle schaffen,
die Einblick in den Präkursorenstrom vermitteln soll.
Unter dem Vorsitz der Europäischen Kommission werden im
Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten Initiativen zur
Erweiterung der internationalen Zusammenarbeit ergriffen, u.a.
mit den USA, den ehemaligen GUS-Staaten und den ASEAN-Länder.
Seit Nederwiet auf dem Markt ist, hat sich der Cannabis-Markt
in den Niederlanden grundlegend geändert. Durch die rasch
zunehmende Popularität des in den Niederlanden gezüchteten
Cannabis entstehen neue Probleme. Die Niederlande drohen ein
Exportland für einheimischen Cannabis zu werden. Das muß auf
jeden Fall verhindert werden.
Der Anbau von Nederwiet stellt die niederländischen Behörden
vor erhebliche Probleme in bezug auf die Kontrolle. Der Anbau
kann in kleinem Umfang und unauffällig in Privatwohnungen
erfolgen und ist kaum systematisch zu ermitteln. Auch in den
Vereinigten Staaten ist es der Justiz nicht gelungen, den
Cannabisanbau - mit einem geschätzten Wert von gut 18
Milliarden Dollar - zu beschränken. Es ist für
die niederländische Polizei und Justiz unvermeidlich, bei der
Bekämpfung des illegalen Anbaus bestimmte Prioritäten zu
setzen. Bekannt ist übrigens, daß außer in den USA auch in
Belgien, Deutschland und Osteuropa Cannabis angebaut wird.
In den Niederlanden wurde 1994 gegen 323 illegale
"Zuchtbetriebe" vorgegangen (1993:237). Die Zahl der
beschlagnahmten Pflanzen stieg von 194.000 im Jahre 1993 auf
558.000 im Jahre 1994. Darüber hinaus wurden 600 kg Nederwiet
beschlagnahmt. In den meisten Fällen handelte es sich um
kleine Anbauflächen in Wohnungen; die Ware war für den
Eigenverbrauch, den Kleinhandel, aber auch für den Großhandel
bestimmt. In weniger als 10% der Fälle handelte es sich um
Anbau im Freien, in gut 20% um Anbau in Gewächs- oder
Lagerhäusern. Inzwischen gibt es schätzungsweise einige
zehntausend Personen, die zu Hause Nederwiet anbauen.
Das Phänomen der Kleinzüchter von Cannabis bringt die Behörden
in ein Dilemma. Bonafide Coffeeshops beziehen ihre Ware
zunehmend von nichtkriminellen Kleinzüchtern. Auf diese Weise
können sie den Kontakt mit kriminellen Organisationen
vermeiden. Dieser Trend ist angesichts der Zielsetzung, der
organisierten Kriminalität möglichst wenig Spielraum zu geben,
positiv. Im Prinzip ist es möglich, daß ca. 35.000
Kleinzüchter - Schätzungen zufolge dürfte diese Anzahl leicht
erreicht werden - mit jeweils nur einigen Pflanzen die
Inlandsnachfrage nach Cannabis decken. An
Lieferungen von kriminellen Organisationen bestünde dann kein
Bedarf mehr. Umgekehrt besteht das Risiko, daß zumindest ein
Teil der Kleinzüchter von kriminellen Organisationen
vereinnahmt wird, was auch jetzt schon vereinzelt festgestellt
wurde.
Von ausschlaggebender Bedeutung bei der Fahndung und
Strafverfolgung ist die Kontrollierbarkeit. Aus den Gesprächen
mit den Staatsanwaltschaften ging hervor, daß das Aufspüren
von Kleinzüchtern wegen der geringen Auffälligkeit in der
Praxis sehr schwierig ist. Welche Prioritäten man setzt, wird
u.a. von den lokalen Umständen und Entwicklungen abhängen. Das
geeignete Forum, um hierüber Entscheidungen zu treffen, sind
die lokalen Dreiergespräche. Die beschlossenen Maßnahmen
sollen mit dem behördlichen Instrumentarium unterstützt
werden. Der Anbau durch Minderjährige soll auf keinen Fall
geduldet werden.
Es gibt Hinweise darauf, daß es niederländischen Züchtern von
Hanf vereinzelt gelingt, den THC-Gehalt von im Heimanbau
gezüchteten Pflanzen zu erhöhen, wodurch die psychotrope
Wirkung zunimmt. Das Gerichtslaboratorium hat 1994 183 Proben
von überwiegend in Wohnungen gezüchtetem Hanf auf seinen THC-
Gehalt untersucht. Der durchschnittliche THC-Gehalt betrug 8%.
Er entspricht somit dem in ausländischem Hanf vorgefundenen
Prozentsatz. Im Jahre 1994 wurde in einem Fall ein THC-Gehalt
von 20% in einer Nederwiet-Probe festgestellt. Der Konsum von
Cannabis mit einem hohen THC-Gehalt kann zu einer
Überdosierung und zu Angstanfällen bei den Benutzern führen.
Wir werden darauf hinwirken, daß das Gerichtslaboratorium
systematische Untersuchungen nach dem THC-Gehalt von in den
Niederlanden angebautem Hanf durchführt. Gegebenenfalls soll
die Staatsanwaltschaft aufgefordert werden, den Anbau und
Verkauf von Cannabis mit hohem THC-Gehalt besonders streng zu
verfolgen, z.B. durch eine entsprechende Verschärfung der
Strafanträge.
Bei der Fahndung und Strafverfolgung muß der Anbau von
Cannabis für den Export und/oder als Form der organisierten
Kriminalität höchste Priorität erhalten. Es muß verhindert
werden, daß die Niederlande ein Produktions- und Exportland
für weiche Drogen werden, vor allem dann, wenn sie wegen des
hohen THC-Gehalts unannehmbare Risiken mit sich bringen. Im
Interesse der Volksgesundheit wäre es unverantwortlich, einer
solche Entwicklung freien Lauf zu lassen; dies würde zu Recht
auf große Kritik im Ausland stoßen.
Um besser gegen großflächigen Anbau einschreiten zu können,
trägt sich die Ministerin der Justiz mit der Absicht, eine
Erhöhung der Höchststrafe für den Anbau von Nederwiet von zwei
Jahren und 25.000 Gulden auf vier Jahre und eine Geldstrafe
der fünften Kategorie vorzuschlagen.
In diesem Zusammenhang muß gleichzeitig ein Standpunkt zur
gesetzlichen Regelung des Anbaus von Cannabis für legale
Zwecke eingenommen werden. Der Anbau von Hanf als Windschutz
in der Landwirtschaft und im Gartenbau oder zur
Saatgutgewinnung bzw. zur Gewinnung von Fasern fällt laut
Erlaß vom 18. Oktober 1976 (Staatsanzeiger 509) zur
Durchführung von Artikel 3a Absatz 1 des
Betäubungsmittelgesetzes nicht unter dieses Gesetz. Diese Art
des Anbaus kommt in den Niederlanden nur in bescheidenem
Umfang vor. Das Areal für Faserhanf umfaßt etwa 1000 ha. Es
handelt sich um ungefähr hundert Betriebe. In der Zukunft kann
sich das ändern. Der Anbau u.a. für die Papierindustrie
scheint Möglichkeiten zu eröffnen, und aus den Vereinigten
Staaten schwappt eine Zurück-zur-Natur-Bewegung nach
Europa, mit der Kleidung und andere Erzeugnisse auf Hanfbasis
wieder in Mode kommen. Von der Europäischen Union können
Subventionen für den Anbau von zugelassenen Hanffasern (mit
einem sehr niedrigen THC-Gehalt) aufgrund von Anlage B der
EWG-Verordnung Nr. 1164/89 gewährt werden.
Die Erlaubnis für die genannten Zwecke Hanf anzubauen, kann
bei polizeilichen Aktionen aufgrund des
Betäubungsmittelgesetzes zu Beweisschwierigkeiten führen, wenn
der Züchter von vermutlich psychotropen Hanfsorten sich auf
die Ausnahmeregelung für Faser- und Saatgutproduzenten beruft.
Sicherlich in einem frühen Stadium des Anbaus ist dessen
Charakter nicht immer klar zu erkennen. In den vergangenen
Jahren wurden aufgrund von Artikel 87 des Saat- und
Pflanzgutgesetzes (Zaaizaad- en Plantgoedwet), das in diesem
Fall die Meldung bei der Niederländischen Allgemeinen
Prüfstelle für Saat- und Pflanzgut in der Landwirtschaft
(Nederlandse Algemene Keuringdienst voor zaaigoed en poortgoed
van landbouwgewassen/NAK) verlangt, auch Züchter verfolgt, die
sich auf die genannte Ausnahmeregelung berufen könnten.
Geprüft wurde die Frage, ob die Einführung eines
Genehmigungssystems für den Anbau von Hanf für
landwirtschaftliche Zwecke sinnvoll ist.
Dagegen gibt es einige Einwände. Zunächst besteht die
Notwendigkeit einer verwaltungsmäßigen Organisation für eine
kleine Zahl von Genehmigungen; ferner gibt es praktische
Kontrollprobleme, da die Feststellung, ob die betreffenden
Pflanzen der Genehmigung entsprechen, sehr spezialiserte
Kenntnisse erfordert. Die Gefahr einer Maskierung des
illegalen Anbaus durch legalen Anbau ist nicht undenkbar.
Günstiger wäre es, den Anbau erlaubter Hanfrassen nur im
Freien zu gestatten. Auf diese Weise stände der Anbau unter
Glas in allen Fällen im Widerspruch zum
Betäubungsmittelgesetz.
Wir werden darauf hinwirken, daß im Einvernehmen mit dem
Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Fischerei der
Erlaß vom 18. Oktober 1976 so geändert wird, daß der
großflächige Anbau in Räumen und der Anbau nicht erlaubter
Rassen besser bekämpft werden können.
Die stark auf Prävention und Betreuung ausgerichteten
Maßnahmen haben dazu geführt, daß die gesundheitliche
Verfassung der in den Niederlanden wohnhaften Süchtigen besser
ist als die von Süchtigen in Nachbarländern. HIV-Infektionen
bei Drogenabhängigen liegen weniger häufig vor als anderswo
und nehmen weiter ab. Die Sterblichkeit unter niederländischen
Drogenabhängigen ist niedrig und nimmt im Gegensatz zu vielen
anderen europäischen Ländern nicht zu. Das Kabinett nimmt die
bisher erreichten Ergebnisse zum Anlaß, das pragmatische, auf
die Begrenzung der gesundheitlichen Schäden ausgerichtete
Vorgehen in seinen Grundzügen fortzusetzen.
Inzwischen sind jedoch einige ungünstige Nebenwirkungen
aufgetreten, die eine Kurskorrektur in Einzelbereichen
notwendig machen. Die von niederländischen und ausländischen
Drogenkonsumenten verursachten Straftaten und sonstigen
Probleme haben in vielen Gemeinden eine kritische Grenze
überschritten und müssen aus diesem Grund reduziert werden.
Diese Nebenwirkungen schwächen darüber hinaus die
gesellschaftliche Akzeptanzbereitschaft für die auf die
soziale Integration der Konsumenten ausgerichteten Maßnahmen.
Die niederländische Drogenpolitik wird in den kommenden Jahren
auf die Beseitigung der für die Volksgesundheit nachteiligen
Folgen des Drogenkonsums ausgerichtet bleiben, aber
gleichzeitig zum Ziel haben, die soziale Belastung zu
reduzieren.
Auch die Anziehungskraft, die der niederländische Drogenmarkt
auf Konsumenten aus Nachbarländern ausübt, und die Kritik, die
die als tolerant bezeichnete niederländische Haltung in
anderen Ländern hervorruft, zwingen zu Kurskorrekturen.
Schließlich ruft das zunehmende Engagement krimineller
Organisationen beim Nachschub und Verkauf von Drogen im In-
und Ausland zu Recht große Besorgnis hervor. Die zunehmende
wirtschaftliche Macht der organisierten Kriminalität ist auch
in den Niederlanden ein großes und dringendes Problem.
Abgesehen von diesen Komplikationen muß man sich darüber im
klaren sein, daß sich der Charakter der Drogenproblematik
fortwährend ändert. Unter Jugendlichen hat Heroin ein
"Verlierer-Image" bekommen, hingegen der Konsum synthetischer
Drogen wie Ecstasy nimmt rasch zu. Synthetische Drogen können,
je nach dem Umfeld, in dem sie konsumiert werden, der
Gesundheit großen Schaden zufügen. Sie werden daher den harten
Drogen zugerechnet. Die Bekämpfung dieser Drogen erfordert
spezifische Maßnahmen. Eine andere Entwicklung mit erheblichen
drogenpolitischen Implikationen ist der intensive Konsum
weicher und harter Drogen innerhalb sozialer Randgruppen. Die
Suchthilfe kann hier nur dann effektiv sein, wenn sie in einen
breiteren Rahmen gestellt wird und Maßnahmen zur Verbesserung
der Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsmarktchancen
beinhaltet. Die vom Kabinett in enger Zusammenarbeit mit den
beteiligten Gemeindeverwaltungen für die großen Städte
ergriffenen Maßnahmen, die eine Integration sozial gefährdeter
Jugendlicher zum Ziel haben, bieten hierfür gute
Möglichkeiten.
Das Kabinett ist der Auffassung, daß bei einer Freigabe harter
Drogen möglicherweise mehr sozial gefährdete Jugendliche
solche Drogen nehmen würden - mit allen damit
zusammenhängenden Gesundheitsrisiken. Risiken, die für das
Kabinett Grund genug sind, diese Option zu verwerfen. Die
erfreulich geringe und weiter sinkende Anzahl Drogenabhängiger
unter 21 Jahren ist eine wichtiges Ergebnis der
niederländischen Drogenpolitik, das nicht aufs Spiel gesetzt
werden darf.
Hinsichtlich der weichen Drogen stellt sich die Situation
etwas anders dar. Die niederländischen Erfahrungen mit den
Coffeeshops haben gezeigt, daß durch die größere Verfügbarkeit
dieser Drogen keine unannehmbaren Risiken für die
Volksgesundheit entstehen. Die Coffeeshops sind für
Jugendliche ein Puffer zur kriminellen Szene, in der mit
harten Drogen gehandelt wird, und erfüllen damit eine
nützliche soziale Funktion. Die Frage stellt sich, ob man die
Lieferung weicher Drogen an Coffeeshops nicht legalisieren
sollte. Eine vorbehaltslose Liberalisierung, d.h. die völlige
Kommerzialisierung des Handels mit weichen Drogen, ist unserer
Auffassung nach nicht wünschenswert. Der Drogenkonsum muß u.a.
durch Aufklärung bekämpft werden. Man könnte auch an die
Einführung eines staatlichen Monopols oder eines
Genehmigungssystems denken. Damit wären sicherlich Vorteile
verbunden. Die Rolle krimineller Organisationen im Bereich der
Coffeeshops könnte so begrenzt werden. Gegen diese Option
sprechen jedoch vertragliche Verpflichtungen, die die
Niederlande eingegangen sind.
Die Einführung eines
Genehmigungssystems bringt großen Durchführungs- und
Kontrollaufwand mit sich. Von einer Legalisierung des Anbaus
von weichen Drogen und/oder des Handels mit weichen Drogen
ginge darüber hinaus wahrscheinlich eine Sogwirkung aus,
wodurch sich die von ausländischen Drogentouristen
verursachten Probleme noch verschärfen würden. Beschränkt sich
die Legalisierung auf die Niederlande, ist ferner damit zu
rechnen, daß das organisierte Verbrechen weiterhin für die
Durchfuhr in andere Länder sorgt und daher weiterhin bekämpft
werden muß.
Die Nachteile wiegen für das Kabinett schwerer als die
praktischen Vorteile. Bestimmte Schwierigkeiten in bezug auf
die Coffeeshops können besser gelöst werden, indem man die
Möglichkeiten der Betäubungsmittelverträge nutzt, z.B. durch
die Anpassung der Maßnahmen der Staatsanwaltschaften im
Bereich des Strafprozeßrechts, und dies in Verbindung mit
neuen administrativen Regelungen.
Das Kabinett bemüht sich um eine möglichst effektive Teilnahme
an den europäischen und internationalen drogenpolitischen
Diskussionen. Die Bereitstellung konkreter Informationen über
Hintergründe und Ergebnisse der niederländischen Politik steht
dabei im Vordergrund. Nach Auffassung des Kabinetts ist jedoch
der Spielraum für die Beeinflussung der europäischen
Diskussion geringer als häufig angenommen wird. Es ist
unvermeidbar, daß kulturell und ideologisch bedingte normative
Überlegungen bei dieser Diskussion eine große Rolle spielen.
Der niederländische Beitrag zu der vom Kabinett angestrebten
internationalen und europäischen Diskussion über die Vor- und
Nachteile der Legalisierung weicher Drogen muß also behutsam
und mit angemessener Relativierung der eigenen Auffassungen
geleistet werden. In diesem Zusammenhang sollten auch Kontakte
zu strategisch wichtigen Partnern im Ausland hergestellt
werden.
Vertreter der niederländischen Wirtschaft, die über die
wirtschaftlichen Folgen der staatlichen Drogenpolitik besorgt
sind, können sich an dieser internationalen Diskussionen
beteiligen.
Die primäre Prävention soll einerseits mehr als heute auf den
Freizeitkonsum neuer Drogen wie Ecstasy und andererseits auf
den mehr problematischen Drogenkonsum unter sozial gefährdeten
Gruppen ausgerichtet sein. Für die Aufklärung, Schulung und
Planung auf dem Gebiet der Drogenprävention soll ein
überregionaler Stützpunkt geschaffen werden.
Das Hilfsangebot muß besser abgestimmt werden. Hierbei geht es
u.a. um eine bessere gegenseitige Abstimmung der verschiedenen
Hilfsangebote wie die Methadonabgabe und Projekte in bezug auf
Schulung, Arbeit und Wohnen. Mehr als in der Vergangenheit
soll den Drogensüchtigen ein integrales Betreuungsangebot nach
Maß gemacht werden, das nicht nur Rechte sondern auch
Pflichten beinhaltet. Mehr Aufmerksamkeit soll in diesem
Zusammenhang auch dem case-management gelten.
Ein flexibleres und umfassenderes Präventions- und
Hilfsangebot erfordert auch eine klare Handlungs- und
Finanzierungsstrategie. Aus diesem Grund will das Kabinett
eine Untersuchung in Auftrag geben, um herauszufinden, ob die
heutige regionale Organisation der ambulanten Suchthilfe in 23
Zentrumgemeinden auch nach Auslaufen der Geltungsdauer des
Interimgesetzes zur Förderung der Sozialen Erneuerung
(Tijdelijke Wet Stimulering Sociale Vernieuwing) am 1. Januar
1997 aufrechtherhalten werden kann. Im Hinblick auf die
notwendige Überwachung des Drogengeschehens werden wir für die
Teilnahme an den überregionalen Informationsveranstaltungen
ebenfalls eine gesetzliche Regelung treffen.
Eine sorgfältige Abstimmung der Maßnahmen zwischen allen
beteiligten Stellen ist erforderlich, um die
Begleiterscheinungen des Drogenkonsums in Grenzen zu halten.
Natürlich soll die Drogenhilfe die Betroffenen erreichen;
dennoch halten wir es für erforderlich, daß im Rahmen der
Betreuungsmaßnahmen die Sozialisierung der Süchtigen eine
zentrale Rolle spielt. Ein Katalog aufeinander abgestimmter
Maßnahmen ist hierbei entscheidend. Wichtig ist zunächst eine
Intensivierung der präventiven Maßnahmen. Das angekündigte
Aktionsprogramm der großen Städte, das umfassende Maßnahmen
zur Lösung der Jugendproblematik vorsieht, legt die dafür
erforderlichen Fundamente. Durch die Verbesserung der sozialen
Perspektiven für sozial gefährdete Jugendliche wird das Übel
an der Wurzel angepackt. Ferner muß die Suchthilfe
niederschwellig und differenziert sein. Auch für Klienten der
Suchthilfeeinrichtungen ist die Schaffung einer sozialen
Perspektive u.a. in Form von Schulung und Arbeit entscheidend.
Gleichzeitig sollen gegen Drogenabhängige, die weiterhin die
Ordnung stören und kriminelles Verhalten an den Tag legen,
Strafmaßnahmen ergriffen werden. Auch Einrichtungen der
Suchthilfe müssen sich an diese drogenpolitischen Richtlinien
halten. Schließlich soll auch für eine ausreichend große
Anzahl Gefängniszellen gesorgt werden, damit hartnäckige
Täter, auch solche, die gegen Gemeindeverordnungen verstoßen,
bestraft werden können.
Die Verhütung und Bekämpfung von Ordnungsstörungen ist ein
klar definierter Bestandteil der Sicherheitsvereinbarungen für
die großen Städte. Unter anderem für diese Maßnahmen stellt
das Kabinett in den kommenden vier Jahren zusätzliche Mittel
zur Verfügung (insgesamt 375 Millionen für die Verbesserung
der Lebensumwelt und der Sicherheit). In diesem Rahmen sollen
die vier großen Städte die Initiative bei der Organisation
einer strengeren zentralen Regie auf lokaler Ebene ergreifen,
um so ein konsequentes und integriertes Vorgehen zu
ermöglichen. Die Hilfseinrichtungen, Polizei, Justiz und
Delinquentenfürsorge sind hieran direkt beteiligt. Das Budget
für die Reform der Betreuungsmaßnahmen zur Verminderung der
Drogenprobleme beträgt 1995 37 Millionen und wird ab 1996 um
insgesamt 12,5 Millionen (auf dauerhaft 49,5 Millionen)
erhöht.
Zur Gewährleistung einer adäquaten Durchführung der
Maßnahmen der Regierung und der großen Städte in bezug auf die
Sicherheit und die Drogenproblematik soll eigens eine
Projektgruppe, die Überbehördliche Projektgruppe Sicherheit
und Suchthilfe (Interbestuurlijke Task Force Veiligheid en
Verslavingszorg), ins Leben gerufen werden. Dieser
Projektgruppe, der bevollmächtigte Koordinatoren der Regierung
und der Gemeinden angehören sollen, ist u.a. die Aufgabe
zugedacht, für die rasche Durchführung der in diesem Bericht
vorgesehenen Maßnahmen zu sorgen und im Falle von
Verzögerungen bei der Regierung oder den Gemeinden, die
zuständigen Stellen zu beraten.
Nach dem Vorbild der erfolgreichen Polizeiaktion "Victor", die
dieses Jahr in Rotterdam stattfand, werden bei der Polizei und
im Strafvollzug ständig Kapazitäten für gezielte Maßnahmen
gegen sich regelwidrig verhaltende niederländische und
ausländische Drogenabhängige reserviert. Ausländische
Drogenabhängige, die sich strafbar machen, sollen
erforderlichenfalls direkt ausgewiesen werden, auch wenn es
sich um EG-Bürger handelt. Die Zusammenarbeit mit Polizei- und
Justizbehörden in den Nachbarländern soll intensiviert werden.
Unter anderem im Rahmen der EU soll darauf hingewirkt werden,
daß die Suchthilfe in gewissen Ländern verbessert wird, so daß
es für die niederländischen Gerichte einfacher wird, die
Unterbringung ausländischer Drogenabhängiger in Suchtkliniken
ihres Herkunftslandes anzuordnen.
Der Minister des Innern wird eine Gesetzesvorlage einreichen,
die für die Gemeinden mehr Möglichkeiten vorsieht, den Zugang
zu Wohnungen, die zum Drogenhandel benutzt werden, zu
unterbinden. An mehren Orten in den Niederlanden sollen nach
dem Amsterdamer Vorbild Meldestellen für Probleme mit
Drogenabhängigen eingerichtet werden, die Vermittlungsaufgaben
wahrnehmen und Informationen sammeln.
Im Rahmen der stationären Behandlung war man bislang fast
ausschließlich darum bemüht, die Abstinenz, d.h. die völlige
und bleibende Drogenfreiheit der Klienten, zu erreichen. Für
die meisten Süchtigen ist dieses Ziel, vor allem, wenn es
kurzfristig erreicht werden soll, zu hoch gegriffen. Auch bei
der stationären Behandlung wird das Nebenziel oder sogar das
Hauptziel häufiger eine verbesserte soziale Anpassung sein. Wo
nötig und möglich wird dafür ein strafrechtlicher Titel
angewendet werden.
Im Jahre 1996 soll eine gerichtsmedizinische Suchtklinik
eröffnet werden. Diese Klinik ist für Süchtige bestimmt, die
schwere Straftaten begangen haben und intensiver Betreuung
bedürfen. Die Klinik wird 70 Betten zählen.
Im Rahmen der bereits angelaufenen Maßnahmen zur Verminderung
der Folgeerscheinungen des Drogenkonsums soll auch mehr Raum
für Projekte geschaffen werden, bei denen Drogenabhängige,
denen eine Gefängnisstrafe droht, zu einer stationären oder
aber auch ambulanten Behandlung motiviert werden sollen. Auf
die Behandlung soll dann eine intensive Betreuung durch
Resozialisierungseinrichtungen folgen, wobei auch die
Einhaltung der Auflagen kontrolliert werden soll. Die
Ministerin der Justiz wird im Einvernehmen mit der
Staatsanwaltschaft hierfür 500 der 1996 zusätzlich
bereitstehenden Zellen reservieren.
Im Rahmen der Maßnahmen zugunsten der großen Städte sollen ein
oder mehrere Versuche durchgeführt werden, bei denen
kriminelle Drogenabhängige in einer Art Sicherungsverwahrung
sozial wiedereingegliedert werden sollen. Die bereits erwähnte
Überbehördliche Projektgruppe Sicherheit und Suchthilfe wird
u.a. mit dieser Aufgabe betraut. Eine Unterbringung in dieser
Einrichtung für die Betreuung von Drogenabhängigen wird
vorerst noch auf der Grundlage der Aussetzung der
Untersuchungshaft erfolgen.
Zur Schaffung einer hierfür
geeigneten rechtlichen Grundlage wird die Ministerin der
Justiz eine entsprechende Gesetzesvorlage einreichen, die sich
zum Teil an den Vorschriften für die nicht mehr übliche
Unterbringung von Bettlern und Landstreichern in staatlichen
Arbeitshäusern orientieren soll. Diese Zwangsaufnahmen könnten
die Gerichte für mindestens drei Monate und höchstens ein oder
zwei Jahre anordnen. Für das Ausbildungs- und Arbeitsprogramm
sollen die Gemeinden Sorge tragen. Die Gemeindeverwaltungen
der vier großen Städte haben ihre volle Mitarbeit bei der
Verwirklichung dieser Pläne zugesagt; Rotterdam und Amsterdam
haben sich außerdem bereit erklärt, einen Teil der Kosten zu
übernehmen. Begonnen wird mit einem Versuchsprojekt für etwa
100 Drogenabhängige in der Gemeinde Rotterdam. Die
Projektgruppe wird Vorschläge für eine Aufstockung der
Kapazität auf mindestens 300 Plätze unterbreiten, davon
mindestens 100 für Amsterdam.
Die strafrechtlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der
organisierten Kriminalität verlangen von Staat und
Gesellschaft in den Niederlanden große Opfer. Das Kabinett
hält dies in der heutigen Situation jedoch für unvermeidlich.
Die Ministerin der Justiz und der Minister des Innern werden
der Zweiten Kammer so rasch wie möglich nach Abschluß der
parlamentarischen Untersuchung einen aktualisierten
Aktionsplan zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
vorlegen.
Der Verkauf harter Drogen in den Coffeeshops steht in direktem
Widerspruch zur zentralen Zielsetzung der Politik in bezug auf
die Coffeeshops. Er soll daher immer entschlossen
strafrechtlich verfolgt werden.
Die Institution "Coffeeshop"
bedarf allerdings eindeutiger Verwaltungsregelungen. Die
lokalen Behörden müssen angesichts ihrer Verantwortung für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung dafür sorgen, daß diese
Betriebe so gelegen sind und betrieben werden, daß sie
möglichst wenig Störungen verursachen. Durch die Beschränkung
auf eine bestimmte Kategorie von Betrieben, nämlich
Gaststätten, in denen kein Alkohol zu bekommen ist und keine
Spielautomaten stehen, besteht die Möglichkeit, die
öffentliche Ordnung auf lokaler Ebene zu gewährleisten. Nähere
Regelungen (auf Gemeindeebene) sind erwünscht, um die
präventive Kontrolle von Betrieben in bezug auf die
Einrichtung, den Unternehmer, Geschäftsführer und Inhaber
verschärfen zu können. Vorbestrafte Personen erhalten keine
Konzession.
Solche Regelungen und zusätzliche Kontrollmaßnahmen werden zur
Erreichung des angestrebten Ziels in bezug auf die Coffeeshops
beitragen. Die Durchführung erfordert konkrete Vereinbarungen
zwischen Gemeindeverwaltungen, Polizei und Staatsanwaltschaft
im Rahmen der Dreiergespräche. Mittlerweile wurde in den
meisten größeren Gemeinden bereits eine drastische Reduzierung
der Anzahl der Coffeeshops beschlossen, in vielen Fällen auf
weniger als die Hälfte der heutigen Anzahl. Das Kabinett
unterstützt dieses "Sanierungsvorhaben". In der Nähe von
Schulen sollen überhaupt keine Coffeeshops mehr zugelassen
werden. Im Prinzip kann im Rahmen der Dreiergespräche
beschlossen werden, auf Coffeeshops völlig zu verzichten, wenn
in einer bestimmten Gemeinde kein Bedarf an einer solchen
Verkaufsstelle besteht.
Im Rahmen der allgemeinen Reform des Gesetzes über den Verkauf
alkoholischer Getränke im Handel und im Hotel- und
Gaststättengewerbe (Drank- en Horecawet) soll geprüft werden,
wie die Möglichkeiten für Gemeinden vergrößert werden können,
die entsprechenden Konzessionen zu verweigern oder
einzuziehen.
Die bereits genannte Projektgruppe Sicherheit und Suchthilfe
soll den Auftrag erhalten, für die Gemeindeverwaltungen, die
Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Bildungsanstalten ein
Gutachterbüro einzurichten, das über die
verwaltungsrechtlichen und juristischen Aspekte der
Drogenpolitik, darunter die Regelung in bezug auf Coffeeshops,
beraten soll.
Der Verkauf von weichen Drogen in Coffeeshops soll auf fünf
Gramm pro Kunde beschränkt werden. Coffeeshop-Inhaber, die
weiche Drogen verkaufen, die offensichtlich für den Export
bestimmt sind, sollen sofern möglich wegen Mithilfe beim
grenzüberschreitenden Handel verfolgt werden. Nach Ausländern,
die Handelsvorräte in ihr eigenes Land ausführen, soll zur
Abschreckung Dritter regelmäßig gefahndet werden. Zu diesem
Zweck soll, falls erforderlich, die Hilfe der ausländischen
Behörden in Anspruch genommen werden. Durch die Anpassung der
Richtlinie soll der Export von Partien für den Eigenverbrauch
bestimmter weicher Drogen in Nachbarländer unterbunden werden.
Das zunehmende Angebot von im eigenen Land angebautem
Cannabis, dem sog. Nederwiet, erfordert klare Maßnahmen. Die
Ministerin der Justiz beabsichtigt, eine Gesetzesvorlage
einzureichen, in der die gesetzliche Höchststrafe für den
Anbau von Cannabis von zwei auf vier Jahre erhöht wird. Bei
der Fahndung und Strafverfolgung soll dem großangelegten
gewerbsmäßigen Anbau von Cannabis Priorität gegeben werden.
Hiermit soll verhindert werden, daß Nederwiet ein
Exportprodukt wird. Der Heimanbau kleiner Mengen Nederwiet
durch Volljährige, der sich im Rahmen dessen bewegt, was in
den Dreiergesprächen vereinbart worden ist, erhält keine
Priorität bei der Fahndung und Strafverfolgung.
Wir betrachten das hier umrissene integrierte verwaltungs- und
strafrechtliche Konzept als wichtige Verbesserung zur
Kontrolle der Coffeeshops. So kann möglicherweise auch der
Einfluß krimineller Organisationen auf die Coffeeshops
verringert werden. Dies soll in den kommenden Jahren als
Prüfstein für die Coffeeshop-Maßnahmen dienen.
Auch verschiedene UNO-
Organisationen und der Europarat (Pompidou-Gruppe) führen
regelmäßig Untersuchungen auf diesem Gebiet durch. Die
niederländische Regierung legt großen Wert auf bessere und
miteinander vergleichbare statistische Untersuchungsergebnisse
über den Drogenkonsum. Sie tragen zu einer besseren
Beurteilung der drogenpolitischen Maßnahmen bei, was zu einer
Versachlichung der Diskussion führen kann, die dann weniger
durch Vorurteile und festgefügte Auffassungen beherrscht wird.
Auf diese Weise wird dann vermutlich das Verständnis für die
Ausgangspunkte und Auswirkungen der niederländischen
Drogenpolitik wachsen. Die Regierung wird u.a. im Rahmen der
EU und der UNO Initiativen zur Erweiterung des statistischen
und wissenschaftlichen Programms zur Erforschung des
Drogenkonsums ergreifen.
Im Rahmen der Reformvorhaben auf dem Gebiet der Betreuung soll
- unter Berücksichtigung bestimmter Aspekte der öffentlichen
Ordnung - der Kontrolle und Evaluierung mehr Aufmerksamkeit
geschenkt werden; es sollen u.a. regelmäßig
Verbraucherumfragen durchgeführt werden.
In Zusammenarbeit mit
der Niederländischen Vereinigung von Einrichtungen der
Suchthilfe (NeVIV) wurde mit qualitätsfördernden Maßnahmen ein
Anfang gemacht. Ferner hat die Ministerin für Gesundheit,
Gemeinwohl und Sport die Evaluierung präventiver Maßnahmen
vorgesehen. Der Stiftung Zukunftsszenarien Gesundheitswesen
(Stichting Toekomstscenario's Gezondheidszorg) wurde der
Auftrag erteilt, auch in bezug auf die Suchtproblematik
Zukunftsszenarien zu entwickeln. Auch hierbei
soll dem europäischen Kontext der Problematik Aufmerksamkeit
geschenkt werden.
Bei der Evaluierung der Coffeeshop-Maßnahmen sollen auch auf
die Trennung der Märkte für weiche und harte Drogen, auf die
Auswirkungen der Kommunalpolitik auf die öffentliche Ordnung
sowie auf die Rolle krimineller Organisationen in bezug auf
Coffeeshops (und deren Versorgung mit Drogen) geachtet werden.
Sowohl der
Drogenkonsum als auch die Drogenpolitik haben
grenzüberschreitenden Charakter. Das nunmehr entwickelte
drogenpolitische Konzept stützt sich auf das in den
vorangegangen Jahren geschaffene Fundament und bietet
gleichzeitig Möglichkeiten, rasch auf die nationalen und
internationalen Entwicklungen zu reagieren. Dieser Bericht ist
in unseren Augen ein für die Drogenpolitik wohlüberlegter
Schritt vorwärts.
Für die Durchführung dieser Pläne wurden Mittel aus den
Haushalten der Ministerien für Gesundheit, Gemeinwohl und
Sport, des Innern, der Justiz sowie aus den Budgets für die
Bekämpfung der Folgeerscheinungen des Drogenkonsums (SVO) und
den Maßnahmen zugunsten der großen Städte reserviert.
Quelle: Modell der Kommission betreffend den Aktionsplan und
Drogen (1995-1999)
Ein Vertrag, der keine Bestimmung über seine Beendigung
enthält und eine Kündigung oder einen Rücktritt nicht
vorsieht, unterliegt weder der Kündigung noch dem Rücktritt,
sofern
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die
Vertragsparteien die Absicht hatten, einen Rücktritt vom
Übereinkommen oder dessen Kündigung möglich zu machen, und
auch die Art des Übereinkommens scheint sich einer solchen
Befugnis zu widersetzen. Mit dem Durchführungsübereinkommen
haben die Parteien laut Präambel schließlich beabsichtigt, den
im EG-Gründungsvertrag vorgesehenen Binnenmarkt zu
verwirklichen. Dieses Ziel darf nicht konterkariert werden,
indem man das Übereinkommen, das das Prinzip des freien
Verkehrs von Personen in einem Raum ohne Binnengrenzen
realisiert, kündigt.
Die Schlußfolgerung muß sein, daß das Schengener
Durchführungsübereinkommen nicht gekündigt werden kann,
sondern höchstens geändert oder durch Gemeinschaftsrecht bzw.
durch Vereinbarungen zwischen allen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union ersetzt werden kann (vgl. Artikel 134, 141
und 142 des Durchführungsübereinkommens).
eine Straftat im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe
a) des Wiener Übereinkommens (d.h. des UNO-Übereinkommens von
1988) sowie alle anderen kriminellen Tätigkeiten, die für die
Zwecke dieser Richtlinie von den einzelnen Mitgliedstaaten als
solche definiert werden.
Sodann bestimmt Artikel 2 der Richtlinie, daß die
Mitgliedstaaten dafür sorgen, daß Geldwäsche im Sinne dieser
Richtlinie untersagt wird. Im niederländischen Recht ist die
Geldwäsche als Hehlerei strafbar. Es handelt sich dabei um
Handlungen in bezug auf Sachen - einschließlich Geld -, von
denen man weiß oder hätte annehmen müssen, daß sie aus einer
strafbaren Handlung stammen.
Aufgrund der Richtlinie müßte nun Hehlerei in bezug auf
Geld, das aus Delikten im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 des
UNO-Übereinkommens von 1988 stammt, verboten sein. Wenn man
bestimmte Formen der Herstellung von Cannabis oder
Cannabisprodukten und des Handels damit nicht mehr als
Straftat betrachtete, würden Handlungen in bezug auf den
Ertrag aus dieser Produktion oder aus diesem Handel auch nicht
mehr in den Bereich der verbotenen Hehlerei fallen. Die Frage
ist, ob dies eine Verletzung der gemeinschaftlichen
Verpflichtungen beinhaltet. Diese Frage muß im Lichte der
Erklärung der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der
Mitgliedstaaten, die gleichzeitig mit der Richtlinie
angenommen und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
veröffentlicht wurde, gesehen werden. Sie lautet wie folgt:
Die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der
Mitgliedstaaten
erinnern daran, daß die Mitgliedstaaten das am 19.
Dezember 1988 in Wien angenommene Übereinkommen der Vereinten
Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und
psychotropen Stoffen unterzeichnet haben,
erinnern ebenfalls daran, daß die meisten Mitgliedstaaten
am 8. November 1990 in Straßburg das Übereinkommen des
Europarats über das Waschen, das Aufspüren, die Beschlagnahme
und die Einziehung der Erträge aus Straftaten unterzeichnet
haben,
stellen fest, daß sich die Beschreibung der Geldwäsche in
Artikel 1 der Richtlinie 91/308/EWG im Wortlaut an die
entsprechenden Bestimmungen der obengenannten Übereinkommen
anlehnt,
verpflichten sich, spätestens bis zum 31. Dezember 1992
alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Strafvorschriften in
Kraft zu setzen, die ihnen gestatten, ihre aus den
obengenannten Rechtsakten erwachsenden Verpflichtungen zu
erfüllen.
Der Beweggrund für diese Erklärung muß in dem Umstand
gesucht werden, daß nach Auffassung des Rates eine
Verpflichtung, Geldwäsche unter Strafe zu stellen, nicht durch
das Gemeinschaftsrecht auferlegt werden kann, sondern einzig
und allein aus den Verpflichtungen hervorgeht, die die
Mitgliedstaaten aufgrund der zitierten Übereinkommen der UNO
und des Europarats auf sich genommen haben.
Wenn diese Interpretation korrekt ist, dann stellt der
Beschluß zur Legalisierung bestimmter Handlungen in bezug auf
Cannabis und Cannabisprodukte keine Verletzung der aus der
Richtlinie hervorgehenden Verpflichtungen dar.
Eine andere Frage ist, ob die mit der Richtlinie
abgegebene zwischenstaatliche Erklärung ein Rechtsakt ist, der
mit einem Vertrag gleichgesetzt werden kann und für die
Mitgliedstaaten untereinander bindende Verpflichtungen
begründet. Fest steht auf jeden Fall, daß die Erklärung in den
Niederlanden nicht den für die Genehmigung von Verträgen
vorgeschriebenen verfassungsrechtlichen Verfahren unterworfen
gewesen ist und auch nicht unter die Kategorien von Verträgen
fällt, für die keine parlamentarische Zustimmung erforderlich
ist. Daher muß davon ausgegangen werden, daß in jedem Fall die
niederländische Regierung die Erklärung lediglich als
politische Erklärung betrachtet hat, die höchstens die
damalige Regierung, jedoch nicht das Königreich als solches
bindet.
Angesichts dieser Sachlage könnte man den Schluß ziehen,
daß ein Legalisierungsbeschluß nicht gegen internationale
rechtliche Verpflichtungen aus der Richtlinie oder der im
Zusammenhang damit abgegebenen Erklärung verstoßen würde.
Unbeschadet der in den Artikeln 4, 5 und 5a sowie in
Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorgesehenen Maßnahmen
können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die
Verbringung von erfaßten Stoffen in das oder aus dem
Zollgebiet der Gemeinschaft untersagen, wenn der begründete
Verdacht besteht, daß die Stoffe zur unerlaubten Herstellung
von Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen bestimmt sind.
Die einzige Bestimmung in der Richtlinie (92/109/EWG),
die (u.a.) für die in Kategorie 3 aufgenommenen Stoffe von
Belang ist, ist Artikel 5, der die Mitgliedstaaten
verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit
eine enge Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und
den Wirtschaftsbeteiligten herbeigeführt wird und letztere
- die zuständigen Behörden unmittelbar von Umständen wie
ungewöhnliche Bestellungen oder Transaktionen bezüglich
erfaßter Stoffe unterrichten, die darauf hindeuten, daß solche
in den Verkehr zu bringenden bzw. herzustellenden Stoffe
möglicherweise zur unerlaubten Herstellung von Suchtstoffen
oder psychotropen Stoffen abgezweigt werden;
den zuständigen Behörden die von diesen verlangten
Informationen über ihre Geschäfte mit erfaßten Stoffen
übermitteln.
Ein Beschluß zur Legalisierung der Produktion von
Cannabis und Cannabisprodukten in den Niederlanden könnte zur
Folge haben, daß in der Praxis die Verordnung und die
Richtlinie in den Niederlanden etwas anders angewandt werden
als in anderen Mitgliedstaaten. Eine Verletzung dieser
Rechtsakte wäre hierdurch aber wohl nicht gegeben.
Die in Artikel 2 und in dieser Anlage genannten Arten
der Kriminalität werden von den zuständigen nationalen
Diensten aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften der
jeweiligen Staaten beurteilt (inoffizielle Übersetzung).
Sie soll es ermöglichen, daß in den verschiedenen
Mitgliedstaaten unterschiedliche Auffassungen über die
Notwendigkeit und die Art der Strafbarkeit der in Artikel 2
und in der Anlage bezeichneten strafbaren Handlungen gelten.
Dies führt zu dem Schluß, daß die Niederlande genau
genommen mit einem Beschluß zur Legalisierung die
Verpflichtungen aus dem Europol-Übereinkommen nicht verletzen
würden.
Solche Entscheidungen sind für die Parteien verbindlich;
sie sind verpflichtet, die Entscheidungen durchzuführen.
Dies impliziert, daß die betreffenden Räte auch befugt
sind, aufgrund der spezifischen Bestimmungen betreffend
Betäubungsmittel nähere Entscheidungen zu treffen, die für die
Parteien bindend sind.
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß "Parteien"
solcher Verträge einerseits die Gemeinschaften und ihre
Mitgliedstaaten und andererseits ein Drittstaat sind. Die
einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind also
nicht gesondert Partei des Vertrags.
Das geht auch aus der Tatsache hervor, daß der Vertrag
nur den Gemeinschaften und allen ihren Mitgliedstaaten
gemeinsam oder vom Drittstaat gekündigt werden kann. Die
Niederlande können sich nicht einseitig den Verpflichtungen
aus einem solchen Vertrag entziehen.
Der Standpunkt der Gemeinschaften und ihrer
Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Beschlußfassung in den
genannten Räten wird im voraus festgelegt, und zwar aufgrund
der für die Beschlußfassung zu dem jeweiligen Thema innerhalb
der Union geltenden Verfahren. Soweit es um die Bekämpfung der
Drogenabhängigkeit und des illegalen Drogenhandels nach
Artikel K.1 des Unionsvertrags geht, bedeutet dies, daß dieser
Standpunkt einstimmig eingenommen wird (vgl. Art. K.4 Abs. 3
EUV). In dieser Hinsicht haben die Niederlande also ein
Vetorecht, wenn Vorschläge unterbreitet werden, die zu
Maßnahmen verpflichten, welche ohne Änderung des
niederländischen Rechts oder der niederländischen politischen
Richtlinien nicht zu verwirklichen sind.
Angesichts der Tatsache, daß die gemischten Verträge mit
spezifischen Bestimmungen über die Zusammenarbeit im Kampf
gegen Betäubungsmittel neueren Datums sind, gibt es zu diesem
Punkt noch keine Durchführungserlasse.
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